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[Grenzcamp 99 Reader]
Offene-Grenzen statt Festung Europa - Grenz-Happenings
Antifaschistische Nachrichten 18 - 2.9.99
Von den länderweiten Grenzcamps, die zeitgleich stattfinden und auf die
Abschottungspolitik kapitalistischer Staaten aufmerksam machen sollten,
blieben nur jenes in Lückendorf an der deutsch-tschechisch-polnischen
Grenze (das nach anfänglichen Schwierigkeiten nach Zittau verlegt werden
musste) und jenes an der deutsch-dänischen Grenze in Flensburg übrig.
Letzteres stellte den Höhepunkt einer mehrwöchigen Veranstaltungsreihe im
Raum Hamburg und Schleswig-Holstein dar. Dabei kann das Bündnis der
veranstaltenden antirassistischen Gruppen mit dem Verlauf des Wochenendes
6. bis 9.8. durchaus zufrieden sein. Ungefähr 120 Leute aus verschiedenen
Städten nahmen an symbolischen Aktionen teil.
Die deutsch-dänische Grenze ist seit Jahrzehnten für die Bürger auf beiden
Seiten ein Musterbeispiel für eine grüne Grenze, die sie oft und
problemlos überqueren. Für Flüchtlinge ist sie hingegen eine gefährliche
Falle auf dem Weg nach Skandinavien. Da Deutschland und Dänemark einander
als sicheres Drittland ansehen, haben Flüchtlinge kaum eine Chance, die
Grenze legal zu überschreiten, um beim Nachbarn Asyl zu beantragen. Wer es
dennoch versucht und erwischt wird, wird zurückgeschoben und landet
oftmals direkt in der Abschiebehaft.
In den letzten Jahren sind im Norden beiderseits der Grenze die Kontrollen
erheblich verstärkt worden. Sowohl der Bundesgrenzschutz als auch die
dänische Grenzpolizei wurden aufgestockt und patrouillieren vermehrt im
Hinterland. In Schleswig-Holstein gibt es seit dem Frühjahr regelmäßige
»Verdachts unabhängige Kontrollen« auf den Autobahn-Raststätten Richtung
Norden. In der Praxis heißt das, dass Wageninsassen allein wegen ihres
Aussehens als Verdächtige behandelt werden.
Mit etwas Verzögerung stand am Freitag Abend das Zeltlager in der
Flensburger Innenstadt, direkt an der Förde: Ein Informationszelt, ein
Zelt für die SanitäterInnen, ein Frauenzelt und zwei Großraumzelte (120
qm), von denen eines als Versammlungsbereich genutzt wurde. Schon zum
Auftaktplenum am selben Abend hatten sich ca. 80 TeilnehmerInnen
eingefunden. Nach einem gemeinsamen Essen wurde der geplante Ablauf des
Wochenendes vorgestellt. Enttäuschend war allerdings die Nachricht, dass
die GenossInnen aus Dänemark die gemeinsam geplante Aktion an der Grenze
unerwartet absagten und dass sie sich auch sonst nicht blicken ließen.
Am Plenum zum Tagesauftakt am Samstag nahmen dann bereits über 100
Menschen teil. Die meisten davon machten sich zu einer Demonstration in
die Innenstadt auf. In T-Shirts mit einem dem BGS-Emblem ähnlichem
Abzeichen auf der Vorderseite sowie der rückwärtigen Aufschrift
»Menschenjäger« wurden »Vorläufige Aufenthaltsgenehmigungen« an die
Passanten und die Shopping-Gesellschaft verteilt. An der Gebäudefassade
einer Kaufhauskette wurde das Transparent »kein Mensch ist illegal«
heruntergelassen. Leider kam es im Anschluss an diese Aktion zu
Auseinandersetzungen mit der Polizei, die sich, u.a. gestört vom Ausspruch
»Menschenjäger«, auf einen Kameramann aus dem Camp stürzte, diesen mit
sich schliff und ihn sowie drei weitere Personen festnahm. Bei diesem
Überfall zerbrach auch die Kamera, der Film jedoch gelangte nicht in die
Hände der Polizei. Nach kurzer Zeit wurden die vier Leute wieder
freigelassen.
