Mahir Göktas (14)
Ich wurde am 27. Dezember 1995 nachts zwischen 00.00 Uhr und 01.00 Uhr in meinem Dorf von der Anti-Terroreinheit Manisa festgenommen. Zuerst haben sie mich zur Polizeistation von Kinik mitgenommen. Später wurde ich in einen weißen Mazda gezerrt. Mit mir zusammen stiegen noch fünf Zivilpolizisten ins Auto und verbanden meine Augen. Sie hielten eine Waffe an meine Schläfe, hielten die Finger am Abzug und drohten, mich umzubringen. Sie beschimpften mich und schlugen mir auf die Rippen. Als ich in Manisa war, wurde ich zur Polizeistation gebracht. Dort gingen wir einen langen Korridor entlang. Meine Augen waren verbunden. Auf einmal stürzten fünf bis sechs Personen auf mich zu und droschen mit ihren Füßen und Schlagstöcken auf mich ein. Als ich einen Tritt in meinen Magen bekam, verlor ich das Bewußtsein. Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich in einer Zelle. Später kamen zwei Personen hinein und brachten mich abrupt weg. Sie haben mich in einen Raum gesteckt und stellten mir Fragen, auf die ich keine Antwort wußte. Als ich "Ich habe nichts zu antworten" sagte, schlugen sie mit Fäusten und Schlagstöcken auf meinen Kopf. Sie wollten, daß ich mich ausziehe, was ich aber nicht tat. Da rissen sie mir mit Gewalt die Kleider vom Leib. Sie legten mich auf eine nasse Decke aus Leinenstoff, quetschten meine Hoden und drohten, meine Männlichkeit zu entfernen.
Sie sagten, daß sie mich mit Säure übergießen und sexuell mißhandeln werden. Zwei Stunden lang bekam ich Elektroschocks und sie quetschten meine Hoden. Sie legten mich auf den Boden und trampelten auf meinem Rücken herum. Nachdem sie mich gefoltert hatten, hielten sie mich eineinhalb Stunden unter kaltes Wasser. Sie warfen mich über Nacht in die Zelle. In der Zelle wäre ich fast erfroren. Ich bekam Atemnot. Von drinnen kamen Schreie und faschistische Hymnen übertönten sich. Sie kamen zum zweiten Mal. Wieder ließen sie mich kalt duschen und steckten mich in den Befragungsraum. Meine Augen waren verbunden. Nachdem sie mich auf eine nasse Decke gelegt hatten, hielten sie meine Füße, Arme und Haare. Sie gossen Wasser in meine Ohren. Meine Ohren dröhnten. Sie erzählten, wie sie Turan Kilic und Baki Erdogan durch Folter ermordet hatten und sagten, daß sie von der Konterguerilla sind. Sie gaben mir Stromschläge auf meinen Bauch, meinen Genitalbereich und auf meine Füße. Wieder hielten sie mich unter kaltes Wasser. Da ich Linkshänder bin, schlugen sie auf meinen linken Arm. Ohne Grund brachten sie mich nach Aliaga. Auch dort wurde ich gefoltert und unter kaltes Wasser gestellt. Wieder bekam ich Elektroschocks und sie quetschten meine Hoden. Auf dem Weg nach Manisa wurde ich mit Handschellen in den Kofferraum eines Autos gesteckt. Ich war nicht mehr in der Lage zu atmen. Auf dem Weg hielten sie das Auto an und hängten mich kopfüber von einer Brücke. Das Wasser war pechschwarz. Ich war ohnmächtig, als sie mich wieder zurückzogen. Als ich meine Augen wieder öffnete, befand ich mich in der Zelle. Die Folterer, die sich Süleyman, Toprak, Mehmet, Kibar und Hoca nannten, bedrohten uns auf dem Weg zum Arzt und sagten: "Falls ihr eure Verletzungen dem Doktor zeigt, bringen wir euch um." Während der elf Tage, die ich dort verbrachte, haben sie mich acht Tage lang ununterbrochen (3-4 mal am Tag) gefoltert. Als ich zum Gefängnis kam, konnte ich mit meinem rechten Ohr nicht mehr hören. Ich hatte beim Wasserlosen und beim Atmen Schwierigkeiten.
