Leipziger Volkszeitung, 16.4.1998
Doppelstockbetten in Einzelzellen
Leipzigs Gefängnis ist völlig überfüllt / JVA-Leiter: "Wir sind an der Schmerzgrenze angelangt"
Leipzigs einziges Gefängnis ist völlig überbelegt. In der Justizvollzugsanstalt (JVA) in der Alfred-Kästner-Straße, die über 309 Haftplätze verfügt, sind momentan 420 Gefangene untergebracht. "Wir sind an der Schmerzgrenze angelangt", sagte gestern Anstaltsleiter Rolf Jacob. Eine baldige Entlastung sei nicht in Sicht.
"In der Regel müssen die U-Häftlinge einzeln untergebracht werden", so der 39jährige JVA-Leiter Rolf Jacob. Diese Vorschrift der Vollzugsordnung könne aber momentan nur teilweise umgesetzt werden. So mußte fast in jede zweite Einzelzelle ein Doppelstockbett gestellt werden, um die
Anstalt öffnet Türen für Besucher
Nach der Premiere im vorigen Jahr führt die Leipziger Justizvollzugsanstalt (JVA) auch 1998 wieder Besuchstage für die Öffentlichkeit durch. Am 14. Mai und am 12. November dürfen sich Interessenten jeweils von 12.15 bis 14 Uhr das Gefängnis in der Alfred-Kästner-Straße 47 von innen anschauen. Maximal 50 Personen können pro Tour teilnehmen. Während der Führung durchs Haus werden die Häftlinge in ihren Zellen sein. Laut Anstaltsleitung ist eine telefonische Voranmeldung für beide Besuchstage aus organisatorischen Gründen ausschließlich am 28. April von 9 bis 12 Uhr und von 13 bis 15 Uhr möglich. Rufnummer: (0341) 3 06 04 95. Gruppenbestellungen oder schriftliche Anfragen werden nicht berücksichtigt. Besucher müssen ein gültiges Personaldokument mitbringen.
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Gefangenen unterbringen zu können. In 120 von 275 Einzelhafträumen sitzen derzeit zwei Personen ein. Hinzu kommen 17 Doppelhafträume.
"Die Überbelegung ist ein hartes Brot sowohl für die Bediensteten als auch die Häftlinge", weiß Jacob. Im Extremfall verbringt ein Gefangener - bei einer Stunde Hofgang - bis zu 23 Stunden je Tag in seiner Zelle. Nutzt er beispielsweise Turnhalle oder Beratungsangebote, wird diese Zeit etwas verkürzt. Doch die Wartelisten, um etwa am Sport teilnehmen oder mit einem Berater sprechen zu können, würden aufgrund der zunehmenden Anzahl der Gefängnisinsassen immer länger, sagt Sozialarbeiterin Corinna Weise-Juhnke.
Erste Folge der Überlastung von Bediensteten: Die Krankschreibungsrate ist gestiegen. Die JVA muß seit der Schließung der Haftanstalt in der Beethovenstraße Mitte vorigen Jahres mit einem viertel weniger Personal auskommen Die Sicherheit sei deshalb aber nicht gefährdet, schätzte die JVA-Leitung. gestern ein.
Ganz Sachsen habe überfüllte Gefängnisse. "Aber es gibt finanzielle Grenzen. Wir müssen damit fertig werden", sagte Jacob. Ein Ausweg sei erst in ein paar Jahren in Sicht. Den Angaben der Anstaltsleitung zufolge entsteht im Jahr 2000 in Dresden eine neue Justizvollzugsanstalt, Und 2002 soll ein Gefängnis mit 430 Haftplätzen auf dem Gelände des Haftkrankenhauses in Meusdorf bezugsfertig sein. Im Gegenzug wird nach den gegenwärtigen Planungen das Gefängnis in der Alfred-Kästner-Straße dichtgemacht.
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