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Von rechten Kämpferinnen und braven Biederfrauen
Frauen und Rechtsextremismus - Ein Überblick

Renate Bitzan und Beate Hans

 
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Ein Beitrag über Frauen und Rechtsextremismus: Es wäre möglich, all die Drohungen, Übergriffe und Morde aufzuzählen, bei denen Frauen/Lesben(1) Opfer rechtsextremistischer Gewalt geworden sind. Es wäre möglich, über unsere eigenen Ängste vor Übergriffen zu schreiben. Es wäre möglich, die Täterschaft von Männern bei gewalttätig rechtsextremen Straftaten über 95% anzuklagen und Theorien über die Zusammenhänge zwischen Faschismus und Patriarchat vorzutragen. Wir haben uns aber in den letzten Jahren vor allem mit einer anderen Seite des Themas befaßt: mit der Täterinnenschaft von Frauen in diesem Bereich. Da wir antifaschistisch und feministisch orientierte (weiße, westdeutsche) Frauen sind, fühlen wir uns gewissermaßen zuständig für die Analyse und Aufklärung über den Anteil von Frauen an den rechtsgerichteten Entwicklungen in diesem Land.

Wir wollen zunächst zusammenfassen, welche Diskussionen in den vergangenen Jahren von Soziologinnen zu diesem Thema geführt wurden und sie kurz kommentieren. Als zweites stellen wir eine Auswahl rechtsextremer Frauengruppen (DFF und Reenes) vor. Anschließend werden wir die (äußerliche und einstellungsmäßige) Vielfalt im Lager der rechten Frauen verdeutlichen anhand von Positionen zu Berufstätigkeit, Abtreibung etc., die sie in Reportagen/Interviews äußerten. Des weiteren gehen wir auf die Frage ein, welchen Stellenwert sog. frauenspezifische Themen für rechte Frauen haben und inwieweit ihre Haltungen dazu mitunter Ähnlichkeiten zu bestimmten feministischen Positionen aufweisen. Wir hoffen, daß die Verwirrung den Erkenntnisgewinn nicht übertrifft ...

(1) Im folgenden benennen wir Lesben nicht explizit, da sie 1. in unserem Material sowohl von als auch über rechtsextreme Frauen so gut wie nie sprachlich oder inhaltlich auftauchen, und 2., da wir selbst auch noch keine hinreichende Auseinandersetzung darüber geführt haben, in welchen Fragen eine Nennung richtig, in welchen aber möglicherweise auch verfälschend wäre. Da wir in diesem Artikel viel mit direkten oder indirekten Zitaten arbeiten, benutzen wir durchgängig den Begriff Frauen.

Soziologische Diskussion

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Der Mainstream der soziologischen und politologischen Forschung betrachtete Rechtsextremismus bis vor kurzem als ein allgemeines Problem. Durch den vorherrschend androzentrischen Blick geriet es somit unwillkürlich zu einem männlichen meistens jedoch, ohne als solches benannt zu werden.

Wenn sich die Forschung jedoch explizit auf Männer beschränkt, werden dafür meist zwei Begründungen angeführt. Zum einen seien Mädchen/Frauen schwerer zu erforschen, denn so Heitmeyer auf einer Veranstaltung in Kassel 1992 Mädchen haben so viele Brüche in ihren Biographien. Da kann man schlecht Langzeitstudien machen. Zum anderen wird davon ausgegangen, daß Mädchen/Frauen kaum in rechtsextremen Zusammenhängen involviert und deshalb für die Forschung auch nicht relevant seien. Sprich: Rechtsextremismus ist ein Männerproblem (vgl. z.B. Hoffmann-Göttig).

Erst Anfang der 90er Jahre setzte eine vor allem von Sozialforscherinnen getragene Diskussion ein, die versuchte, sich dem Thema Frauen und Rechtsextremismus differenzierter zu nähern. Vorab: So schmeichelhaft die These von der Abstinenz der Frauen auch sein mag, sie ist und das offenbart sich immer stärker nicht haltbar, selbst wenn einige (Däubler-Gmelin, die Emma) daran festhalten.

Die gegenwärtige Diskussion über Frauen und Rechtsextremismus kann sich auf folgende Daten aus den 80er Jahren stützen:
a) Was die Einstellungen betrifft, stehen Mädchen/Frauen den Jungen/Männern letztlich in nichts nach. Allerdings kommen die vorliegenden Untersuchungen im Detail zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. So bescheinigt etwa die Heitmeyer-Studie von 1987 Frauen mehr Resistenz als Männern gegenüber rigoros autoritär nationalisierendem Denken. Birgit Meyer schließt, ausgehend von der Shell-Studie 1981, daß Frauen zwar weniger Autoritarismus, deutschnationales Denken und Befürwortung des NS als politische Idee zeigten, aber dafür Führeridee und Rassismus häufiger befürworteten als Männer. Die Polis-Studie von 1993 kommt hingegen zu dem Ergebnis, autoritäres Denken sei offenbar die weibliche Variante des Rechtsextremismus. Dieter Roth (vgl. Ottens 1993) behauptet, Frauen wollten in geringerem Maße als Männer Aussiedler aufnehmen, häufiger die Zahl der Asylsuchenden begrenzen und seien abweisender in der Frage des Wahlrechts und der Einbürgerung von MigrantInnen. Insgesamt läßt sich feststellen, daß einzelne Fragen zwar von Männern und Frauen unterschiedlich bewertet werden, doch so, wie es in diversen Umfragen rechtslastige Aussagen gibt, die eher von Männern als von Frauen geteilt werden, gibt es umgekehrt solche, die mehr Frauen als Männer bejahen.
b) Im Wahlverhalten hielt sich in etwa das Verhältnis 1/3 Frauen zu 2/3 Männern bei RechtswählerInnen (vgl. Klär et al. 1989).
c) Für den Bereich der organisierten Rechten galt, daß der Frauenanteil deutlich niedriger als der Männeranteil war (höchstens 1/4 bis 1/3, in Führungspositionen unter 1/5, vgl. Oltmanns 1990, Siller 1991).
d) Im Kreis derjenigen, die sich an gewalttätigen Aktionen beteiligten, lag der Mädchen/Frauen-Anteil bei 3,7% (lt. Verfassungsschutzbericht von 1993).

Zunächst mußte also gefragt werden, ob sich aus diesen Daten tatsächlich eine geringere rechtsextreme Orientierung von Frauen ableiten läßt. Feministisch orientierte Autorinnen gingen zudem der Frage nach, welche geschlechtsspezifischen Motive eine Rolle für rechtsextreme Einstellungen von Frauen spielen könnten und in welchen Formen sie sich äußern. Thesenartig seien hier einige Argumente dieser Diskussion zusammengefaßt(2)

(2) Eine etwas ausführlichere Zusammenfassung gibt Svenja Ottens in Widersprüche Nr.46 von 1/93. Wir teilen übrigens ihren Hinweis, daß sich die meisten Autorinnen, wenn sie von Frauen sprechen, auf weiße deutsche Frauen beziehen, ohne dies zu benennen. Die wichtigsten Texte der Diskussion sind in dem Reader Auch Sie, Frau Mustermann ...?! Ein Reader zu Mädchen/Frauen und Rechtsextremismus, hrsg. von der Fantifa Kassel, komplett wiedergegeben (incl. umfassenderes Literaturverzeichnis). Eine Literaturliste der Fantifa Kassel ist auch abgedruckt in Widersprüche, Heft 45, Dezember 1992.
Politik- und Gewaltformen weiter / zurück
 

Das Bild von der geringeren rechtsextremen Aktivität von Frauen ist vermutlich verzerrt, da entsprechende Untersuchungen von einem traditionellen Politikbegriff ausgehen. Dieser zielt in erster Linie auf männlich-tradierte Politikformen (Öffentlichkeit, Organisationen, Wahlen etc.). Die geringe Präsenz von Frauen innerhalb dieser Formen ist jedoch nicht mit politischer Apathie gleichzusetzen (Meyer 1991). Vielmehr nehmen die Unterschiede zwischen den Geschlechtern ab, wenn Alltagsorientierungen berücksichtigt werden (vgl. Oltmanns 1990, Siller 1991). Dieser latente Faschismus ist einzubeziehen, denn Rückzug ins Private und Schweigen sind der traditionellen [weiblichen] Rolle ebenso adäquat wie Gewaltbereitschaft der männlichen. Dieses Schweigen jedoch als eine Nichtzustimmung zu rechtsextremistischen Einstellungen zu deuten, nur weil es nicht den zum Maßstab erhobenen männlichen Kriterien entspricht, wäre fatal. Vor allen Dingen gilt es, auch nichtöffentliches Verhalten als politische Kraft nicht zu unterschätzen (Schweele 1990, S. 25). Gemeint sind hier Äußerungen und Verhaltensweisen von Frauen in alltäglichen sozialen Interaktionen (z.B. Meinungsäußerungen innerhalb der Familie oder im Freundinnenkreis), die auf diesem Wege Einfluß auf das politische Klima haben.

