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Tue Jul 21 17:04:18 1998
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Die Sudetendeutsche Landsmannschaft (SL)
Entstehung / Geschichte / Struktur
Die Sudetendeutsche Landsmannschaft (SL), eine der aggressivsten
revanchistischen Landsmannschaften im BdV, durch Schirmherrschaft
der Regierung Bayerns seit 1954 kräftig unterstützt, macht
alljährlich mit ihren Pfingsttreffen ("Sudetendeutscher Tag") auf
sich aufmerksam. Da sind immer wieder Äußerungen zu hören wie
"das Unrecht der Vertreibung", "die offene deutsche Frage",
"Selbstbestimmungsrecht auch für Sudetendeutsche", "Recht auf
Heimat", "Gerechtigkeit schafft Frieden" sowie die Forderung
"Rückgabe des Sudetengebiets an die Sudetendeutschen". Wer oder
was ist ein Sudetendeutscher? Die SL definiert das in ihrer
Satzung wie folgt: (§4)
- 1.
- Sudetendeutscher ist ein Deutscher,
der in einer Gemeinde der Länder Böhmen, Mähren oder Schlesien
geboren ist oder das Heimatrecht hatte.
- 2.
- Als Sudetendeutscher gilt ein Deutscher, der von mindestens
einem Eltern- oder Großelternteil, der Sudetendeutscher ist,
abstammt oder mit einem Ehegatten, der Sudetendeutscher ist oder
als Sudetendeutscher gilt, verheiratet ist.
- 3.
- Als Sudetendeutscher gilt auch ein Deutscher, der in einer
Gemeinde der Länder Böhmen, Mähren oder Schlesien längere Zeit
gewohnt hat und seine Verbundenheit mit der deutschen Volksgruppe
bekundet.
- 4.
- Einem Sudetendeutschen gleichgestellt ist auch ein Deutscher,
der den Zweck der Sudetendeutschen Landsmannschaft (§3) bejaht
und seine Verbundenheit mit der sudetendeutschen Volksgruppe
durch den Erwerb der Mitgliedschaft der Sudetendeutschen
Landsmannschaft bekundet."
(Jahrweiser für Amtsträger der SL, 1986)
Im Vertrag über die gegenseitigen Beziehungen der CSSR und
der BRD vom Dezember 1973 heißt es in Artikel IV: "2) Sie
erklären, daß sie gegeneinander keinerlei Gebietsansprüche haben
und solche auch in Zukunft nicht erheben werden." Merkwürdig ist,
daß die Politik der SL, die gegen die von der BRD abgeschlossenen
völkerrechtlich gültigen Verträge verstößt, von führenden
Politikern aus CDU/CSU verbal und finanziell unterstützt wird. Im
folgenden soll über die SL bezüglich ihrer Entstehung,
Gliederung, Aktivitäten und ihrer Unterstützung durch CDU/CSU
informiert werden.
Warum wurden die Deutschen aus der Tschechoslowakei ausgewiesen?
Da die SL ständig behauptet, daß die in dem Potsdamer Abkommen
(August 1945) beschlossene Ausweisung der Deutschen aus der
wiederhergestellten Tschechoslowakei "Unrecht" gewesen sei,
kommen wir nicht daran vorbei, uns die politischen Ereignisse
zwischen 1918 und 1945 ins Gedächtnis zu holen. Als Ergebnis des
ersten Weltkrieges zerfiel die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn.
Die Tschechen und Slowaken erkämpften sich nach
jahrhundertelanger Unterdrükkung wieder staatliche
Selbständigkeit und nationale Unabhängigkeit. Im Friedensvertrag
der Siegermächte des ersten Weltkrieges vom 6. September 1919 in
St. Germain mit Österreich wurden die Errichtung der CSR
bestätigt und die Grenzen zwischen Österreich und der
Tschechoslowakei festgelegt. Die Grenzen Deutschlands wurden im Vertrag
von Versailles festgelegt.
Als Antwort auf den Vertrag von St. Germain wurden in Teilen der
deutschen Minderheit Forderungen nach Anschluß an "Deutsch-Österreich"
bzw. die Errichtung eines "eigenen Staates Böhmen-Mähren" laut. Die
Alliierten und die Regierung der CSR wiesen diese Forderungen
zurück. Die CSR gewährte aber der deutschen Minderheit
demokratische Rechte, weitgehende Kulturautonomie u.a.m.. Seit
Kriegsende bildeten sich unter den Deutschen in der CSR
nationalistische und faschistische Gruppierungen und Parteien,
welche die neu gegründete CSR zerschlagen wollten, so z.B. die
völkische "Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei"
(DNSAP) und die von Dr. Rudolf Ritter Lodgman von Auen geführte
"Deutsche Nationalpartei" (DNP)
Dr. Rudolf Ritter Lodgman von Auen (Jahrgang 1877)
1911 Mitglied des Österreichisch-Ungarischen Reichsrates in der Donaumonarchie
1918 Landeshauptmann von Böhmen und Mähren
1919 Vorsitzender der "Deutschen Nationalpartei" DNP (bis 1925)
1948 Präsidiumsmitglied der "Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen"
1949 Sprecher der SL (bis 1959)
Am Tag des Einmarschs der NS-Wehrmacht in die CSR im Oktober 1938 sandte von
Auen ein Telegramm an Hitler, in dem es u.a. hieß: "Am Tage des
Einmarsches der deutschen Truppen in Teplitz-Schönau begrüße ich
Sie, mein Führer, als Vertreter des Reiches aus übervollem Herzen
[...] Sie, mein Führer, haben uns Vaterland und Heimat, dem
deutschen Volk die Selbstachtung und den Glauben an seine
nationale Idee gegeben." Dr. Lodgman von Auen unterzeichnete mit
"einst Landeshauptmann von Deutschböhmen".