Yeliz Kilic:
Ich wurde am 8. Februar 1996, am Donnerstag, in Soma mit einem Freund festgenommen. Sie haben uns sofort zur Polizeistation gebracht. Dort haben sie mit der Frage "Wie heißt du?" angefangen. Als ich meinen Namen nicht sagte, haben sie mit der Folter begonnen. Bei der Verabreichung von Elektroschocks fragten sie "Bist du mit Turan Kilic verwandt?" Da ich ihnen keinerlei Fragen beantwortete, haben sie mich und meine Freunde zur Manisa Polizeistation gebracht. Mit verbundenen Augen wurden wir in getrennte Zellen gesperrt. Nach zwei Stunden haben sie uns zum Verhör gebracht. Als ich die Fragen mit "Nein" und "Ich weiß es nicht" beantwortete, meinten sie: "Du hast in Soma nicht geredet, aber wir werden dich hier noch dazu bringen, du Hure, du Schlampe. "Danach haben sie gesagt "Zieh dich aus!" Ich sagte "Nein, ich zieh mich nicht aus!" Sie haben mich dreimal gefragt. Danach haben sie begonnen, mich mit Gewalt auszuziehen. Als sie mich ausgezogen hatten, holten sie noch eine andere Person ins Zimmer dazu. Danach forderten sie diese Person auf: "Vergewaltige sie!" Ich wehrte mich dagegen. Sie waren zu viert. Sie hielten meine Hände und meine Füße. So vergewaltigten sie mich. Ich habe sie als würdelos und ehrlos angeschrien. Sie sagten "Du bist die Würdelose. Du liegst unter uns. Wir sind mit dir fertig." So haben sie ihre Ehrlosigkeit gezeigt. Weil ich geschrien habe, verbanden sie mir den Mund und versuchten mich zu erwürgen, mit der Bedrohung "Wir werden dich umbringen." Da wurde ich ohnmächtig. Als ich zu mir kam, besprühten sie mich mit Wasser. Zum Schluß haben sie mich angezogen und in die Zelle gesperrt. In der Zelle fragten mich die Polizisten, ob ich etwas essen wolle. Ich erwiderte: "Ich werde nichts essen." Als sie mich wieder zum Verhör holten, war mein Haß noch größer. Meine Haltung war aufrechter als zuvor. Ich sagte immer "Ich weiß es nicht." Sie haben mich ausgezogen und mir Elektroschocks verabreicht. Als ich die Parole "Die Menschenwürde wird die Folter besiegen!" rief, sagten sie "Rede nicht du Schlampe." Meine Arme haben sie mit etwas weichem verbunden und einen Gürtel daran befestigt. Sie haben mich an den "Palästinenserhaken" gehängt. Als sie mich nach 15 Minuten runterholten, konnte ich meinen Körper nicht bewegen. Sie haben mich gefragt "Kannst du deine Arme und Beine bewegen?" Als ich es nicht konnte, haben sie meine Arme und Beine bewegt. Sie haben mich wieder mit Wasser besprüht und danach in die Zelle geworfen. Sie haben mich gefragt ob ich friere und danach haben sie mir Decken gebracht. Ich habe die Decke von den Folterern nicht angenommen. Sie haben mich mit dieser Decke immer zugedeckt als sie mir Elektroschocks gaben. Als ich Wasser wollte gaben sie mir keines. "Wenn du redest werden wir dich retten, wir werden dich nicht foltern" sagten die Würdelosen.
In der Zelle hörte ich die Schreie meiner Freunde, als sie Elektroschocks bekamen. In der Befragung sagten sie "Wieso redest du nicht? Du haßt uns, weil wir deinen Bruder Turan ermordet haben." Ich gab ihnen keine Antwort.
