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Tue Jul 21 17:04:18 1998
 

Historischer Rückblick
auf die "Tage der Heimat"
in Berlin 1988-96

Jedes Jahr im September wird Berlin mit einem "besonderen" Ereignis belästigt: Der Bund der Vertriebenen veranstaltet seinen "Tag der Heimat" (TdH). Dieser TdH in Berlin ist der Auftakt zu ca. 200 ähnlichen Veranstaltungen im ganzen Bundesgebiet.
Noch 1988 durften sich die Vertriebenen im Internationalen Congress Centrum (ICC) treffen. Seitdem finden die Treffen regelmäßig in der Sporthalle Charlottenburg in der Sömmeringstraße statt. Nach Auskunft des zuständigen Bezirksstadtrats für Jugend und Sport Axel Rabbach (CDU) bei der Bezirksverordnetenversammlungs (BVV)- Bürgerfragestunde am 24.8.1995 wird die Halle dem BdV kostenlos zur Verfügung gestellt. Rabbach erklärte, daß "der Verband der Vertriebenen in der Verwaltungsvorschrift, die der Senat vor 15/20 Jahren erlassen hat, explizit als eine Vereinigung genannt wird, denen also Veranstaltungssäle [...] kostenlos zu geben sind. [...] Das hat der Senat so festgelegt, und ich kann ihnen sagen, ich finde es auch richtig."
Den typischen Verlauf eines TdH kann mensch sich wie folgt vorstellen. Beim TdH treten neben BdV-Funktionären auch "prominente" Politiker als Redner auf, wobei anzumerken ist, daß die meisten Redner Mitglieder der CDU/CSU sind.
Ein weiterer Hauptprogrammpunkt ist die Verleihung einer sogenannten "Plakette für Verdienste um den deutschen Osten und das Selbstbestimmungsrecht" (PfVuddOudS) an Politiker, die den Zielen des BdV nahestehen. Schirmherr der Veranstaltung war in den letzten Jahren Eberhard Diepgen (CDU-Vorsitzender Berlin, regierender Bürgermeister, Mitglied im Verwaltungsrat des VDA (Verband für das Deutschtum im Ausland), Burschenschafter der Verbindung "Saravia-Berlin").
Die Halle wird mit Fahnen vollgehängt, die die "Heimat" symbolisieren sollen. Verschiedene Organisationen bieten an Ständen alles an, was ein Vertriebenenherz begehrt, z.B.: alte Karten von Deutschland in den Grenzen von 1937. Damit sich der ganze Aufwand auch lohnt, werden haufenweise alte Menschen mit Reisebussen angekarrt, um den klatschenden Hintergrund abzugeben.
Währenddessen verteilen die verschiedensten rechten Gruppierungen wie z.B. REP, NPD bzw. vor ihrem Verbot die FAP vor und in der Halle ihre faschistische Propaganda. Nach einem kurzen "Kulturprogramm" mit Musik und unsäglichen Volkstanzgruppen kommt dann eine Begrüßungsrede eines BdV-Funktionärs mit Forderungen, angepaßt an die aktuelle politische Wetterlage, an die eingeladenen Politiker.
Im folgenden wollen wir uns einige TdH etwas genauer anschauen. Die Blöcke sind untergliedert in Datum, Veranstaltungsort, Motto, Aufzählung einiger Redner, Zitate und Besonderheiten. Leider gaben die Quellen für 1990 und 1991 etwas weniger her, so daß u.a. das Motto fehlt.