Viel harmloser verlief hingegen die Demonstration an der deutsch-dänischen
Autobahnüberfahrt Ellund. Hier wurden Schilder eingeschlagen, auf denen
die Namen von einzelnen bei Fluchtversuchen ums Leben gekommenen Menschen
geschrieben standen. Es wurden Sprüche wie »Abschiebung ist Folter,
Abschiebung ist Mord« gerufen, an die im Auto Vorbeireisenden
Campzeitungen verteilt und anschließend wieder im Konvoi abgezogen.
Zeitgleich führten einige Frauen eine Befragung von PassantInnen in der
Flensburger Innenstadt durch.
Nach dem ersten Teil des Camps bestand bereits ein großer
Diskussionsbedarf, der in Anbetracht der Zeit nur ungenügend erfüllt
werden konnte. Und auch bei der für Samstag Abend angesetzten Diskussion
über die Bedeutung von »offenen Grenzen« dauerte es einige Zeit, bis
mensch sich über Begrifflichkeiten geeinigt hatte und über den
eigentlichen Inhalt einiger vorgestellten Thesen reden konnte.
Für den letzten Tag war eine Kutterfahrt angesetzt, auch hier waren wieder
die Transparente dabei. Aufgrund des regnerischen kühlen Wetters fielen
die Wasser-Spiele ins selbige; das gemietete Schiff steuerte jedoch wie
geplant den Ort Wassersleben an. Dort wurde vorübergehend ein
Grenzwanderweg, bestehend aus Informationstafeln zur Grenzmisere,
aufgebaut. Während des gesamten Wochenendes wurde die eigens für dieses
Camp erstellte Zeitung »Open Borders« an interessierte Schaulustige
verteilt; einige TeilnehmerInnen des Grenzcamps nahmen anschließend auch
Exemplare in ihre Stadt mit. Mit einem letzten gemeinsamen Essen und einem
Abschlussplenum wurde das Grenzcamp in Flensburg beendet. Die
Unermüdlichen jedoch machten sich auf den Weg zum Grenzcamp in Zittau.
An den Grenzen zu Polen und der Tschechischen Republik, wo schon mancher
Flüchtling in der Oder ertrunken oder im winterlich verschneiten Gebirge
erfroren ist, sind die Verhältnisse noch schlimmer als an der deutsch-
dänischen Grenze. Daher sollte mit einem zweiten, größeren Grenz-Camp auch
in Zittau im Dreiländereck auf das tödliche Grenzregime aufmerksam gemacht
werden. Rund 500 Menschen kamen vom 7. bis zum 15.8. in die sächsische
Grenzstadt, darunter - anders als in Flensburg - sogar ein paar nicht
Deutsche.
In Zittau hatten die örtlichen CDU-Größen viel Schweiß drauf verwandt, die
Aktionenen zu verhindern. Erfolglos: Nach einigem Hin-und-Her um die
Frage, wo das Camp denn nun aufgebaut werden kann, gab es eine Reihe
bunter Happenings in der Innenstadt und an der Grenze. U.a. wurde eine BGS-
Kaserne blockiert und versucht, eine Gegenaktion der NPD zu verhindern. Da
war allerdings die Polizei davor, die mit erheblichen Einsatz die Nazis
vor den Campern »schützte«. Die Beamten erließen nach Augenschein
Platzverbote für die gesamte Zittauer Innenstadt.
Etwas unsäglich war das Motto, mit dem auf einigen Plakaten für das Camp
geworben wurde: »Keine Grenze ist ewig«. Das hätte auch die NPD
unterschreiben können.
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Montag, 26.07.1999 - Top-News: Politik
Zittau (dpa)
Gefälschte Behördenschreiben über einen angeblichen Anschluß der Stadt
Zittau an Polen haben gestern für Unruhe gesorgt. Die Fälscher
verteilten die Schriftstücke als Vorabinformation des sächsischen
Innenministeriums, berichtete die Polizei. Demnach sollte die grenznahe
Stadt im Jahr 2002 aus Deutschland ausgegliedert werden. Nach dem
Anschluß an Polen müßten die Einwohner eine neue Staatsbürgerschaft
beantragen und polnisch lernen, kündigte die Wurfsendung an. Als Urheber
wird ein 25jähriges Paar verdächtigt.