Sie haben mir an Fingern, Genitalien, Mund und Bauch Elektroschocks verabreicht. In dieser Art haben sie mich sechs Mal zur Befragung, zur Folter gebracht. Ich konnte Tag und Nacht nicht unterscheiden. Bei den letzten Malen verwendeten sie wieder Wasser. Sie spritzten Wasser in meine Ohren und sagten, daß sie mich taub machen wollen. Als sie mich zum zweiten Mal aufhängten, salbten sie mich ein, damit keine Spuren blieben. Dann haben sie uns ins Manisa-Staatskrankenhaus gebracht. Als der Arzt mich sah, fragte er "Was hat man dir angetan?" Ich habe ihm alles erzählt.
Auf dem Rückweg zur Polizeistation fragten sie mich "Warum hast du es dem Arzt erzählt? Diesmal werden wir dich umbringen. Wieso hast du es gesagt? Du wirst dein Wort zurücknehmen." Ich sagte zu ihnen, daß ich mein Wort nicht zurücknehmen werde. Nach dem Arztbesuch waren sie tollwütig. Sie haben über meinen Körper mehrere Eimer heißes Wasser geschüttet. Danach kaltes Wasser. Sie versuchten, mich an den Haaren ziehend, meinen Kopf in die Toilette zu stecken. Während sie dies taten, drohten sie "Wir werden dich erwürgen, wir werden dich umbringen."
Ich kenne drei dieser Folterer. Einer ist klein und hatte einen Schnurrbart. Der zweite war ein bißchen dick und hatte eine dicke Nase. Den Langen haben sie nur "Lehrer" genannt. Die Folter wurde von ihm geleitet. Er gab die Anweisungen für die Elektroschocks und die Vergewaltigungen. Als sie uns von Soma abholten, war er auch dabei. Da war er zivil und ärmlich bekleidet. Es gab auch noch einen Älteren, der ca. 50 Jahre alt war. Seine Augen waren geschwollen. Es zeigte, daß er Alkoholiker war. Er redete wie ein Bauer. Ansonsten gab es noch einen ungefähr 40 Jahre alten, dunklen, bärtigen, mittelgroßen Mann. Er sprach mit dem Dialekt der Schwarzmeerküste.
Es ist schön, sechs Tage lang während der Folter dem Feind gegenüberstehend Widerstand zu leisten. Ich sah ihre Reaktionen. Sie alle waren tollwütig wie Hunde. Als ich Widerstand leistete, dachte ich an all meine Genossen. Mein Haß wurde noch größer.
Münire Apaydin
Am 26. 12. 95 wurde ich von der Anti-Terrorabteilung in Manisa festgenommen, als ich mich in der Schule befand. Während der 11 Tage, die ich festgenommen war, wurde ich unter psychischen und physischen Druck gesetzt. Vom Beginn der Festnahme an wurde ich ständig bedroht. Als ich sie anschrie und sagte, daß sie kein Recht hätten, mich mitzunehmen, sagte einer der Folterer "Darüber reden wir wenn wir angekommen sind, du wirst schon merken, ob wir das Recht haben oder nicht."
Die Folter, die beim Betreten der Polizeistation mit Prügeln begann, dauerte 11 Tage. Während ich mich dort befand, konnte ich merken, daß sich noch viele andere Personen dort befanden. Wir hörten die Schreie der anderen gefolterten. Ihre Absicht war, auch uns diese Schreie hören zu lassen, damit wir Angst bekommen. Die Folterer waren hilflos und feige. Als meine Augenbinde fiel, gerieten sie in Panik. Während der Folter meinten sie zu mir, ob ich mich nicht in dieser Situation schämen würde und daß ich meine Würde verlieren würde. Daraufhin erwiderte ich, daß sie feige sind, und nicht ich würdelos. Sie antworteten "Ach so ist es! Du hast wohl die Zeitung Kurtulus zu viel gelesen.