Ein Kriterium, Frauen eine größere Immunität gegenüber Rechtsextremismus zuzuschreiben, ist vor allem ihre vorwiegend ablehnende Haltung gegenüber Gewalt (jüngstes Beispiel: die Polis-Studie im Auftrag des Gleichstellungsministeriums von NRW, vorgelegt im Januar 1994). Während offene und öffentlich ausgetragene Gewalt Bestandteil der männlichen Rolle sei, lasse das traditionelle Bild von der rücksichtsvollen fürsorglichen Frau kein offen aggressives Verhalten zu. Beides Gewaltbereitschaft und Gewaltablehnung resultiere aus der geschlechtsspezifischen Sozialisation. Unseres Erachtens haben die meisten Frauen dieses ihnen auferlegte Bild verinnerlicht. Sich selbst und anderen gegenüber benötigen sie in der Regel enorme Rechtfertigungen, wenn sie den Rollenzuschreibungen zuwiderhandeln,(3) während Männer sich mit aggressivem Verhalten innerhalb der ihnen zugeschriebenen Rolle bewegen. Zudem, und hierauf weist z.B. Claudia Flesch hin, erlebten Frauen Gewalt in erster Linie als Opfer. Als Konfliktlösungsstrategie werde sie darum von ihnen nicht favorisiert. Selbstzerstörerische Tendenzen seien wesentlich häufiger anzutreffen als Gewalt nach außen. Gertrud Siller, Birgit Meyer und Cornelia Lohmeier ziehen daraus den Schluß, daß rechte Politik als Möglichkeit, verunsicherte Selbstbilder zu kitten, für Jungen/Männer besonders attraktiv und für Mädchen/Frauen besonders unattraktiv sei.

Entgegen diesen Einschätzungen, die einem männlich-tradierten Politikverständnis geschuldet seien, ist nach Rommelspacher/Holzkamp davon auszugehen, daß Frauen nicht weniger gewalttätig sind, sondern lediglich andere Gewaltformen wählen. Und zwar solche, die weniger auffallen und den gängigen Rollenzuschreibungen eher entsprechen: subtilere und indirektere, etwa Ignorieren, Vermeiden, Ausschließen, Zurückweisen. Auf diese Weise geben auch Frauen ihre Gewalterfahrungen an die ihnen Unterlegenen weiter (z.B. an Ausländerinnen). Die behauptete Sensibilität (Einfühlungsvermögen, Empathie) von Frauen steht dominantem Verhalten nicht entgegen (vgl. dazu Rommelspachers Konzeption der Dominanzkultur(4)).

Ein weiteres frauentypisches Verhalten ist, die direkte Gewaltausübung zu delegieren, also durch Männer kämpfen/siegen/durchgreifen zu lassen, was die Zustimmung der Frauen zu rassistisch motivierten Gewalttaten aber nicht schmälert (vgl. Oltmanns 1990). Ursula Birsl konstatiert, daß Frauen zwar weniger personelle Gewalt, dafür aber umso mehr strukturelle Gewalt herbeiwünschen. Das heißt zum Beispiel, daß sie eher bereit sind, die repressiven Staatsapparate anzurufen, schärfere Gesetze zu verlangen etc.

(3) Claudia Heyne läßt in ihrem Buch Täterinnen (Zürich: Kreuz-Verlag 1993) das Bild von der gewaltlosen Frau ins Wanken geraten und stellt anhand zahlreicher Beispiele die These auf, daß Frauen in Situationen, die ihnen die notwendige Macht zur Verfügung stellen (z.B. gegenüber Kindern), in ihrem destruktiv aggressiven Verhalten anderen gegenüber Männern in nichts nachstehen.

 

(4) Dominanzkultur bedeutet, daß es innerhalb einer Gesellschaft, die sich insgesamt als höherwertig gegenüber anderen begreift, ein bestimmtes Konfliktlösungsschema gibt: Dominanz und Unterwerfung. Das Schema hat drei Merkmale: 1. Einrichtung von Hierarchie (Verschiedenheit ist nicht einfach verschieden, sondern wird in eine Rangordnung einsortiert); 2. In materieller Hinsicht wird eine Lage nicht erst als bedrohlich eingeschätzt, wenn ein tatsächlicher Mangel vorliegt, sondern wenn Privilegien (Reichtum, Vorrechte) bedroht zu sein scheinen, von denen mensch ausgeht, daß sie einer/m zustehen; 3. Sich selbst als Norm zu setzen, als das einzig wahre, richtige, gesunde etc. Alles Fremde und Andere erinnert dann schmerzlich an die nichtgelebten Möglichkeiten, stellt die Selbstgerechtigkeit in Frage und stellt somit eine narzißtische Kränkung dar. Diese wird durch Ausgrenzung und Diskriminierung abgewehrt. Diese Merkmale erkennt Rommelspacher sowohl im Geschlechterverhältnis als auch als Muster von Rassismus. Sowohl Männer als auch Frauen haben in ihrer vielfältigen Identität unterschiedliche Rollen innerhalb dieses Schemas inne (als Frauen gehören wir zur diskriminierten Gruppe, als Weiße zur dominanten etc.).

Motivationen

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Die These, (junge) Frauen lehnten rechte Parteien wegen ihres antiemanzipatorischen Gehalts ab (vgl. Lohmeier 1991), konnte nicht bestätigt werden. Es ist vielmehr zu vermuten, daß frauenpolitische Aussagen der Parteien für die Sympathie oder Antipathie der meisten Frauen nicht ausschlaggebend sind. Selbst wenn sie die frauenpolitischen Positionen ablehnen, können sie die rechtsextremen Parteien und Organisationen wegen ihrer nationalistischen und rassistischen Forderungen unterstützen (vgl. die Untersuchung von Annette Skrzydlo, Barbara Thiele und Nicola Wohllaib zu Berliner REP-Frauen 1992).

Wie bereits angedeutet, stehen Empathie und Beziehungsorientierung als ansozialisierte Weiblichkeitsmerkmale diskriminierendem Verhalten nicht entgegen. Sie können es im Gegenteil sogar fördern. Wie Rommelspacher/Holzkamp ausführen, beziehen sich Mitmenschlichkeit und Fürsorge von Frauen in der Regel nur auf die ihnen unmittelbar Anempfohlenen (eigener Mann, eigene Kinder). Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung sind darin strukturell angelegt. Diese Grenzen der Fürsorge ergeben sich aus der relativen Machtlosigkeit von Frauen und der Begrenzung des familiären Raumes. Die subtile Machtausübung gegen Schwächere ist die Kehrseite unbegriffener Selbstunterwerfung und unreflektierter gesellschaftlicher Zustände. Das Verhalten von Frauen läßt sich jedoch nicht allein auf ihre unterprivilegierte Situation zurückführen (Ablehnung der Defizitthese(5)), vielmehr gibt es ein eigenes Interesse von Frauen an Macht und Privilegien. Zum Beispiel könnte, so Rommelspacher, die Mächtigkeit, zu gebären und sich in der Abtreibungsfrage als Richterin über Leben und Tod, über lebenswert und lebensunwert zu erfahren, als Aufwertung der eigenen Person und des eigenen Geschlechts empfunden werden (zur Problematik dieses Beispiels s.u.).