Die DNP zerfiel Mitte
der zwanziger Jahre, viele Mitglieder schlossen sich der DNSAP
an. Die DNSAP hat sich Anfang Oktober 1933, einen Tag vor ihrem
Verbot durch die Regierung der CSR, aufgelöst.
Am 1. Oktober 1933 rief der Turnlehrer
Konrad Henlein zur Gründung der
"Sudetendeutschen Heimatfront" (SHF) auf: "Ich rufe daher über
alle Parteien und Stände hinweg zur Sammlung des gesamten
Sudetendeutschtums auf und stelle mich an die Spitze dieser
Bewegung."
Kundgebung der SHF 1934
Der SHF schlossen sich die Mitglieder der aufgelösten
faschistischen Parteien sowie die mitgliederstarke
"Sudetendeutsche Turnerschaft" an. Was hier unter "turnen" zu
verstehen ist, führte Henlein 1939 bei einer Sitzung des
Verbandsturnrates aus: "Der allgemeine Turnbetrieb ist die
Grundlage zur Schaffung eines wehrkräftigen Körpers. [...] Der
wehrkräftige Mann muß vor allem lernen: a) Marschieren [...], b)
Geländeturnen [...], c) Kleinkaliberschießen [...], d)
Kartenlesen." (Jahn, Rudolf: Konrad Henlein, Karlsbad-Drahowitz
1938, S.83) Die engsten Berater Henleins waren Mitglieder des
"Kameradschaftsbundes" (KB). Die Funktion des KB innerhalb der
SHF war ähnlich der späteren Funktion des "Witikobundes" (WB) in
der SL. Einige KB-Mitglieder waren später auch beim WB, so z.B.
Walter Brand (Leiter der Kanzlei Henleins, 1950-52 Vorsitzender
des WB) und Walter Becher (1956-58 WB-Vorsitzender).
Die SHF wurde aus dem faschistischen Deutschland durch den "Volksbund für
das Deutschtum im Ausland" (VDA) und den "Volksdeutschen Rat"
(VR) unterstützt und entwickelte sich zur fünften Kolonne
Hitlers, die den Staat Tschechoslowakei zerschlagen sollte.
Zu den Wahlen am 19. Mai 1935 mußte die SHF sich in "Sudetendeutsche
Partei" (SdP) umbenennen. Die SdP wurde von fast 70% der
deutschen Minderheit in der CSR gewählt und wurde stärkste Partei
im Prager Parlament. Henlein hatte sich um keinen Parlamentssitz
beworben, Führer der SdP-Fraktion wurde Karl
Hermann Frank (früher DNSAP).
Nach der Gründung der SHF erklärte Henlein am 8.
Oktober 1933, daß die Deutschen und die Tschechen in diesen
Ländern jahrhundertelang nebeneinander gelebt und in guten wie
schlechten Zeiten ihr Schicksal gemeinsam getragen hätten. Die
Sudetendeutschen empfänden viel zu sehr die Kraft ihrer
Vergangenheit, um ernsthaft an eine Zerreißung dieses Gebietes
denken zu können.
Diese eher loyalen Töne wurden mit der Zeit
immer provozierender. So proklamierte Henlein auf dem Parteitag
der SdP am 24. April 1938 das "Karlsbader Programm", in dem es
u.a. hieß:
- Anerkennung der sudetendeutschen Volksgruppe als Rechtspersönlichkeit
zur Wahrung dieser gleichberechtigten Stellung im Staate.
- Feststellung und Anerkennung des sudetendeutschen Siedlungsgebietes.
- volle Freiheit des Bekenntnisses zum deutschen Volkstum und
zur deutschen Weltanschauung.
Die Aktivitäten der SdP waren zeitlich sehr genau
mit denen der Hitlerfaschisten abgestimmt. Henleins SdP steigerte
ihre Aktivitäten unmittelbar nach dem Einmarsch der Wehrmacht in
Österreich am 13. März 1938 und der Einverleibung dieses Landes
in das "Deutsche Reich". Ende Juli 1938 marschierten unter
Führung Henleins in Breslau 30 000 sudetendeutsche Turner und
Turnerinnen in grauer Uniform an Hitler vorbei und skandierten:
"Ein Volk, ein Reich, ein Führer" und: "Heim ins Reich".
Im Oktober 1938 nach dem Einmarsch der Wehrmacht in weiten Gebieten
der CSR wurde der NSDAP-Gau "Sudetenland" mit Henlein als
Gauleiter errichtet, womit der CSR ein Drittel ihres Gebietes und
ihrer Bevölkerung und ca. 40% ihrer Industrie verloren gingen. Im
März 1939 folgte die Einverleibung des Rests der Tschechoslowakei
durch die Errichtung des "Protektorats Böhmen und Mähren".
