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Tue Jul 21 17:04:18 1998
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Der Witikobund
Der "Witikobund e.V." (WB) zählt seit seiner offiziellen Gründung
im Jahr 1948 zum äußersten rechten Rand der Sudetendeutschen
Landsmannschaft (SL). Dies war allein schon durch die
Zusammensetzung seiner Gründungsmitglieder vorgegeben. Diese
hatten sich auf den Tag genau 24 Jahre nach dem Marsch auf die
Feldherrnhalle am 9.11.1947 versammelt, um den leider
überlebenden Faschisten der Sudetendeutschen Partei erneut
politisches Gewicht zu sichern. Alle sieben Gründungsmitglieder
hatten schon eine Karriere in der NSDAP bzw. SS hinter sich.
So z.B. Dr.rer.pol. Walter Becher, der seit 1931 NSDAP-Mitglied
und ehemaliger Ressortleiter des NSDAP-Gauorgans "Die Zeit" war.
Die militärische Niederschlagung des Nationalsozialismus hatte
allerdings keine Konsequenzen für Becher. Schon ab 1950 saß er 12
Jahre nicht im Knast, sondern im bayerischen Landtag für den
"Gesamtdeutschen Block/Block der Heimatvertriebenen und
Entrechteten" und war dessen langjähriger Fraktionsvorsitzender.
Von 1956-58 war er Bundesvorsitzender des WB. 1965 zog Becher für
die CSU in den Bundestag ein und blieb MdB bis 1980. 1968-82 war
er außerdem Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft.
Nebenbei saß der Alt-Nazi, der vor 1945 unter anderem noch von
"jüdischen Kulturwanzen" sprach, im bayerischen Rundfunkrat.
Weitere Mitbegründer des WB waren u.a.:
- Das ehemalige Mitglied
des "Sudetendeutschen Freikorps"
Walter Stain. Der Staatsminister
a.D., der von 1986-89 Vorsitzender des WB war und von 1982 an
lange Jahre Vorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft,
war vor 1945 Leiter der HJ im Sudetenland.
- Frank Seiboth, von 1953-55 Vorsitzender des WB, bekleidete
1939 das Amt eines Gauschulungsleiters der NSDAP.
- Siegfried Zoglmann war seit
1934 NSDAP-Mitglied, Gebietsführer der HJ im "Protektorat Böhmen
und Mähren" und seit 1942 Freiwilliger bei der Waffen-SS. Später
war er FDP-Bundestagsmitglied, stellvertretender
Landesvorsitzedner der FDP in Nordrhein-Westfalen und MdB für die
CSU.
- Walter Brand war Hauptleitungsmitglied der
"Sudetendeutschen Partei" und Leiter der Kanzlei Henleins. Am
1.12.1938 wurde er zum Generalreferenten für den Vierjahresplan
ernannt. Von 1950-52 war er Bundesvorsitzender und Mitglied des
Sudetendeutschen Rates.
Scharnier zwischen Nazis ...
Durch diese Vorgeschichte seiner Gründer war die politische
Richtung des WB von Beginn an vorgezeichnet und es wurde auch
dafür gesorgt, daß die revanchistischen und neonazistischen Ziele
nicht nur über die Jahre gerettet, sondern auch durch die
gezielte Aufnahme neuer Mitglieder in etlichen rechten
Gruppierungen teilweise an führender Stelle präsent waren. Denn
nicht jedeR kann Mitglied im WB werden, die ca. 1.000 Mitglieder
wurden und werden ausgewählt und für jedes neue Mitglied müssen
zwei alte bürgen.
Rübezahl-Meeting
1958 zählte Dr. Walter Becher auf, in welchen
Bereichen Witikonen bereits maßgeblichen Einfluß erlangt hatten.
Dazu zählten u.a:
- "Arbeitsgemeinschaft sudetendeutscher Turner
und Turnerinnen" im Deutschen Turnerbund
- "Arbeitsgemeinschaft sudetendeutscher Erzieher"
- "Sudetendeutsche Jugend" und "Deutsche Jugend des Ostens"
(Oskar Böse und Wolfgang Egerter)
- "Arbeitskreis sudetendeutscher Studenten" (Vorsitzender W.
