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Tue Dec 17 21:59:29 1996
 

Interview mit einem Rumänen über seine Flucht

(gekürzt aus: off limits, Nr. 7)

1. Versuch:

Wir fuhren mit dem Auto durch Rumänien, Rußland (ohne Visum), Polen. Mein Verwandter und seine Frau hätten eigentlich noch ein paar Wochen warten müssen, bis sie ein Visum für Deutschland kriegen. Aber sie wollten es an der Grenze einfach so versuchen.
Wir haben pro Person 100 Dollar an der deutsch/polnischen Grenze an Schlepper bezahlt. Aber man hat uns hereingelegt. Das Ehepaar wollte es dann auf eigene Faust versuchen. Sie hatten ein deutsches Auto mit deutschem Nummernschild. Wir haben uns das von weitem angesehen, es klappte nicht. Vielleicht wat das unser Glück. Er versuchte also, mit uns illegal über die Grenze zu gehen. Er zahlte auch sein Geld an die Schlepper.
Der Schlepper sagte: "Wartet mal, ich gehen gucken, wie das alles so läuft." Und wusch - weg war er. Später hörten wir dann von einem Freund, daß er schon mit dem Zug nach Deutschland unterwegs wart. Dieser Freund war wohl Partner und hat uns auch die Hälfte unseres Gekdes zurückgegeben.
Nachts, so um 2.00 Uhr oder später, sind wir dann durch's wasser gegangen, bei Sgoselek.
Wir haben versucht, wie Betrunkene rumzulaufen. Es war ungefähr 3 Uhr, wir waren naß und schmutzig. Wir sind zum nächsten Bahnhof mit Unterführung, dort hat die Frau uns gewartet. Wir sind dann sofort ganz schnell nach Berlin zu meinem Bruder gefahren. (...)
(es folgt: Asylantrag, Ablehnung, Abschiebeknast, Abschiebung)

2. Versuch:

Der 2. Versuch war so richtig schlecht, abenteuerlich. (...) Es gab dann eine Chance mit 2 Brüdern und noch einem Typen, es nochmal zu versuchen. Ich dachte, sie haben Erfahrung, und es geht sicher. Sie haben es schon häufiger probierte, einer war auch schon längere Zeit weg. Wir warteten alos auf die Leute, die viel Geld haben sollten. Als sie kamen, hatten sie nichts mehr. Alles beim Poker verloren. wir sind bis Polen im Bus gefahren. Unterwegs gab's Probleme. Ich hatte denselben Paßport, mit dem sie mich abgeschoben haben. Der russische Grenzer sagte: "Ah, du willst wieder nach deutschland." "Nein, ich will nur Geschäfte in Polen machen." Viele machen Geschäfte in Polen. Ich versuchte zu erklären, aber wenn die Russen was im Kopf haben. (...) Er wollte 50,- DM. Ich hatte nur noch 20,- DM; ich mußte ja auch die Reise bezahlen von dem Geld, was mein Bruder mir geschickt hatte. Meine Freunde hatten leider auch kein Geld; sie hätten es mir bestimmt überlassen. Wir haben mit der Reiseführerin gesprochen, und sie hat das bezahlt. Ich habe ihr gesagt, irgendwann gebe ich es ihr zurück. Der Russe war dann mit 30,- DM einverstanden. Wenn es aber an dieser Grenze schon Probleme gibt, dann habe ich an der polnischen Grenze keine Chance, dachte ich. Ich bin zur Toilette gegangen, die anderen wurden kontrolliert und durchsucht. Als alles fertig war, bin ich wieder in den Bus gestiegen. Es hatte geklappt, wieder Glück gehabt. Unser Kontakt in Polen tauchte nicht auf. Offensichtlich ging das Geschäft nicht besonders gut. Wir konnten in Polen auch kein Geld machen, wir kriegten gerade das Geld für den Zug bis zur Grenze zusammen. Im Zug saßen 9 Leute, die aich nach deutschland wollten. Viele von ihnen auch nach Holland. Sie wollten am selben Tag sofort los. Wir sagten, wir wollen noch ein paar Tage warten, Geld besorgen, Kleidung kaufen... In letzter Minute sind wir dann doch mit ihnen gegangen. Im Zug saßen wir dann mit einer Karte auf den Knien und überlegten, welches der beste Platz zum Rübergehen sei. Einer sagte das, der andere dies und ein anderer noch etwas anderes. Als wir in sgoelek ankamen, wußten wir immer noch nicht, wo wir langgehen sollten. Wir wollten nichts bezahlen, wir waren soviele. Soviele hatten es schon versucht, und es hatte nicht geklappt. Wir waren 13 Leute. Ein polnischer Taxifahrer meinte, er würde eine gute Stelle kennen. Wir fuhren mit 2 Taxis an die Oder. Es standen da auch schon 2 polnische Grenzschützer. Mein Paß hatte keinen polnischen Stempel, deshalb war ich in Gefahr. Sie hielten nur das Auto an, indem ich in der Mitte hinten saß. Die Grenzschützer fragten, wo wir hinwollten. Der Taxifahrer sagte: "Zu einem Camp." Ich bin mir ganz sicher, daß die Taxifahrer und die Grenzschützer auch Geschäfte machen. Sie bekommen Geld, sie sind Freunde.

