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Gender Killer ende
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Wir, die Seiltänzerinnen
Politische Strategien von Migrantinnen gegen Ethnisierung und Assimilation

FeMigra (Feministische Migrantinnen, Frankfurt)*

 
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1.

Während des letzten Immigrantinnen-, Frauen im Exil-, jüdische Frauen- und schwarze Frauen-Kongresses in Bonn im März 1994 wurde wieder einmal die Frage nach einer gemeinsamen politischen Identität gestellt. Diese sollte unsere Unterschiede, aber auch unsere Gemeinsamkeiten benennen. Doch zeigte sich im Laufe der Diskussion bald, daß wir keine Definition finden konnten, die alle unsere Erfahrungen und Standorte umfaßt.

Nichtsdestotrotz halten wir es für notwendig, eine politische Identität als Ausgangsbasis einer politischen Artikulation anzunehmen, um bestimmte gesellschaftliche Widersprüche deutlich zu machen. Die Bestimmung unserer eigenen politischen Identität als Migrantinnen (1) verstehen wir als Gegenentwurf, als Bezeichnung eines oppositionellen Standorts. Wir sind uns der Gratwanderung bewußt, auf die wir uns begeben, wenn wir eine strategisch gedachte Identität konstruieren, die möglicherweise für einige ausschließend und für andere wiederum einengend wirkt. Doch erscheint es uns wichtig, daß über die Position, die wir einnehmen, die Einwanderungsgeschichte und -politik dieses Landes in den Mittelpunkt rückt. Dabei geht es uns auch darum, die herrschende Kulturalisierung von sozialen Unterschieden in Frage zu stellen, die uns auf die Position der Anderen und Fremden verweist. Indem wir dagegen versuchen, eine Migrantinnen-Politik zu bestimmen, die sich nicht in nationalen oder kulturellen Räumen verortet, sondern Widerstandsmöglichkeiten innerhalb der gesellschaftlichen Widersprüche aufsucht, möchten wir die Logik der Spaltung des Eigenen vom Fremden (und umgekehrt) aufbrechen und aus der uns zugeschriebenen Objektposition heraustreten.

Die Notwendigkeit einer solchen Politik wurde uns unter anderem nach dem fünften Studienkongress Schwarzer Frauen (in Frankfurt, Bielefeld und Berlin) im Sommer 1991 klar, an dem einige von uns teilgenommen hatten. Damals kamen wir zu dem Schluß, uns als Migrantinnen zu organisieren. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich die meisten von uns als Schwarze Frauen verstanden, das heißt als Frauen, die nicht nur über Sexismus Unterdrückung, Ausbeutung und Ausgrenzung erfahren, sondern auch über rassistische Praktiken. Während des Kongresses wurde uns klar, daß die Kategorie Schwarz unsere spezifischen Erfahrungen nicht fassen kann. Denn zum einen ist unsere Hautfarbe nicht schwarz und zum anderen bringt diese Kategorie den Grund für unsere Anwesenheit in Deutschland nicht zum Ausdruck. Der Begriff Migrantin dagegen kennzeichnet den Schritt der Immigration, den zum Teil unsere Eltern oder auch wir selbst machten, vor allem aber unterstreicht er die politisch-soziale Komponente des Vergesellschaftungsprozesses. Am Beispiel der Migration wird die Funktion des Rassismus in der nationalen und internationalen Arbeitsteilung deutlich.

Unsere Entscheidung zur Selbstorganisierung als Migrantinnen war auch motiviert durch unsere bisherigen Erfahrungen in feministischen und gemischtgeschlechtlichen linken Zusammenhängen.

Das Dilemma, mit dem wir uns immer wieder konfrontiert sahen und sehen, ist, daß wir einerseits wegen der Ignoranz gegenüber der völkisch-nationalen Kontinuität der BRD im Umgang mit EinwanderInnen und Flüchtlingen als Betroffene Kritik formulieren, und uns diese notwendige Kritik andererseits in die Ecke der vermeintlichen Fachfrauen und -männer in Sachen Rassismus schiebt. Damit sind wir über das Merkmal MigrantIn für andere klassifizierbar und werden darauf reduziert und funktionalisiert. Gleichzeitig sagt man uns politische Unreife, Sentimentalität und emotionale Betroffenheit nach, was zu einem Lächerlichmachen und zu einer weiteren Entmündigung unserer politischen Artikulation führt.

Unseres Erachtens haben weite Teile der Linken es lange Zeit nicht für notwendig befunden, die Kontinuitäten der deutschen Geschichte im Umgang mit Minderheiten, wie sie sich etwa im Gastarbeiterkonzept oder in der Asylpolitik zeigen, zum Schwerpunkt ihres Widerstands zu machen. Bis Ende der 80er Jahre wurde auch innerhalb gesellschaftskritischer Kreise Rassismus in der BRD meist nur im Zusammenhang mit Antisemitismus wahrgenommen. Die ausschließliche Verortung des Rassismus in der NS-Zeit und das Ausblenden der Kolonialgeschichte Deutschlands bewirkten und bewirken ein Verdrängen der Kontinuitäten und somit der Opfer rassistischer Diskriminierung in der Vergangenheit wie in der Gegenwart. Wenn von rassistischen Strukturen die Rede war, ging es in der Regel um die USA, Großbritannien oder Südafrika; die Ausgrenzungs- und Diskriminierungspraktiken gegenüber EinwanderInnen, Flüchtlingen und Schwarzen Menschen hier bezeichnete man dagegen eher als Ausländerfeindlichkeit oder Fremdenhaß. So gab es für viele in der BRD lediglich die Gastarbeiterproblematik oder im Pädagogikbereich die defizitären Ausländer. Entsprechend waren für diese Leute MigrantInnen auch als politische Subjekte, die gegen die rassistische Diskriminierung in diesem Land Widerstand leisteten, nicht existent. Doch Widerstand von MigrantInnen gibt es nicht erst seit Solingen. Schon 1973 organisierten ArbeitsimmigrantInnen wilde Streiks bei Mannesmann in Duisburg-Huckingen und bei Karmann in Osnabrück (Huth-Hildebrandt 1992) und auch im Frankfurter Häuserkampf Anfang der 70er Jahre kämpften ImmigrantInnen für den besetzten Wohnraum (Häuserkampf Frankfurt 1974) um nur einige Beispiele zu nennen. Dies wird bis heute nicht als spezifischer Widerstand von ImmigrantInnen realisiert.