Egerter)
- "Grenzlandausschuß der Deutschen Burschenschaften",
gegründet von Dr. Herbert Fleißner
- "Altherrenschaft bündischer Studentenverbände"
- Zentralgenossenschaft "Eigener Herd"
- "Siedlerschule Katlenberg"
- Böhmerwäldler Baumschule
- Vertriebenenpresse (als Verlagsbesitzer, Verlagsleiter,
Chefredakteure und Redakteure)
- "Gemeinschaft evangelischer Sudetendeutscher" (Leiter
Oberkirchenrat Hugo Pietsch)
- "Aktion Südtirol"
Des weiteren zählten zum WB unter anderem die Besitzer
der Verlage Adam-Kraft, Bogen und Heimreiter.
In den 60er Jahren gehörten viele NPDler dem WB
an. Zwei von ihnen, Heinz Flöter
und Ernst Anrich (NSDAP-Mitglied
seit 1930 und später der Chefideologe der NPD) waren 1967 auch im
Vorstand des WB. Doch mit dem verschwindenden Einfluß der NPD in
der bundesrepublikanischen Gesellschaft sank auch ihr Stern im
WB. Allerdings finden sich auch heute noch NPD-Funktionäre im WB,
wie der NPD-Bundespressesprecher und ehemalige Bundesvorsitzende
des "Nationaldemokratischen Hochschulbundes" (NHB) und der
"Jungen Nationaldemokraten" (JN)
Karl-Heinz Sendbühler oder der
ex-NHB-Bundesgeschäftsführer
Günter Schwemmer. Auch die beiden
ehemaligen NPD-Abgeordneten im baden-württembergischen Landtag
Dr. Rolf Kosiek und Karl Baßler sind Witikonen.
Karl Baßler ist stellvertretender Vorsitzender der "Notgemeinschaft
für Volkstum und Kultur" (Vorsitzende ist Lisbeth Grolitsch, der andere
Stellvertreter ist
Wolfgang Nahrath, der Chef der verbotenen
Wiking-Jugend.) Er ist Autor in den Hutten-Briefen - der
Zeitschrift des "Freundeskreises Ulrich von Hutten" - Verfasser
einer Schrift für die "Deutsche Kulturgemeinschaft" (DKG) und
Referent bei der "Gesellschaft für freie Publizistik" (GfP). Rolf
Kosiek ist Vorsitzender der GfP, Referent der DKG, Cheflektor im
rechtsextremen Grabert-Verlag, dessen Besitzer Wigbert Grabert
ebenfalls Mitglied im WB ist und saß (sitzt?) im
Wissenschaftlichen Beirat der von
Jürgen Rieger geleiteten
"Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und
Verhaltensforschung".
Doch auch für andere rechte/rechtsextreme
Parteien und Organisationen scheint der WB ein geeigneter
Tummelplatz zu sein. So sind auch die ehemaligen REP-Kandidaten
für den bayerischen Landtag
Henning Lenthe,
Carl-Wolfgang Holzapfel
und
Horst Rudolf Übelacker Witikonen.
Besagter Übelacker war u.a. Bundesvorsitzender des "Arbeitskreises
Sudetendeutscher Studenten", bis 1986 Gesellschafter der
"Deutsch-Europäischen Studiengemeinschaft" und CSU-Mitglied,
bevor er 1990 zu den REP wechselte und sich dort im
Landesvorstand betätigte. Nach etwas mehr als einem Jahr verließ
er allerdings die Partei wieder. Grund waren Differenzen mit dem
damaligen Bundesvorsitzenden
Franz Schönhuber. Seiner Position im
WB tat das keinen Abbruch. Übelacker ist heute bayerischer
Landesvorsitzender und Bundesvorsitzender des WB.
Wirft mensch einen Blick auf den heutigen Bundesvorstand des WB, findet
sie/er auch den Namen
Hans-Ulrich Kopp. Der 1962 geborene Kopp ist seit
1983 WB-Mitglied und seit 1992 Schriftleiter des "Witikobriefes".
Bausteine für seine rechte Karriere waren für das ehemalige CDU-
Mitglied unter anderem die "Burschenschaft Danubia zu München"
und der "Hochschulverband der Republikaner", dessen
Gründungsmitglied er 1989 war. Größeren (antifaschistischen)
Kreisen wurde er als stellvertretender Chefredakteur der "Jungen
Freiheit" (JF) bekannt. 1993 war er für dieses rechte
Schmierblatt Organisator der "JF-Sommeruni". Des weiteren ist er
Redakteur bei "Nation Europa" und Autor u.a. in "Identität",
"Aula", "Criticon" und der "Deutschen Militärzeitschrift".
Die "Deutsche Militärzeitschrift" wird von
Harald Thomas aus
Wesseling herausgegeben. Und natürlich ist auch dieser im WB.