Als wir ins Krankenhaus gebracht wurden, bedrohten sie die Ärzte. Wir wurden untersucht, doch im Bericht wurde nichts von unseren Verletzungen geschrieben. Als unsere Familien zu Besuch kamen, drohten sie uns, daß wir kein Wort über unseren Zustand sagen sollten. Sie boten mir Kollaboration an. Wenn ich annahm, garantierten sie mir, mich freizulassen, finanziell zu unterstützen und mir einen Studienplatz zu sichern. Sie sagten "Dieser Weg den du gehst ist falsch. Auch wenn du jetzt freikommst, landest du früher oder später wieder bei uns.
Ayse Mine Balkanli
An jenem Morgen ging ich wie immer zur Schule. Es war alles wie immer. Aber gegen 11.00 Uhr herrschte eine gespannte Atmosphäre in der Schule. Zwei Freunde von mir, die aus dem Büro des stellvertretenden Schuldirektors kamen, sagten, daß sich dort vier auffällige Typen befinden. Kurz darauf wurde ich durch einen Schulbediensteten in dieses Büro gerufen. Meine Freundin Sema befand sich schon dort. Sie haben uns festgenommen. Als ich mit Sema in den Polizeiwagen einstieg, sagte ich ihnen, daß sie keinerlei Recht hätten, uns mitzunehmen und daß es auch keinen Anlaß für unsere Festnahme gibt. Die Polizisten versuchte nett zu wirken und waren uns gegenüber freundlich. Doch das änderte sich vor der Tür der Polizeistation. Nachdem ich meine Augenbinde abgenommen hatte, wurde ich von dem eben noch freundlich erscheinenden Polizisten an den Haaren gezerrt, und gegen das Schild der Anti-Terrorabteilung gestoßen. Dann sagte er "Anscheinend weißt du nicht, wo du bist. Wenn du es nicht weißt, dann schau genau hin." Danach verband er mir wieder die Augen.
Unter Beschimpfungen und Schlägen wurde ich in eine Zelle gesteckt. Das erste Verhör hatte ich mit dem Polizisten, der später den scheinheiligen, "guten" Polizisten spielte. Als ich das erste mal in die Zelle kam, wußte ich, daß Sema in der Nebenzelle war.
(...) Als ich mich am ersten Abend in der Folterkammer weigerte, ihre Fragen zu beantworten, fingen sie an, an meiner Kleidung zu zerren. Später haben sie angefangen Blödsinn zu reden. Ich habe ihnen nicht zugehört. Als sie mit ihrem Gerede fertig waren, merkten sie, daß sich an meiner Haltung nichts geändert hatte. sie warfen mich wieder in die Zelle. Sie sagten, durch meine Haltung würde ich mein Ende selbst herbeirufen und drohten mir, mich da zu behalten, dann könne mich keiner mehr retten, auch nicht der Staatspräsident.
Von dem Moment an, als wir die Polizeistation betraten, mußten wir faschistischen Hymnen hören. Diese Musik dröhnt mir auch nach der Freilassung noch in den Ohren. In der Zelle konnte ich die Schreie meiner Freunde hören, was meinen Haß noch steigerte. Neben meinen eigenen Schmerzen, die sie mir während der Verhöre zufügten, fühlte ich auch noch die Schmerzen meiner gefolterten Freunde. (...)
Sema Tasar:
Meine Freundin Mine und ich wurden von vier Polizisten von der Schule weggebracht. Auf dem Weg versuchten wir herauszufinden was los ist und sagten, den Polizisten, daß sie dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Mit verbundenen Augen wurde ich in eine kleine Zelle gesperrt. Stunden später wurde ich in die Folterkammer gebracht. Sie schlugen mir ins Gesicht, drohten mit Vergewaltigung und sagten, daß mir nicht einmal der Staatspräsident helfen könnte. Am gleichen Abend waren sie beim zweiten Verhör noch brutaler. Ich sagte "Wenn mir etwas zustößt, werdet ihr dafür bezahlen." Sie zogen mich aus und zerfetzten meine Kleidung. Ich versuchte mich zu wehren während sie auf mich einschlugen. Mit meiner Wut beschimpfte ich sie als würdelose Menschen. Als ich es schaffte, meine Augenbinde abzunehmen, sah ich, wie zwei Polizisten flüchteten um nicht erkannt zu werden. Die anderen banden mir die Augen wieder zu und schlugen mich. Sie legten mich auf eine nasse Decke, übergossen mich mit kalten Wasser und gaben mir Elektroschocks. Sie hielten meine Arme und Beine fest und drohten mir alles anzutun. (...)