11.9.1988, ICC, 39.TdH

"Recht und freie Selbstbestimmung für alle Deutschen"

Redner:
F.J. Strauß (CSU)
Peter Rebsch (CDU-Parlamentspräsident)
Eberhard Diepgen
Rebsch sprach nicht etwa von Asylbewerbern, sondern von Aussiedlern : "Das Recht auf Heimat ist Menschenrecht, gehört zu den unveräußerlichen Grundrechten jedes einzelnen Menschen auf dieser Welt, und dieses Recht haben auch die Aussiedler unserer Tage". "Ich selbst werde deshalb immer wieder in kurzen Abständen die Berliner Aufnahmelager besuchen, um mich davon zu überzeugen, daß zum einen alles Menschenmögliche für die Aussiedler getan wird ..."
Strauß rief zur "uneingeschränkten Solidarität" mit den Aussiedlern aus Osteuropa auf, und mahnte, daß die Spätaussiedler Deutsche seien, die unter Deutschen leben wollten. Sie seien keine Asylbewerber aus fremden Ländern, sondern "Mitbürger ohne Wenn und Aber". Zur Belohnung für diese eindeutigen Worte bekam Strauß vom BdV die "PfVuddOudS" verliehen.
Diepgen bekräftigte das Recht auf Selbstbestimmung für alle Deutschen und fügte hinzu, daß "kein noch so großer Fortschritt der aktuellen innerdeutschen Beziehungen" eine "Aufgabe dieser Forderungen rechtfertigen" könne. In diesem Zusammenhang meinte er, die DDR daran zu erinnern zu müssen, daß niemand einer menschlichen, einer gerechten Gesellschaft davonlaufe.


10.9.1989, Sporthalle Charlottenburg, 40.TdH

"40 Jahre Bundesrepublik Deutschland - das ganze Deutschland ist unser Vaterland"

Redner:
Walter Momper (SPD, regierender Bürgermeister)
Karl Carstens (CDU, Ex-Bundespräsident)
Eberhard Diepgen
Bundeskanzler Helmut Kohl ließ ein Grußwort verlesen.
Momper sagte unter anderem: "Lassen Sie uns nicht mehr an den Grenzen rühren. [...] Denn wer, wie wir unter Hitlers Führung, einen Eroberungs- und Ausrottungskrieg beginnt, der darf nicht hinterher, wenn der Krieg verloren ist, ankommen und sagen: Gebt mir meinen Einsatz wieder! Der Einsatz war das Deutsche Reich. Dieses ist verspielt worden. Ostpreußen, Pommern, Schlesien, waren deutsche Gebiete. Sie sind es nicht mehr." und fuhr fort: "Da sollen doch, bitteschön, führende Vertriebenenfunktionäre nicht ankommen und Forderungen aufstellen, die den Bedürfnissen der meisten Menschen gar nicht mehr entsprechen, aber immensen politischen Schaden anrichten." Momper erntete dafür Buhrufe ("Verrat an Deutschland") und Pfiffe.
Diepgen hatte im Gegensatz zu Momper keine Probleme, an bestehenden Grenzen zu rühren, und forderte ein "Europa ohne Grenzen". Dies wurde mit kräftigem Beifall belohnt.
Carstens appellierte an seine Zuhörer, die "Einheit der Nation" auch in Zukunft zu bewahren und "so oft wie möglich in die DDR und die deutschen Ostgebiete" zu fahren und bekam die "PfVuddOudS" verliehen.


9.9.1990, Sporthalle Charlottenburg, 41.TdH

Redner:
Alfred Dregger (CDU/CSU-Fraktionschef)
Walter Momper (SPD, regierender Bürgermeister)
Dregger mahnte, es dürfe nicht der "falsche Eindruck" erweckt werden, daß die Deutschen durch die Grenzregelung mit Polen "die Vertreibung anerkennen" würden. "Dies würde die Beziehungen zwischen Deutschen und Polen auf unabsehbare Zeit, wahrscheinlich für immer, vergiften". Dregger sprach mit Bezug auf den Tod von 2,3 Millionen Deutschen noch nach 1945 von einem der "größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte". In der Geschichte Europas hätte es dafür "kein Beispiel" gegeben. Er lobte den CSFR- Präsidenten Vaclav Havel für sein Wort von der "zutiefst unmoralischen Tat" der Vertreibung der Sudetendeutschen. Da von polnischer Seite keine ähnlichen Äußerungen kamen, forderte Dregger die polnische Regierung in Warschau auf, "den offenen, ehrlichen Dialog" mit den deutschen Heimatvertriebenen zu suchen, und "in ihnen nicht Gegner, sondern Leidensgefährten zu sehen, die in manchem das Schicksal des polnischen Volkes zu teilen hatten".