15. März 1939: Einmarsch der Wehrmacht in Prag
Der Umstand, daß Hitler-Deutschland große
Teile der CSR-Bevölkerung als Arbeitskräfte brauchte, um den
Expansionskrieg vorzubereiten und führen zu können, bewahrte die
Bewohner der CSR vor dem Schicksal, das ihnen der "Führer" schon
1932 zugedacht hatte. Der Plan der Vertreibung und Vernichtung
der Tschechen blieb jedoch weiterhin gültig. Ein solcher Plan
wurde im April 1944 in Karlsbrunn von Reichsprotektor Karl
Hermann Frank einem auserwählten Kreis von NSDAP-Funktionären
vorgetragen:
"Das Fernziel nationalsozialistischer Reichspolitik
in Böhmen und Mähren muß auf die Wiedergewinnung des Bodens und
der auf ihm siedelnden Menschen für das deutsche Volkstum und für
die Reichsidee gerichtet sein. Um dies erreichen zu können, gibt
es zwei Möglichkeiten: entweder
- A.
- die totale Aussiedlung der Tschechen aus Böhmen und Mähren in ein
Gebiet außerhalb des Reiches oder
- B.
- bei Verbleiben des Großteils der Tschechen in
Böhmen und Mähren die gleichzeitige Anwendung vielfältigster der
Assimilation und Umvolkung dienenden Methoden nach einem X-Jahresplan.
Dabei können drei Grundlinien verfolgt werden:
- 1.
- Die Umvolkung der rassisch geeigneten, also blutmäßig für uns
erwünschten Tschechen.
- 2.
- Die Aussiedlung von rassisch unverdaulichen Tschechen und aller
destruktiven Elemente der reichsfeindlichen Intelligenzschicht.
- 3.
- Die Neubesiedlung dadurch frei gewordenen Raumes mit frischem Blut."
("Neue Kommentare", 7-8/1975, S.10/11)
Unter den Teilnehmern dieses
Treffens waren u.a. auch Personen, die später eine bedeutende
Rolle in der SL spielten:
- Dr. Franz Böhm, der ehemalige Leiter des Gaugerichts der NSDAP,
Vorsitzender des Bundesvorstands der
SL, ab März 1968 bis zu seinem Tod 1975 Vizepräsident des BdV.
- Rudolf Staffen, ab 30. Januar 1944 NSDAP-Gauamtsleiter und
Abschnittsleiter im Gau Sudetenland, bis zu seinem Tod Mitglied
der SL-Bundesversammlung und des SL-Bundesvorstands, SL-Bundesreferent
für binnendeutsche Aufklärung.
- Rudolf Wenzel, ehemals Mitglied des Führungsrates der SdP, NSDAP-
Reichstagsabgeordneter, seit 1939 SS-Sturmbannführer, Mitglied
der SL-Bundesversammlung, aktiver Mitarbeiter in der SL-
Bundesgeschäftsstelle.
Mai 1945: Die Rote Armee befreit Prag
Das faschistische
Deutschland verlor den Krieg, die Tschechoslowakei wurde
wiederhergestellt. Nicht zuletzt wegen des aktiven Mitwirkens der
Henlein-Faschisten an der Zerschlagung der bürgerlichen CSR und
der faschistischen Greueltaten bis 1945 verfügten die Alliierten
im Potsdamer Abkommen unter Artikel XIII "die Überführung der
deutschen Bevölkerung oder Bestandteile derselben, die in Polen,
Tschechoslowakei und Ungarn zurückgeblieben sind, nach
Deutschland".
Wie ist die Sudetendeutsche Landsmannschaft entstanden?
Landsmannschaftliche Zusammenschlüsse der Umsiedler wurden von
den Alliierten untersagt, da deren Ziel die Revision der
alliierten Abmachungen war. Ausgenommen von diesem
Koalitionsverbot waren örtliche Zusammenschlüsse der Umsiedler
zum Ziel der besseren Eingliederung der Neubürger.
In den westlichen Besatzungszonen wurde dieses Koalitionsverbot der
Alliierten unterlaufen. In "christlichen Hilfsstellen" und
"Hilfskomitees" begannen sudetendeutsche Henlein-Faschisten die
politische und organisatorische Planung der SL. In der Münchner
"Hilfsstelle der Sudetendeutschen" war von Anfang an Dr. Walter
Becher tätig, ehemals Redakteur beim NSDAP-Gauorgan "Die Zeit",
später langjähriger Sprecher der SL.
Von 1946 bis 1951 wurden
drei "sudetendeutsche Gesinnungsgemeinschaften" gegründet, deren
führenden Repräsentanten gemeinsam die Gründung der SL
vorbereiteten: die christliche "Ackermann-Gemeinde" (16.8.1946),
der völkische "Witikobund" (9.11.1947) sowie die
sozialdemokratische "Seliger-Gemeinde" (10.11.1951). Unterstützt
wurden diese Vorbereitungen vor allem vom späteren Bundeskanzler
Dr. Konrad Adenauer. Er beantragte am 10.4.1947 im Deutschen
Zonenbeirat der britischen Zone, "die britische Militärregierung
zu bitten, das Verbot der Bildung von Vertriebenen-Organisationen
aufzuheben".