Mainpost
Montag, 26. Juli 1999, 15:44 Uhr
Gefälschter Brief sorgt für Wirbel in Zittau
Görlitz/Zittau (AP) Ein gefälschtes Schreiben des sächsischen
Innenministeriums hat in der Stadt Zittau für große Aufregung gesorgt.
Unbekannte hatten den Einwohnern in dem Brief mitgeteilt, daß sie im
Jahr 2002 nach Polen ausgegliedert würden. Das Schreiben sei am Sonntag
im Süden der Stadt in die Briefkästen der Häuser geworfen worden, teilte
die Polizei Görlitz am Montag mit. Zeugen hätten angegeben, ein etwa 25
Jahre altes Pärchen beim Verteilen beobachtet zu haben.
Zittau liegt im Dreiländereck Deutschland, Tschechien und Polen. In dem
Brief heißt es, die Stadt werde im Zuge einer Neuvermessung der Grenze
ab 1. Januar 2002 zum polnischen Staatsgebiet gehören. Bis 1. März 2001
müsse die polnische Staatsangehörigkeit beantragt werden. Dies setze
allerdings die Kenntnis der polnischen Sprache voraus. Kurse werde das
Innenministerium kostenlos anbieten. Das Schreiben ist mit dem
gefälschten Amtssiegel des Ministeriums versehen und von einem
Staatssekretär Peter Schaubert unterzeichnet, den es aber gar nicht
gibt.
Der Oberbürgermeister von Zittau, Jürgen Kloß, sprach von einer
böswilligen Fälschung. Alle in dem Brief enthaltenen Aussagen seien frei
erfunden. Die Polizei ermittelt unter anderem wegen des Verdachts der
Urkundenfälschung.
zum Presseindex
Grenzcamp '99 -
Die Linke entdeckt wieder das Ferienlager
telegraph
Vom 7. bis zum 15. August findet bei Zittau ein antirassistisches Grenzcamp statt. Bereits zum zweiten Mal veranstaltet die Kampagne Kein Mensch ist illegal das Camp,
um auf die Situation an der EU- Außengrenze aufmerksam zu machen. Nachdem im letzen Jahr in Rothenburg bei Görlitz gezeltet wurde, befindet sich das Camp dieses
Mal auf einer Wiese mitten im deutsch-polnisch-tschechischen Dreiländereck. Diese Grenzen gelten als die, von der Polizei in Europa bestbewachten. Seit der
Abschaffung des Asylrechts im Juli 1993 sind über 70 Menschen bei dem Versuch ums Leben gekommen, diese Grenzen zu überqueren. Der Bundesgenzschutz (BGS)
schürt unter der Bevölkerung in den Grenzregionen Ängste und Ressentiments gegenüber illegalen Flüchtlingen, um die Denunziationsbereitschaft der Anwohner zu
erhöhen. So spricht der BGS gern davon, daß 70 bis 80 Prozent der Festnahmen durch gezielte Hinweise aus der Bevölkerung erfolgen.
In diesem Jahr erfährt das Grenzcamp eine besondere Brisanz dadurch, daß im September die sächsischen Landtagswahlen stattfinden.
Die NPD hat in Sachsen mit über 1.200 Mitgliedern ihren größten Landesverband. Es wird befürchtet, daß es der NPD gelingen könnte, in den Landtag einzuziehen. So
besteht eine Kooperation mit den örtlichen Antifa-Gruppen, um im Zusammenhang des Camps gegen rassistische Stimmungsmache im sächsischen Wahlkampf zu
agieren.
Angestrebt wird in diesem Jahr eine Zusammenarbeit mit polnischen und tschechischen antirassistischen Gruppen. Darüber hinaus werden zeitgleich an der Grenze
zwischen den USA und Mexiko, sowie an der italienisch-albanischen Grenze antirassistische Camps stattfinden.