Sömmering-Stilleben Sömmering-Stilleben

Den kürzlich an Dregger verliehenen Konrad-Adenauer- Freiheits-Preis (10.000 DM) stiftete Dregger gönnerhaft dem Eichendorff-Kreis im oberschlesischen Lubowitz.
Momper verteidigte die in den "Zwei-plus-vier"-Dokumenten festgelegte deutsche Ostgrenze und stimmte Bundeskanzler Kohl mit seiner Feststellung zu, die Deutschen hätten nur die Wahl zwischen der Bestätigung der bestehenden Grenzen "oder dem Verspielen der Chance zur Einheit".


8.9.1991, Sporthalle Charlottenburg, 42.TdH

Redner:
E. Diepgen (regierender Bürgermeister)
Bundeskanzler Kohl und Bundesinnenminister Schäuble würdigten in Grußworten die Rolle des BdV bei der Vereinigung Deutschlands und dem Vertrag mit Polen. Diepgen rief dazu auf, die Lebensbedingungen der Deutschen in Ost- und Südosteuropa zu verbessern.
BdV-Präsident Herbert Czaja, der zusammen mit Dewitz und Wittmann am 21.6.1990 bei der Abstimmung über die endgültige Anerkennung der polnischen Westgrenze im Bundestag Nein-Stimmen abgegeben hatte, forderte Verbesserungen im deutsch-polnischen Vertrag.
Im Verfassungsschutz-Bericht Berlin 1991 kann nachgelesen werden, was noch geschah: "Flugblattaktion der 'Nationalistischen Front' (NF) aus Anlaß einer Veranstaltung verschiedener Vertriebenenverbände."


6.9.1992, Sporthalle Charlottenburg, 43.TdH

"Für Recht und geschichtliche Wahrheit"

Redner:
Wolfgang Schäuble (CDU, Bundesinnenminister)
Eberhard Diepgen
Der BdV forderte Schäuble und Diepgen zu "angemessener Selbstbehauptung in deutschen Fragen" auf.
REPs verteilten am Eingang Flugblätter, auf denen Deutschland bis Kaliningrad reichte. NPDler entrollten ein Transparent mit Deutschland in den Grenzen von 1937.
Schäuble forderte von Polen und der Tschechoslowakei "Freizügigkeit und Niederlassungsrecht für ihre deutschen Nachbarn". Nur dann könnten diese Länder Mitglied in der EU werden.


5.9.1993, Sporthalle Charlottenburg, 44.TdH

"Europäische Friedensordnung mit Volksgruppenrechten"

Gerhard Dewitz und Manfred Kanther Gerhard Dewitz und Manfred Kanther

Redner:
Manfred Kanther (CDU, Bundesinnenminister, Mitglied der Corps Guestphalia et Suevoborussia Marburg)
Eberhard Diepgen
Ein Grußwort von Helmut Kohl wurde verlesen, in dem es unter anderem hieß: "Der deutsche Osten gehört zum unverlierbaren historischen und kulturellen Erbe unseres Volkes".
Der Hauptredner war Kanther. Der Anfang seiner Rede ging in Zwischenrufen unter. Ca. 100 offen auftretende Nazis zeigten Transparente mit den Aufschriften: "Verzicht ist Verrat", "Bonn Krematorium für gesamtdeutsche Fragen", "Vorwärts zur deutschen Revolution" und "Deutschland ist größer als die BRD. NPD" (aus VS-Bericht Berlin 1993, S. 233) Ein NPDler warf mit Flugblättern um sich. Nach einiger Zeit erteilten Ordner den Neonazis Saalverbot.
Kanther sagte, daß die 800jährige Geschichte der ehemaligen Ostgebiete "Teil unseres geistigen Erbes" wäre. "Als Bundesinnenminister obliegt mir die Förderung dieser Kulturarbeit." Kanther versprach, das Tor für Aussiedler offenzuhalten. Die Deutschen sollten aber lieber "in ihren heutigen Siedlungsgebieten" verbleiben. Hierfür stünden 200 Millionen DM im Haushalt 1993/94 zur Verfügung.
Heinrich Lummer (CDU, MdB) und Peter Kittelmann (CDU, MdEP) beobachteten das Treiben aus der ersten Reihe.
"Gesehen wurde an diesem Tag auch der FAPler Detlef Rose (Berlin-Charlottenburg)" (aus der Broschüre 'Kampf der FAP!' S.57)