Die "Eichstätter Erklärung"
Am 14.7.1947 gründeten
Richard Reitzner (SPD),
Hans Schütz (CSU),
Dr. Emil Franzel (CSU), Dr. Walter Becher (BHE (Bund der
Heimatvertriebenen und Entrechteten)/CSU) und
Dr. Ziegler in
München die "Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher
Interessen", die später in "Sudetendeutscher Rat" umbenannt
wurde. Nach seiner Übersiedlung von der sowjetischen in die
amerikanische Besatzungszone trat Dr. Lodgman von Auen dieser
"Arbeitsgemeinschaft" bei und wurde am 27.7.1948 in das Präsidium
aufgenommen. Trotz Koalitionsverbot wirkte diese
Arbeitsgemeinschaft nicht nur im Stillen, sondern nahm zu
internationalen Ereignissen Stellung, wie z.B. in dem Memorandum
über die "besondere politische und juristische Lage der
Sudetendeutschen", welches sie 1948 der Londoner Konferenz der
alliierten Mächte zukommen ließen. Im Dezember 1949, dem Jahr, in
dem Adenauer zum Kanzler der ersten Bundesregierung avancierte,
trafen sich Repräsentanten der drei sudetendeutschen
Gesinnungsgemeinschaften in Eichstätt. Dort einigte man sich auf
die "Eichstätter Erklärung", in der es u.a. heißt:
"Unsere unabdingbare Forderung ist die Rückgabe der Heimat in den Sprach-
und Siedlungsverhältnissen von 1937. [...] Keine Neugestaltung
Europas kann an dem zentralen Problem einer neuen
staatsrechtlichen Ordnung des Donauraumes und der übrigen von der
Sowjetunion seit 1945 besetzten und beherrschten Gebiete
vorübergehen. Gleichzeitig aber geht es um die Herstellung eines
tragbaren Verhältnisses zwischen Deutschland und seinen
westslawischen Nachbarn. Die Voraussetzung auch dafür wäre die
Bereitschaft der Tschechen und Polen, den vertriebenen Deutschen
ihre Heimat zurückzugeben."
Diese Erklärung wurde von 17 Personen unterzeichnet, z.B. von:
- Hans Schütz (MdB CSU),
- Dr.Hermann Götz (MdB CDU),
- Wenzel Jaksch (SPD),
- Richard Reitzner (MdB SPD),
- Dr. Walter Becher,
- Dr. Walter Brand (ehemals Chef der Kanzlei
Henlein),
- Ing. Friedrich Brehm (ehemals Hauptabteilungsleiter im
Rasse- und Siedlungshauptamt der SS, SS-Sturmbannführer) und
- Dr. Walter Hergl (ehemals SS-Sturmbannführer, Gauhauptstellenleiter
im NS-Gauamt für Kommunalpolitik, Spezialist für
"rassenpolitische Einbürgerung")
Am 14.2.1950 empfing Bundeskanzler Adenauer die sudetendeutschen Mitglieder
des Bundestags Hans Schütz (CSU), Richard Reitzner (SPD) sowie
Dr. Walter Zawadil-Veith (FDP) und bekam
von ihnen die "Eichstätter Erklärung" überreicht.
Die "Detmolder Erklärung"
Am 24./25. Januar 1950
fand in Detmold eine Beratung der Vertreter der inzwischen
gegründeten "sudetendeutschen landsmannschaftlichen
Landesverbände von Bayern, Hessen, Nordrhein/Westfalen,
Niedersachsen-Bremen und Schleswig/ Holstein-Hamburg" statt. Dort
wurde der "Hauptverband der Sudetendeutschen Landsmannschaft für
ganz Westdeutschland" gegründet, dessen vorläufiger Sprecher Dr.
Rudolf Lodgman von Auen wurde. Bei diesem Treffen wurde die
"Detmolder Erklärung" verabschiedet, in der auch "wesentliche
Gedanken der Eichstätter Erklärung" aufgenommen wurden. In dieser
heißt es u.a.:
"Die Sudetendeutsche Landsmannschaft betrachtet
sich als die außerhalb der Heimat gegebene Gestaltung der
sudetendeutschen Volksgruppe und diese als Glied des deutschen
Volkes. [...] Die sudetendeutsche Volksgruppe betrachtet es als
ihre Aufgabe, sich dem deutschen Volke zu erhalten, ihr
Heimatbewußtsein und den Rechtsanspruch auf ihre Heimat
wachzuhalten und ihr grenzdeutsches Erfahrungsgut dem Deutschtum
zu vermitteln. Ihr Ziel ist die Wiedergewinnung der Heimat. [...]
Sie will zum Zeitpunkt einer Gestaltungsmöglichkeit, die ihr die
Wiedergewinnung ihrer Heimat verspricht, geschlossen bereitstehen."