Mit vielen verschiedenen öffentlichkeitswirksamen Aktionen will das Grenzcamp auf die Situation vor Ort hinweisen. Es ist eine Campzeitung geplant, die in großer Auflage
in der Region verteilt wird. Das kulturelle Programm, mit Konzerten und Filmen im Camp, soll auch Jugendliche vor Ort ansprechen und für das Anliegen des Grenzcamps
sensibilisieren.
Bei der Vorbereitung des Camps sind sich die beteiligten Gruppen darüber klar, daß es problematisch ist, als "Auswärtige" für eine Woche in die Konflikte der Grenzregion
zu intervenieren. Ebenso schwierig ist es, der rassistischen Hetze des BGS etwas entgegenzusetzen, wenn dieser einer der größten Arbeitgeber in der Gegend ist. Es ist
also zwingend notwendig, sich mit den strukturellen Problemen einer Region auseinanderzusetzen, in der nach offiziellen Statistiken jeder fünfte, nach Abzug von ABM u.ä.
fast jeder zweite arbeitslos ist. Diese Spannungsverhältnis könnte die Gelegenheit bieten, im Rahmen des Grenzcamp `99 die Bedingungen und Möglichkeiten
antirassistischer Politik im Osten grundlegend zu diskutieren.
Und das wäre ja schon ein Anfang.
Kontakt und Information: Forschungsgesellschaft Flucht und Migration (FFM), Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin, Tel.: 030/ 693 56 70.
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Durch Aufklärung, Information, Experimente, Amüsement und
gezielte Irritation Grenzen mürbe machen
JW 12.8.99
»Was möchtest du?« fragte der langhaarige Grenzcamp-
Plenumsmoderator. »Spazierengehen«, antwortete der
Spaziergänger in kurzer Hose und Streifenhemd, der zufällig in
die Versammlung geraten war. »Na dann: schönen Spaziergang«,
wünschte ihm das Plenum. Selbstverständlich sollte jeder
spazierengehen können, wo er will. Auch über Grenzen. Darüber
war man sich einig.
Die Stimmung im internationalen Grenzcamp im polnisch-
tschechisch-deutschen Dreiländereck war am Wochenende
freundlich, aber nicht immer entspannt. Kein Wunder. Der
ursprünglich zugewiesene Platz in Lückendorf durfte nicht
bezogen werden und zwar aus Landschaftsschutzgründen. Die
gesamte Grenzregion schien plötzlich ein einziges
Naturschutzgebiet zu sein. Mit einer Ausnahme: ein schwarz
bekiester dioxinverseuchter Exerzierplatz auf dem ehemaligen
NVA-Gelände in Zittau war den Ordnungshütern gerade
recht für die rund 500 Antirassisten und Antifaschisten,
Musiker und Internetaktivisten, DJs und Künstler, die gekommen
waren, um für offene Grenzen und gegen die Ausgrenzung von
Flüchtlingen zu demonstrieren (Foto). Nach zähen Verhandlungen
und mehreren Stunden Beine-in-den-Bauch-Stehens konnte ein
Kompromiß für Freitagnacht ausgehandelt werden.
Die Camper zogen ein paar hundert Meter weiter auf schmale
Wiesenstreifen, neben, hinter und zwischen die Garagen
des Technischen Hilfswerks, waren dort aber auch nur zwölf Stunden lang geduldet. Die Verhandlerei mußte am
Samstagmorgen fortgesetzt werden. Nur mit wem? Der
verantwortliche Bürgermeister befand sich im Urlaub, sein
Stellvertreter war krank, der Stellvertreter des
Stellvertreters hatte Geburtstag, dessen Stellvertreter
feierte mit. Verantwortlich war niemand, aber alle waren
dagegen. Der geplante Move, die Kundgebung auf dem Zittauer
Marktplatz und der Demonstrationszug an die polnische Grenze,
schien gefährdet, denn die Diskussion um den Platz und die
Frage, wie die eigenen Forderungen gegenüber den Behörden
durchzusetzen seien (mit Riesenradau, Sturheit oder eiskalter
Strategie) verschlang alle Energien. Das paßte keinem Camper,
und die Mehrheit beschloß, es auf eine Räumung ankommen zu
lassen, um den Move zu retten.
