Nach der militärischen Zerschlagung des deutschen Faschismus (8. Mai 1945)
machte man sich in den Westzonen sofort wieder auf den Weg, die Politik des
Revanchismus zu organisieren.
Für die geplante Gründung von Vertriebenenorganisationen und anderen
Zusammenschlüssen von Flüchtlingen bestand zunächst ein Koalitionsverbot sowie
eine Lizenzpflicht für Publikationen seitens der West-Alliierten. Mit Recht
wurde damals befürchtet, daß diese Zusammenschlüsse wiederum das Gedankengut
der deutsch-nationalistischen Expansionsbestrebungen verbreiten würden, und
zwar in der Tradition der "Heimatbünde" und des faschistischen "Bund Deutscher
Osten". Dieses Koalitionsverbot wurde Ende 1948 aufgehoben, da es sowieso auf
lokaler Ebene unterlaufen worden war.
Bei jedem Revanchistentreffen ...
Am 24. August 1949 gab es einen weiteren Zusammenschluß, nämlich den der auf
westdeutscher Ebene organisierten heimatpolitischen Verbände zu den
"Vereinigten Ostdeutschen Landsmannschaften" (VOL).
Bevor dann am 27. Oktober 1957 der Bund der Vertriebenen - Vereinigte
Landsmannschaften und Landesverbände (BdV) gegründet wurde, gab es noch
die Zwischenstationen, in dem der ZvD in den "Bund der vertriebenen Deutschen"
(BvD) - 18. November 1951 - und der VOL in den "Verband der Landsmannschaften"
(VdL) - 18. August 1952 - aufging. Die endgültige Konstituierung des BdV fand
am 14. Dezember 1958 in West-Berlin statt.
Der erste BdV-Präsident Dr. Hans Krüger war natürlich - wie sollte es auch
anders sein - ein strammer Nazi, der nach 1945 in der CDU Unterschlupf gefunden
hatte und von dort auch Unterstützung für seine weitere politische Karriere
bekam. Wähend seiner BdV-Präsidentschaft setzte Krüger im Auftrage der CDU die
Politik des Revanchismus im Vertriebenenverband durch.
Über seinen Einfluß schrieb die "Rheinische Post" am 18. November 1963:
"Kaum eine Regierungserklärung wurde in den letzten Jahren von Bonn
konzipiert, für die nicht der erste und bisher einzige BdV-Präsident im
Kanzleramt, meist unbemerkt von der Öffentlichkeit, vorgesprochen und Wünsche
geäußert hätte, die dann mehr- oder minder deutlichen Niederschlag fanden."
Im Dritten Reich war der Blut- und Sonderrichter Hans Krüger ein Spezialist bei
der Durchsetzung der faschistischen Ausrottungspolitik, der u.a. sechs Millionen
polnische Bürger zum Opfer fielen. Unmittelbar nach dem faschistischen Überfall
auf Polen wurde Krüger NSDAP-Ortsgruppenleiter und Richter im okkupierten Konitz
(Chojnice) und im November 1940 zum Oberamtsrichter beim dortigen Amtsgericht
ernannt sowie 1942 als "Stellvertreter in erster Linie" an das neugebildete
Sondergericht berufen. In den offiziellen Vernehmungen nach 1945 sagte der
polnische Bürger Pabich aus, daß bereits in den ersten Wochen von Krügers
Amtstätigkeit "rund 2000 Polen aus Chojnice umgebracht wurden, die bis zu ihrer
Ermordung in Krügers Amtsgerichtsgefängnis eingekerkert waren."
(6)
Und weiter heißt es in den Zeugenaussagen:
"Nach jeder Visite durch Krüger im Gefängnis
wurden die Inhaftierten sortiert und ein Teil von ihnen zur Hinrichtungsstätte
in das 'Tal des Todes' gefahren, wo sie ermordet wurden."
(7)
Die Überlebenden bezeugten, daß Krüger "der Schreck des Gefängnisses"
(8) war.
Um es noch einmal zu verdeutlichen: Dr. Hans Krüger war Faschist und
Nationalsozialist aus vollster Überzeugung. Frühzeitig bekannte er sich zu
Hitler und nahm natürlich auch - wie er selber angab - am 9. November 1923
am Hitlerputsch gegen die Weimarer Republik teil. Ab 1933 war er aktives
Mitglied der NSDAP und verschiedener anderer nationalsozialistischer
Organisationen. Besonders aktiv war Krüger in dem nach 1933 von den Nazis
gegründeten und dominierten "Bund Deutscher Osten" (BDO), der ganz speziell
in den osteuropäischen Ländern die subversive Wühlarbeit koordinierte und
somit maßgeblich an der Vorbereitung des faschistischen Angriffskrieges von
Nazideutschland beteiligt war. Der "Bund der Vertriebenen" kann durchaus als
die Nachfolgeorganisation des faschistischen "Bund Deutscher Osten" bezeichnet
werden, und zwar gerade auch aufgrund vielfältiger personeller Kontinuitäten
aus der Zeit des Nationalsozialismus.
Am 16. Oktober 1963 wurde der erste BdV-Präsident Dr. Hans Krüger von dem
damaligen Bundeskanzler Ludwig Erhard
als "Vertriebenenminister" ins Bonner
Kabinett berufen. Allerdings mußte Krüger schon nach drei Monaten seinen Hut
nehmen. Enthüllungen der DDR und Polens über seine Nazivergangenheit lösten
weltweite Proteste aus und zwangen den Bonner Kanzler zur Entlassung Krügers.
Trotz allem behielt Krüger weiter sein Mandat und saß weiterhin als
Abgeordneter für die CDU-Fraktion im Bundestag.