Das Prager Abkommen und die "Obhutserklärung für die Sudetendeutschen"
Am 23.6.1950 stellten die Regierungen von CSR und DDR in ihrer
Prager Erklärung u.a. fest: "Unsere beiden Staaten haben keine
Gebiets- oder Grenzansprüche. [...] ihre Regierungen betonen
ausdrücklich, daß die durchgeführte Umsiedlung der Deutschen aus
der CSR unabänderlich, gerecht und endgültig gelöst ist." Darauf
antwortete der Deutsche Bundestag mit der am 14.7.1950 gegen die
Stimmen der KPD beschlossenen "Obhutserklärung für die
Sudetendeutschen", worin es u.a. heißt: "Das Prager Abkommen ist
nicht vereinbar mit dem unveräußerlichen Anspruch des Menschen
auf seine Heimat. Der Deutsche Bundestag erhebt deshalb feierlich
Einspruch gegen die Preisgabe des Heimatrechtes der in die Obhut
der Deutschen Bundesrepublik gegebenen Deutschen aus der
Tschechoslowakei und stellt die Nichtigkeit des Prager Abkommens
fest." Auf diese "Obhutserklärung" aus dem Jahre 1950 beruft sich
die SL bis in die heutige Zeit.
Hans-Christoph Seebohm, erster Bundesminister als Funktionär der SL
Am 23. März 1950 trafen sich die damals amtierenden
Vorstandsmitglieder des "Witikobundes" Dr. Zawadil-Veith, Ing.
Staffen und Dr. Brand mit dem Bundesverkehrsminister Dr. Ing.
Hans-Christoph Seebohm (Deutsche Partei, später CDU). Die
"Witikonen" baten Seebohm, an führender Stelle in der SL
mitzuarbeiten. Wenige Wochen später, beim "1. Sudetendeutschen
Tag" in Kempten, gehörte Seebohm bereits zu den Hauptrednern und
wurde vom Hauptvorstand zum Stellvertreter des Sprechers der SL
gewählt. Er wurde Mitglied des "Sudetendeutschen Rates",
Präsident der SL-Bundesversammlung, Mitglied des Präsidiums des
BdV. 1959 wurde Bundesminister Seebohm als Nachfolger von Lodgman
von Auen Sprecher der SL. Somit war die SL nicht nur durch einige
Funktionäre im Bundestag, sondern auch am Bonner Kabinettstisch
vertreten. Seebohm war zwar kein "Vertriebener", doch beweist ein
Artikel im NSDAP-Gauorgan "Die Zeit" vom 3. Januar 1939 seine
wirtschaftlichen Interessen. Der Artikel berichtet über die
"Arisierung der Britannia-Kohlenwerke A.G." und dort heißt es:
"Die Verwaltungsratsmitglieder [...] haben ihre Mandate in dem
Verwaltungsrat der Britannia Kohlenwerke AG in Königswerth bei
Falkenau und der Vereinigten Britannia Kohlenwerke AG in Seestadt
bei Brüx niedergelegt. In den Verwaltungsrat der beiden
Gesellschaften sind durch Kooptierung getreten: [...], und
Bergassessor Dr. Hans-Christoph Seebohm."
Die Gliederungen der SL
Die SL ist auf verschiedenste Weise gegliedert. Zum einen besteht
die Gebietsgliederung auf Bundes-, Landes-, Kreis- und Ortsebene,
zum anderen bestehen sogenannte Heimatgliederungen, die sich in
Heimatlandschaften, Heimatkreisen und Heimatgemeinden aufteilen.
Organigramm der Sudetendeutschen Landsmannschaft
Der Bundesvorstand der SL
Der Bundesvorstand der SL versteht sich als "Regierung der
Sudetendeutschen Volksgruppe im Exil".
Die Bundesversammlung der SL
Die Bundesversammlung der SL, das höchste Gremium der SL, versteht
sich als "Exilparlament" und wird alle vier Jahre von Mitgliedern
der SL und der "Heimatgliederungen" gewählt. Die
Bundesversammlung der SL, der auch ein paar Vertreter der
Sudetendeutschen Landsmannschaft Österreich (SLÖ) angehören, tagt
regelmäßig im Münchener Maximilianeum, dem Parlamentsgebäude des
Landes, das die "Schirmherrschaft über die sudetendeutsche
Volksgruppe" übernommen hat. Dort wird dann neben der bayrischen
auch die sudetendeutsche Fahne aufgezogen.
Maximilianeum in München (Tagungsort der SL-Bundesversammlung)
Der Präsident der Bundesversammlung war 1986
Walter Stain. Stain war
Minister in der Bayerischen Staatsregierung (1954 bis 1962), Mitglied im
"Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten" (BHE) und wurde
im Oktober 1986 zum Bundesvorsitzenden des "Witikobundes"
gewählt.
Der "Sudetendeutsche Rat e.V." (SR)
Wie schon erwähnt, wurde der SR am 14.7.1947 gegründet. Der SR
kümmert sich um die sogenannte sudetendeutsche Heimatpolitik, die
Vertretung und Werbung ihrer revanchistischen Forderungen auf
Territorien der CSSR. Der SR nennt in einem Faltblatt aus dem
Jahr 1986 noch eine weitere Aufgabe: die "Koordinierung der
heimatpolitischen Bestrebungen der Sudetendeutschen mit den
Auffassungen der im Bundestag vertretenen politischen Parteien."