Nebenbei bemerkt war seine Frau
Anneliese Thomas jahrelang für
Satz und Druck des "Witikobriefes" zuständig. Überschneidungen
gab es auch zwischen dem WB und dem mittlerweile aufgelösten
"Hilfskomitee Südliches Afrika" (HSA), einer Vereinigung zur
Unterstützung und moralischen und politischen Legitimierung des
früheren Apartheidregimes in Südafrika. Deutlichstes Beispiel ist
der Witikone Dr.
Martin Pabst, der jahrelang Vorsitzender des HSA
war. 1995 hielt das WB-Mitglied
Karl Mauder einen Vortrag beim
19. Südafrika-Seminar des HSA.
Ebenfalls im WB ist der Vorsitzende des "Schutzbundes für das deutsche Volk"
(SdV) Friedrich Köberlein.
... und bürgerlichem Lager
Allerdings ist der WB nicht nur Tummelplatz für offen auftretende
Neofaschisten. Zu seinen Mitgliedern zählen auch (zumeist) Männer
aus sogenannten bürgerlichen Parteien und Bonzen aus der
Wirtschaft. Seit 1965 Witikone ist der langjährige CDU-
Funktionär Rüdiger Goldmann aus Düsseldorf. Goldmann war nicht
nur Landtagsmitglied in Nordrhein-Westfalen, sondern ist auch
stellvertretender Bundesvorsitzender der "Ost- und
Mitteldeutschen Vereinigung der CDU". Daneben ist er auch noch
stellvertretender Landesvorsitzender des BdV in Nordrhein-
Westfalen. Die Mitgliedschaft in WB und CDU zu vereinbaren,
gelang auch einem ehemaligen Fraktionsassistenten der CDU im
hessischen Landtag, dem bereits oben erwähnten Wolfgang Egerter
(mal davon abgesehen, daß das ja nun auch überhaupt nicht
schwierig ist). 1988 sollte Egerter, ein persönlicher Freund von
Hessens damaligem Ministerpräsidenten
Walter Wallmann, für seine
Arbeit für die CDU-Fraktion mit einer Ministerialdirigentenstelle
in der hessischen Staatskanzlei belohnt werden. Dafür vorgesehen
war das "Referat Kirchen und Religionsgemeinschaften". Dazu ein
Zitat aus der taz vom 26.5.90: "Daß Egerter von 1955 bis 1986
führendes Mitglied, zuletzt stellvertretender Bundesvorsitzender
des rechtsradikalen Gesinnungsbundes 'Witiko' war, in dieser
Eigenschaft völkische Reden schwang und das HJ-Kampflied 'Nur der
Freiheit gehört unser Leben' zu seinem Programm machte, diese
Rechtsaußen-Aktivitäten seines politischen Ziehkindes hatten
CDU-Chef Wallmann ebenso wenig gestört, wie Egerters Haltung zur
Kirche. Deren Pastoren hatte er (bei einer Rede zum 'Tag der
Heimat') mit 'Stoßtruppführern der Systemüberwinder' verglichen."
Das ist nicht weiter verwunderlich. Egerters politische
Einstellung hatte ja auch nicht gestört, als Wallmann ihm 1987
das Bundesverdienstkreuz verlieh, für das er vom ehemaligen
Bundesführer der "Deutschen Jugend des Ostens" und Mitglied im
Witiko-Bundesvorstand von 1984-87 Oskar Böse vorgeschlagen worden
war. Zu Egerter bleibt nur noch zu erwähnen, daß er 1950 am
ersten Führerlehrgang der "Sudetendeutschen Jugend" teilnahm, und
von 1952-61 Sprecher des "Arbeitskreises Sudetendeutscher
Studenten", später Mitglied der Bundesversammlung der SL sowie
1984 im Bundesvorstand der SL war.
Witiko-Wurzeln
Als Beispiel der Verflechtungen
zwischen WB und Wirtschaft braucht hier nur der Solinger
Bauunternehmer Günter Kissel genannt zu werden. Der am 2.
Weihnachtstag 1916 geborene Kissel kann auf eine lange
faschistische Geschichte verweisen. Im 2.Weltkrieg brachte er es
bis zum Kompaniechef. Nach dem Krieg versteckte er den gesuchten
KZ-Mörder
Gottfried Weise in seiner Firma, die er von seinem
Vater übernommen hatte. 1979 organisierte er auf dem
Firmengelände eine Veranstaltung mit dem britischen Holocaust-
Leugner David Irving. Drei Jahre später veröffentlichte Kissel
einen autobiographischen Aufsatz in den "Deutschen Annalen" des
rechtsextremen Druffel-Verlages, in dem er voll des Lobes für die
Wehrmacht und die Nationalsozialisten war. 1983 setzte er sich
vehement für den inhaftierten Nazi
Thies Christophersen ein.