... Deutschtümelei und Trachtentanz
Diese etwas ausführlichere Beschreibung des ersten BdV-Präsidenten soll ein
wenig verdeutlichen, welche Leute in Westdeutschland sofort wieder das Ruder
an sich rissen. Es ist offenkundig, daß an der Spitze der westdeutschen
Revanchistenverbände und -ministerien Personen standen, die sich schwerer
Verbrechen gegen den Frieden und die Menschlichkeit schuldig gemacht hatten.
Diese Tatsachen werden im offiziellen BdV-Werbefaltblatt (natürlich)
schlichtweg unterschlagen, obwohl sie u.E. zum besseren Verständnis der
Vertriebenenpolitik beitragen würden.
Weitere Präsidenten des BdV nach Krüger waren
Wenzel Jaksch (Vorsitzender
der Seliger-Gemeinde, 1953-66 hessischer SPD-MdB), am 1. Februar 1964 gewählt
und am 27. November 1966 tödlich verunglückt, der vor 1945 "Führer der
Sudetendeutschen Sozialdemokraten" war, und
Reinhold Rehs (12. März 1967 bis
zum 15. März 1970). Im Gegensatz zum folgenden vierten BdV-Präsidenten
Herbert Czaja waren Jaksch und Rehs eher unauffällig.
Herbert Czaja wurde am 15. März 1970 von der BdV-Bundesversammlung zum
Nachfolger von Rehs (der nicht mehr kandidierte) gewählt. Seine Präsidentschaft
endete am 23. April 1994. Mit Czaja, der langjähriges MdB war, stand ein
Deutschtümler und völkisch-nationalistischer CDU-Hardliner 24 Jahre lang
an der Spitze des BdV. Als gleichzeitiger Sprecher der "Landsmannschaft der
Oberschlesier" fand er sich mit der Nachkriegsordnung in Europa, die in dem
Potsdamer Abkommen von den Alliierten festgelegt worden war, nicht ab. Das
Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 existiert für ihn weiter, und
dementsprechend zieht sich Czajas politisches Handeln wie ein brauner Faden
durch die letzten Jahrzehnte.
Die im 2+4-Vertrag von der Bundesregierung anerkannte polnische Westgrenze
(Oder-Neiße-Grenze) ist für Czaja ein rotes Tuch. So skandierte er auf dem
"Tag der Oberschlesier" im Juli 1992 lauthals: "Anpasser, Maulwürfe, Wühlmäuse,
Verzichtler gibt es überall! Aber wir lassen uns unser Oberschlesien nicht
nehmen, weder von Warschau noch von Bonn!". Im Februar 1990 drohte Czaja
laut TAZ mit "anhaltenden nationalistischen Unruhen" und auf dem Bundestreffen
der "Oberschlesier" im Juni 1990 peitschte er auf einer Kundgebung zigtausende
Ewiggestrige ein: "Die Oberschlesier verlangen nicht Gebiete Polens und keine
'Eroberung' " Es gehe "um ein Viertel von jenem Deutschland, das der Versailler
Vertrag uns belassen hat, [...] um alte deutsche Provinzen, Regionen und Stämme,
in denen über acht Jahrhunderte Deutsche unerhört Wertvolles geleistet haben."
Nach dem "völker- und menschenrechtlichen Delikt der Massenvertreibung" seien
ein "Ausgleich" und vorweg "wirksame Volksgruppenrechte unabdingbar". Sonst
drohe der "Unruheherd des Revisionismus". (TAZ, 25.6.90)
Für die 'Antikommunistische Weltliga' (WACL) war Czaja in der BRD der
Ansprechpartner: "Wir stehen in Verbindung mit sämtlichen
Vertriebenenverbänden. Der maßgebende Mann ist für uns dabei deren Präsident,
der Bundestagsabgeordnete Dr. Czaja" - so sagte der BRD-Delegierte im WACL
Schall im Juni 1988. (Quelle: BdV-Organisationsprofil, Lupe e.V. 1995)
Inzwischen bekleidet Herbert Czaja keine politischen Ämter mehr, er hat sich
gewissermaßen zur Ruhe gesetzt. Dafür hat der "Vertriebenenrentner" ein Buch
mit dem Titel "Unterwegs zum kleinsten Deutschland? Marginalien zu 50 Jahren
Ostpolitik" auf den Markt geschmissen. Die über 1000 Seiten zeigen es uns noch
einmal ganz klar, Herbert Czaja ist und bleibt ein erzreaktionärer Revanchist.
Wie auch kaum anders zu erwarten war, hat Czaja einen würdigen Nachfolger gefunden. Am 23.4.1994 wurde der bayerische CSU-Bundestagsabgeordnete und gebürtige Sudetendeutsche Fritz Wittmann in Berlin zum neuen BdV-Chef gewählt.
Die Grenzen Deutschlands sind für Wittmann diejenigen von 1937 (SZ, 26.7.89),
und Schlußstriche lehnt Wittmann mit Verweis auf "Sitte und Treue" ab, was er
besonders bezüglich des "deutschen Eigentums an Grund und Boden" in den
östlichen Nachbarländern verstanden wissen will. In diesem Zusammenhang drohte
er in seiner Einstandsrede als BdV-Präsident, "das verletzte Rechtsbewußtsein
der Heimatvertriebenen zu heilen" (TAZ, 25.4.94)
Der BdV wird also auch unter Wittmann nicht nur das bleiben, was er immer
gewesen ist - nämlich eine friedensgefährdende Vereinigung -, er wird dieses
Potential künftig auch nutzen, um durch völkisch-revanchistische Wühlarbeit
Osteuropa nach Kräften zu destabilisieren. Die Konsequenz kann da nur lauten:
Die Machenschaften von BdV und anderen Revanchistenverbänden aufdecken und
bekannt machen!
Anmerkungen: