An allen Fronten bewährt
Ein Stück Werksgeschichte der FORD AG Köln
Als größter Arbeitgeber in dieser Stadt schätzt Ford
besonders den Optimismus, die Fröhlichkeit und die aufgeschlossene
Art der Kölner. Ihre Mentalität paßt hervorragend zu
einem Unternehmen, das mit kreativen Lösungen die Zukunft bewegen
will«, so Albert Caspers, Vorstandsvorsitzender der Ford-Werke in
Köln. Auch der Ford-Vorsitzende ist sich nicht zu schade, an der
städtischen »Köln-tut-besser« Anzeigen-Kampagne
teilzunehmen und wie Oberbürgermeister Burger oder Oberstadtdirektor
Ruschmeier zur Imagepflege die rote Pappnase zu lüften. Die Angst
vor dem tiefen Fall in die Bedeutungslosigkeit, die der rheinischen
Metropole bei der Verlegung der Hauptstadtgeschäfte nach Berlin zu
drohen scheint, geht ja doch um. Da wird in der Stadt aufatmend zur
Kenntnis genommen, daß sich Ford seit einiger Zeit viel mehr als
früher mit dem Standort Köln identifiziert: Ford sponsort den
FC, aber auch das Gürzenich-Orchester, die Veranstaltungen des
Sommerkulturprogramms, die Theater-Konferenz. Seit 1931 werden die
Deutschland-Geschäfte des amerikanischen Automobilkonzerns von dem
Werk in Köln-Niehl aus geleitet. Groß geworden ist die Filiale
im Deutschen Reich, also während des Nationalsozialismus. Doch bis
heute liegen jene Anfangsjahre völlig im Dunkeln: Die Forschung
ignorierte das Thema fast vollständig und die Konzernleitung selbst
macht keine Anstalten, sich diesem unerfreulichen Kapitel zu stellen. In
der Tat ist es im Rückblick durchaus beschämend, wie sich Ford
den Nazis anbiederte. So durfte Ford gemäß einem
Ministeriumserlaß seit 1936 für alle Produkte mit dem Begriff
»Deutsches Erzeugnis« werben. Das bekannte ovale Ford-Symbol
wich 1937 einem Wappen mit Fabrik und Kölner Dom und der Aufschrift
»Ford Köln«. Doch es blieb nicht bei dieser optischen
Anpassung an die neuen Verhältnisse. Skrupel, mit den Nazis
Geschäfte zu machen, haben in der amerikanischen Konzernzentrale
offensichtlich nicht bestanden. Der Firmengründer Henry Ford teilte
mit Adolf Hitler den aggressiven Antisemitismus und einen gründlichen
Haß auf die Arbeiterbewegung. Hitler, der Henry Ford glühend
verehrt haben soll, ließ ihm im August 1938 zu seinem 75.
Geburtstag über den deutschen Konsul in Cleveland das
»Großkreuz des Ordens vom Deutschen Adler« verliehen. Im
gleichen Jahr lag Ford mit der Herstellung von Personenkraftwagen bereits
an vierter Stelle der im Reich produzierenden Automobilfirmen und im
Bereich der kommerziell genutzten Fahrzeuge sogar schon an zweiter Stelle.
Der ständig steigenden Produktion konnte auch der Kriegsbeginn nichts
anhaben; die Gewinne stiegen von 1,28 Millionen Reichsmark im Jahre 1939
auf 2,17 Millionen im Jahre 1943. Auf einer Betriebsfeier
anläßlich des zehnjährigen Bestehens des Kölner
Werkes hob der Vorstandsvorsitzende Robert H. Schmidt den Beitrag Fords am
Krieg vor der lokalen NS-Prominenz hervor: »Die Umstellung von der
Friedensproduktion auf Kriegswirtschaft vollzog sich im allgemeinen
reibungslos. (...) Die von der Wehrmacht eingesetzten Ford-Wagen konnten
sich an allen Fronten bewähren.« Tatsächlich gehörte
Ford - zusammen mit Daimler-Benz und Opel - zu den wichtigsten
LKW-Lieferanten für die deutsche Wehrmacht. Schon vor dem Krieg, so
die Ford-Werke Köln im Juni 1941, half man »gelegentlich des
Einmarsches in die Tschecho- Slowakei der Armee mit erheblichen
Lieferungen aus dem Ausland über einen Engpaß« hinweg.
Mit dem Produktionsstopp von PKW im Jahre 1942 liefen nur noch
Lastkraftwagen vom Band. Besonders die in großer Anzahl
produzierten »Drei-Tonner« hatten eine große Bedeutung
für Truppentransporte der Wehrmacht. Darüber hinaus
kontrollierte die Konzern-Zentrale in Köln sämtliche Fabriken
des Ford-Konzerns in den überfallenen Ländern. Deutsch und
immer deutsch gewesen Es ist schon erstaunlich, wie sich der amerikanische
Konzern zur kriegswichtigen und daher von den Nazis bevorzugt behandelten
Produktionsstätte mauserte. Weit vorausschauend hatte man bei den
Ford-Werken schon frühzeitig Überlegungen angestellt, was im
Falle eines Kriegszustandes zwischen Amerika und dem Deutschen Reich zu
geschehen habe. Dann nämlich wären die Ford-Werke laut der
»Verordnung betrifft Behandlung feindlichen Vermögens«
unter Zwangsverwaltung gestellt worden. Ein halbes Jahr vor dem
Kriegseintritt der USA wandte sich Ford daher an den zuständigen
Reichskommissar und bemühte sich, den Betrieb in Köln als in
deutschen Händen befindlich darzustellen. Schon Ende 1940 hatte die
amerikanische Konzernzentrale durch Erhöhung des Aktienkapitals ihren
Anteil von 75 Prozent auf 52 Prozent reduziert. Mit 1,75 Millionen
Reichsmark hielt beispielsweise die IG-Farbenindustrie einen nennenswerten
Anteil. So schrieben Vorstand und Aufsichtsrat im Juni 1941 nach Berlin:
»Die Verwaltung der Ford-Werke A.G. ist (mit den unten vermerkten
unerheblichen Einschränkungen) deutsch und immer deutsch gewesen.
Der Aufsichtsrat der Gesellschaft besteht aus folgenden Herren: Geheimrat
Dr. Ing. e.h. H.F. Albert, Vorsitzer, Professor Dr. C. Krauch (I.G.
Farbenindustrie), stellvertr. Vorsitzer, Dr. Bötzkes (Deutsche
Industrie Bank), Hünemeyer (Industrie- und Handelskammer, Köln),
Edsel B. Ford und Charles E. Sorensen, Dearborn (Michigan). Ständig
in Deutschland anwesende amerikanische Aufsichtsratsmitglieder oder
sonstige kontrollierende oder mitbestimmende amerikanische Vetreter der
amerikanischen Muttergesellschaft sind in Deutschland nicht vorhanden und
nie vorhanden gewesen.« Nachdem im Dezember 1941 Amerika in den Krieg
eingetreten war, schlug der Kölner Gauwirtschaftsberater, Kurt
Freiherr von Schröder, in einem Schreiben an die Kanzlei des
Führers vor, den amtierenden Vorstandsvorsitzenden Schmidt als
Verwalter einzusetzen. Zur Begründung führte er im Februar 1942
aus: »Unter allen Umständen muß ich aber im Interesse der
deutschen Aktionäre wie auch im Interesse einer ungestörten
Fortentwicklung dieser heute schon als deutsch anzusehenden Betriebe es
ablehnen, daß dort ein fremder Verwalter hineingesetzt
wird...«.
50% ZwangsarbeiterInnen
Vor fast zehn Jahren, im
November 1986, widmete die StadtRevue dem Thema Zwangsarbeit in Köln
die Titelgeschichte. Erstmalig dokumentierte dort die Gruppe
»Zwangsarbeiterinitiative« die Tatsache, daß auch Ford mit
den Nazis Geschäfte gemacht und mehrere tausend Zwangsarbeiter
beschäftigt hatte. Damals sah man bei Ford keinen Anlaß, sich
mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Abweisend und zugeknöpft blieb
der Konzern auch, als die seit Ende der 80er Jahre aktive
»Projektgruppe Messelager« sich an Ford wandte. Weder wollte
man zu der Frage von Entschädigungszahlungen Stellung beziehen, noch
ehemalige Zwangsarbeiter zu einer Besichtigung ins Werk lassen. Wenn nun
im September das von der Projektgruppe institutionalisierte
städtische Besuchsprogramm für ehemalige Zwangsarbeiter,
Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge stattfindet, wird dieses Thema
erneut auf die Tagesordnung kommen. Denn unter den eingeladenen
Gästen aus den GUS-Ländern und Polen befinden sich acht
Männer und Frauen, die während der Nazi-Zeit bei Ford arbeiten
mußten. Ihr Besuch in Köln ist umso wichtiger, als trotz
einiger Bemühungen sowohl in der »Projektgruppe« als auch
im städtischen NS-Dokumentationszentrum das Wissen um die Lager bei
Ford bis heute immer noch relativ gering ist. Wenig dazu beigetragen
haben bislang diejenigen, die es eigentlich genau hätten wissen
müssen. So gaben bei einer ersten Umfrage im Jahre 1949 die zu den
Kriegsgefangenen-, Zwangsarbeiter- und KZ-Häftlingslagern befragten
Kölner Polizeidienststellen durchweg an, daß man über die
Bewachungsmannschaften nichts wisse. Auch die Zahlen waren deutlich
geschönt. Aufschluß über den tatsächlichen Umfang
von Zwangsarbeit bei Ford geben einige Beiratsprotokolle. So heißt
es im August 1942: »Das Kriegsprogramm betrug bisher rund 4.000
Einheiten im Quartal. Nach Anordnung der zuständigen Behörden
soll die Leistung auf rund 7.000 Einheiten im Quartal gesteigert werden.
Dies bedingt eine noch stärkere Einstellung von Gefangenen,
insbesondere Russen, die zur Zeit schon annähernd 1/4 der Belegschaft
[das sind etwa 1.000, d. Verf.] ausmachen.« Die Lücken, die
durch Einberufungen zur Wehrmacht im Betrieb entstanden, wurden mehr und
mehr durch Zwangsarbeiter, insbesondere Frauen, geschlossen. Im Juli 1943
ist im Beiratsprotokoll dazu vermerkt: Ȇber die Arbeiterfrage
fand eine eingehende Aussprache statt, an der sich insbesondere auch Herr
Professor Krauch beteiligte. Herr Schmidt teilte mit, daß jetzt
etwa 50 Prozent Ausländer beschäftigt würden und von diesen
etwa 1.200 Russen und Russinnen, hauptsächlich die
letzteren.«
Damit befanden sich bei rund 5.000 Beschäftigten im Juli 1943 2.500
ausländische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in den
Ford-Werken. Untergebracht wurden sie in einem Barackenlager, das sich in
unmittelbarer Nähe zum Firmengelände befand und das
größte Zwangsarbeitslager in Köln gewesen sein
dürfte. Über die Zustände in dem Lager und über die
Arbeitsbedingungen können einige erhalten gebliebene Quellen und vor
allem die Berichte der ehemaligen ZwangsarbeiterInnen Aufschluß
geben. Viele waren noch Jugendliche, als sie aus ihrer Heimat nach
Köln verschleppt wurden. Nadja Schubrawa beispielsweise, die im
September nach Köln kommen wird, wurde als Siebzehnjährige aus
der Ukraine verschleppt. Bei den Ford- Werken setzte sie Frontscheiben am
Fließband ein. Wegen einer heimlich versteckten Rübe, so
schreibt sie in ihrem ersten Brief, sperrte man sie in das Gefängnis,
das sich im russischen Teil des Lagers befand.
Mehrere Verhaftungen von
»Ostarbeitern« bei Ford durch die Gestapo sind bekannt. Auch
ist bekannt, daß der Werkschutz von Ford Zwangsarbeiter an die
Gestapo auslieferte, wenn sie beispielsweise im Verdacht des
Plünderns standen. Zwangsarbeiter, die eine Flucht versucht hatten
und wieder aufgegriffen wurden, kamen in
»Arbeitserziehungslager« oder Konzentrationslager. Seit August
1944 unterhielt Ford neben dem Kriegsgefangenen- und Ostarbeiterlager ein
eigenes Kommando des Konzentrationslagers Buchenwald. Das KZ-Kommando
»Köln-Ford« kam am 12. August mit 50 Häftlingen und
einer SS-Bewachung von 16 Mann an und wurde in einer Baracke in der
Nähe des Werkes untergebracht. Für die Häftlinge bezahlte
Ford pro Tag sechs Reichsmark bei Facharbeitern und vier Reichsmark bei
Hilfsarbeitern an die SS. Marian Gazinski, der als KZ-Häftling bei
Ford war und über diese Zeit während eines Besuches in Köln
im Jahre 1989 berichtete, behielt als besonders schlimm die Ernährung
in Erinnerung. Morgens gab es Kaffee und 200 Gramm Brot, abends Spinat
und drei Kartoffeln oder eine Suppe aus Weißrübenblättern.