(1) Wir sprechen im folgenden von Migrantinnen im Sinne eines konzeptionellen Begriffs, der unsere politische Strategie bezeichnet, von MigrantInnen im Sinne eines empirischen Begriffs, den wir gebrauchen, um Menschen meist ohne deutschen Paß , die selbst, deren Eltern oder Großeltern aus anderen Ländern in die BRD gekommen sind, zu bezeichnen und von AusländerInnen im Sinne eines Statusbegriffs, der bezeichnet, zu was MigrantInnen hier staatlicherseits gemacht werden.

 

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2.

Seit Solingen wird Widerstand von MigrantInnen verstärkt wahrgenommen, ironischerweise jedoch vor allem von herrschender Seite. Schnell haben Politiker und Exekutive bemerkt, daß sich hier ein Potential auftut, das nun durch Kriminalisierung massiv bekämpft werden soll. Sobald MigrantInnen sich gegen die Angriffe organisieren, werden sie in der Öffentlichkeit als unkontrollierbare aggressive Gruppen stigmatisiert.

So wurden etwa die Proteste nach den Morden an Hülya Genc, Gülüstan Öztürk, Hatice Genc, Gürsun Ince und Saime Genc in Solingen von herrschender Seite als Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden türkischen und kurdischen Jugendlichen dargestellt (und das auf friedlichem deutschen Boden!). Auf der anderen Seite haben einige Linke in diesem Protest eine durchweg reaktionäre Kraft gesehen, weil viele der Protestierenden die türkische Flagge schwenkten. Daß sich darin vor allem auch ein Mangel an eigenen Symbolen zeigt, blieb unberücksichtigt.

Die Ausgrenzung von AusländerInnen auch der zweiten und dritten Generation aus dieser Gesellschaft und ihre Kriminalisierung ermöglichen eine restriktivere und repressivere Politik. Ihre Ausdrucksmöglichkeiten werden in verschiedenster Hinsicht eingeschränkt und unterdrückt, vor allem dann, wenn sie sich gegen die sogenannten Interessen der Bundesrepublik richten. Das Verbot vieler kurdischer Organisationen und Vereine im Herbst 1993 ist in diesem Kontext zu verstehen. So ist es nicht verwunderlich, daß im Juli dieses Jahres ein 16jähriger kurdischer Plakatkleber, Halim Dener, auf der Flucht von der Polizei einfach erschossen wurde. Noch muß sich die Polizei offizielle Versionen ausdenken, die ein Versehen simulieren. Doch scheint es nur noch eine Frage der Zeit, bis selbst das nicht mehr nötig ist.

Die Kriminalisierung von MigrantInnen fand ihren vorläufigen Höhepunkt in Magdeburg, als die Staatsanwaltschaft das erste Ermittlungsverfahren zu den Vorfällen am Vatertag gegen einen türkischen Staatsbürger, der sich gegen Angriffe von Skinheads gewehrt hatte, einleitete, während die Angreifer zunächst alle freigelassen wurden. Ebenso zeigen die Verhaftung und der Prozeß gegen fünf MigrantInnen der Berliner antifaschistischen Gruppe AntifasM-8ist GenM-glik (2) die klare Intention, die Selbstorganisierung von MigrantInnen zu kriminalisieren und damit zu zerschlagen. Trotz dieser Entwicklung sind einige Linke immer noch der Ansicht, daß die staatliche Bekämpfung und Kriminalisierung von MigrantInnen mit derjenigen deutscher Linker vergleichbar oder daß beides gar das gleiche sei. Was sich seit der deutschen Vereinigung für uns verändert hat, in unserem Selbstverständnis und in unserem alltäglichen Leben, wird nur mühselig und spärlich ernstgenommen.(3)

Unsere Objektivierung, (4) die nicht erst seit den Anschlägen und Morden auf der Tagesordnung steht, ermöglicht es auch der bundesrepublikanischen Linken, Politik über uns zu machen. Es ist interessant, wenn wir uns Schriften von Albert Memmi (Memmi 1954) anschauen und feststellen müssen, daß wir, Menschen ohne deutschen Paß, in diesem Land im Zustand von Kolonisierten gehalten werden, während jene, die die hegemoniale Stellung innehaben, sich wie Kolonisatoren aufführen. Sie mischen sich in unsere Befreiungskonzepte ein, spielen sich als wohlwollende Gönner auf und reproduzieren und zementieren dabei ihre Privilegien.

Mehrheitlich werden Menschen ohne deutschen Paß und Menschen schwarzer Hautfarbe als Fremde behandelt. Diese Ausgrenzung als Fremde, als Gäste oder einfach als Andere entspricht der binären Logik der okzidentalen philosophischen Tradition. Sie erfolgt über die Trennung von Innen und Außen, über die Spaltung eines Selbst vom Anderen, die durch diskursive Praktiken konstituiert wird. Menschen als Fremde zu bezeichnen, ermöglicht es der herrschenden Bevölkerung, ihre Ängste und Vorurteile auf sie zu projizieren. Die Entmenschlichung bzw. Naturalisierung der auf diese Weise Ausgeschlossenen und Unterdrückten erfolgt vor allem über das Absprechen von Individualität. Wir werden nicht als autonome Individuen gedacht, sondern gehen in der Anonymität eines konstruierten Kollektivs die Ausländer, die Türken oder die Asylanten unter.

Die Bilder, die von uns entworfen werden, zeigen uns als Unterlegene, Unterwürfige und Passive. Entsprechend vermittelt uns auch das Bildungssystem in diesem Land kein Selbstbewußtsein. Das fängt schon mit der Zuschreibung mangelndes Deutsch an, die als Abwertungskriterium für die Einstufung auf dem Arbeitsmarkt fungiert und gleichzeitig als Maßstab für Intelligenz einsetzbar ist. So kommt es, daß aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse ein großer Teil der Kinder von ArbeitsimmigrantInnen und Flüchtlingen von ihren so wohlmeinenden LehrerInnen für die Sonder- oder Hauptschule eingestuft wird. Das Verbot des Bilinguismus im öffentlichen Bereich bedeutet für uns einen Zwangszustand, der uns den Weg in entscheidende gesellschaftsgestaltende Bereiche erschwert. Sprache funktioniert neben der Nationalität als bevorzugtes Regulationskriterium auf dem Arbeitsmarkt. Diese Ausschließung von Machtpositionen und von der Öffentlichkeit bewirkt bei vielen von uns ein Gefühl der Nichtzuständigkeit für diese Bereiche und führt zur Herausbildung von Ersatzwerten, wie der Suche nach nationaler Identität, dem Rückzug ins Private oder in die sogenannte ethnische Commmunity.