Die Polizei wartete verwirrt und unbehelmt auf dem Zittauer
Marktplatz auf die Demonstranten. Als außer dem genehmigten
Kundgebungswagen noch ein weiterer Kleintransporter auf den
Platz rollte, schwoll der ebenso untersetzte wie stark
bluthochdruckgefährdete Bürgermeister so sehr an, daß ihm das
CDU-Parteibuch aus der Tasche zu fallen drohte. »Entfernen Sie
das Fahrzeug!« Ein munterer Passant mit blitzenden Augen bot
sein Privatgrundstück als Parkmöglichkeit an: »Der muß kotzen,
wenn er das sieht. Ich bin nämlich die andere Fraktion.«
Die Aktivisten und Aktivistinnen der Kampagne »Kein Mensch ist
illegal« konnten endlich zur Sache kommen: Sagen, worum es
geht und laut Musik machen. Move on up über die Grenze. Die
europäischen Grenzen treiben mit ihrem System der Abschottung
und Grenzsicherung im zehnten Jahr nach dem Zusammenbruch der
sozialistischen Staaten immer mehr Menschen in die
Illegalität. Kommunikation wird globaler, Grenzen verschieben
und öffnen sich - selten jedoch in beide Richtungen. Die
Prozesse gegen Zittaus Taxifahrer sind nur ein Beispiel für
die selektive Durchlässigkeit von Grenzen.
Drei verarmte Adlige (die Hamburger Musiker Klaus Ramcke, Ted
Gaier und Thomas Wenzel) in abgewetzten Bademänteln und
bemalten Pappkronen griffen sich Instrumente und behaupteten,
sie seien die Beatles. Dabei konnte jeder Idiot sehen, daß sie
viel zu kurze Haare hatten. Während die revolutionäre Jugend
über den Platz tobte, wurden Camp-Zeitungen an die
interessierte Öffentlichkeit verteilt. Die Herrschaft der
Beatles war nur von kurzer Dauer, denn die freundlichen
Diktatoren von Soupe de Null betraten, ebenfalls in vollem
Ornat (Bademantel und Krone) die Marktplatzbühne und stürzten
die Machthaber. Auch ihre Alleinherrschaft wurde nicht lange
geduldet: Zeit für die Königinnen Bernadette Hengst und
Kathrin Achinger, die mit ihrer Supergroup die Charts rauf und
runter rockten. Die Ordnungshüter klebten in sicherer
Entfernung ihre Füße auf den Bürgersteigen fest, als sie in
Gefahr gerieten, die steife Haltung zu verlieren.
Die Könige und Königinnen ohne Volk, ohne Geld, ohne Staat
verteilten Kronen an die Ungekrönten. Der Glamour der
Herrschaftslosigkeit strahlte über den Platz. My Bademantel is
my Castle. Das genügte den landlosen Monarchen völlig.
Charmant und amtsanmaßend bewegte man sich zur Grenze, die nur
passieren durfte, wer einen gültigen Reisepaß vorweisen
konnte. Nach zäher Prozedur wurde den Kontrolleuren das
Kontrollieren zu dumm, doch statt die Grenze zu öffnen, wurde
dichtgemacht. Den Ärger darüber kompensierten die
Demonstranten mit Musik.
Ramcke Roi bekam einen totalitären Anfall, zog mit Kreide eine
Grenze um seinen Bademantel und drohte mit Gewalt. Als ihm
King Gaier das Territorium streitig machte, nutzten
Kinderkönige die unklare Konfliktsituation und drangen von
allen Seiten in die verbotene Zone ein. Auf die Fresse, wie
angedroht, bekam niemand, dafür eine gute Dröhnung um die
Ohren. Eine Gruppe polnischer Aktivisten berichtete von
Aktionstagen an der ukrainisch-polnischen Grenze, bevor sich
der Demonstrationszug wieder auf den Nachhauseweg ins
geliehene NVA-Reich machte.