Außerdem gehört Günter Kissel zum internen Führungskreis der
"Düsseldorfer Herrenrunde". Dieser millionenschwere Club lädt
regelmäßig zu Veranstaltungen mit hochrangigen Konservativen und
Rechtsextremisten. Zu den ReferentInnen zählten u.a.
Jörg Haider,
Franz Schönhuber (der dann auch
Millionenbürgschaften für den REP-Wahlkampf erhielt),
Heinrich Lummer,
Klaus Kinkel,
Michaela Geiger u.v.a.m.
Um zum Thema zurückzukommen: Dieser Günter
Kissel ist ein eifriger Förderer des WB und unterstützt ihn mit
beträchtlichen Geldspenden.
Die Beschreibung der Machenschaften
eines anderen Witikonen würde den Rahmen dieses Textes sprengen:
Dr. Herbert Fleißner, Großverleger und Träger des "Großen
Sudetendeutschen Kulturpreises". Allen Interessierten sei das
Buch "Rechte Geschäfte. Der unaufhaltsame Aufstieg des deutschen
Verlegers Herbert Fleißner", Frankfurt/M., 1994 von Hans
Sarkowicz empfohlen.
Völkische Avantgarde
Der Witikobund ist extrem revanchistisch. Das ehemalige
Sudetengebiet soll "heim ins Reich". Um dies zu verdeutlichen,
ein etwas längeres Zitat aus dem Witiko-Brief (Dez. 84/Jan. 85),
geschrieben von Harry Hochfelder von der
Sudetendeutschen Landsmannschaft:
"Wir glauben nicht, daß einer Räumung zumindest
eines beträchtlichen Teils des Sudetengebietes durch die
Tschechen unüberwindliche Schwierigkeiten im Wege stehen, wenn
man folgende Punkte berücksichtigt:
- Die Tschechen haben das
Sudetengebiet niemals zur Gänze besiedeln können. Die dort jetzt
lebende Bevölkerung ist an Zahl wesentlich geringer als vor der
Vertreibung.
- Die im Grenzgebiet jetzt wohnende Bevölkerung ist
nicht dort verwurzelt.
- Die Tschechen sind nicht imstande gewesen, den Schutz der Umwelt
wahrzunehmen.
Dieser Umstand bestätigt, daß die Tschechen das Sudetengebiet nicht als ihre
Heimat ansehen." (zitiert nach G.Herde/A. Stolze, Die
Sudetendeutsche Landsmannschaft, Pahl-Rugenstein 1987)
Allerdings geht es dem Witikobund um mehr -
Hans-Ulrich Kopp nannte es "...
die Zukunft der Deutschen als Kulturvolk"- : um die rassistische
Komponente des Deutschen-Herrenmenschen-Wahnes, ein rein arisches
Deutschland von der Maas bis an die Memel...
Für diese Ziele arbeitet der Witikobund seit seiner Gründung nach dem selben
Schema. Die Mitglieder besetzen Ämter in anderen Organisationen
und Parteien, bzw. deren Funktionäre werden zu Witikonen gemacht.
So ist es auch zu erklären, daß diese (nur) ca. 1.000 Personen
zählende Gruppe einen solchen Einfluß auf die Sudetendeutsche
Landsmannschaft (ca. 200.000 Mitglieder) ausübt. Nicht nur, daß
viele Witikonen im Vorstand der SL sitzen, auch die
Bundesversammlung der SL besteht schon seit Jahrzehnten zu über
der Hälfte aus Mitgliedern des WB.
Aber auch in vielen rechten Organisationen, die nicht den Vertriebenen
zuzurechnen sind, hat der WB durch seine zugegebenermaßen taktisch gute
Politik mehr als nur ein unbedeutendes Standbein, wie die sicher
unvollständigen Ausführungen im ersten Teil dieses Textes
beweisen.
Aber genau darin kann auch ein Ansatz für eine
erfolgreiche antifaschistische Arbeit bestehen. Denn jede Aktion,
den wir gegen Gruppen wie die "Gesellschaft für freie
Publizistik", die REP, NPD, JN u.v.a.m. führen, trifft Mitglieder
des WB, jede Aktion, die wir gegen den WB führen wollen, kann
auch die ebengenannten Gruppierungen treffen.