Ich war elf Tage auf dieser Polizeistation. Während der Zeit wurden viele Menschen hingebracht. Wir hörten ihre Schreie.
Jale Kurt:
Am 26. Dezember 1995 wurde ich von meiner Arbeitsstelle abgeholt und in die Polizeistation Manisa gebracht. Sie fingen schon unterwegs an, mir zu drohen. Meine Frage danach, warum ich mitgenommen werde, blieb unbeantwortet. Ihre Drohungen nahmen zu. Ich sagte mir "das sind Mörder". Wenn ich sie ansah, bekam ich ein ekliges Gefühl. Wir waren nun in deren Nest. Der psychische Druck fing schon an. Sie machten sich über alles lustig. Sie sperrten mich in eine Zelle. Zwischendurch nahmen sie mich ins Verhör und steigerten dabei ihre Repressionen. Sie brüllten und schlugen mich und ließen mich die Hymne hören. Ich mußte das Geschrei meiner Freunde anhören. Sie wurden noch perverser. Sie rissen mir die Kleider vom Körper , um mich zu vergewaltigen und Elektroschocks zu geben. Splitternackt und mit zugebundenen Augen mußte ich vor ihnen stehen. Sie erforschten mich überall und spuckten mich an. Sie schubsten mich hin und her und wollten, daß ich alles erzähle. Sie versuchten, die Scheinheiligen zu spielen. Plötzlich wurden sie zu "guten Freunden", boten ihre Hilfe bei der Suche nach Arbeit und bei der Aufnahme in die Universität an. Ich antwortete, daß ich eine Arbeit hätte und daß ich nicht studieren möchte.
Jemand, der seinen Namen nicht nennen möchte:
Als ich in der Polizeistation von Manisa war, ließen sie mich im 4. Stockwerk an der Tür der "Anti-Terrorabteilung" mit verbundenen Augen und den Händen an der Wand gelehnt warten. Nach einer Weile wurde ich in einen Raum geführt und die Befragung fing an. Ich sagte, daß ich mit nichts zu tun habe und mir nicht klar ist, warum ich festgenommen worden sei. Daraufhin forderten sie mich auf, mich auszuziehen. Gleichzeitig schlugen sie mir auf den Rücken und rissen mir die Kleider vom Leib. Als ich splitternackt war zerrten sie mich an den Haaren und legten mich auf eine nasse Decke. Mit einem Lappen quetschten sie meine Geschlechtsorgane. Während ich vor Schmerzen schrie, machten sie mit Beschimpfungen und Prügeln weiter. Einer von den Folterern sagte, "das ist noch nichts, es gibt gleich Strom" und befestigte ein Elektrokabel an meinem großen Zeh. Während ich auf der nassen Decke lag, saßen jeweils drei Leute auf meinen Armen und jeweils zwei Leute hielten meine Beine fest. Währenddessen quetschten sie meine Geschlechtsorgane weiter und begannen mit Elektroschocks. Damit die Wirkung größer wird, gossen sie Wasser über mich. Man gab mir Elektroschocks über meine Brustwarzen, Genitalien, Ohren, Zähne, Nasenhöhle und Achselhöhle. Gleichzeitig quetschten sie weiterhin meine Geschlechtsorgane. Als ich sagte, daß ich nichts wüßte nahm die Folter zu. Neben den Elektroschocks, Quetschung der Geschlechtsorgane und des Hintern war es für mich sehr schwierig, das alles auszuhalten. Diese drei Foltermethoden, die gleichzeitig angewandt wurden, mußte ich gleichzeitig aushalten und hatte sehr starke Schmerzen dabei. Eine Zeitlang ließen sie mich in Ruhe und danach fing alles von vorne an. Samstag und Sonntag rührten sie mich nicht an, sie ließen mich ständig schreien. Ich hörte auch die Schreie von