Hausangestellte in Deutschland
- neues Grenzregime und Migrationsstrategien von Frauen - Diskussionspapier
Aus einem losen FrauenLesbenBündnis in Frankfurt/M. hatte sich zur Vorbereitung eines Beitrags zum Grenzcamp 2001 eine Gruppe gebildet. Nach verschiedenen Diskussionen entschieden wir uns dafür, uns mit dem Thema der Arbeits- und Lebenssituation von papierlosen Hausarbeiterinnen in Deutschland zu beschäftigen und hierzu eine Aktion oder Ähnliches vorzubereiten. Das Thema schien zahlreiche Anknüpfungspunkte zu den Themen des Grenzcamps 2001 und zu unseren eigenen Diskussionen zu bieten. Um uns ein Bild davon zu machen, wie verbreitet die Beschäftigung von Hausangestellten im Rhein-Main-Gebiet ist und welche Argumen-tationsmuster in diesem Zusammenhang vorhanden sind, machten wir in der Frankfurter Innenstadt Interviews mit PassantInnen. Erstaunlicherweise erklärten sich viele dazu bereit, unsere Fragen danach, wie sie ihren Haushalt organisieren, ob sie jemanden beschäftigen, wieviel sie der Person zahlen etc. zu beantworten. Wir entschieden uns dann, auf dem Camp eine Veranstaltung anzubieten, auf der wir unsere Interviews vorspielten, unsere Diskussionsergebnisse vortrugen und den Dokumentarfilm Unsichtbare Hausarbeiterinnen aus Berlin zeigten.
Mit dem Diskussionspapier möchte ich versuchen unsere Überlegungen vor und während der Veranstaltung wiederzugeben.
1. Verändertes Grenzregime
Die Situation der Hausarbeiterinnen ist Ausdruck des veränderten Grenzregimes der EU, das zum einen eine stärkere Abschottung nach außen bewirkt, zum anderen einen eingeschränkten Einwanderungsbedarf für benötigte Arbeitskräfte formuliert. Die inneren Trennlinien zwischen sozialen Klassen, zwischen den Geschlechtern und zwischen Menschen mit oder ohne EU-Pass werden neu gezogen. Es entstehen neue Migrationsmuster, auch in geschlechtsspezifischer Hinsicht. Am Beispiel der Arbeitsmigration von Frauen in den Haushaltssektor können die neueren Verbindungen, die nationalstaatliche und patriarchale Gewaltverhältnisse miteinander eingehen, aufgezeigt werden.
2. Zur Charakterisierung der Arbeitsverhältnisse
Frauen migrieren verstärkt nach Deutschland und in andere EU-Länder, um dort in privaten Haushalten zu arbeiten. Sie sind tätig als Pflegekräfte, als Haushaltshilfen, Kinder- oder Dienstmädchen. So hat sich neben der Prostitution, der Gastronomie und der Landwirtschaft ein weiterer wichtiger Bereich auf dem Arbeitsmarkt für Migrantinnen gebildet. In Deutschland kommen die im häuslichen Bereich arbeitenden Frauen vor allem aus Osteuropa.
Die Arbeitsverhältnisse stellen sich, wie das europäische Netzwerk der "migrant domestic worker" (migrantische Hausarbeiterinnen) RE-SPECT deutlich macht, vor allem aufgrund der fehlenden rechtlichen Absicherung der Hausangestellten, als quasi feudalistische Arbeitsverhältnisse dar. Die in privaten Haushalten tätigen Frauen stehen oft aufgrund ihres fehlenden oder nur prekären Aufenthaltsstatus in einer vollständigen Abhängigkeit von ihren ArbeitgeberInnen. So können sie sich weder gegen geringe Löhne, gegen in vielen Fällen uferlose Arbeitszeiten noch gegen eine demütigende Behandlung wehren, die von kleinen arbeitsbezogenen Gängeleien bis zu sexueller Gewalt reichen.
3. Illegalisierung
Aufgrund der für Nicht-EU-BürgerInnen in Deutschland schwierigen Situation, einen legalen Status mit Arbeitserlaubnis zu erhalten, bieten sich Migrantinnen in erster Linie zwei Möglichkeiten: mit einem Touristenvisum einzureisen, das nur drei Monate gültig ist und ihnen nicht den Besitz einer Arbeitserlaubnis ermöglicht oder als Au pair einzureisen und damit eine daran gebundene auf ein Jahr begrenzte Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Letzteres stellt zur Zeit ein häufig gewählter Weg von osteuropäischen Migrantinnen dar, die sich über eine Beschäftigung in einem deutschen Haushalt ihre Existenz sichern wollen. Beiden Migrationsstrategien ist gemeinsam, dass sie langfristig nicht einen gesicherten Status mit Arbeitserlaubnis herbeiführen. Dies treibt viele Frauen in die Illegalität.
4. Hohe Qualifikation
Dass es sich bei den in Haushalten Beschäftigten oftmals um hoch qualifizierte Frauen handelt, führt vor Augen, wie sich in den verschiedenen osteuropäischen Ländern der Übergang zur freien Marktwirtschaft auswirkte: bei der Umwandlung von staatseigenen Betrieben zu Aktiengesellschaften verloren viele qualifizierte Frauen ihre Stellen. Jüngere Frauen mit Hochschulabschluss oder vergleichbaren Ausbildungen sehen für sich keine Chance auf dem Arbeitsmarkt in ihrem Herkunftsland. Andere sehen die Tätigkeit als Au pair-Mädchen als eine attraktive Alternative an, da ihr Taschengeld von etwa DM 400,- dem Lehrerinnengehalt in ihrem Herkunftsland entspricht.
5. Die Ausweitung des Arbeitsmarkts für Hausangestellte in Deutschland
hängt mit seiner generellen Umstrukturierung zusammen. Mit den Forderungen der deutschen Frauenbewegung und mit einem neuen Arbeitskräftebedarf nahm die Berufstätigkeit von Frauen zu. Zugleich fehlten staatlich garantierte Entlastungen für die ihnen gesellschaftlich zugewiesenen Tätigkeitsbereiche wie Hausarbeit und Kindererziehung oder wurden - was in Ostdeutschland der Fall war - abgebaut. Außerdem fand keine relevante Umverteilung dieser Arbeiten unter Männern und Frauen statt. Die Hausarbeit wurde in der Folge meist nur stundenweise und mit Niedriglöhnen bezahlten Haushaltshilfen aufgetragen. Schon in den siebziger Jahren entwickelte sich dieser Bereich zu einem typischen Arbeitsfeld von Migrantinnen, die aufgrund rassistischer Einstellungspolitik keine andere Arbeitsmöglichkeit hatten. Unter diesen Bedingungen machten und machen bis heute viele Frauen und Männer mit deutschem Pass ihre Karriere auf Kosten einer in ihrem Haushalt beschäftigten Migrantin.
Zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Migrantinnen, die in Privathaushalten tätig sind, fordern RESPECT und andere Organisationen vor allem einen vom Arbeitgeber unabhängigen Aufent-haltsstatus und die Garantie von ArbeitnehmerInnenrechten. Zur Zeit ist es sicher notwendig, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie sich die nun seit Jahresbeginn gültige Green-Card-Regelung für "Haushaltshilfen aus Osteuropa" hinsichtlich ihrer Arbeitsbedingungen auswirkt.
(dorothea olga v. f., ffm.)
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