Gang an die Börse
Going public - Peanuts für die Broker
Im Rahmen des vierten antirassistischen Grenzcamps war der Dienstag, 31.7.01, als Aktionstag festgelegt worden, an dem die Zwangsarbeit während des Faschismus und der aktuelle Stand der »Entschädigungs«zahlungen thematisiert werden sollten. Zentrale Aktion war ein gemeinsamer Besuch der Frankfurter Börse. Warum diese ausgesucht worden war, stand in dem dort verteilten Flugblatt:
»Trotz aller historischen Unterschiede lässt sich eine Kontinuität deutscher Großraumpolitik in Mittelosteuropa und bei der nach Nationalitäten hierarchisierten Arbeits- und Bevölkerungspolitik feststellen - auch bei der Verstrickung großer Teile der Gesellschaft. Geldbesorgung und Gewinnrealisierung gehen an der Börse Hand in Hand mit der Einbindung der ›kleinen SchnäppchenjägerInnen‹, die vom großen Kuchen auch ein Stück abhaben wollen (auch wenn sie dabei oft genug auf der Strecke bleiben).«
Die kläglichen von der deutschen Wirtschaft nur unter Zähneknirschen zusammengekratzten fünf Milliarden DM - die zudem steuerlich absetzbar sind und die tagtäglich Zinsen abwerfen - für die Entschädigungszahlungen sind Peanuts im Vergleich zu dem, was von den ZwangsarbeiterInnen während des Krieges erwirtschaftet wurde und was Fundament des westdeutschen sogenannten Wirtschaftswunders war.
Soweit die Ausgangslage: Bei strahlendem Sonnenschein wurde Punkt 12.00 Uhr die Eingangshalle der Börse von mehr als Hundert AktivistInnen gestürmt: Von den Parolen aufgeschreckt, die durch die Halle nochmals akustisch verstärkt wurden (Kein Vergeben, Kein Vergessen - Entschädigung jetzt sofort!), wurden die Broker in ihrer Arbeit gestört - gleichzeitig wurde von der (geschlossenen) Besucherkabine aus die Tür zur (offenen) Tribüne über dem Börsenparkett unorthodox geöffnet. Auf dieser Tribüne rund um das Börsenparkett stehen Fernsehkameras, und die Sender filmen dort ihre Börsenberichte und führen Interviews zum Tagesgeschehen durch. Mehrere Personen stürmten nun auf die Tribüne und entrollten zwei große Transparente, auf denen auf deutsch und polnisch stand: Angemessene Entschädigung statt Almosen für alle ehemaligen ZwangsarbeiterInnen!
Gleichzeitig wurden in Anlehnung an das Motto der Aktion mehrere Tüten Erdnüsse (mit Schale) den Brokern unten in ihren Boxen um die Ohren geworfen, die sich daraufhin ganz verschüchtert wegen der ungewohnten Fluggeschosse in die Ecke drückten.
Nach einigen Minuten, als die Transparente befestigt waren und auch die erste Rangelei mit einem Wachschützer überstanden war, wurde die Tribüne verlassen.
Unten in der Halle brüllten und trällerten sich die Menschen immer noch, sehr zum Leidwesen der BörsenmitarbeiterInnen, die Kehle aus dem Leib - vor der Börse standen ebenfalls viele Menschen mit Transparenten, und das Wahrzeichen der Börse, Bulle und Bär, wurde mit roter Farbe angemessen verschönert.
Als einige Lalüs zu hören waren, formierte sich noch ein kleiner Demozug, der dann mit guter Laune, Parolen und Transparenten durch die Frankfurter Innenstadt zog.
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