(2) Seit November 1993 sitzen Abidin, Mehmet, Fatma, Erkan und Bahrettin in Haft. Ihnen wird gemeinschaftlicher Mord an dem Nazi G. Kaindl vorgeworfen. Diese höchste juristische Anklage wurde auf seiten der Rechten bisher nur gegen die Nazis erhoben, die die fünf Türkinnen in Solingen verbrannten. Während sich ihr Prozeß als verständniserheischendes Szenario erweist, soll den MigrantInnen von AntifasM-8ist GenM-glik ohne Umschweife, mit wenig Öffentlichkeit und wackeligen Beweisen der kurze Prozeß gemacht werden.

 

(3) Dies manifestierte sich auch im Umgang mit unserem Protest und unserer Kritik am Einigungsprozeß der deutschen Staaten. Während Teile der deutschen Linken euphorisch in die Hände klatschten und keine Gelegenheit ausließen, ihren Brüdern und Schwestern zu begegnen, waren wir in keinster Weise überzeugt, daß es sich bei diesem Ereignis um eine emanzipative Bewegung handelte. Die Befreiung, die sie propagierten, sollte auch bald auf Kosten derer gehen, die sowieso aus dieser Gemeinschaft ausgeschlossen sind. Es war eine Feier unter Deutschen, unter Eingeschlossenen. Der deutschen Geschichte konnte man/frau sich nun endlich entledigen, das deutsche Volk sollte nun frei zusammenwachsen.

(4) Als Objektivierung bezeichnen wir das Verhältnis der deutschen Gesellschaft zur eingewanderten Bevölkerung. Wir werden als Objekte bestimmt. Über uns wird Politik gemacht. Wir sollen uns nicht selbst politisch äußern und uns statt dessen mit den offiziellen Angeboten wie etwa dem Multikulturamt, der Kommunalen Ausländervertretung etc. zufrieden geben.

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3.

Die Migration der 50er und 60er Jahre von den ökonomisch peripheren Staaten in die Metropolen hat zwar den Rassismus nicht erst produziert, kristallisiert ihn jedoch in einer neuen Konfiguration. Der gegenwärtige Rassismus steht in einer engen Verbindung zum Nationalismus und ist unabhängig von diesem nicht zu erklären.

Der Nationalstaatsgedanke in den westlichen Gesellschaften, insbesondere der deutschen, impliziert einen doppelten Prozeß der Ein- und Ausschließung. Die Nationenbildung in Europa rekurriert hierbei auf zwei wesentliche Momente ihrer Geschicht Antisemitismus und Kolonialismus. So haben sich die Nationalstaaten in Europa in Abgrenzung zu anderen Bevölkerungsgruppen, zu anderen Nationen und Kontinenten formiert. Die nationalen bzw. kulturellen Unterschiede, die zum Teil biologisch erklärt werden, fungieren im Herrschaftsverhältnis als Legitimation für Ausbeutung und Diskriminierung.

Im modernen Staat wird das Verhältnis zwischen nationalstaatlichen Institutionen und der nationalen Gemeinschaft über die Bildung eines sozialen Staates hergestellt, der in die Reproduktion der Wirtschaft, in die Bildung und Ausbildung der Menschen, in die Strukturen der Familie und die alltäglichen Praxen der Reproduktion eingreift. Die national-ethnische Gemeinschaft wird über diese Institutionen konstruiert und bietet dem Individuum eine kollektive Geschichte, die Anerkennung eines gemeinsamen Namens und Spuren der Vergangenheit. Gleichzeitig geht mit der Konstituierung von nationalen Bezügen, die staatlich homogenisiert und garantiert werden, das Aufkommen von Minderheiten einher, das heißt von solchen Gruppen, die im staatstragenden Nationenbild nicht miteinbezogen sind (Balibar 1990).

Diese Gruppen werden heute vor allem über die Ausländerbehörde und das Ausländergesetz reguliert und kontrolliert. Dies allein ist per definitionem Ausdruck von institutionalisiertem Rassismus. Er bestimmt eine Gruppe von Menschen, die von demokratischen Rechten ausgeschlossen werden. Dieser Widerspruch der Demokratie ist ihrer historischen Garantie, dem Nationalstaat, immanent. Der nationalstaatlich-völkische Kern des deutschen Grundgesetzes wird besonders dadurch hervorgehoben, daß im Ausländergesetz Deutsche/r vor allem die/der ist, die/der eine deutsche Abstammung nachweist. Nach Paragraph 1 Abs. 2 AuslG ist ein Ausländer jede/r, die/der nicht Deutsche/r im Sinne des Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist. Art. 116 Abs. 1 legt fest: Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelungen, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31.12.1937 Aufnahme gefunden hat. Das Ausländergesetz operiert ebenfalls mit nationalen Unterschieden, die innerhalb der eingewanderten Bevölkerung aufgrund des gewährten Rechtsstatus Hierarchien schaffen. Der Staat konstruiert somit einerseits eine nationale Gemeinschaft, andererseits rassifiziert und minorisiert er zugleich andere Bevölkerungsgruppen innerhalb des Nationalstaates über deren Sonderbehandlung (Ausländergesetze) und Sonderstellung (Gastarbeiter, Asylbewerber). Rassisierung und Minorisierung der Gesellschaft haben die Funktion der Hierarchisierung, eine Funktion, die auch der Sexismus erfüllt, jedoch in unterschiedlicher Weise.