Während der fünfzehnminütigen Mittagspause gab es kein
Essen. Wer krank wurde und damit nicht mehr zur Arbeit einsetzbar war,
wurde nach Buchenwald zurückgeschickt und durch einen anderen
Häftling ausgetauscht. Die SS führte ein strenges Regiment,
doch Herr Gazinski überlebte, weil er bereits langjährige
»Lagererfahrung« hatte: »Wir haben uns immer korrekt
verhalten, weil wir diese Disziplin hatten. Wir wußten, daß
man das Leben für Kleinigkeiten verlieren kann...«. Auf dem
Westfriedhof sind mehrere im Lager der Ford-Werke gestorbene Menschen
beerdigt. Unter ihnen befinden sich auch drei wenige Monate alte
Säuglinge. Ende Februar 1945 mußte auch Ford die Produktion
einstellen und die meisten Zwangsarbeiter wurden auf die rechte Rheinseite
gebracht. Das KZ-Kommando kehrte am 27. Februar wegen
»Feindnähe« nach Buchenwald zurück. Im Werk
verblieben noch 290 Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen, die am 22.
März 1945 von der Militärregierung in einem Lager für
»Displaced Persons« untergebracht wurden.
Excellent condition
»Immer auf der Seite der Sieger« - so
betitelten
Reinhold Billstein und Eberhard Illner in dem Buch »You are now in
Cologne. Compliments« den Abschnitt über Ford. Damit ist nicht
nur die Tatsache treffend beschrieben, daß der Vorstandsvorsitzende
Robert H. Schmidt von der amerikanischen
Militärverwaltung wenige Tage nach der Einnahme von Köln zum
Treuhänder von Ford bestellt wurde. Als die amerikanischen
Truppen in Köln einrückten, fanden sie die Ford-Werke nahezu
unzerstört vor: »The plant was undamaged by bombs or shell fire
and is in excellent condition«. Obwohl schon früh beim U.S.
Strategic Bombing Survey die Bedeutung der Kölner Ford-Werke
für die deutsche Wehrmacht bekannt war, fanden erst am 15. und
18. Oktober 1944 Bombenangriffe auf das Werk statt. Bei den
»Präzisionsangriffen« trafen die 85 eingesetzten Bomber
jedoch
nicht die Werksanlagen, sondern das Zwangsarbeiterlager. Das
Zielgebiet, so hieß es später offiziell dazu, sei fehlerhaft
markiert gewesen. Francizek Wojcikowski, der als KZ-Häftling
die Bombardierung erlebte, berichtete dagegen, daß die
Flugzeuge sehr tief flogen und seiner Meinung nach das Werk
nicht treffen wollten. Nennenswerte Zerstörungen fanden erst
durch deutschen Artilleriebeschuß von der rechten Rheinseite,
der bis in den April hinein erfolgte und die amerikanischen
Truppen aufhalten sollte, statt. Doch die Werksleitung hatte
schon vor dem Einrücken der Amerikaner einen Großteil der
Anlagen ausgelagert. An dem Tag, an dem Europa von den
Nationalsozialisten befreit wurde, konnte der erste Lastwagen
bei Ford vom Band rollen. Das Werk hatte den Krieg unbeschadet,
seine Manager die Unterstützung der Nazis ungestraft
überstanden.
Literatur:
* Witich Roßmann, Vom mühsamen Weg zur
Einheit. Lesebuch zur Geschichte der Kölner Metall-Gewerkschaften.
Quellen und Dokumente Bd. 2: 1918 - 1951, Hamburg 1991
* Reinhold Billstein/Eberhard Illner, You are now in Cologne.
Compliments. Köln 1945 in den Augen der Sieger, Köln 1995
*
NS-Dokumentationszentrum: Interviews und Lagerverzeichnis
[Quelle: StadtRevue Köln Heft 9/1995]