Der SR besteht aus 30 Mitgliedern, die eine Hälfte gewählt von
der Bundesversammlung der SL, die andere Hälfte benannt von im
Bundestag vertretenen Parteien. Der SR publiziert "Manifeste",
"Dokumentationen" und Erklärungen, welche auch in politischen
Kreisen der USA, Kanada, Großbritannien und in den
skandinavischen Ländern verbreitet werden. Die Geschäftsstelle
des SR befindet sich in dem "Sudetendeutschen Haus", Hochstraße
8, 81669 München.
Die Heimatgliederungen der SL
Die Heimatgliederungen sind
unterteilt in Heimatlandschaften, Heimatkreise und
Heimatgemeinden. Die Heimatlandschaften (z.B.: "Adlergebirge",
"Böhmerwald", "Egerland", "Kuhländchen") setzen sich aus
Heimatkreisen zusammen, "die durch ein gemeinsames landschaftlich
stammliches Kulturerbe der Heimat miteinander verbunden sind". In
den Heimatkreisen sind jene Heimatgemeinden zusammengefaßt, die
"den politischen Land- und Stadtkreisen der Heimat entsprechen
sollen". Die Heimatgemeinden bemühen sich mit Hilfe von
"Heimatsortskarteien" so viel wie möglich ehemalige Bewohner der
Orte in der Tschechischen Republik sowie ihre Nachkommen zu
erfassen und für die Tätigkeiten der sudetendeutschen
Organisationen und deren Politik zu interessieren. Die
sogenannten "Gemeinde-, Landschafts- und Heimatkreisbetreuer"
bilden den "Sudetendeutschen Heimatrat", deren Vorsitzender
automatisch Mitglied des Bundesvorstandes der SL als
"Bundesreferent für die Heimatgliederungen" ist. Dieser
"Heimatrat" tagt alljährlich im Spätherbst unter der Bezeichnung
"Sudetendeutscher Heimattag". Wesentlichen Anteil haben die
"Heimatgliederungen" der SL bei der Mobilisierung der
BesucherInnen zum "Sudetendeutschen Tag", an dem i.a. mehrere
100.000 BesucherInnen teilnehmen. Die "Heimatgliederungen"
publizieren sogenannte "Heimatblätter" (1986 waren es 65, die
Auflagen bewegten sich von wenigen hundert bis zu mehreren
tausend). Laut Presseinformation der SL anläßlich des
"Sudetendeutschen Tages" 1986 haben die "Heimatblätter" "zusammen
eine Auflage von 180.000 Exemplaren bei meist monatlicher
Erscheinungsweise".
Das Patenschaftswesen
Ein weiterer wichtiger Stützpfeiler der Revanchistenverbände sind
die Patenschaften, da sich hierbei die Länder und Kommunen der
BRD finanziell beteiligen. Am 15. Dezember 1953 vereinbarten die
Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände (Deutscher
Städtetag, Deutscher Landkreistag, Deutscher Gemeindetag und
Deutscher Städtebund) und der "Verband der Landsmannschaften"
(VdL, nach 1958 im BdV aufgegangen) die "Richtlinien für die
Übernahme von Patenschaften über ostdeutsche Gemeinden und
Landkreise". Hierin heißt es zum Inhalt der Patenschaften:
"3. Auf folgende Einzelmaßnahmen kann verwiesen werden:
- a)
- Führung von Heimatkarteien und Einrichtungen von Auskunftsstellen.
- b)
- Abhalten von Heimattreffen.
- c)
- Schaffung einer 'Heimatstube' oder eines 'Hauses' des
ostdeutschen Partners.
- d)
- Benennung von Straßen, Plätzen oder Gebäuden nach dem
ostdeutschen Partner oder nach seinen hervorragenden Bürgern.
- e)
- Anbringung des Wappens oder regelmäßige Hissung der Flagge
des ostdeutschen Partners;
Ausschmückung der öffentlichen Gebäude mit Bildern aus der alten
Heimat.
- f)
- Besondere Berücksichtigungen ostdeutscher Kulturgüter
in den öffentlichen Büchereien, in den Museen, in den
Ausstellungen, im Schulunterricht, in den Volksschulen usw.
- g)
- Sammlung von Kulturgut und Archivgut des ostdeutschen Partners.
- h)
- Gewährung von Unterstützung und Stipendien, von
Erholungsaufhalten für Kinder und sonstige Fürsorgemaßnahmen,
Beteiligung an Hilfsaktionen für die in der alten Heimat
verbliebenen Bürger."
Das Arbeits- und Sozialministerium des
Landes Nordrhein-Westfalen veröffentlichte 1961 eine Schrift mit
dem Titel "Das West-Ostdeutsche Patenschaftswerk in Nordrhein-
Westfalen", in dem es u.a. heißt:
"Durch diese Bindung eines
ostdeutschen Gemeindewesens an eine westdeutsche Kommune wird
aber auch vor aller Welt in entscheidener Weise zum Ausdruck
gebracht, daß diese Städte und Kreise eindeutig deutsch sind und
die Patengemeinden ohne Einschränkung als Zeugen und Verteidiger
für diese Tatsache einstehen [...] Die Menschen dieser
Stadtgemeinden, dieser Bürger- und Bauernschaften sind in ihren
Gemeinschaftsbildungen zu erfassen und zu sammeln, um den
Pulsschlag der alten Heimatgemeinschaften neu zu beleben. [...]