Ein von rechten Frauen oft selbst genanntes Motiv für ihre rassistischen Einstellungen ist die Angst vor sexuellen Übergriffen durch ausländische Männer. Die Sexismuskritik bekommt hier eine rassistische Logik, indem die Bedrohung durch weiße deutsche Männer ausgeblendet und gänzlich auf die fremden Männer projiziert wird. So kann die Scheinharmonie in der Eigengruppe gewahrt bleiben (vgl. Rommelspacher/Holzkamp 1991). Vielfach wurde interpretiert, daß die Angst vor sexueller Gewalt die Law-and-order-Politik der Rechten für Frauen ansprechend mache (vgl. z.B. Hoffmann 1990). Dies wird auch durch entsprechende Aussagen rechter Frauen untermauert (vgl. ebd. sowie Scherer 1986). Die REP-Frauen-Studie bestätigt dies allerdings nicht: Die Befragten stellen keinen Zusammenhang zwischen gewünschter Kriminalitätsbekämpfung und eigenen Bedrohungsgefühlen her (vgl. Skrzydlo/Thiele/Wohllaib 1992).

Die meisten Autorinnen vermuten, daß die traditionelle Hausfrauen- und Mutterrolle für junge Frauen wieder an Attraktivität gewinnt. Sie verspreche geordnete, überschaubare und sichere Lebensverhältnisse; sie schütze vor Doppel- und Dreifachbelastung und den widersprüchlichen Bemühungen, Frustrationen und Herausforderungen eines um Emanzipation ringenden Lebensentwurfs. Rechte Gruppierungen böten an diesem Punkt eine ideologische Aufwertung und eine weniger leistungsabhängige Akzeptanz des Frauendaseins an, eine positive Identität.

Daneben sei vorstellbar, daß Frauen durch Erfahrungen im Berufsleben verstärkt Ellenbogentaktik, Konkurrenz- und Ausgrenzungsstrategien gegen Schwächere entwickelten und sich damit männlich konnotierten Verhaltensmustern anglichen (vgl. Siller 1991). Auch hier könne rechte Ungleichheits- und Ausgrenzungsideologie ansetzen.

Die Frage, ob Individualisierung und Orientierungsverlust Gründe für Rechtsorientierungen sind (eine These, die von etlichen SozialforscherInnen z.B. Heitmeyer vertreten wird), ist strittig. Siller stimmt dem grundsätzlich zu, fordert aber, auf geschlechtsspezifische Verarbeitungsweisen zu achten. Gäbe es diese unterschiedlichen Verarbeitungsweisen nicht, müßten deutlich mehr Frauen als Männer rechtsorientiert sein, da sie aufgrund größerer historisch-sozialer Kontinuitätsbrüche im weiblichen Lebensentwurf stärkere Identitätskonflikte aufwiesen als Männer. Rommelspacher/Holzkamp dagegen halten Milieuverlust und Orientierungslosigkeit insgesamt für einen fragwürdigen Erklärungsansatz. Vielmehr zeigt die deutsche Geschichte, daß auch verbindliche Orientierungen und Einbindung in Familie, Milieu und Verbände faschistische Orientierungen nicht verhindern. Solche Defizitthesen dienen vor allem der TäterInnenentlastung. Der Blick muß statt dessen auch auf die eigenen Interessen von Frauen an Unterwerfung und Macht gerichtet werden.

Wir denken, daß in der Diskussion über Frauen und Rechtsextremismus künftig auf zum Teil veränderte Prämissen einzugehen ist: Die bisher noch geringe Präsenz von Frauen in den organisierten Formen des Rechtsextremismus bleibt keine Konstante. Die These vom Nachzugs-Effekt,(6) die insbesondere in feministischen Kreisen auf Widerwillen stieß reproduziert sie doch das Bild von Frauen als Nachahmerinnen männlicher Impulse , wird von der derzeitigen Entwicklung leider bestätigt. Immer mehr insbesondere junge Frauen werden in rechten Gruppierungen aktiv. Im Herbst 1993 wurde ihr Anteil in den organisierten Kreisen bereits auf ein Drittel geschätzt, Tendenz: rapide steigend (vgl. taz vom 13.10.1993). Zunehmend scheint jedoch der Einstieg in die rechte Szene nicht mehr an männliche Bezugspersonen gekoppelt zu sein.

Die Frage ist also, ob es sich hier um einen Nachzug von Frauen handelt oder aber um eine Auswirkung von Brüchen im weiblichen Rollenmuster, nämlich eine erstarkende Eigenständigkeit und Raumnahme von Frauen in politischen Fragen. Diese Entwicklung ist in linken, ökologischen und feministischen Bereichen und selbst bei den bürgerlichen Parteien längst nichts Neues mehr, im rechten Lager aber durchaus. Stichwort: Emanzipation in braun?

Eine Frage, die sich ebenfalls aufdrängt, ist, ob sich die rechten Aktivitäten von Frauen tatsächlich verstärken, oder ob dies nur in der dafür sensibilisierten Wahrnehmung von außen so erscheint. Stichwort: Rechtsextreme Frauen als In-Thema?

Wir gehen davon aus, daß die Aktivitäten von Frauen tatsächlich zunehmen und zwar in den verschiedensten Handlungsfeldern. Deshalb sind wir der Auffassung, daß in der Diskussion über Frauen und Rechtsextremismus eine alleinige Konzentration auf die sogenannten frauentypischen Verhaltensformen ebenso zu einer Sackgasse werden kann wie die frühere Ausklammerung dieser Bereiche aus Analysen politischen Verhaltens. Beides institutionelle, öffentlich gemachte Politik inkl. offenes Gewaltverhalten und politisches Alltagsverhalten muß im Blick bleiben, um das Spektrum rechtsextremer Aktivitäten von Frauen analysieren zu können.

Nach wie vor wesentlich finden wir die geschlechtsspezifische Differenzierung im Hinblick auf die Motivationen. Den Hintergrund bilden weibliche Biographien, die zur Zeit äußerst heterogen sind und deren Gemeinsamkeit und Spezifizität gegenüber männlichen Biographien beachtet werden müssen. Maßgeblich erscheint uns die Mehrfachorientierung von Frauen, die sich etwa in der Gleichzeitigkeit von Familien- und Berufsorientierung, von Selbständigkeits- und Sicherheitswünschen ausdrückt, und deren jeweilige Anforderungen nicht selten kollidieren. Was kann diese spezifische Konfliktlage bewirken? Auf welche verschiedenen Weisen gehen Frauen damit um? Was erwächst aus den jeweiligen Strategien? Welche verschiedenen Selbst- und Weltbilder entwickeln sie daraus, und welche verschiedenen Handlungsfelder eröffnen sie sich daraufhin? So kann z.B. eine vermeintliche Lösung der aus der Mehrfachorientierung erwachsenden Konflikte in einer dauerhaften Konzentration auf Familie bestehen, deren Aufwertung dann auch gewünscht wird. Daß Frauen die Aufwertung des Mutterseins annehmen, ist angesichts der Situation von Müttern in unserer Gesellschaft durchaus nachvollziehbar. Auch bezogen auf die Doppelt- und Dreifachbelastung hat die Perspektive auf ein Nur-Hausfrauen-Dasein, das ein streßfreieres Leben signalisiert, sicher für viele Frauen Ausstrahlungskraft.

Ebensogut kann aber auch eine schnelle politische Karriere den Selbständigkeitswünschen entsprechen und als emanzipativer Ausbruch empfunden werden. Für beides haben rechte Parteien Angebote auf Lager. Den Hinweis von Birgit Rommelspacher, auf eigene Machtwünsche von Frauen als Motivation für ihre Einstellungen zu achten, finden wir in diesem Zusammenhang grundsätzlich richtig. Aber das Beispiel, mit dem sie argumentiert die Macht, über Leben und Tod zu entscheiden (bez. Geburt/Abtreibung) , finden wir problematisch: Zum einen wird nicht deutlich genug, was sie in diesem Fall unter Macht versteht und zum anderen grenzt sie den Entscheidungsanspruch der rechten Frauen nicht gegenüber Forderungen nach dem Selbstbestimmungsrecht der Frau aus der Frauenbewegung ab. Hier bedarf es noch genauerer Diskussionen.