Durch die Oder

Tja, hier war die Straße, 10 m weiter war das wasser. der Taxifahrer sagte: "Da geradeaus, da ist Deutschland." Das Wasser war 5 m breit und brusttief. Wir hatten alle Säcke, es war ein wildes Durcheinander, manchmal kamen auch Autos vorbei...

wir haben uns ausgezogen, ich habe selbst die4 Unterhose ausgezogen, damit nichts naß wird. es war Oktober, und wir haben alle gezittert vor Kälte.

Normalerweise bin ich viel lungenkrank, aber der liebe Gott hat mich beschützt. Du mußt dir vorstellen: Auf der anderen seite des Flusses, 13 Leute, die anfangen: "Wo sind meine Schuhe, wo ist meine Hose...?" 20 Meter weiter war die Straße. 2 Autos waren schon vorbeigefahren. Wir gingen los, aber irgendwie sind wir im Kreis gelaufen. Wir kamen am selben Platz wieder aus. Da war ein Friedhof, und wir wollten nachsehen, ob wir wirklich in Deutschland waren. Wir haben uns die Graninschriften angesehen, und ich habe gesagt: "Das sind deutsche Namen." Dieser Friedhof, vielleicht kennst du ihn, liegt halb in Polen, halb in Deutschland. Dann mußten wir eine Straße überwueren. Ach, es war wieder furchtbar! 13 Leute, keiner konnte das Laufen durchhalten, wir mußten aber schnell sein und zusammen bleiben. Ein Autofahrer hat ein paar von uns gesehen....

Wir kamen immmer wieder am Friedhof raus. 6 Leute sind zum Bahnhof gegangen und wollten mit dem Zug weiterfahren. Ich habe mit der anderen Gruppe - es wurde langsam hell - ein Versteck gesucht. Nach ein paar 100 Metern haben wir uns in einer Grube auf einem Feld versteckt. In 200 m entfernung konnte man schon Häuser sehen. Wir haben ein Feuer gemacht, hatten aber nichts mehr zu essen. die anderen 3 Männer, die mit uns waren, hatten noch andere Kleidung zum Umziehen. Sie wollten in die Stadt gehn und gucken, wie' sda so läuft. 2 von ihnen waren zu auffällig, zu laut. Sie wurden überprüft und festgenommen. Der 3. ist zu uns zurückgekommen, hatte kese gekauft, aber nicht genügend. Er hatte nur noch 50,- DM und wollte mit dem Taxi fahren. Wir konnten natürlich nicht alle mit. wir entschlossen uns, bis abends zu warten und ein Auto zu knacken, um ein bißchen weiter von der Grenze wegzukommen. 30 km weiter ist es schon kein Problem mehr. Wir haben Hubschrauber gesehen, auch ein kleines Flugzeug, die häufig kreisten. Wir wußten nie, ob sie uns sehen, wir kannten uns nicht aus. Aber unter dem Baum fühlte wir uns ganz sicher. Es fing an zu regnen...