4.9.1994, Sporthalle Charlottenburg, 45.TdH

"Recht auf Heimat"

Redner:
Friedrich Bohl (CDU, Kanzleramtsminister, VDA-Mitglied)
Eberhard Diepgen
Am Vortag wurde die Plakette für 'Verdienste um den deutschen Osten' von Diepgen an Theodor Oberländer verliehen. Gerhard Dewitz, Vorsitzender des Berliner Landesverbandes des BdV, meinte, die 12 Millionen Deutschen in Osteuropa hätten ein "historisches Recht auf diese Lebensräume". Mit Lebensräumen meinte er Schlesien, Pommern, West- und Ostpreußen und das Sudetenland. Durch die Tatsache, daß die osteuropäischen Nachbarländer Mitglied der EU werden wollen, erklärte Diepgen, biete sich jetzt "die Chance durchzusetzen, was zu den Menschenrechten gehört". Bohl zählte die finanziellen Zuwendungen der Bundesregierung an die Vertriebenen auf. Seit 1990 seien 700 Millionen Mark in die "deutschen Siedlungsgebiete" geflossen. Im Jahr 1994 seien 4 Milliarden Mark für die Integration von Aussiedlern aufgewendet worden. Ein dieser Tage in Omsk eröffnetes Kirchen-Kulturzentrum sei mit 2,5 Millionen unterstützt worden. Vor der Halle gab es eine Gegenkundgebung mit ca. 50 TeilnehmerInnen, bestehend aus B90/Grüne und einigen Antifagruppen. Auf schwarzem Stoff waren die Namen von 40 Todesopfern rechtsextremer und rassistischer Übergriffe von 1990 bis 1992 zu lesen. Auf einem Transparent stand die Forderung "Königsberg bleibt Kaliningrad - Revanchistische Politik ist Kriegspolitik".
"Auch im September 1994 tauchten einige FAPler - darunter Lars Burmeister - auf dem alljährlichen Revanchistentreffen 'Tag der Heimat' in Berlin-Charlottenburg auf. Vor dem Eingang wurden Flugblätter verteilt, die auf eine Verbotsankündigung von Kanther Bezug nehmen und in denen natürlich der 'Verrat an den deutschen Ostgebieten' beklagt wird. Nach kurzer Zeit wurden die FAPler jedoch durch anwesende Antifas zu einer vorzeitigen Abfahrt überredet..." (aus 'Kampf der FAP!' S.57)
REPs verteilten ebenfalls ihre Propaganda.
Vor der Halle waren u.a. zu sehen:
Ursula Schaffer
(Ehrenvorsitzende der faschistischen 'Berliner Kulturgemeinschaft Preußen')

Ursula Schaffer Ursula Schaffer

Tino Stange
(damals FAP, anschließend 'Kameradschaft Treptow')
Detlef Cholewa (heute Nolde)
(damals FAP Treptow, jetzt 'Kameradschaft Treptow', Autor in der faschistischen "Berlin-Brandenburger Zeitung" der "Nationalen e.V." und Aktivist in der Anti-Antifa)

Detlev Nolde und Tino Stange Detlev Nolde und Tino Stange

Frank Seifert
(REP Tiergarten, Vorsitzender der REP-Jugend)
Michael Aulich
(REP Schöneberg, später Tiergarten, WJ, Mitbegründer der 'Kameradschaft Beusselkiez')
Sascha Kari
(REP Neukölln)


2.9.1995, Festakt im Berliner Abgeordnetenhaus (ehem. Preußischer Landtag)

Der 80jährige BdV-Ehrenpräsident Herbert Czaja bekam die "PfVuddOudS" verliehen. Sein Nachfolger Fritz Wittmann (CSU) würdigte die Verdienste Czajas, die er als langjähriger Verbandspräsident und als Bundestagsabgeordneter erworben hätte.