Rechtsextreme Einstellungen und ein traditionelles weibliches Rollenverständnis von Frauen müssen nicht Hand in Hand gehen. Sowohl Rommelspachers Dominanzkultur-Konzept als auch bestimmte Interviewpassagen und Artikel von rechten Frauen geben Hinweise, daß Frauen gleichzeitig patriarchatskritisch und rassistisch/nationalistisch orientiert sein können. Zugespitzt findet sich diese Kombination zum Beispiel bei der neurechten Theoretikerin Sigrid Hunke, die sich vehement gegen die Geschlechterhierarchie, gegen die Auffassung von den Geschlechtern als polaren oder komplementär gegensätzlichen sowie gegen die geschlechtliche Arbeitsteilung ausspricht. Als wegweisend am Anbruch des neuen Zeitalters dient ihr die (nicht haltbare) These von der Gleichgestelltheit von Mann und Frau bei den GermanInnen. Und so bezieht sie ihre Forderung auch nur auf die nordischen Menschen. Kulturrelativistisch verbrämt reserviert sie das Gleichheitsmodell für diese als eingeborene Wesensart und grenzt andere Kulturen, andere Rassen aus ihrer Zukunftsvision bewußt aus (vgl. Hunke 1987). Das gleiche Konzept vertraten bereits in den 20er und 30er Jahren die von Christiane Wittrock sogenannten oppositionellen Faschistinnen wie Pia Sophie Rogge-Börner. Sie versuchten mit ihren national-feministischen Utopien darauf Einfluß zu nehmen, daß der sich formierende NS-Staat nicht nocheinmal wieder als Staat des Mannes geordnet werde (Rogge-Börner 1933), sondern daß an den höchsten, den führenden Stellen in allen Ministerien und Behörden Männer und Frauen in gleicher Verantwortlichkeit stehen müssen (Rogge-Börner 1933/34). Diese Haltung bildet für sie keinerlei Widerspruch zu ihren massiv völkischen, nationalistischen, elitären, antisemitischen und rassistischen Positionen (vgl. Crips 1990). Daß solche Konzepte nicht tot sind und zumindest in weiten Teilen an die neurechte Rhetorik vom Ethnopluralismus sowie an New-Age-Vorstellungen angeglichen werden können, hat Hunke bewiesen, deren Werke (z.B. über arabische Kultur) mancherorts selbst in feministischen Buchläden zu finden sind.

Insbesondere selbstbewußte Frauen, die sich einen Platz in der Elite sichern wollen, können über eine rassistisch dominierte und motivierte Patriarchatskritik Anbindung an rechte Gruppierungen finden. Wir müssen damit rechnen, daß modernisierte Formen von Faschismus flexible Antworten auf die Fragen nach ihren Frauenbildern liefern und weibliche Potentiale differenziert zu nutzen verstehen. So könnten mehrere Prototypen nebeneinander stehen: die weiße, leistungsstarke, rechte Karrierefrau in Elitepositionen des Volkes, die gesunde weiße Mehrfach-Nur-Mutter zur Arterhaltung und die minderwertige Frau (nicht-weiße, behinderte, kranke, sozial geächtete usw.) in mannigfachen Ausbeutungspositionen.

Nicht unwesentlich finden wir in diesem Zusammenhang folgende Überlegung von Gudrun Axeli Knapp: Innerhalb des rechten Spektrums schafft das Primat der rassistischen Trennlinien vielleicht gerade den Freiraum, in dem das Geschlechterverhältnis modernisiert werden kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Bezug zu einer angeblichen natürlichen Gleichberechtigung von Mann und Frau bei den Germanen hergestellt wird. Die Vielfältigkeit der lebbaren Frauenbilder könnte gerade das Attraktive an rechten Gruppierungen sein. Die Akzeptanz des So-sein-wie's-mir-entspricht allerdings immer im rassistisch determinierten Rahmen macht es (weißen deutschen) Frauen vielleicht leichter, sich einer rechten Gruppierung zuzuordnen, als wenn sie mit der Erwartung, einem bestimmten Frauentyp zu entsprechen, konfrontiert sind. Eine Festlegung auf ein ganz bestimmtes Frauenbild und vor allem seine stärkere Setzung und Durchsetzung als Norm könnte demnach die Attraktivität rechter Gruppen für Frauen mindern.

Was die vermeintliche Gewaltabstinenz von Frauen betrifft, gehen wir in Anlehnung an Knapp davon aus, daß sie nur zum Teil durch eine verinnerlichte weibliche Sozialisation begründet ist. Zum Teil werden Frauen aber auch gegen ihren Willen durch die Männer ihrer eigenen Szene an Gewaltausübung gehindert. Dies zeigen zum Beispiel die Auseinandersetzungen in der Deutschen Frauen Front (DFF), in denen es um eine Beteiligung von Frauen am Straßenkampf ging (siehe auch weiter unten). Knapp verweist unter Bezug auf Maya Nadig darauf, daß es sich dabei um ein Ringen um den Zugang zu Männlichkeitsritualen handele, die die Frauen mit ihrer Beteiligung zu entwerten drohen. Die Männer würden dadurch einer Initiation, eines Aktes der Mannwerdung und der Trennung vom Weiblichen/Mütterlichen beraubt und gleichzeitig ihrer männlichen Rolle als Helden im Kampf und Beschützer der Frauen. Klar scheint jedenfalls, daß die Delegationsthese, nach der Frauen Gewaltausübung auf die Männer delegieren, nicht hinreichend ist. Der Wunsch von Frauen, sich an Gewalttätigkeiten zu beteiligen, trifft aber u.E. bislang nur auf eine relativ kleine Szene zu. Für die anderen könnten sozialisationsbedingte Abstinenz und/oder Delegationsprinzip durchaus gelten. Wir vermuten jedoch, daß in der jüngeren Generation die Gewaltbereitschaft zunimmt. Dies hängt möglicherweise auch damit zusammen, daß viele Mädchen inzwischen dazu angehalten werden, sich durchzusetzen. Das soll keineswegs heißen, daß wir einer traditionellen Mädchenerziehung das Wort reden wollen. Vielmehr muß eine nicht-geschlechtsspezifische Erziehung u.E. so gut es geht gekoppelt werden mit der Entwicklung eines klaren Unrechtsbewußtseins darüber, gegen wen und aus welchen Gründen die neuerworbenen Durchsetzungsmittel gerichtet werden sollen.

Weitere empirische Forschungen sind notwendig, vor allem mit Schwerpunkten auf bestimmte Szenen (Organisationen o.ä.) und auf bestimmte Verhaltensbereiche. Nur dadurch können die bislang relativ pauschalen und dadurch unzureichenden Vorstellungen von den rechten Frauen aufgelöst und durch differenziertere Studien ersetzt werden. Hierbei finden wir es unerläßlich, auf eigene Äußerungen von Frauen einzugehen und sich weniger an Programmatiken oder Führerreden zu orientieren, die mit den Lebensrealitäten und Ansichten der Frauen oft wenig zu tun haben.(7)


(5) Unter Defizitthese werden soziologische Ansätze gefaßt, die rechtsextremes Verhalten auf soziale Defizite zurückführen (Stichworte: Orientierungslosigkeit, Milieuverlust, Individualisierung, ModernisierungsverliererInnen).

(6) These aus der Wahlforschung, wonach Frauen neue Parteien zunächst nur in geringem Maße wählen, später aber nachziehen.

(7) In diesen Überblick konnten aus terminlichen Gründen nicht alle Neuerscheinungen einbezogen werden. Es sei aber zumindest hingewiesen auf das Heft zum Themenschwerpunkt Frauen und Rechtsextremismus der Zeitschrift für Frauenforschung, Heft 1 und 2, 12. Jg., hrsg. v. Forschungsinstitut Frau und Gesellschaft, Bielefeld 1994.

Rechte Frauenorganisationen

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Ansätze zu eigenen Frauenorganisationen im rechtsextremen Spektrum gibt es bislang zwar wenige, aber es gibt sie.

Seit den fünfziger Jahren ist beispielsweise die Wiking-Jugend in Jungen- und Mädchengruppen (Fähnlein und Mädelring) unterteilt. Neben der für alle geltenden körperlichen Ertüchtigung und deutsch-nationalen Gesinnungsschulung verfolgt die Organisation das Ziel, den Kindern eine geschlechtsspezifisch traditionelle Erziehung zu polarisierten Wesenseigenschaften angedeihen zu lassen. Ähnliches gilt für den Freibund (früher Bund heimattreuer Jugend), wo Kinder und Jugendliche zwar in gemischten Gruppen organisiert sind, aber hin und wieder reine Mädchen- oder Jungenaktivitäten angeboten werden.