Am Abend haben wir versucht, einen Lada oder einen Wartburg zu knacken. Wir versuchten es 3 oder 4 Mal, es klappte nicht. Bei einem Auto war hinterher das ganze Lenkrad kaputt, aber er hat es nicht geschafft. Wir sind also noch einen Tag auf dem Feld geblieben, ohne was zu essen. Abends haben wir es nochmal versucht. Es mußte doch klappen! Es hat aber nicht geklappt.

Die beiden Brüder haben gesagt, sie gehen jetzt einfach los. Wenn sie geschnappt und zurückgeschickt werden, dann wüßten sie wenigstens, daß sie eine Wohnung und etwas zu essen hätten... Man kommt in so einen wahn, wenn nichts klappt, ist es am besten, wenn sie einen erwischen.

Aber ich habe durchgehalten. Ich wollte nicht zurück. Ich habe versucht, es ihnen zu erklären. Ich weiß auch gar nicht, wie wir das geschafft haben...

wir sind dann um 2 Uhr nachts durch die Stadt gelaufen, durch's Zentrum. Einmal kam von vorne ein Auto, einmal von hinten. Unglaublich, wir waren 4 Leute und sonst kaum einer auf der Straße.

wir brauchten wegen Umleitungen unheimouch lange Zeit, bis wir aus der Stadt raus waren. Wir kamen zu kleinen Häuschen, die wahrscheinlich am Wochenende benutzt werden. Wir wollten nur schlafen, waren auch nicht interessiert an sonstigen Mobiliar; etwas zu trinken, etwas zu essen - das war fas wichtigste. Wir hätten auch jemand gefragt danch, aber es war 3 Uhr nachts... es war auch keiner da. Wir fanden ein paar Decken, aber einige von uns hatten Angst, drinnen zu schlafen, weil die Bewohner ja zurückkommen könnten.

Wir sind mit den Decken, was zu trinken und ein paar Keksen 100 m weiter gegangen und haben uns dort ohne Zelt hingelegt. Ich war so müde, daß ich einschließ. Aber ein bißchen später mußte ich meine Augen mit den Händen öffnen, zugedeckt war ich auch nicht mehr...

Wir aßen ein paar Konserven - ich glaube Pfirsische - es ging uns schon bessser, die Sonne kaum raus. Wir haben beschlossen, die Straße weiterzugehen, die 200 m weiter war. Dort stand ein Minibus der Polizei. Sie haben uns wieder nicht angehlaten. es gab keinen Weg für Fußgänger, also habenwir uns entschieden, über die Bahnschienen zu laufen. Alle, die uns sahen, guckten merkwürdig - 4 Leute über die Schienen - wer macht schon sowas? Insgesamt sind wir 50 km gelaufen. mal Straße, mal schienen. Zwischendurch ein paar Häuschen, wo wir reingegangen sind. Wir haben aber nicht viel gefunden. Wir haben die Kleider gewechselt und immer ein paar Kekse gefunden. Die letzten 3 oder 5 km hat uns ein Bus mitgenommen. Ich habe ihm gesagt, daß wir kein Geld haben, es fing an zu regnen...

Ach ja, die Nacht hatten wirr in einem Haus geschlafen. Am Morgen waren wir gerade am Stadtrand angekommen - niemand hatte mehr einen Pfennig. Die anderen 3 wollten in einen Zug einsteigen, sich ganz oben im Zug verstecken. Ich wollte meinen Bruder in Berlin erreichen. Wir haben uns dann getrennt. Ich bin in die Stadt und habe einigen Menschen erklärt, daß ich meine Brieftasche verloren hätte und Geld zum Telefonieren bräuchte. Aber das hat nicht geklappt.

Dann habe ich gesagt, daß ich 2 Tage nichts gegessen und Hunger hätte. daraufhin bekam ich 2 DM und habe erstmal telefoniert. Ich habe meinen Bruder erreicht, und er hat mich abends nach Berlin gebracht. (...)