Kinder, die sonst keine Erinnerungen mehr an ihre alte Heimat
haben, werden hier neu in den Kreis eingeführt und erleben im
Verweilen und in den Gesprächen die Heimatgemeinschaft ihrer
Eltern". (S.10 f.)
Laut Presseinformation der SL zum
"Sudetendeutschen Tag" 1986 "haben 138 Gemeinden, Städte bzw.
Landkreise Patenschaften über sudetendeutsche Orte oder
Landschaften übernommen".
Die Schirmherrschaft Bayerns über die SL
Franz Neubauer (Chef der SL) und Edmund Stoiber (CSU)
Anläßlich des "Sudetendeutschen
Tages" 1954 übernahm die Bayerische Staatsregierung die
"Schirmherrschaft über die sudetendeutsche Volksgruppe". In der
"Schirmherrschafts-Urkunde" vom 7.9.1962 heißt es u.a.: "Die
Bayerische Staatsregierung betrachtet die sudetendeutsche
Volksgruppe als einen Stamm unter den Stämmen Bayerns. Sie
bekennt sich zum Heimat- und Selbstbestimmungsrecht der
Sudetendeutschen, das sie jederzeit mit dem ganzen Gewicht ihres
Einflusses vertreten will. Sie will stets bestrebt sein, das
Volkstum der Sudetendeutschen zu erhalten und ihrer
Landsmannschaft und deren Einrichtungen als Vertretung der
sudetendeutschen Volksgruppe bei der Wahrnehmung der
heimatpolitischen, kulturellen und sozialen Aufgaben ideell und
finanziell zu fördern."
Die Sudetendeutsche Stiftung
Ein wesentliches Mittel der finanziellen Förderung ist die
"Sudetendeutsche Stiftung". Der Gesetzestext über diese Stiftung
wurde am 5. August 1970 vom damaligen bayerischen
Ministerpräsidenten Dr. Alfons Goppel (CSU) dem damaligen
Vorsitzenden des Bundesvorstands der SL, Dr. Franz Böhm,
offiziell überreicht. Der damalige bayerische Staatsminister Dr.
Fritz Pirkl (CSU) sagte auf dem
"Sudetendeutschen Tag" 1972 in
Stuttgart: "Der Freistaat Bayern hat mit einer Zuwendung von
200.000 DM und die Sudetendeutsche Landsmannschaft mit 100.000 DM
das Grundstockvermögen der Stiftung geschaffen." 1974 erhielten
landsmannschaftliche Einrichtungen auf Grund des
"Westvermögensabwicklungsgesetzes" durch die Bundesregierung 29
Millionen DM. Diese Mittel stammen aus Guthaben von
Kreditinstituten aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und aus
dem NS-Gau "Sudetenland". Die "Sudetendeutsche Stiftung" erhielt
davon den größten Einzelbetrag von 12 Millionen DM. 1984 erklärte
der Vorsitzende der "Sudetendeutschen Stiftung",
Dr. Fritz Wittmann (MdB CSU):
"In den abgelaufenen zehn Jahren sind dann
bis heute aus dem Westvermögen sudetendeutscher Institute der
Sudetendeutschen Stiftung ca. 23 Millionen DM zugeflossen."
Das Sudetendeutsche Haus
Am 24. März 1974 beschloß die bayerische Staatsregierung, ein
"Sudetendeutsches Zentrum" zu errichten. Als dieses 22-
Millionen-DM-Projekt fertiggestellt war, wurde es in
"Sudetendeutsches Haus" umbenannt und der SL übergeben. Der
größte Teil der Finanzierung dieses Projekts wurde wie folgt
zusammengetragen: 11 Millionen DM bayerische CSU-Regierung 3.6
Millionen DM Bayerische Landesstiftung 6.9 Millionen DM
Sudetendeutsche Stiftung Der Rest wurde von Spenden aus den
Gliederungen der SL aufgebracht. An den Spenden beteiligten sich
auch Patenkommunen wie z.B Kaufbeuren, Stadt Kempten, Stadt
Passau und Stadt Reutlingen. Das "Sudetendeutsche Haus" befindet
sich in München (Hochstr. 2) in räumlicher Nachbarschaft zum
"Haus des Deutschen Ostens" (Am Lilienberg 5). In diesem Haus,
dessen Rechtsträger die "Sudetendeutsche Stiftung" ist, befinden
sich die Geschäftsstellen einer Vielzahl gewichtiger
Einrichtungen und Organisationen der SL:
- "Sudetendeutsches Archiv e.V."
- "Albert-Stifter-Verein"
- "Arbeitsgemeinschaft der sudetendeutschen Alpenvereinssektion"
- "Arbeitsgemeinschaft sudetendeutschen Erzieher e.V."
- "Arbeitsgemeinschaft für kulturelle Heimatsammlungen bei dem
Sudetendeutschen Archiv"
- "Arbeitsgemeinschaft sudetendeutscher Turnerinnen und Turner" in der SL
- "Benrather Kreis - Arbeitsgemeinschaft für Deutschland"
- "Verlagshaus Sudetenland"
- "Kolbenheyer-Gesellschaft e.V."