Das Paradeexemplar rechter Frauengruppen in den achtziger Jahren ist die Deutsche Frauenfront (DFF). Hier sind die persönlichen Beziehungen der aktiven Frauen zu den führenden Männern der Szene deutlich abzulesen. So ging auch die Initiative zur ihrer Konstituierung von Michael Kühnen(8) aus, der sich ausdrücklich am organisatorischen Aufbau der NSDAP mit ihrer NS-Frauenschaft orientierte. Das vertretene Frauenbild ist entsprechend nationalsozialistisch geprägt. Beschworen wird die edle, reine, tatkräftige Frau und Mutter, die sich auf ihre Weise ganz für die Sache des deutschen Volkes aufopfert. Als Trägerin des deutschen Blutes wird ihr eine besondere Verantwortung für die Reinerhaltung der Rasse zugeschrieben usw. Gleichzeitig ringen die in der DFF aktiven Frauen teilweise um ihre Gleichstellung und berufen sich dabei auf das Bild der germanischen Kämpferin, die dem Mann gleichberechtigt zur Seite steht.

Die Vorläufer der DFF waren der Bund Hamburger Mädel als Frauenorganisation der 1977 von Michael Kühnen und Christian Worch gegründeten Aktionsfront Nationaler Sozialisten (ANS) und der Bund Deutscher Mädel (kurz BDM, auch Mädelbund genannt). Dieser war die nun bundesweite Frauenorganisation der ANS/NA, zu der sich die Leute um Kühnen/Worch einerseits und Brehl/Marx andererseits im Januar 1983 zusammengeschlossen hatten. Die Leitung des BDM lag bei Andrea Kron und Veronika Alten. Nach dem Verbot der ANS/NA im Dezember 1983 organisierten sich ihre Mitglieder in der FAP und in der Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF). Die dazugehörige sich jedoch als unabhängig bezeichnende Frauenorganisation hieß nun Deutsche Frauenfront (DFF). 1984 gegründet von Michael Kühnen, übernahm Ursula Müller, die sogenannte Mutter der Kompanie, ihren Vorsitz. Sie betreibt seit längerem in Mainz-Gonsenheim mit ihrem Mann Curt eine Gärtnerei, auf deren Gelände bis heute wichtige Treffen und Feiern der rechten Szene stattfinden. Daneben ist sie auch in anderen Organisationen an führender Stelle aktiv, wie etwa in der Hilfsorganisation für nationale Gefangene (HNG).

Als Mitteilungsorgan der DFF diente zunächst die Rubrik DFF informiert innerhalb der Zeitung Die Neue Front. Nachdem die Neue-Front-Redaktion angeblich Artikel zensiert hatte, erschien ab Juli 1985 unter demselben Titel eine selbständige Zeitschrift, die im Jahr darauf umbenannt wurde in Die Kampfgefährtin. Schriftleitung: Ursula Worch.

Bereits im Sommer 1985 hatte es Diskussionen über die formelle Unabhängigkeit der DFF gegeben. Später verschärfte sich der Streit zu diesem Thema, aber auch zu der Frage, ob Mädchen am Straßenkampf teilnehmen sollten bzw. dürften. Als dritter Konfliktpunkt kam noch die Schwulendebatte hinzu, die nach Kühnens Schrift Nationalsozialismus und Homosexualität die gesamte FAP zerrüttete. Die Quellen sind zum Teil widersprüchlich, doch kann mit Sicherheit festgestellt werden, daß es zwischen 1986 und 1988 in der DFF zwei Spaltungen um diese Themen gab. Dabei trennte sich zunächst die Jugendorganisation Mädelbund um die Hannoveranerin Sabine Wasilewski (spätere Heidel) von der DFF. Diese Fraktion bezog eine klar antischwule Position, begriff sich ausdrücklich als nicht-autonome Gruppe und orientierte sich eng an der Führung des Anti-Kühnen-Flügels der FAP um Jürgen Mosler und Volker Heidel. Die in ihr aktiven Frauen nannten sich nun FAP-Frauenschaft und gaben den Mädelbrief heraus. In der DFF verblieben die Kühnen-treuen Mitglieder. Bei der zweiten Spaltung wurde die bisherige Vorsitzende Ursula Müller, die sich nun auch gegen Homosexualität und Kühnen aussprach, abgesetzt und ausgeschlossen. Ursula Worch übernahm nun den Vorsitz. Es erschienen über Monate parallel zwei verschiedene Versionen der Kampfgefährtin, eine vom Worch-, eine vom Müller/Malcocci-Flügel. Worch trat 1989 zurück, und auch die Konkurrenz scheint ihr Wirken eingestellt zu haben, denn die Quellen sprechen nachträglich von einer Zeit, in der die DFF gänzlich inaktiv war.

1990 versuchte die Kühnen-Verlobte Esther Lisa Wohlschläger die DFF neu zu beleben. Dadurch, daß sämtliche weiblichen Mitglieder der Deutschen Alternative (DA), der neuen Massenorganisation der GdNF um Kühnen, automatisch in die DFF eintreten mußten, wuchs sie schnell auf 100 bis 150 Frauen an. Inzwischen existiert die DFF nicht mehr. In einem Spiegel-Artikel von 1992 heißt es, sie sei in anderen Rechtsparteien aufgegangen. Esther Lisa Wohlschläger ließ Anfang 1994 verlauten, sie habe es wegen der Trauer um ihren verstorbenen Verlobten nicht mehr geschafft, die Organisation aufrechtzuerhalten. Die FAP-Frauenschaft wurde am 28.3.1990 von Sabine Heidel geb. Wasilewski offiziell aufgelöst. Dennoch wird Sabine Bliesmer im Index vom Januar 1991 als FAP-Frauenschaftsvorsitzende von Hamburg bezeichnet. Zumindest der Flügel der FAP um Friedhelm Busse hat an einer eigenen Frauenorganisation offenbar kein Interesse.(9) Der Mädelbrief wurde von Dajana Riefling geb. Pahlke als überparteiliches Blatt weitergeführt und zunehmend zu einem Fanzine für Renees (s.u.) umgestaltet.

In den neunziger Jahren gewinnt eine weitere Gruppe rechter Frauen an Bedeutung: die sogenannten Renees. Sie fanden bisher in der Forschung wenig Beachtung; in der Regel wird ihre Form des Rechtsextremismus als pubertäre Phase abgetan. Dabei wäre es unserer Ansicht nach sehr wichtig, sich genauer mit ihnen zu beschäftigen, nicht zuletzt auch deshalb, weil es mehr Renees gibt als etwa DFF-Frauen. Renees sind faschistische Skinhead-Frauen. (Die Skinbewegung entstand Mitte der siebziger Jahre in Großbritannien. Die Skins begriffen sich als Working Class Kids-, also als Kinder der ArbeiterInnenklasse und waren der Ausdruck einer rebellierenden Jugend, die sich gegen die herrschenden Verhältnisse richtete. Das ursprünglich vorhandene Klassenbewußtsein änderte sich bei vielen aber bald in ein Rassenbewußtsein. Zu dieser Entwicklung trugen hauptsächlich faschistische Skins, die sogenannten Boneheads, bei. (Antifa Info Nr. 22, S. 20) Bei den Renees existiert kein einheitliches Frauenbild und ihr jeweiliger Status innerhalb der rechten Szene ist sehr unterschiedlich. Manche Renees bewegen sich in Bonehead-Zusammenhängen, in denen sie nur die Funktion der Freundin von ... haben, manche sind Mitglieder in neofaschistischen Organisationen und Parteien oder auch organisierte Skingirls, etwa in der Skingirl Front Deutschland (SFD).

Bei den Boneheads herrscht ein übersteigerter Männlichkeitswahn und offener Sexismus. Frauen werden entweder gar nicht oder als Sexualobjekt erwähnt. In einem Portrait der Band Männer in dem Skin-Fanzine Force of Hate heißt es: Die Männer lassen ungeniert die Sau raus, singen vom Bumsen und Saufen, also von all den netten Dingen, die Männern halt so Spaß machen ... Weiter so, ihr kernigen Männer. (zitiert nach Schwarzmeier 1993) Und die Band Radikahl singt: Weiber sind bei uns nichts wert, auch wenn man sie nicht gern entbehrt ... (zitiert nach Volkstreue). Auch in anderen Skin-Fanzines wird immer wieder dargestellt, daß Frauen hier zum Spaß-haben da sind und sich unterzuordnen haben. Die Verknüpfung von Sex und Gewalt kommt ebenso auf Plattencovern mit gefesselten Frauen und Kinderpornos zum Ausdruck. Vergewaltigung wird so nicht nur legitimiert, sondern zum festen Bestandteil des Bonehead-Weltbildes gemacht. Bei einigen Gruppen gehört Vergewaltigung sogar zum Aufnahmeritual.

