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Online seit:
Tue Dec 17 21:59:29 1996
 

Redebeitrag auf der Demo:

Illegalisierung macht unsichtbar

Ein Schritt nach vorn - wie auch zurück - ist für sie unmöglich geworden. Sie tauchen unter. Hinein in die schützende Anonymität der Großstädte, die zum Gefängnis werden kann


"Illegale": Menschen, die in ihrer Heimat keine Lebensperspektive sahen oder flüchten mußten vor Verfolgung, Folter, Kriegsdienst... Menschen, die aus denselben Gründen, aus denen sie nach Deutschland gekommen sind, Deutschland nicht verlassen können und wollen.
Doch diese Gründe zählen seit der faktischen Abschaffung des Rechts auf Asyl und der neuerlichen Verschärfung des Ausländerrechts 1993 nur noch in Ausnahmefällen. Das seitens der politischen Machthaber angestrebte Ziel scheint damit erreicht! Die Zahl der Asylanträge ist deutlich gesunken, auf der einen Seite. Auf der anderen Seite ist die Zahl der illegal hier lebenden Menschen seitdem gestiegen und wird weiter steigen, weil die neuesten ausländerrechtlichen Regelungen (sichere Herkunftsländer und sichere Drittstaaten...) sowie fehlende legale Zuwanderungsmöglichkeiten ihnen keine anderen Wahl lassen.

Nennen wir sie also besser: Illegalisierte. Denn wer würde schon freiwillig, daß heißt ohne äußersten Druck, die alltäglichen Einschränkungen und Bedrohungen wählen, die ein Leben als scheinbar nicht existente Person mit sich bringt. Dennoch haben sie sich dafür entschieden.

Sie nehmen es in Kauf, sich unsichtbar machen zu müssen. Bloß nicht auffallen, ist das oberste Gebot - die Angst, dennoch entdeckt zu werden, bleibt. Schleicht sich in die Träume, macht nervös, aggressiv, hoffnungslos. Doch die Angst, nach Hause zurückzukehren, ist noch größer.

Viele wissen auch dort nicht, wo sie Wohnung und Arbeit finden könnten; wollen sich nicht in fremden Kriegen zum Kanonenfutter machen lassen oder Opfer der oft staatlich gestützten Verfolgung von Andersdenkenden werden. Also bleiben sie.

Bemühen sich um Zustände, die ihrem Traum von einem ganz normalen Leben möglichst nahe kommen. Nur ist das ohne Hilfe und Unterstützung nahezu unmöglich: Wer keinen Paß hat, existiert nicht. Weder auf dem Sozialamt, noch auf dem Wohnungsmarkt und auch nicht für die Krankenkassen. Da bleibt nichts anderes, als für einen Hungerlohn arbeiten zu gehen und ohne Vertrag dennoch immer erpreßbar zu sein. Und die Firmen können schon damit rechnen, daß es immer genügend arbeitssuchende gibt, die ihnen den Profit garantieren, weil sie überleben wollen und keine Alternative haben zu derartigen Beschäftigungsverhältnissen. Wo sollten UIllegalisierte eine Wohnung finden, wenn schon weitaus zahlungskräftigere Menschen mit all den erforderlichen Papieren kaum eine Chance haben? Und was geschieht, wenn eine Frau schwanger ist oder das Kinde zur Schule gehen soll oder die Beschwerden stärker werden und eine Operation notwendig ist?!

Viel können dennoch irgendwie überleben, weil ihre Verwandten und Bekannten ihnenweiterhelfen. Dennochsind das selten dauerhafte und relativ sichere Lösungen. Daher weicht der psychische Druck nie, selbst wenn die existentiellen Grundbedürfnissen befriedigt sein sollten. Ein menschenwürdiges Leben läßt sich in der Illegalität kaum führen. Nichtzuletzt, wil für einmal Illegalisierte kein Ende dieses Zwangs zur Unsichtbarkeit abzusehen ist.

Um Atem zu holen, müßten sie wieder auftauchen.
Deshalb gibt es, neben anderen politischen Forderung für Flüchtlinge und MigrantInnen, keine Alternative als die Legalisierung aller Illegalisierten.