9:30 Kranzniederlegung am Mahnmal Theodor-Heuss-Platz

Mit über 30 Kränzen von u.a. Bundespräsident, Bundeskanzler, Bürgermeister Berlin, Präsidentin des Abgeordnetenhauses, Republikaner, Bezirksbürgermeisterin Charlottenburg, Ministerpräsidenten Bayern, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Regierung Baden-Württemberg, diversen Landsmannschaften, Volksbund deutsche Kriegsgräber bis zu exotischen Gruppen wie dem "Weltdachverband der Donauschwaben" war ein breites Spektrum vertreten. Anwesend bei der Kranzniederlegung war u.a. auch Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD).
Charlottenburgs Bezirksbürgermeisterin Monika Wissel (SPD) bei der BVV- Bürgerfragestunde am 24.8.1995: "Der Bund der Vertriebenen bekommt, wie in den Jahren zuvor, während der Kranzniederlegung auf dem Theodor-Heuss-Platz ein Rednerpult und eine Mikroanlage unentgeltlich zur Verfügung gestellt."

18:30 Katholischer Gottesdienst Ludwigkirchplatz, Pater Lothar Groppe SJ

Zur Person Lothar Groppe aus Bad Pyrmont:
Die Besucher des Gottesdienstes, unter ihnen auch Polizei in Uniform und Zivil, mußten einige üble Bemerkungen des Geistlichen ertragen. Groppe verkündete, man könne "zu Recht von einem Rumpfdeutschland" sprechen, und die Polen könnten "von uns Deutschen Tugenden wie Disziplin, Ordnung und Arbeitsamkeit lernen". Einige BesucherInnen verließen die Kirche frühzeitig.

3.9.1995, 11:00 Evangelischer Gottesdienst Kirche "Zum Heilsbronnen", Superintendent Horst Gunter

3.9.1995, Sporthalle Charlottenburg, 46.TdH

"50 Jahre Flucht, Deportation, Vertreibung - Unrecht bleibt Unrecht"

Redner:
Klaus Töpfer (CDU, Bundesbauminister, Landsmannschaft Schlesien)
Eberhard Diepgen
Kundgebung gegen den Berliner 'Tag der Heimat' Kundgebung gegen den Berliner 'Tag der Heimat'