Wie stehen die Renees dazu? Monique zum Beispiel, deren Nacktfotos unter anderem in Fanzines und im Skingirlkalender zu finden sind, stellt sich gern als williges Objekt für geile Boneheads dar. Sie findet es geil, für etwas Dominantes das Objekt sein zu dürfen (vgl. Moderne Zeiten). Es gibt ihr vielleicht ein gewisses Machtgefühl, denn ohne sie beziehungsweise ihren Körper könnte der Mann seine sexuellen Phantasien nicht ausleben. Er braucht sie, und diese Situation hat sie mit in der Hand, sie kann mit ihm spielen, sich über das Gebrauchtwerden aufwerten und sich in einer Position der Macht imaginieren auch wenn der Mann in ihr nur das willige Objekt sieht und sie sich dieser Rolle gerne freiwillig unterzieht. Das verdeckte Machtgefühl gehört ihr, der Typ bekommt davon nichts mit. Für sie steht dieses Gefühl vermutlich im Vordergrund und nicht die sexuelle Befriedigung. Es ist anzunehmen, daß Renees, die keine Lust dazu haben, williges Objekt zu sein, sich stillschweigend unterordnen und die sexuelle Gewalt in den Gruppen, über die mehrere Fälle bekannt geworden sind, über sich ergehen lassen (vgl. Schwarzmeier 1993). Für sie ist Vergewaltigung der Preis, den sie zahlen, um zu einer starken Gruppe zu gehören.

Die Skingirl-Front-Deutschland (SFD), in der viele Renees organisiert sind, wurde 1991 gegründet. Ihr erklärtes Ziel ist es, die Tugenden der deutschen Frau in die Renee-Szene zu tragen und dem vorherrschenden Selbstverständnis, reines Objekt für die Männer zu sein, entgegenzuwirken. Es soll mehr Zusammenhalt unter den Renees erreicht und gegen Frauen angegangen werden, die ihre Kameraden verführen.

Die SFD ist keine Organisation im Sinne eines Verbandes oder einer Partei, sondern eher eine Art Kadergemeinschaft, deren Struktur auf bundesweiten persönlichen Kontakten basiert. SFD-Gruppen gibt es in Heidelberg, Freiburg, Stuttgart, Nürnberg, Gelsenkirchen, Burscheid, Hamburg und Berlin. Ihre Fanzines Schlachtruf(10) und Volkstreue versuchen, Öffentlichkeit zu schaffen und weitere Frauen zu werben. In ihnen finden sich neben Berichten von Aktionen oder Konzerten und Band-Interviews auch Artikel zum Weltbild des Nationalsozialismus, zur Rolle der Frau gemäß der NS-Ideologie und Interviews mit führenden Neonazis. Die Herausgeberinnen verfügen über internationale Kontakte und sind auch in anderen Gruppen organisiert. Die SFD ist Teil eines internationalen Netzwerks von Reneegruppen, dessen Ursprung in Canada/USA liegt. Von dort aus wird auch das gesamte Schulungsmaterial der Women for Aryan Unity (WAU) verschickt. Die WAU ist die Schwestergruppe des Aryan Resistance Movement, einer Ku-Klux-Klan-Gruppe, die aus militanten Boneheads besteht. WAU-Organisationen gibt es in der BRD, in der Schweiz, in Italien, Spanien, Großbritannien und Irland.

Ähnlich wie bei der DFF ist die politische Aktivität bei den organisierten Renees nicht im Frauenbild begründet. Sie orientieren sich allgemein an NS-Ideologien. Um die Rolle der Frau geht es erst in zweiter Linie. Denken und Verhalten der Männer werden dabei nicht in Frage gestellt (Wir arbeiten mit unseren Männern und nicht gegen sie). Im Vordergrund steht die gute Zusammenarbeit für die weiße Rasse. Renees organisieren sich nicht in Frauengruppen, weil sie sich von den Männern unterdrückt fühlen oder andere Themenschwerpunkte vertreten, sondern weil sie Probleme untereinander haben wegen ihrer Beziehungen zu (ihren) Männern. Die zugewiesene Position der schwächeren, unterlegenen Frau wird von den meisten angenommen und auch nach außen vertreten.

Dennoch sind wichtige Positionen in der Boneheadszene von Frauen besetzt. Sie organisieren Treffen und Konzerte, eine Aufgabe, die sie offenbar verläßlicher erfüllen als die Männer. Als Herausgeberinnen von Fanzines (s.o.) werden sie zu wichtigen Kontaktpersonen. Bei neofaschistischen Aufmärschen sind sie in letzter Zeit vermehrt präsent; bei Übergriffen und Anschlägen auf AsylbewerberInnen-Unterkünfte stehen sie in der ersten Reihe, unterstützen die Kameraden schlagkräftig und betätigen sich als Aufheizerinnen.

Wie sich zeigt, sind Mädchen und Frauen mit rechter Ideologie in den genannten Gruppen stark vertreten. Sicherlich sind sie auch noch an anderen Orten zu finden, doch treten sie hier am deutlichsten hervor, was es einfacher macht, ihre jeweilige Rolle einzuschätzen. Eine pauschale Übertragung der von uns dargestellten Aspekte auf Frauen in anderen rechten Gruppierungen wäre aber falsch.

Interessant erscheint uns, daß sich Frauengruppen ausgerechnet in dem Spektrum bilden, daß als extremstes und militantestes gilt. Doch bevor frau darin eine Widerständigkeit gegen das extreme Männlichkeitsgehabe ihrer Kameraden entdeckt, ist zu bedenken, daß dieses Phänomen in das dualistische Weltbild, das Frauen und Männern unterschiedliche Sphären zuweist, bestens hineinpaßt. Und selbst bei denjenigen, die diese Auffassung nicht explizit teilen, muß die Motivation zu einer separaten Frauen/Mädchenorganisierung nicht automatisch einen emanzipativen Charakter haben. Sie kann auch dem reibungsloseren Funktionieren der allgemeinen Struktur dienen. Etwa wenn wie im Falle der SFD die Gründung einer separaten Organisation darauf abzielt, die ständigen Fehden zwischen Mädchen wegen Bettgeschichten und die daraus resultierenden Konkurrenzen beizulegen, oder auch darauf, in diesem Zusammenhang gewisse Normen für das Sexualverhalten durchzusetzen.


(8) Für allgemeine Informationen zu den im folgenden genannten Organisationen und zu den meisten ihrer führenden Köpfe s. Edition ID-Archiv 1992: Drahtzieher im braunen Netz.

(9) vgl. Busses Äußerungen in dem Film Kameradinnen die rechte Frauenfront.

(10) Schlachtruf erscheint inzwischen nicht mehr (lt. Antifa-Info Nr. 25, Dez/Jan 93/94). Die ehemalige Herausgeberin Martina Janssen aus Freiburg erwartet ein Prozeß.

Positionenvielfalt

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Frauen als Beteiligte und Täterinnen ins Blickfeld zu rücken, hat sich inzwischen über den Kreis feministischer Sozialwissenschaftlerinnen hinaus etabliert. Nach Artikeln in Brigitte, Spiegel und Bild der Frau beschäftigten sich auch zwei Fernsehbeiträge anhand von Interviews mit dem Thema Frauen in der rechten Szene. Auf VOX lief im Februar 1993 der Film Kameradinnen die rechte Frauenfront von Barbara Kernbach und Rainer Fromm. Sat 1 sendete zu dem Thema im November 1993 einen Spiegel-TV-Beitrag von Sonja Balbach. Aufschlußreicher ist unseres Erachtens der erste Film. Der zweite Beitrag zeigt zahlenmäßig weniger Frauen, dafür allerdings mehrere aus der Ex-DDR und zusätzlich einige Männerköpfe.

Eines jedoch wird an beiden Filmen deutlich: "Die" rechte Frau existiert nicht, es gibt viele rechte Frauen, die entweder verdeckt oder öffentlich sichtbar ihre rechte Ideologie leben: in jedem Alter, mit verschiedenen Lebensformen, unterschiedlichem Äußeren, mit unterschiedlichen Meinungen zu bestimmten Themen eben vielfältig und teilweise auch nicht gleich als rechte Frau identifizierbar.