Die Sexualisierung bzw. Vergeschlechtlichung vollzieht sich nicht allein, aber maßgeblich über die ideologische Ebene, das heißt über die Zuschreibung von weiblichen und männlichen Eigenschaften, die diskursiv produziert sind, wie etwa die Gebärfähigkeit der Frau und die damit verbundenen Folgen für die Konstituierung der Familie und die Positionierung der Frauen im Reproduktions- und Produktionsbereich.(5) Frausein bedeutet in diesem Zusammenhang die Absprache bestimmter Fähigkeiten und einen erschwerten Zugang zu Ressourcen und Macht. Diese Zuschreibungen verschieben sich jedoch im Verhältnis einer weißen, deutschen Frau zu einem Flüchtling oder zu einer Migrantin, da der deutschen Staatsangehörigen gegenüber diesen einige Rechte und Privilegien zugesprochen werden. Der Nationalstaat bedient sich einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, die von einer rassistischen Arbeitsteilung überlagert und dadurch transformiert werden kann. Neue feministische Studien aus Italien haben beispielsweise ergeben, daß die Professionalisierung einiger Italienerinnen auf dem Rücken philippinischer Migrantinnen stattfindet. Der Reproduktionsbereich, in diesem Fall die Hausarbeit, wird Filipinas zugewiesen. Die klassische Trennung zwischen männlichen und weiblichen Tätigkeiten verschiebt sich in diesem Zusammenhang, sie vollzieht sich hier nicht mehr primär zwischen den Geschlechtern, sondern zwischen Frauen unterschiedlicher Klassenzugehörigkeit und Herkunft. Die Reproduktionsarbeit wird nicht unter den verschiedenen Gesellschaftsmitgliedern gleichwertig verteilt, sondern mehrheitlich von den Gruppen übernommen, denen aufgrund ihres Ausländerinnen- oder Flüchtlingsstatus der Zugang zu anderen Arbeitssektoren versperrt bleibt.


Über die Kategorien Ausländer und Inländer werden unterschiedliche Gruppen in das Produktionsverhältnis integriert, ohne daß der Staat sich verpflichtet sieht, den Ausländern auch die gleichen Arbeitsbedingungen zu garantieren. So besetzen MigrantInnen und Flüchtlinge Arbeitsplätze auf den untersten Lohnebenen. Vor allem in der verarbeitenden Industrie und im Dienstleistungsbereich sind die meisten ausländischen Arbeitskräfte zu finden. Auch unter ihnen nehmen Bezahlung und Rechte ihrem sozialen Status entsprechend zu oder ab. Die nicht anerkannten Flüchtlinge werden daher in vollkommen entgarantierten Arbeitsverhältnissen gehalten. Der informelle Arbeitsmarkt kommt ohne diese billigen Arbeitskräfte nicht aus. Wie soll sonst ein Bordellbesitzer hohe Gewinne erzielen und den Prostitiuierten ihren Stundenlohn überlassen?(6) Der Handel mit Frauen aus anderen Ländern und der Arbeiterstrich, auf dem vorrangig aus Osteuropa kommende Männer sich für einen minimalen Stundenlohn anbieten, indem sie sich früh morgens an den Straßenrand stellen und warten, bis ein Angebot vorbeifährt, sind nur einige Beispiele dafür, wie die Ausbeutung der Arbeitskraft eng mit der Hautfarbe und der Herkunft aus Afrika, Asien, Lateinamerika oder aus Osteuropa verknüpft ist.


Die Arbeitsimmigranten der 50er und 60er Jahre, die erst Kurzverträge erhalten hatten und rotierend ausgetauscht werden sollten, blieben aufgrund konjunktureller Überlegungen der deutschen Unternehmen in der BRD. Mit der Familienzusammenführung 1973 und dem gleichzeitigen Aufnahmestopp wurde die BRD für viele EinwanderInnen zum Bleibeort. Mittlerweile ist eine zweite und dritte Generation in diesem Land aufgewachsen, die nicht mit denselben Mitteln wie ihre Eltern und Großeltern diskriminiert werden kann. MigrantInnen treten nun auf dem Arbeitsmarkt auch in Bereiche ein, die ihren Eltern verwehrt blieben und für die sie auch nicht angeworben wurden. Aufgrund ihrer Schulausbildung besetzen einige von ihnen im Angestelltenbereich Arbeitsplätze, andere haben studiert. Nach dem Studium eröffnen sich ihnen jedoch kaum Möglichkeiten, in Führungs- oder Entscheidungspositionen zu gelangen. Ihr Ausschluß geht weitgehend unbemerkt und indirekt vonstatten, da es sich nur um sehr wenige handelt. Einige von uns entscheiden sich für den sozialpädagogischen Bereich, da in diesem Feld mittlerweile zum Teil MigrantInnen nachgefragt werden. Jedoch bestimmen weiterhin Deutsche, welche Stelle an wen vergeben wird. Auch im universitären Bereich kommen MigrantInnen über die unterste Stufe der Karriereleiter kaum hinaus. Sie sind allenfalls in den besonders entgarantierten Arbeitsplätzen zu finden, das heißt sie arbeiten als TutorInnen oder als wissenschaftliche Hilfskräfte. Dabei erfüllen MigrantInnen und schwarze Menschen an der Universität wie auch in außeruniversitären Frauenprojekten oft nur eine Alibi- und Vorzeigefunktion. Die Forschung der weißen inländischen Bevölkerung über AusländerInnen dient vorrangig der Förderung der eigenen wissenschaftlichen Karriere. Bundesweit sind die ausländischen wissenschaftlichen MitarbeiterInnen an einer Hand abzuzählen, von ProfessorInnen ganz zu schweigen. Auch hier wird man/frau allenfalls zur Ausländerthematik eingestellt. Eine Erziehungswissenschaftlerin aus Köln z.B. sucht verzweifelt eine stinknormale Pädagogikstelle; angeboten werden ihr lediglich Stellen im Bereich Ausländerpädagogik. Anscheinend trauen ihr die deutschen Arbeitgeber nichts anderes zu. Und dies ist kein Einzelfall.