Am späten Nachmittag zeichnete sich ab, daß die Camper am
Sonntag auf einen neuen Platz auf einer Wiese an der Görlitzer
Straße am Ortsausgang von Zittau würden umziehen können, was
als kleiner Sieg gefeiert wurde. Am Samstag abend ravten die
vom Moven müden Camper über den NVA-Beton.
Soweit der Auftakt am vergangenen Samstag. Morgen, genau eine
Woche später, wird das Grenzcamp '99 mit großem Finale und
Abschlußparty unter dem Motto »Spiel ohne Grenzen« zu Ende
gehen. Dazwischen lagen Sonnenfinsternis und eine Woche
Behördenstreß, aber, Gott sei Dank, auch Aktionen und
Diskussionen satt. Am Montag fand eine Dauerkundgebung auf dem
Marktplatz statt, auf der Flüchtlinge über ihre Erfahrungen
mit Grenzregimen berichteten und Anarchisten aus Polen sich
und ihre Aktivitäten vorstellten. Verhaftungen verliefen
bislang glimpflich, die Festgenommenen wurden nach wenigen
Stunden wieder ins Camp entlassen. Die BGS-Kaserne, von der
aus Trupps auf Flüchtlingsjagd die grüne Grenze entlang
starten, wurde mehrere Stunden lang blockiert, bei einer
Prozession zum Marktplatz wurden die Namen von 60
Flüchtlingen, die beim Versuch, die Grenze zu passieren, ums
Leben kamen, verlesen.
Gestern wurde ein Zug gekapert und eine verbotene Kundgebung
vor dem Zittauer Landratsamt gegen den Widerstand der
Staatsgewalt durchgezogen. Wie erfolgreich diese Aktionen
verliefen, stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest. Man
kann es nachlesen unter http://www.contrast.org/borders/camp
Conny Lösch
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massive Bullenrepression gegen Karawane-Teilnehmer
Wie Ihr wahrscheinlich wisst, ist ein Teil der Karawane, die auf dem Camp war,
am Sonntag in Richtung Dresden abgereist.
Am Dienstag wurde die Karawane bei Weissig kurz vor Dresden durch eine
"Verkehrskontrolle" aufgehalten. An dem Einsatz waren ca. 40 Bereitschafts-
bullen beteiligt. Bei dieser, gezielt auf die Karawane ausgerichteten Aktion,
wurden die Fahrzeuge nach Maengeln durchsucht und den Leuten mitgeteilt,
dass diese stillgelegt werden. Die Leute durften die Nacht ueber dort
vor Ort und Stelle verbringen und hatten das "Angebot", bis 8Uhr am
naechsten Morgen verschwunden zu sein oder es wuerde geraeumt werden.
Selbstverstaendlich durften sie Ihre Fahrzeuge nicht selber fahren, da diese
ja stillgelegt waren.
Der Kompromiss war, die Fahrzeuge am naechsten Tag (Mittwoch) auf einen Stellplatz nach Rochwitz (das liegt in der Pampa direkt bei Dresden)
gebracht wurden, mit einer Zusage fuer zwei Wochen Aufenthalt. Dieser
Transport per Tieflader kostete die Leute 600 DM.
Am Mittwoch dann war von einem Vertragsabschluss keine Rede mehr. Die Leute
haetten sich bis Donnerstag zu verziehen, am besten in Luft aufzuloesen.
Der nun fuer heute 11 Uhr angekuendigten Raeumung soll aus dem Weg gegangen
werden. Da die Wagen von den Leuten auch weiterhin bewohnt werden wollen,
werden diese heute vorausslichtlich per Tieflader nach Leipzig gebracht
werden, was auch wieder einen Haufen Kohle kostet. Andernfalls, so waren
die Bullen zu verstehen, wuerden sie an naechten Tag alles kaputtmachen.
Protestiert gegen diese Provokation!
Wir muessen ueberlegen, wie mensch darauf reagieren sollte. Leider ging
alles viel zu schnell, um zu einer direkten Reaktion Leute mobilisieren
zu koennen.
Wir koennen aber diese ungeheuerlichen Massnahmen nicht laenger hinnehmen!
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