So gehen die Meinungen zum Thema Familie und Beruf bei Frauen aus unterschiedlichen Gruppen auseinander. Für die eine stehen Studium und anschließende Karriere im Vordergrund, und, sofern Kinder eingeplant sind, vertritt sie die Vorstellung, daß der Vater des Kindes den Erziehungsurlaub nehmen kann, oder auch die Idee vom Jobsharing, mit dem zugleich noch mehr Arbeitsplätze geschaffen würden. Für die andere ist die Familie wichtiger Bestandteil ihres Lebens; sie hält es für ihre Pflicht, neue gute Deutsche zu erziehen, und ist der Meinung, daß eine Mutter selbstverständlich zu ihren Kindern gehört diese Aufgabe wolle sie sich nicht nehmen lassen.

Die Ansichten zum Thema eigener Nachwuchs sind auch recht unterschiedlich. So setzt sich etwa eine Vertreterin der Wiking-Jugend (WJ) für die Arterhaltung ein, was für ihr Leben bedeute, selber mehrere Kinder in die Welt zu setzen. Im Gegensatz dazu vertritt Ursula Worch von der Nationalen Liste (NL) den Standpunkt, daß es ja schon genügend Kinder gebe und frau nicht unbedingt selber welche bekommen müsse, da dies sicherlich nicht den politischen Umsturz befördern würde.

Inhaltlich divergieren die Filmbeiträge über die rechte Frauenszene vor allem an einem Punkt: der Abtreibungsfrage. Im Kameradinnen-Beitrag gilt als der gemeinsame Nenner, bei sonst unterschiedlichen Auffassungen (etwa zur Berufstätigkeit von Frauen, s.o.), daß ein freies Entscheidungsrecht der Schwangeren indiskutabel sei. Demgegenüber kommt die Balbach-Reportage zu dem Schluß, daß genau diese Frage das rechte Lager in Aufruhr versetze. In der Tat reichen die hier in den Interviews vertretenen Positionen von Ansichten wie Das sollte jede Frau für sich entscheiden über die strikte Ablehnung jeder Abtreibung bis hin zu der klassischen rechtsextremen Auffassung, gesunde deutsche Frauen dürften grundsätzlich nicht abtreiben, ausgenommen, es werde eine Behinderung festgestellt oder die Schwangerschaft sei durch eine nachgewiesene Vergewaltigung entstanden im Falle einer zu erwartenden Behinderung müsse abgetrieben werden.

Ob diese Diskrepanz in der Beurteilung der Abtreibungsfrage als Konsens- oder Streitthema der Rechten auf eine Entwicklung in der Zeit zwischen den beiden Beiträgen verweist, ob sie sich aus der Befragung unterschiedlicher Frauen ergibt, oder aber auf die Bearbeitung durch die Filmautorinnen zurückzuführen ist, läßt sich nicht entscheiden. Wir halten es jedoch für nicht unwahrscheinlich, daß mit dem stärkeren Hervortreten DDR-sozialisierter Frauen neue Bewegung in der Auseinandersetzung um diese Frage entstanden ist.

Dennoch wird an beiden Filmbeiträgen deutlich, daß die bislang in der soziologischen Diskussion weitgehend unhinterfragte Prämisse, derzufolge in rechten Kreisen ein extrem traditionelles Frauenbild herrscht, so nicht zutrifft. (In der soziologischen Diskussion ging es lediglich um die Frage, ob dieses vorausgesetzte traditionelle Frauenbild ausschlaggebend für die Sympathien von Frauen für rechte Politik sei oder wenig Relevanz habe.) Daß dieses Bild zumindest in der platten Heimchen-am-Herd-Version teilweise auch in rechten Kreisen überholt ist, konnte ich (R.B.) ebenso bei meiner Analyse rechter Zeitschriften feststellen.


 

Stellenwert von Frauenthemen und Nähe zu feministischen Forderungen

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Welche Bedeutung haben Frauenthemen für die rechten Frauen? Gemeint sind damit Fragen des Geschlechterverhältnisses, Themen wie Mutterschaft und Familie, Abtreibung, Gewalt gegen Frauen, Vergewaltigung und andere Formen sexistischer Diskriminierung et cetera also auch feministische Themen, die mittlerweile in den allgemeinen politischen Diskurs Eingang gefunden haben. Daß sie nicht im Zentrum des Interesses rechtsextremer Frauen stehen, hat sich sowohl in den Interviews mit Berliner Republikaner-Frauen (vgl. Skrzydlo/Thiele/Wohllaib 1992) bestätigt als auch in meiner (R.B.) Untersuchung der Beiträge von Frauen in rechtsextremen Zeitschriften zwischen 1985 und 1993.

Aus den Interviews ging hervor, daß die programmatischen Aussagen der Republikaner zur Frauenrolle irrelevant für den Eintritt der Frauen waren. Zum Teil lehnten sie diese sogar ab. Da sie andere politische Schwerpunkte für sich setzten, führte diese Ablehnung jedoch nicht zu innerparteilichen Auseinandersetzungen oder gar zu Veränderungen der Programmatik. Ebensowenig aber führte sie zu Veränderungen in den Lebenskonzepten der Frauen, die von den oben genannten Forscherinnen teilweise als berufsorientiert und halb-emanzipiert bezeichnet werden.

Die Zeitschriftenanalyse umfaßt 513 Beiträge(11) von Frauen in 16 Zeitschriften über 9 Jahrgänge (insgesamt 678 Ausgaben). Die Beiträge von Frauen in diesen Blättern machen durchschnittlich 2-3% des Gesamtvolumens aus, außer im Mädelbrief (60%) und in der Kampfgefährtin (bis zu 100%). Bei einer Analyse der Themenstreuung anhand einer Auswahl von 312 Texten aus sieben Zeitschriften(12) ergab sich folgendes Bild: Ein personeller, organisatorischer oder inhaltlicher Bezug auf Frauen findet sich schwerpunktmäßig in 19,55% der Beiträge, am Rande in 17,63% und gar nicht in 63,14%. Das Aufkommen inhaltlicher Bezüge (Frauenthemen) wurde von mir verglichen mit dem Aufkommen anderer Themenkreise(13): Nationales 44,87%, Gegnerschaften 33,33%, Frauenthemen 29,17%, Rassismus 20,83%, Feuilleton 20,83%.

Die Auswertung bestätigt demnach die These, daß auch bei Frauen der Nationalismus im Zentrum ihrer rechten Haltung steht. Die Erwartung, daß Rassismus ein mindestens ebenso dominantes Thema für die schreibenden rechtsextremen Frauen sei, erwies sich jedoch zumindest nach den bisherigen Ergebnissen als Irrtum. Rassismus wird seltener thematisiert als Frauenfragen (und beide seltener als Gegnerschaften). Selbst wenn die speziell an Frauen gerichtete Zeitschrift herausgelassen wird, sinkt der Anteil der Frauenthemen auf 18,2% und damit nur knapp unter den Anteil von Rassismus (19,1%). Das Aufkommen nationaler Themen bleibt aber konstant (44,87%). Somit kann der Schluß gezogen werden, daß für die Autorinnen rechtsextremer Zeitschriften Frauenfragen nicht irrelevanter sind als Fragen der ethnischen Abgrenzung bzw. Rassismus, daß eine stärkere Gewichtung der Frauenfragen aber nur in speziell an Frauen gerichteten Zeitschriften zu finden ist. Den Hauptteil bilden jedoch die Äußerungen zum Themenkreis Nationales. Bei diesen Ergebnissen ist zu berücksichtigen, daß in der Zeitschriftenanalyse nur jene Äußerungen von Frauen erfaßt werden können, die innerhalb eines eher männlich tradierten Politikverhaltens (Verschriftlichung und Veröffentlichung) angesiedelt sind. Sie müssen also nicht repräsentativ für alle rechts orientierten Frauen sein.