(5) Dabei ist zu beachten, daß diese Zuschreibungen nicht auf alle Gesellschaften zu übertragen sind. Sie sind nicht universal. Angela Davis analysiert dies in ihrem Buch Rassismus und Sexismus. Sie weist darauf hin, daß die Grundlage westlicher feministischer Gesellschaftskritik, die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, sich in der Sklavengesellschaft unterschiedlich darstellt. Die Feminisierung schwarzer Frauen war über ihre Nützlichkeit bestimmt. Sie waren genderless in dem Moment, wo der Master sie für bestimmte Tätigkeiten einsetzte. Bei Vergewaltigung oder bei der Nutzung ihrer Gebärfähigkeit wurden sie als Frauen funktionalisiert. Diese Tatsache schafft ein völlig anderes Familienbild und somit unterschiedliche Geschlechterbeziehungen unter den Sklaven. Vor dem Hintergrund dieser Geschichte stellt sich der Entwurf einer universalen Kategorie Frau als Subsumtion dar, die Unterschiede negiert und herrschende Machtmechanismen reproduziert.

 

(6) Das Thema Prostitution ist hier von anderen beschriebenen Beschäftigungsverhältnissen nochmals zu unterscheiden, da es sich um einen Arbeitsbereich handelt, der durch die sexistische gesellschaftliche Doppelmoral geprägt ist. Einerseits gesetzlich verboten, andererseits willkürlich geduldet sind die beschäftigten Frauen sowieso einer unkontrollierten Ausbeutung ausgesetzt.

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4.

Wir haben bereits auf die Dynamik hingewiesen, die die ökonomische Verwertung der nationalen Unterschiede in Gang setzt. Auf der einen Seite werden diese Unterschiede gemacht, um Hierarchien zu schaffen und Ausbeutung zu legitimieren. Auf der anderen Seite zeigt sich in den letzten Jahren die Tendenz, eben diese produzierten Unterschiede als kulturelle wohlwollend anzuerkennen, um sie sogleich wieder zu verwerten, ohne daß dies die Ordnung durcheinanderbrächte. Die Objektivierung und Unterdrückung von MigrantInnen verkleidet sich hier als Toleranz und etikettiert sich selbst als antirassistisch.

Dieses vieldiskutierte Konzept, das unter dem Werbeslogan Multikultur bekannt geworden ist, fand 1989 mit der Gründung des Amtes für Multikulturelle Angelegenheiten (AMKA) in Frankfurt am Main seine institutionelle Umsetzung. Das AMKA macht darüber Politik, daß es nationale und kulturelle Unterschiede immer wieder herausstellt und sie als Bereicherung der deutschen Gesellschaft verkauft. Mittlerweile ist an dem marktpolitischen Interesse dieses Amtes zur Genüge Kritik geübt worden. Was uns heute interessiert, sind die Wirkungen seiner Politik.

Die ambivalente Beziehung des AMKA zur eingewanderten und einwandernden Bevölkerung (wie auch umgekehrt) ist einerseits dadurch bestimmt, daß das Amt sich die Unmündigkeit und Unsichtbarkeit der MigrantInnen zunutze macht und nur den Schein ihrer Sichtbarkeit produziert, etwa indem über ein Marionettenkabinett wie die Kommunale Ausländervertretung (KAV) die Illusion einer politischen Partizipation vermittelt wird. Andererseits hatte das Amt auch einen Mobilisierungseffekt. Während anderen Institutionen eine Bewegung vorausging, die diese erkämpfte, um sich eine Lobby zu sichern, entstanden nach der Einrichtung des AMKA Einwanderervereine, die sich der herrschenden Politik unterordneten, indem sie kulturelle Identitäten einklagten. Zunächst schien es jedoch so, als bestünde auch für Gruppen, die nicht im Einklang mit der Konzeption des Amtes standen und eigene Vorstellungen hatten, die Möglichkeit, in diesen Prozeß einzugreifen und sichtbar zu werden. Dann zeigte sich aber, daß nur bestimmte Konzepte gefördert wurden. Andere blieben am Rande, mehr denn je unsichtbar. Die Spaltung der MigrantInnen zwischen jenen, die sich vor den Karren spannen ließen und vereinnahmt wurden, und denen, die draußen blieben, verschärfte sich. Im Rückblick läßt sich sagen, daß das Amt für Multikulturelle Angelegenheiten einer Bewegung, die sich allein schon durch die Zunahme von Artikulationen der sogenannten zweiten Generation abzeichnete, vorausgegriffen und befriedend gewirkt hat. Im Prinzip verfolgt das Amt eine weiterentwickelte Integrationspolitik, die mehr Effektivität dadurch verspricht, daß sie sich liberal gibt und eine vermeintliche Toleranz gegenüber dem Andersartigen propagiert. Durch diese Politik werden MigrantInnen weiter in statischen Kulturkonzepten gehalten und eine von ihnen selbst getragene emanzipatorische Interessenspolitik wird verhindert.

Die auch vom AMKA betriebene Ethnisierung gesellschaftlicher Probleme läßt sich exemplarisch an einer im diesem Jahr erschienenen Studie über marokkanische Jugendliche (Titel: Junge Marokkaner zwischen Schule, Betrieb und Konstabler Wache(7)) verfolgen. An keiner Stelle der Studie wird die Eigenschaft marokkanisch als vermeintlich wissenschaftliches Kriterium plausibel. Die vom Amt durchgeführte Studie ist nur im Kontext einer seit Jahren anhaltenden medialen und lokalpolitischen Debatte über Jugendkriminalität zu verstehen, in der Drogenkriminalität mit dem Bild des herumlungernden ausländischen Jugendlichen verknüpft wurde. Im September 1992 legte Oberbürgermeister von Schoeler dem Stadtparlament seinen Bericht zur Sicherheitspolitik vor, in dem unter anderem zu lesen steht: Der Anteil von Ausländern an bestimmten Straftaten in dieser Stadt ist auch unter Berücksichtigung ausländerspezifischer Straftaten signifikant. Bei der Beurteilung der ausländerrechtlichen Reaktionen ist jedoch eine differenzierte Betrachtung geboten. Ausländer mit illegalem oder nicht verfestigtem Aufenthalt sind nach Strafverbüßung oder Verzicht der Staatsanwaltschaft auf Strafverfolgung grundsätzlich auszuweisen und abzuschieben. Hier aufgewachsene oder sogar hier geborene straffällig gewordene ausländische Jugendliche sind grundsätzlich mit den Mitteln der schulischen und beruflichen Bildung und der Jugendhilfe zu integrieren und zu stabilisieren. (OB v. Schoeler, 11.9.1992) Das heißt im Klartext: Während sich um die einen die Ausländerbehörde kümmert und ihre Abschiebung organisiert, kümmern sich um die anderen das Jugendamt, das Arbeitsamt und das Amt für multikulturelle Angelegenheiten. Zwecks Integration in das Bestehende, versteht sich. Da es sich bei Marokko um ein Land handelt, mit dem in den 60er Jahren Anwerbeverträge abgeschlossen wurden, so daß folglich eine zweite Generation von marokkanischen EinwanderInnen hier aufgewachsen ist, erklärt sich auch das besondere Augenmerk des Amtes auf diese Gruppe. In der Studie jedoch werden die Jugendlichen lediglich in ihren kulturellen Besonderheiten (Islam!) und den damit verbundenen Problemen (für wen?) gesehen und erklärt. Sie richtet sich nicht gegen ihre Kriminalisierung und greift zum Beispiel nicht die polizeiliche Schikane an, der sie zunehmend ausgesetzt sind. Das sicherheitspolitische Programm der Stadt wird vom AMKA vielmehr unterstützt und um die kulturelle Komponente ergänzt (etwa um die Forderung nach einer ethnienspezifischen Jugendarbeit, die den angeblichen kulturellen Bedürfnissen der Jugendlichen entsprechen und sie so vor einem Abrutschen in die Kriminalität bewahren soll). Den möglichen Interessen der Jugendlichen jedoch, sich ohne polizeiliche Schikane und Kontrolle an den Orten in der Stadt aufhalten zu können, die ihnen passen, wird in keinster Weise entsprochen. Statt dessen reproduziert die Studie das rassistische Stereotyp, Marokkaner seien tendenziell Drogenverkäufer.