1995 Dieses Mal gab es eine Gegenkundgebung, welche von einem breiten Bündnis antifaschistischer Gruppen vorbereitet wurde. Der Verfassungsschutz, der leider genauestens über die Vorbereitungstreffen unterrichtet war, erwirkte über ihm offenbar bekannte Hoffnung der VorbereiterInnen, mit der Kundgebung den TdH akustisch stören zu können, daß sie nicht auf dem Platz vor der Halle stattfinden durfte. Auch die Lautsprecher durften nicht auf die großräumig abgesperrte und von Bullen-Hundertschaften bewachte Halle gerichtet werden. In Redebeiträgen wurde über die revanchistische Politik des BdV informiert, auf Transparenten stand u.a. "Lieber raus auf die Straße als heim ins Reich".
Am Rande der Protestkundgebung wurde u.a. Peter Schünemann gesichtet. Schünemann (REP Neukölln) war Direktkandidat der REPs zur Bundestagswahl 1994. Im Jahr 1995 versuchte er sich als "Sicherheitsbeauftragter" der Berliner REPs. Als er seinen Namen über den Lautsprecher hörte, zog es ihn wieder in Richtung Sporthalle.
Zum Ende der Gegenkundgebung gab es eine Kurzdemo der ca. 300 TeilnehmerInnen zum U-Bahnhof Richard-Wagner-Platz. Hierbei griff die Polizei die friedliche Demo an und zerrte einige Leute brutal vom Lautsprecherwagen. Es kam zu ca. 10 Festnahmen, später auch zu einigen Verfahren.
In der Halle wurden Heinrich Lummer (CDU) und E. Diepgen mit brausendem Beifall empfangen. Es gab ein Grußwort von Manfred Kanther (CDU), in dem er dem BdV die Unterstützung der Bundesregierung auch für die Zukunft zusicherte. Für die Entwicklung zu einem friedlichem Europa sei die Mitwirkung des BdV "unverzichtbare Vorraussetzung".
Fritz Wittmann forderte, daß bei den Verhandlungen zum EU-Beitritt der ehemaligen Ostblockstaaten über die Wiedergutmachung für die 15 Millionen vertriebenen Deutschen geredet werden muß.
Der eigentlich eingeladene Hauptredner Bernhard Vogel (CDU) hatte wegen angeblichen "Terminprobleme" abgesagt. An seiner Stelle kam Töpfer "im Namen der Bundesregierung", wie Gerhard Dewitz stolz verkündete. Töpfer outete sich als vertriebener Schlesier und meinte, daß die Erinnerung an Unrecht und Leid der Vertreibung unbedingt an die Jüngeren weitergegeben werden müßte. Töpfer weiter: "Heimat geht dort verloren, wo Unfreiheit und Friedlosigkeit herrscht".
Es gab auch wieder Störungen von Neonazis, z.B. Zwischenrufe wie "Auge um Auge, Zahn um Zahn" und Transparente wie "Heimatliebe, unsere Kraft". Kein Wunder, schließlich mobilisierten die "Junge Freiheit" und das "Nationale Info-Telefon" (NIT) ihre Kreise zum TdH.


7.9.1996, 9:30 Kranzniederlegung am Mahnmal Theodor-Heuss-Platz

15:00 Katholischer Gottesdienst, Rosenkranz-Basilika, Berlin-Steglitz, Pater Lothar Groppe SJ

Groppe führte in seiner Predigt aus, wenn das Potsdamer Abkommen das notwendige Ergebnis des zweiten Weltkrieges wäre, müßten auch anderen Ländern Gebiete weggenommen werden, weil sie mehr Kriege geführt hätten als Deutschland. Er vertrat die Meinung, daß die Polen nach 1945 nichts von dem verloren hätten, was sie vor 1939 gehabt hätten. Groppe hielt es auch für wichtig darauf hinzuweisen, daß "Mitteldeutschland" nicht "Ostdeutschland" sei, wie es die Presse immer bezeichnet, und fragte: "Ist deutsches Recht noch deutsches Recht, angesichts der hohen Zahl der hier lebenden Ausländer?". Er brachte ein Zitat vom polnischen Papst Johannes Paul, in dem es heißt: die Deutschen hätten ein Recht, in ihre alte Heimat zurückzukehren. Desweiteren erklärte er das Potsdamer Abkommen für ungültig und drohte, daß es ohne Entschädigung der Vertriebenen keinen dauerhaften Frieden geben kann.

8.9.1996, 11:00 Evangelischer Gottesdienst, Kirche "Zum Heilsbronnen", Superintendent Horst Gunter

8.9.1996, Sporthalle Charlottenburg, 47.TdH

"Heimat ist Auftrag - Gerechtigkeit unser Ziel"

Redner:
Roman Herzog (CDU, Bundespräsident)
Gerhard Dewitz (Berliner Landesvorsitzender des BdV)
Fritz Wittmann (Präsident des BdV)
Paul Latussek (Thüringischer Landesvor sitzender des BdV)
Eberhard Diepgen
Paul Latussek Paul Latussek