Erwartungsgemäß tauchen eine Menge klassisch rechter Positionen in den Zeitschriftenartikeln auf. Inhaltlich bedenkenswert für feministische Leserinnen dürften aber unter anderem diejenigen Beiträge sein, die eine Nähe zu eigenen Positionen aufweisen. Eine kleine Auswahl:
Cora Braune regt sich in der FAP-Intern (3/89) über den Nationalsexismus des Dr. Frey auf. Er hatte eine Ausgabe der National-Zeitung mit sexistischen Lolita-Bildchen ausgeschmückt.
In einer Glosse in der Jungen Freiheit (6/92) macht sich Claudia Spranger über die männlichen TV-Zuschauer lustig, die sich die RTL-Erotikfilme zu Gemüte führen.
Empörung, Entsetzen und Hilfsappelle angesichts der Massenvergewaltigungen in Ex-Jugoslawien finden sich bei Johanna Grund (zuerst in Junge Freiheit 3/93, S. 19) und bei Rosemarie Heckmann (Deutschland-Magazin 3/93, S. 34f).
Frauen, die aufgrund von Scheinehen in Schwierigkeiten geraten sind, empfiehlt Carola Berger in der Jungen Freiheit (4/92) ein Beratungsangebot in Berliner Frauenzentren.
Das relativ hohe Maß an Bewegungsfreiheit und Rechten für Frauen im Irak gilt Ilse-Carola Salm in Nation & Europa (3/93, S. 6164) als Grund, das dortige Regime als fortschrittlich zu bezeichnen.
Frauenhandel wird angeprangert (Ruth Winkler in Nation & Europa 8/88, S. 55).
Heimattreue Mädels schwärmen von einem eigenen Mädchenlager, in dem sie unter sich sind und Einblicke in autogenes Training und Selbstverteidigung vermittelt bekommen (na klar! Nr. 54, 30.6.91, S. 13f).
In Hexenverkleidung feiert frau exzentrisch selbstbewußt die Walpurgisnacht (na klar! Nr. 50, 30.6.90).
Auch Flugblätter etwa von der FAP-Frauenschaft wenden sich massiv gegen sexuelle Gewalt, Kinderprostitution etc.
Die Liste könnte fortgesetzt werden ...

Es handelt sich hier selbstverständlich bewußt um Ausschnitte und oftmals aber nicht immer rückt der Kontext diese Äußerungen in ein anderes Licht. Sie werden relativiert oder in den Dienst einer rassistischen Argumentation gestellt. So gilt etwa der Frauenhandel als Beispiel für AusländerInnenkriminalität. Oder sie stehen im Kontext interner Grabenkämpfe, wie etwa einer umfassenderen Abgrenzungskampagne eines Teils der Szene gegen Frey.

Doch zeigt sich deutlich, daß Anliegen und Themen der Frauenbewegung zum Teil Eingang gefunden haben in einen allgemeinen gesellschaftlichen Wertekodex, auf den wiederum auch Rechte sich beziehen und bestimmte Aspekte aufgreifen. Das Frauenbild der Rechten ist entsprechend facettenreich geworden. Äußerungen wie die oben aufgelisteten dürfen uns nicht als Belege dafür gelten, daß die Frau o.k. ist. Etwas mehr Wachsamkeit ist gefragt.

Umgekehrt heißt das für uns als linke Feministinnen, daß es nicht reicht, lediglich bestimmte frauenparteiliche Positionen zu äußern, um unmißverständlich die eigene politische Haltung zu kennzeichnen. Auch hier gilt es, eigene Hintergründe und Motivationen untereinander und nach außen zu klären. Noch dürfte es die Ausnahme sein, daß sich Faschistinnen in unseren Räumen bewegen, doch Anknüpfungspunkte, die sie nutzen könnten ähnlich wie die NationalrevolutionärInnen dies bei der Friedensbewegung getan haben , gäbe es durchaus. Nicht nur auf plakativer Forderungsebene, sondern auch in der intellektuellen und in der spirituellen/esoterischen Szene.

Es ist schwierig, genau zu ergründen, aus welchen Motivationen heraus sich Frauen rechts orientieren, aber zunächst einmal halten wir es für wichtig, sich klarzumachen, daß es eben nicht nur rechte Männer, sondern auch viele rechte Frauen gibt, die ihre Einstellungen teilweise nur anders leben. Die in diesem Beitrag diskutierten Thesen zeigen ja, daß es viele Motivationen für Frauen geben kann wahrscheinlich auch noch mehr als die von uns angeführten -, die alle nebeneinander bestehen können, ohne einen eindeutigen Zusammenhang aufweisen zu müssen. Ähnlich widersprüchlich ist, wie wir gesehen haben, das Frauenbild, welches die organisierten rechten Frauen vertreten. Wir führen diesen Umstand jedoch nicht auf ihre Toleranz im Sinne eines angestrebten internen Pluralismus zurück, sondern deuten ihn eher als wenig beachtete Heterogenität und Widersprüchlichkeit, die möglicherweise sogar die Rekrutierungschancen rechter Gruppen verbessert.

Die neue soziologische Diskussion zum Thema Frauen und Rechtsextremismus hat eine Reihe bedenkenswerter Thesen hervorgebracht. Sie sollten aber nicht als endgültige Einsichten verstanden werden, sondern als erste Ergebnisse einer Forschung, die noch vertieft werden muß.

Daneben ist es an der Zeit, endlich zu fragen, wie wir mit rechten Frauen umgehen wollen und welche Strategien wir entwickeln können. Jahrelang praktizierte Frauensolidarität und auch der gesamtgesellschaftliche frauenpolitische Rollback sollten uns nicht daran hindern, klare Trennlinien gegen rechtsgerichtete Frauen inner- und außerhalb unserer Räume zu ziehen und sie als politische Gegnerinnen anzugehen.

(10) Schlachtruf erscheint inzwischen nicht mehr (lt. Antifa-Info Nr. 25, Dez/Jan 93/94). Die ehemalige Herausgeberin Martina Janssen aus Freiburg erwartet ein Prozeß.

(11) Beiträge, die wahrscheinlich nur unter weiblichem Pseudonym von einem Mann verfaßt wurden, habe ich nicht mit einbezogen. So soll sich etwa hinter Jutta Winckler bei der Jungen Freiheit Theo Homann verbergen.

(12) CriticM-sn, Deutschland in Geschichte und Gegenwart, Elemente, Junge Freiheit, Kampfgefährtin, Na klar!, Nation und Europa

(13) Nationales = deutsche Geschichte, insb. NS bis 1945, GermanInnen, nordeuropäische Frühgeschichte; Deutsche Einheit (DDR, Ex-DDR, Wiedervereinigung, dt. Ostgebiete, Österreich, Sudeten, Südtirol etc.); Deutschtum (Pflege der dt. Kultur, Sprache etc.). Rassismus = unverblümte rassistische Äußerungen; Ethnopluralismus; AusländerInnen, AsylbewerberInnen, Einwanderung als Problem, Antisemitismus und Judentum; (süd)afrikanische Politik, AfrikanerInnen. Gegnerschaften = Linke, 68er, Antifa, AnarchistInnen; militante Konflikte; Polizei, Justiz; Grabenkämpfe innerhalb der rechten Szene.

     

Literatur

Balbach, Sonja 1993

Spiegel-TV-Reportage zu rechtsextremen Frauen (o.T.), Sat 1, 30.11.

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Bitzan, Renate 1994: Rechter Geist aus Frauenfedern. Beiträge von Frauen in rechtsextremen Zeitschriften 1985-93. Unveröffentlichtes Vortragsmanuskript, Februar

dies. 1994: Rechter Geist aus Frauenfedern. Zur Positionenvielfalt publizierender rechter Frauen, insbesondere zur Konstruktion des Geschlechterverhältnisses und zu sozialpolitischen Frauenfragen (Zeitschriftenanalyse 1985-1993). Magistra-Arbeit am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Gesamthochschule Kassel

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Hoffmann, Florentine 1990: Wir sind dazu da, dem Mann das Leben schön zu machen. In: Brigitte 5

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Hunke, Sigrid 1987: Die Zukunft unseres unvergänglichen Erbes in Mann und Frau. In: Elemente, 2. Ausgabe (Juni/Sept.)

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Lohmeier, Cornelia 1991: Wie immun sind Mädchen gegen Rechtsextremismus? In: deutsche jugend, Heft 1

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Ministerium für die Gleichstellung von Mann und Frau des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.) 1994: Rechtsextremismus und Gewalt: Affinitäten und Resistenzen von Mädchen und jungen Frauen. Ergebnisse einer Studie, vorgelegt von Hilde Utzmann-Krombholz, Januar

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Skrzydlo, Annette/Thiele, Barbara/Wohllaib, Nicola 1992: Frauen bei den Republikanern in Westberlin ein empirisches Projekt. FU Berlin

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Edition ID-Archiv Eichhorn/ Grimm (Hg.) Gender Killer Texte zu Feminismus und Politik
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