- "Sudetendeutsche Sing-, Tanz- und Spielgruppen"
- "Sudetendeutsche Akademie der Wissenschaften und der Künste"
- "Sudetendeutsche Sozialwerk e.V."
Gestern Statik, morgen Dynamik
Zeitzeichen 3
Warum die Vertriebenenverbände bis heute ihre Wühlarbeit immer noch nicht
aufgegeben haben, erklärte Wilfried Hasselmann (seinerzeit
niedersächsischer CDU-Vorsitzender und stellvertretender
Ministerpräsident) 1986 auf einer "deutschlandpolitischen Tagung"
des BdV. Er sagte, daß "angesichts der bestehenden
Machtstrukturen einschneidende Veränderungen in überschaubarer
Zeit nicht erwartet werden können. Daraus ergebe sich für die
Vertriebenen eine besondere Überbrückungsfunktion. Sie müssen die
Erinnerung an ein deutsches Ostpreußen, Schlesien und Pommern aus
dem Heute der Statik in ein Morgen der Dynamik hinüberretten."
("Das Ostpreußenblatt", 7. Juni 1986) Nun scheint ab 1989 für die
SL die Zeit "der Dynamik" gekommen zu sein.
Die "Deutsch-tschechische Erklärung"
Nach jahrelangen Verhandlungen zwischen der BRD und der
Tschechischen Republik wurde die Erklärung am 10. Dezember 1996
der Öffentlichkeit präsentiert. Mit der Zusage, die Aufnahme der
Tschechischen Republik in die EU zu unterstützen, erkaufte sich
die BRD das Bedauern der tschechischen Seite, daß durch die
"Aussiedlung der Sudetendeutschen [...] unschuldigen Menschen
viel Leid und Unrecht zugeführt wurde". Das Potsdamer Abkommen
hingegen wird in der Erklärung nicht erwähnt.
Roland Schnürch,
Vizepräsident der SL-Bundesversammlung und Mitglied des SR,
schrieb am 20.12.1996 in der rechtsextremen "Jungen Freiheit"
unter der Überschrift "Verhöhnung statt Versöhnung":
"Weggefallen [aus einer früheren Fassung, d.V.] ist lediglich die
'Mitwirkung tschechoslowakischer Bürger deutscher Abstammung an
der Zerschlagung der CSR'. Damit wollte man das legitime, auf dem
Selbstbestimmungsrecht fußende Wirken der Sudetendeutschen
herabsetzen. [...] Neu und völlig abwegig ist in dem Text die
'Flucht und Vertreibung von Menschen' nach 1938 aus den deutschen
Gebieten, eine raffinierte Umschreibung der Geschichtslegende,
daß Tschechen vertrieben worden seien. [...] Kausale
Zusammenhänge der NS-Gewaltpolitik und des Verbrechens der
Vertreibung sind falsch. Die Erklärung gibt damit der
tschechischen Seite eine Alibibegründung für die Vertreibung
[...] Die Vertreibung war Völkermord (Felix Ermacora) und kann
nicht mit Aufteilung in 'Vertreibung sowie zwangsweise
Aussiedlung' verharmlost werden. Unerträglich ist, daß die
'deutsche Seite' die Verantwortung für alle Untaten (damit auch
für die Vertreibung der Deutschen) übernimmt, was Folgen nach
sich zieht, die 'tschechische Seite' nur 'bedauert', ohne sich
zur Verantwortung und damit zu einer zumutbaren
Wiedergutmachungspflicht zu bekennen. [...] Die Bundesregierung
hat die Sudetendeutschen bei den Verhandlungen fast so
ausgegrenzt, wie sie es 1919 beim Diktat von St. Germain erleben
mußten. [...] Der erweiterte Bundesvorstand der Sudetendeutschen
Landsmannschaft hat die Erklärung einmütig abgelehnt und gerügt:
'Aus dem Denken in den Kategorien von Ursache und Wirkung heraus
übernimmt die deutsche Seite sogar die Verantwortung für die
Vertreibung der Sudetendeutschen.'"
Obwohl es unter Ziffer 4 der Erklärung heißt, daß beide Seiten
"ihre Beziehungen nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden politischen
und rechtlichen Fragen belasten werden", vertrat
Kohl am 22. Januar 1997
bei seinem Besuch in Prag die Meinung, die Frage des Vermögens der
Vertriebenen bliebe in der Erklärung offen.
Es kann also, auch wenn die SL die beschlossene Erklärung ablehnt,
keine Entwarnung gegeben werden!
Literatur:
Georg Herde/Alexa Stolze, Die Sudetendeutsche Landsmannschaft,
Pahl-Rugenstein Köln 1987
ID-SCHLESWIGHOLSTEIN@BIONIC.zerberus.de 26.09.1996, "Chemische
Auflösung" - Die Zerschlagung der CSR
ID-SCHLESWIGHOLSTEIN@BIONIC.zerberus.de 14.08.1995,
"Durchtriebene-Vertriebene"
Sudetendeutsche als fünfte Kolonne des III. Reiches,
Antifaschistisches INFO-Blatt Nr.36, S.35