Ein anderes Beispiel multikultureller Politik: Die jüngsten Ereignisse im Kasseler Abschiebegefängnis verdeutlichten auf prägnante Weise die effektvolle Entpolitisierung durch den Einsatz multikultureller Toleranz gegenüber dem Anderen. Hier ging es um die Gruppe der Asylbewerber, die nicht, wie die MigrantInnen der sogenannten zweiten Generation, Objekte staatlicher Integrationsmaßnahmen sind, sondern denen das Recht, hier zu leben, von vornherein bestritten wird. Mehrheitlich algerische inhaftierte Flüchtlinge(8) revoltierten im Juli 1994 gegen ihre lange Inhaftierung und nahmen dabei auch einen deutschen Polizisten als Geisel, um ihre Forderung nach Ausreisevisa für andere europäische Länder durchzusetzen. Zur Verhandlung mit ihnen bemühte sich ein grüner Stadtdezernent um einen marokkanischen Imam, der vermitteln sollte. Danach waren die Forderungen nicht mehr Ausreisevisa, kürzere oder besser gar keine Inhaftierungen, sondern nur noch Gebetsräume und original arabisches Essen. Die vielleicht tatsächlich vorhandene Religiösität der Flüchtlinge und die damit einhergehende Ehrfucht vor religiösen Autoritäten wurden bewußt eingesetzt, um die weltlichen Forderungen abzuwenden. So konnten sich die multikulturellen Grünen als diejenigen profilieren, die den diskriminierenden Alltag von Flüchtlingen aufdecken und berücksichtigen. Gleichzeitig jedoch nahmen sie dem Konflikt die politische Brisanz und begrenzten die Kritik an den Auswirkungen der restriktiven Asylpolitik.

Zusammenfassend können wir feststellen, daß die ökonomischen, politischen und sozialen Konsequenzen, die aus der nationalstaatlichen Politik beziehungsweise dem deutschen Nationalismus erwachsen, in linker Politik zumeist ausgeblendet blieben. Dies betrifft auch unsere Erfahrungen in der deutschen Frauenbewegung.

(7) Konstabler Wache ist eigentlich der Name eines Platzes in der Frankfurter Innenstadt, der aber in den letzten Jahren durch Medien und Politik zum Synonym für einen Drogenumschlagsplatz, auf dem vorwiegend Nordafrikaner ihr Revier haben sollen, und zum Synonym für einen Ort sozialen Sprengstoffs geworden ist.

 

(8) Algerien war kein Anwerbeland, weshalb aus diesem Land kaum MigrantInnen der zweiten Generation kommen.

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5.

Als wir uns 1991 zu einer feministischen Migrantinnengruppe zusammenschlossen, trafen wir uns anfänglich in einem internationalen Frauenzentrum, wo wir ziemlich bald auf Ressentiments und Abwehr stießen. Das Frauenzentrum, das in seiner Führung vorwiegend mehrheitsdeutsch(9) und durch die Unterstützung des kommunalen Frauenreferats(10) finanziell und lobbyistisch abgesichert war, empfand unsere Präsenz schnell als lästig.

Als die Frauen uns die Mitgliedschaft in ihrem Verein verweigerten, hatten wir die Nase voll und veröffentlichten einen offenen Brief (FeMigra 1992), in dem wir diesen Vorfall zum Anlaß nahmen, eine breitere Diskussion über institutionalisierten und verinnerlichten Rassismus in der deutschen Frauenbewegung anzuregen. Wir klinkten uns in institutionelle Foren ein und forderten ein Ende der Bevormundung von MigrantInnen. Unsere Einmischung in die institutionelle Politik verstanden wir als Versuch, unseren Forderungen Stärke zu verleihen.

Ein paar Monate später wurde uns über die Presse bekannt, daß das von uns kritisierte Frauenzentrum nach wie vor den üblichen Jahresetat zugeteilt bekam, der immerhin doppelt so hoch ist wie der für die restlichen Frauenprojekte der Stadt. Das Adjektiv international verkauft sich eben gut im multikulturellen Frankfurt. Unserer ebenfalls in dem offenen Brief formulierten Kritik am gängigen Bild der unqualifizierten Ausländerin begegnete das Frauenreferat mit dem Versprechen, sich beim Land Hessen für eine verstärkte Einstellung von Migrantinnen in den Polizeidienst einzusetzen. Wenn's nicht so ernst wäre, würden wir lachen. Unsere Arbeit blieb weiterhin unbezuschußt.