Vor der Halle verteilten REP-Aktivisten aus Charlottenburg ein Flugblatt in dem sie die "lieben Heimatvertriebenen" dazu aufriefen, bei der nächsten Wahl eine Partei zu wählen, "die sich für deutsche Interessen einsetzt". Auch ein Zitat von Kurt Schumacher (SPD) aus dem Jahre 1951 fand darauf Platz: "Keine deutsche Regierung und keine deutsche Partei können bestehen, die die Oder-Neiße-Grenze anerkennen. Wir lehnen Nationalverrat ab."
Dewitz erklärte in seiner Eröffnungsrede: "Unsere ostdeutsche Heimat werden wir immer lieben und niemals aufgeben".
Latussek beklagte in einer vorwurfsvollen Rede in Richtung Bonner Politiker, daß Deutschland sich in den letzten Jahrzehnten mehr in Kniefällen und Schuldbezeugungen ergangen hätte, als sich zu den deutschen Opfern zu bekennen. Die Oder-Neiße-Grenze als deutsche Ostgrenze bezeichnete Latussek als Unrecht.
Wittmann forderte, daß die ungelösten Vermögensfragen "verstärkt angesprochen werden" müßten. Das an den Deutschen begangene Unrecht müsse gemildert werden.

Roman Herzog (rechts) Roman Herzog (rechts)

In der ersten Rede eines Bundespräsidenten zum TdH seit Jahrzehnten sagte Herzog: "Das wiedervereinigte Deutschland erhebt keine Gebietsansprüche. Die Verschiebung von Grenzen ist auch gar nicht das Thema unserer Zeit. Wir haben die Chance, bestehende Grenzen niedriger und durchlässiger zu machen als Generationen vor uns. Darauf müssen wir unsere Kraft konzentrieren. [...] So schmerzhaft die Erkenntnis für Menschen ist, die in Hinterpommern, in Ostpreußen oder Oberschlesien als Deutsche in Deutschland geboren worden sind: Richtig ist - und das werden wir nicht mehr ändern können - diese Gebiete sind heute völkerrechtlich unbestritten polnisches beziehungsweise russisches Staatsgebiet." Diese Äusserungen bewegten einen der Zuhörer zu dem Zwischenruf "Vaterlandsverräter!". Herzog erwiderte "Das hat mir gerade noch gefehlt. Das habe ich nicht nötig, mir das von Ihnen sagen zu lassen. Schämen sie sich." Zu den Reden der BdV-Funktionäre meinte Herzog, es seien "so viele falsche Behauptungen aufgestellt worden, daß man gar nicht weiß, wo man mit dem Widerlegen anfangen soll". Aber das von den BdV-Funktionären beklagte Unrecht an den Deutschen wollte er nicht wiederlegen, im Gegenteil: "Deutsche waren allerdings nicht nur Täter, sondern auch Opfer. Deutsche haben vertrieben und deportiert, aber sind auch selbst Opfer von Vertreibung und Deportation geworden".
Diepgen forderte Prag auf, mehr über das Leid zu sprechen, das den Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg angetan wurde.
Auch 1996 wurden Nazis, diesmal von der 'Kameradschaft Beusselkiez', im Umfeld des TdH beobachtet.


Dieser Rückblick über die 9 letzten "Tage der Heimat" zeigt deutlich, welche Kontinuität die Revanchistenverbände an den Tag legen und wie stark sie von führenden Politikern aus CDU/CSU unterstützt werden. Viele Leute waren der Meinung, daß das Problem mit den Revanchisten sich durch das Wegsterben quasi von allein löst. Dem wiederspricht die durch das Bundesvertriebenengesetz gestützte Auffassung des BdV, daß die Eigenschaft des "Vertriebenseins" auch auf die Nachkommen vererbt wird. Und deshalb werden diese TdHs immer wieder stattfinden. Es sei denn, wir erkennen die Gefahr, die von den Revanchistenverbänden immer noch und schon wieder ausgeht und handeln dementsprechend.

Nie wieder Deutschland!