Gender
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Die Unterscheidung von sex und gender, die sich nur annähernd mit biologischem und sozialem Geschlecht übersetzen läßt, spielte in der Frauenbewegung eine wichtige Rolle. Feministinnen in den USA griffen Anfang der 70er Jahre diese, bereits früher schon in Forschungen zur Transsexualität verwendete Unterscheidung auf, um mit ihr biologistische Zuschreibungen und Festlegungen abzuweisen. In der bundesrepublikanischen Frauenbewegung war zwar damals nicht von sex und gender die Rede, aber die Taktiken glichen sich. Alice Schwarzers kleinen Unterschied mit seinen großen Folgen zum Beispiel kann man als popularisierte Variante dieser Unterscheidung verstehen. Um Argumentationen abzuwehren, die Frauen zu Gefangenen und Opfern ihrer Biologie erklärten, war sie ausgesprochen nützlich. Dementsprechend machten viele Feministinnen die weibliche Sozialisation bzw. den weiblichen Lebenszusammenhang als Grundlage der Unterdrückung aus und erklärten das scheinbar Private zum Politischen Hausarbeit, Ehe, Familie, Sexualität und Kindererziehung wurden so zu öffentlich umkämpften Feldern. Die Situation, in der sich Frauen heute befinden, ist mit der vor 25 Jahren nicht mehr vergleichbar. Nicht zuletzt die Neue Frauenbewegung veränderte die Lebensformen von Frauen und ihre Interpretationen. Vieles, was früher zumindest als ungewöhnlich, wenn nicht gar als unmöglich galt, ist heute selbstverständlich. Gleichzeitig haben sich aber auch die Formen des Sexismus und vor allem ihre Legitimationen gewandelt. Antifeministische und sexistische Argumentationen beziehen sich heute nicht mehr unbedingt auf die biologische Inferiorität der Frau oder ähnlichen Unsinn, auch wenn solche Vorstellungen nicht verschwunden sind. Weitaus häufiger jedoch sind Frauen mit kulturalistischen Zuschreibungen konfrontiert, und oft beziehen sich diese ausdrücklich auf feministische Interpretationen. Sie nehmen also auf, was in der Frauenbewegung an Beschreibungen und Theoretisierungen von Weiblichkeit entwickelt wurde. Die Thesen von der natürlichen Minderwertigkeit wurden so zunehmend durch die nicht weniger wirkungsvollen Thesen von der Andersartigkeit und moralischen Höherwertigkeit der Frau ersetzt. Das soll nicht heißen, daß die sex-gender-Unterscheidung früher angemessen war, und es nur heute nicht mehr ist. Sie verhinderte schon damals die vollständige Historisierung und Politisierung des Geschlechterbegriffs: gender bleibt durch seinen biologisch bestimmten Gegenpart sex an eine ahistorische Kategorie gebunden. Doch Sexismus rechtfertigte sich nie allein durch den Bezug auf Biologie. Vielmehr changieren die sexistischen Zuschreibungen immer schon zwischen sex und gender. Die sex-gender-Unterscheidung selbst ist eingeschrieben in ein Bezugssystem binärer Oppositionen wie Natur vs. Kultur, Körper vs. Geist, Natur vs. Gesellschaft etc. , in dem soziale Macht- und Unterdrückungsverhältnisse in biologische und kulturelle Unterschiede übersetzt werden. Die feministische Grenzziehung zwischen sex und gender verhindert, Sexismus als durch und durch soziales Phänomen zu fassen, das in keinster Weise mit irgendwelchen Gegebenheiten zu erklären ist. Mit der neuen Gender-Debatte, wie sie durch die dekonstruktivistischen Ansätze ausgelöst wurde, scheint sich nun die Rede von der sozialen Konstruktion Geschlecht durchgesetzt zu haben. Doch nicht nur die Exklusivität dieser Diskussion, die weitgehend auf intellektuelle Zirkel beschränkt bleibt, zeigt, daß es dabei kaum um ein neues Emanzipationsprojekt geht. Die Geschlechterkategorie wird hier weniger politisiert als vielmehr weiter auf die Ebene kultureller Bedeutungen verschoben. Gefragt sind individuelle Strategien des Umgangs mit Zuschreibungen, wie sie mittlerweile schon fast jede 15jährige beherrscht. Im Prinzip theoretisieren die feministischen Intellektuellen jetzt lediglich das, was Madonna per MTV bereits in den 80ern vorgeführt hat: Subversion durch Affirmation (früher hieß das Listen der Ohnmacht). Einstweilen hat die Dekonstruktion der Geschlechterkategorie die Diskussionen auf die unsinnige Frage gebracht: Gibt es die Frauen oder gibt es sie nicht?, während die sexistischen Gewaltverhältnisse weitgehend aus dem Blickfeld geraten sind. Als könnte das Zauberwort soziale Konstruktion die Herrschaftsverhältnisse auflösen und die Kategorie Frau überwinden, bevor die Frauen den alltäglichen Sexismus zurückgedrängt haben. Feminismus bewegt sich heute zwischen solchen akademischen Debatten, die zuweilen auch mal ins Feuilleton vordringen, und grundgesetzgläubiger Frauenpolitik. Politik heißt hier vor allem das, was im Rahmen der Institutionen durchsetzbar scheint, wobei sich die Forderungen oft den vorgegebenen Lösungskalkülen anpassen. Manchmal gelten da schon fünf Frauenparkplätze als Errungenschaft. Weitgehend reduziert auf seine institutionelle Bedeutung, wonach politisch ist, was in den Institutionen des Regierungssystems verhandelt wird, assoziiert sich der Politikbegriff heute schnell mit Lobbyismus, Machbarkeit oder Sachzwang. Autonome Frauenzusammenhänge, die außerhalb dieser Strukturen und gegen sie Politik machen, sind selten geworden. Gegenwärtig gibt es kaum eine feministische Öffentlichkeit jenseits von Emma und spezialistischen Fachzeitschriften, die den etablierten Feminismus und die Frauenpolitik kritisieren würde. In dieser Situation geht es den meisten Autorinnen der hier versammelten Texte zunächst einmal darum, überhaupt wieder einen Raum zu schaffen, in dem andere Positionen sich entwickeln können. Wir haben bei der Konzeption des Bandes vor allem Frauen angesprochen, die nicht nur ein akademisches Interesse am Feminismus haben und sich auch außerhalb der Universität engagieren, sei es in Migrantinnengruppen, in autonomen und Antifa-Zusammenhängen oder auch in Zeitschriften- und Kunstprojekten. Regional begrenzt und weitgehend voneinander isoliert, gibt es zwischen den Frauenprojekten und den einzelnen, die in verschiedenen Bereichen den Beschränkungen feministischer Theorie und Praxis etwas entgegensetzen, kaum einen Austausch. Der Band ist auch ein Versuch, hier die Kommunikation (wieder) aufzunehmen. Cornelia Eichhorn/Sabine Grimm |
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Eichhorn/ Grimm (Hg.) Gender
Killer Texte
zu Feminismus und Politik
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