Wir hatten einfach kein Glück. Die Frauen, die schon lange im Geschäft sind, standen uns skeptisch gegenüber. Wir waren zu autoritär, sprich zu aufmüpfig. Tatsächlich handelte es sich um Ungeduld unsererseits angesichts der müßigen Frage, ob ein Thematisieren rechtsextremer Gewalt wichtiger sei als die Forderung nach doppelter Staatsbürgerschaft.

Auch hatten wir kein Interesse an einem freundlichen Austausch über die gegenseitigen Vorurteile. Uns ging es von Anfang an um den Kampf für eine rechtliche Gleichstellung von MigrantInnen; unser Verhältnis zu jenen Frauen war ein funktionales. Wir plädierten für eine Beteiligung an der damals gerade stattfindenden feministischen Debatte um eine Verfassungsänderung. Denn auch hier wurde nie ernsthaft die Ausgrenzung von Frauen, die nicht dem Bild der Mehrheitsdeutschen entsprechen, kritisiert und bekämpft. Die debattierenden Feministinnen fühlten sich anscheinend umstandslos als deutsch. Zumindest wurde der Vorschlag für eine nichtrassistische Verfassung (Agha/Emme/Wildt/Magiriba Lwanga 1992), den eine Gruppe Berliner Feministinnen ausgearbeitet hatte, von den offiziösen und offiziellen Feministinnen völlig ignoriert. Dieser Vorschlag kritisiert das aktuelle Staatsbürgerrecht in seinen Fundamenten und fordert als radikale Alternative nicht eine doppelte Staatsbürgerschaft, die die juristische Kopplung von Nationalität und Bürgerrechten in keinster Weise aufheben würde, sondern vielmehr die Trennung dieser beiden Elemente. Die BürgerInnenrechte sollten so der Vorschlag schon bei einer ständigen Aufenthaltsdauer von z.B. zwei Jahren erteilt werden, ohne zuvor Deutsche oder Deutscher werden zu müssen. Damit wäre die Definition deutsch obsolet und es hätten mehr Menschen einen leichteren Zugang zur politischen und gesellschaftlichen Mitbestimmung.

Doch bislang hat die Kritik am deutschen Staatsbürgerrecht in der Geschichte der Frauenbewegung nicht nur keine Rolle gespielt, im Gegenteil wurde es teilweise sogar durch den politischen Kampf von Frauen gestärkt und fortgeschrieben. So setzte beispielsweise die Initiative der mit Ausländern verheirateten Frauen (IAF) in den 70er Jahren durch, daß auch deutsche Mütter, trotz ausländischem Vater, die deutsche Staatsbürgerschaft an die gemeinsamen Kinder vererben können. Dies wurde als Errungenschaft in Sachen Gleichstellung gefeiert. Daß damit das in der Verfassung verankerte Abstammungsprinzip der deutschen Volkszugehörigkeit nicht nur nicht kritisiert, sondern im Gegenteil gefestigt und bestätigt wurde, ist die Kehrseite dieser Errungenschaft.

Kaum anders sieht es beim Thema Quotierung aus. Die deutsche Frauenbewegung hat sich über ihre Zugehörigkeit zum deutschen Staat in die Institutionen eingeklagt. Mittlerweile kann davon ausgegangen werden, daß Quotierung für deutsche Frauen gesellschaftlich akzeptiert ist sogar die CDU debattiert schon darüber. Die ausländischen Männer und Frauen dagegen bleiben weiterhin von jeglichen Forderungen beziehungsweise Rechten ausgeschlossen. Die etablierte deutsche Frauenbewegung zielte mit ihrer Forderung nach Quotierung auf den Gleichheitsgrundsatz des Sozialstaates. Doch ließen die Feministinnen die nationale Basis, von der aus sie ihre Forderungen stellten, unhinterfragt. Frauen ohne deutschen Paß oder Frauen, die aufgrund ihrer Herkunft oder Hautfarbe mit den rassistischen Ausschließungsmechanismen auf dem Arbeitsmarkt konfrontiert waren, wurden nicht gesehen. Rassistische Herrschaftsverhältnisse blieben weitgehend ausgeblendet und die wenigen Ansätze, die darauf abzielten, Migrantinnen in die Quotierungsforderung einzubeziehen, fielen im Laufe ihrer Durchsetzung institutionellen Kompromissen zum Opfer.

(9) Wir beziehen uns hier auf den Hilfsbegriff, den Gotlinde Magiriba Lwanga (1993) vorgeschlagen hat, um Aufzählungen wie weiß, deutsch, christlich säkularisiert usw. zu vermeiden, die wieder nur ein Nebeneinander suggerieren, und die Betonung mehr auf die soziale Position (der Mehrheit oder der Minderheit angehörig) zu legen.

 

(10) Neben dem AMKA ist das Frauenreferat das zweite Vorzeigeprojekt der Grünen.

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6.

Wir möchten mit unserer Kritik keine Schuldbekenntnisse aus den Reihen der deutschen Frauenbewegung provozieren. Vielmehr geht es uns um eine Neubestimmung des Feminismus. Feministische Politik zeichnet sich für uns nicht nur durch den Kampf gegen männliche Vorherrschaft aus, sondern auch durch das Erkennen der Komplexität von Herrschafts- und Machtverhältnissen. Gayatri Chakravorty Spivak (1989) spricht in diesem Zusammenhang von global feminism, von einem Feminismus, der sich geopolitisch situiert am Ort der Arbeit. Es geht um die Formulierung einer feministischen Gesellschaftskritik, die sich innerhalb der internationalen Arbeitsteilung verortet und die heterogenen antisexistischen Kämpfe auf der Welt miteinbezieht. Die gesellschaftlichen Positionen, die Frauen voneinander unterscheiden, sind auch darüber bestimmt, welcher Klasse sie zugehören, auf welchem Kontinent und in welchem Land sie leben und wo sie herkommen. Wie das Beispiel der Italienerin und der philippinischen Putzfrau zeigt, besteht zwischen diesen Frauen per se keine Solidarität.

Wir wollen nicht die These einer multiplen Unterdrückung stark machen, sondern verdeutlichen, daß Rassismus und die internationale arbeitsteilige Gesellschaft die Beziehungen unter Frauen strukturieren. Es geht nicht nur darum, Migrantinnen einen Raum für das Ansprechen ihrer Betroffenheit zuzuerkennen, sondern auch darum, die Privilegien deutscher Frauen zu hinterfragen. Diese stellen sich über ihre Einschließung in eine national-rassische Gemeinschaft her, die ihnen erst den Zugang zu Machtressourcen und zur Öffentlichkeit gewährt.

