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Sat Dec 25 20:03:56 1999
 

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[grenze]

kein Quatsch ist illegal

Abschrift aus konkret 9/99

Deutsche sind, zumal in Polen und Tschechien, nicht gerade für historische Sensibilität bekannt. Man ist vor allem in den Grenzregionen viel gewohnt. Jede Woche karren Busse hunderte Berufsvertriebene durch die Landstriche, die vormals unter anderem von Deutschen bewohnt wurden. Auch Antirassisten finden Grenzen scheiße. Alle sollen da wohnen können, wo sie wollen. Nach dem Sieg des Antinationalismus im Kosovo-Krieg haben ihre Parolen einen neuen Klang: Statt "Freies Fluten" heißt es jetzt "Keine Grenze ist für immer", so jedenfalls das Motto eines "Grenzcamps" der Kampagne "Kein Mensch ist illegal", das im August am deutsch-polnisch-tschechischen Grenzdreieck in der Nähe von Zittau stattfand. Gerade erst wurde unter maßgeblicher deutscher Beteiligung Jugoslawien zerschlagen; alte Grenzen sind gefallen, neue sind gezogen worden. Insofern hatten die Veranstalter dieses Alternativurlaubsfürs gute Gewissen objektiv recht. Und mit der Wahl des ortes für ihr Zeltlager erwiesen sie sich sogar als Avantgarde deutscher Begehrlichkeiten – der Eindruck, daß es sich hier nicht um Linke, sondern um die Jugend der Vertriebenenverbände handelt, wurde jedenfalls nicht vermieden. Auch die deutschen Aborigines in dieser Gegend konnten sich freuen: Obwohl sie den Bundesgrenzschutz bei der Jagd auf Flüchtlinge tatkräftig unterstützen und ein paar Erziehungsmaßnahmen deswegen nicht schaden könnten, galten die Attacken der Antirassisten nicht ihnen, sondern "der Grenze", dem vermeintlichen Symbol des "staatlichen Rassismus". Das Veranstaltungsprogramm - viel Ringelpiez mit Anfassen, Badeausflüge und Schwoof auf dem Zittauer Marktplatz - läßt erahnen, wieviel Energie und Kreativität die Organisatoren darauf verschwendeten, die arischen Eingeborenen von ihrer Zutraulichkeit zu überzeugen. Daß ihr naßforsches "Keine Grenze ist für immer" von den osteuropäischen Nachbarn als Provokation aufgefaßt werden mußte, war ihnen dagegen offensichtlich gleichgültig - das sind ja nur Slawen. Doch es geht nicht nur um Gedankenlosigkeit: Das Motto verweist vielmehr darauf, daß deutscher Antirassismus bisweilen auch zur Ideologie derer werden kann, die von den deutsche Verbrechen - etwa der gewaltsamen Beseitigung der tschechischen und polnischen Grenze - nichts mehr hören wollen. Deshalb ist es reichlich absurd, wenn "Jungle World"-Kommentator Burkhard Schröder moniert, daß die kreuzfidelen Grenzcamper "nicht dieselbe Sprache wie die Stinknormalen" sprechen. Vielmehr geht es auf diesem Zeltplatz zu wie im August auf jedem anderen in Europa: Man spricht deutsch.

Tjark Kunstreich

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