Wenn wir nun die Forderung nach Quotierung für MigrantInnen in allen gesellschaftlichen Bereichen stellen, dann vor allem deshalb, weil sie den nationalen Konsens bricht. Die Gefahr einer Reethnisierung über die Forderung nach Quotierung ist uns bewußt, doch hält uns dies nicht davon ab, sie im gegenwärtigen deutschen Kontext zu stellen, denn sie ist eine Provokation der national-rassischen Gemeinschaft. Unsere Politik als Migrantinnen zielt auf ein Aufbrechen nationaler und völkischer Gefüge über den Prozeß der Wanderung, der in unserem Verständnis als Metapher für die Auflösung nationalstaatlicher Gebilde steht.

In diesem Sinne folgen wir Spivak, die rät, erst einmal zu sehen, was an einem universellen Diskurs nützlich sein könnte, um dann weiter zu gehen und festzustellen, wo dieser Diskurs seine Grenzen hat, und Veränderungen innerhalb dieses Feldes voranzutreiben. Das heißt, wir müssen uns für einen strategischen Diskurs entscheiden, der von Zeit zu Zeit auch essentialistisch sein kann (Spivak 1989). Unser Kampf muß sich auf unterschiedlichen Ebenen abspielen, die jedoch alle die Aufhebung von Ausbeutung und Diskriminierung zum Ziel haben.

Wir müssen unsere eigene Lobby entwickeln und Bündnisse schließen mit Menschen, mit denen wir uns an wichtigen Punkten treffen, so daß wir auch Kraft spüren im Kampf. Neben den Forderungen nach einer gerechten Weltordnung und der Abschaffung einer rassistischen und sexistischen internationalen Arbeitsteilung setzen wir uns für eine Veränderung der Vorstellungswelten ein. Unsere Utopie ist das Aufbrechen von dualem Denken, das Ausbrechen aus kulturellen Mustern; wir erahnen die Vielfältigkeit unserer Lebensformen.

Gloria AnzaldM-za, eine Chicana-Feministin aus den USA, beschreibt diese Politik als Prozeß der disidentification (Entidentifizierung) (AnzaldM-za 1990). Sie plädiert für ein neues Bewußtsein: das der mestiza. Ein Bewußsein, das Verschmelzungen denkt, das aus den vielen schmerzlichen Erfahrungen eines widersprüchlichen Lebens erwächst wie etwa dem Konflikt einer Chicana-Lesbe mit ihrer machistischen Community, auf die sie sich wiederum bezieht, sobald sie merkt, daß sie sich in einer weißen Frauenbewegung nicht wiederfindet, ohne auf diese doch verzichten zu wollen in einer homophoben Gesellschaft ... Dieses Bewußtsein hält sich nicht mehr bei Äußerlichkeiten auf, sondern sucht die Praxis dort, wo sie sich, wenn auch nur punktuell, anbietet.

Die stete Gratwanderung von einem Ort zum anderen und die permanente Neudefinition im politischen Szenario repräsentieren unser Selbstverständnis und die strategische Funktion unserer politischen Forderungen. Cherrie Moraga, eine Kollegin von Gloria, hat dieses Selbstverständnis folgendermaßen formuliert: Our strategy is how we cope how we measure and weigh what is to be said and when, what is to be done and how, and to whom ... daily deciding/risking who it is we can call an ally, call a friend (whatever that person's skin, sex or sexuality). We are women without a line. We are women who contradict each other.(11)
(11) Unsere Strategie ist, wie wir es bewältigen wie wir einschätzen und abwägen, was zu sagen ist und wann, was zu tun ist und wie, und wem ... täglich entscheidend/riskierend, wen wir eine Verbündete nennen können, einen Freund (egal welche Hautfarbe, welches Geschlecht und welche Sexualität diese Person auch immer haben mag). Wir sind Frauen ohne eine gerade Linie. Wir sind Frauen, die einander widersprechen. (Moraga/AnzaldM-za 1981)
     

Literatur

AnzaldM-za, Gloria 1990 La Conciencia de la Mestiza. Toward a New Consciousness. In Gloria AnzaldM-za (Hg.), Making Face, Making Soul. San Francisco

Balibar, Etienne/Wallerstein, Immanuel 1990: Rasse Klasse Nation. Ambivalente Identitäten. Hamburg

Davis, Angela 1982: Rassismus und Sexismus. Berlin

FeMigra (Feministische Migrantinnen) 1992: Offener Brief an den Magistrat. In: diyalog Nr.2, Frankfurt am Main

Gutiérrez Rodríguez, Encarnación 1993: Frauenpolitik im Kleide der Herrschaft. In: Perspektiven Zeitschrift für Migrationsfragen und Kultur, Nr. 2, Frankfurt am Main

Gutiérrez Rodríguez, Encarnación 1993: Los inmigrantes en los nichos de la prosperidad alemana. In: Conyuntura Nr. 41, México

Huth-Hildebrandt, Christine 1992: Germanozentrismus oder interkulturelles Denken?, in: Marion Schulz (Hg.), Fremde Frauen, Frankfurt am Main Initiative für eine nicht-rassistische Verfassung (Agha/Emme/Wildt/Magiriba Lwanga) 1992: Vorschlag für eine Neufassung der Artikel 116, 16 und 3 für eine nicht-rassistische Verfassung. Berlin

Magiriba Lwanga, Gotlinde 1993: Deutsch, nein danke? In: Ika Hügel u.a. (Hg.), Entfernte Verbindungen, Berlin

Memmi, Albert 1954: Portrait du colonisateur. Paris Moraga, Cherrie/AnzaldM-za, Gloria 1981: This Bridge Called My Back. Writings by radical Women of Color. New York

Schoeler, Andreas von 1992: Zehn Leitlinien zur Sicherheitspolitik der Stadt Frankfurt. Rede vom 11.9.1992 vor der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung

Spivak, Gayatri Chakravorty 1989: The Post-Colonial Critic. London/New York

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Edition ID-Archiv Eichhorn/ Grimm (Hg.) Gender Killer Texte zu Feminismus und Politik
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