anderen. Damit wir nicht einschliefen, ließen sie uns ständig die Hymne hören. Am Sonntag, als meine Schwester mich besuchte, drohten sie mir, mir Schlimmes anzutun, falls ich ihr erzählen würde, was passiert war. Am Montag nachmittag ging die Folter weiter, nachdem sie mich in den Vernehmungsraum gebracht hatten. Diesmal stellten sie mich unter kaltes Wasser und fingen an, mit kaltem Wasser zu spritzen. Später stellten sie mich vor einen Ventilator. Nachdem sie dies dreimal wiederholt hatten, gaben sie mir wieder Elektroschocks. Später bekam ich an den Organen, die ich schon erwähnt hatte, wieder Elektroschocks. Danach stellten sie mich wieder unter das kalte Wasser und gaben mir wieder Elektroschocks. Beim letzten Elektroschock konnte ich mein rechtes Bein nicht mehr fühlen. Danach ließen sie mich hüpfen und wiederholten, daß sie mich ermorden und "verschwinden" lassen würden. Als das Herumhüpfen zu Ende war, schloß man mich wieder in die Zelle ein.
Mit mir zusammen wurden auch Levent Kilic und H. durch Kaltwasserbespritzungen und Elektroschocks gefoltert.
Am Dienstagmorgen holte man mich aus der Zelle raus. Ich wurde wieder mit kaltem Wasser bespritzt und bekam Elektroschocks. Sie sagten mir immer wieder, daß sie mich mit der Folter abhärten und mir damit etwas Gutes tun würden. Die physische Folter war beendet. Man ließ uns nicht einschlafen. Wir mußten immer sitzen und uns deren Gequatsche anhören. Ich wurde Zeuge, wie zwei Personen, denen es sehr schlecht ging, ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Das waren Hüseyin Korkat und Münire Apaydinlar.
Die letzten beiden Tage ließ man uns in Ruhe. Man fragte uns dauernd ob es uns gut geht. Sie zogen uns aus und schauten sich unsere Körper nach Wunden an. Leute, die ich im Nachhinein kennenlernte, wurden mehrmals der Folter unterzogen. Besonders schlimme Empfindungen hatte ich, als 15- und 16-jährige Kinder gefoltert wurden. Als man uns in die Krankenhäuser brachte, wurden die Kinder immer wieder bedroht. Im Krankenhaus übte man gegen uns einen psychischen Druck aus. Die Ärzte schauten auch nur nach den Wunden.
Ali Göktas:
Am 26. Dezember '95 gegen 20.00 Uhr klingelten zwei Personen an der Tür. Sie wiesen sich als Polizisten aus und wollten mit mir über den Sohn meines Bruders Mahir Göktas reden. Man nahm mich aus dem Haus für angeblich eine Stunde mit. Man verband mir die Augen und brachte mich in die Polizeistation von Manisa. Nach einer halben Stunde Warten zerrte man mich in ein Zimmer. Sie fragten mich nach Mahir Göktas und anderen Personen, die ich nicht kannte. Ich sagte, daß ich Mahir Göktas seit über einem Monat nicht gesehen hatte und die anderen Leute überhaupt nicht kenne. Daraufhin fingen sie an zu fluchen. Ich sei ein Terrorist und sie würden mich töten, sagten sie. Später zogen sie mich aus. Sie wickelten mich in eine nasse Decke und fragten mich nach Personen, die ich nicht kannte. Einige hielten meine Arme und Beine fest und drückten mit ihrer ganzen Kraft gegen meine Geschlechtsorgane. Währenddessen fluchten sie immer weiter. Man wickelte mich wieder in die nasse, kalte Decke ein und band mir Elektrokabeln an die Zehen. Auch an meine Genitalien banden sie mir Kabel und gaben mir Strom. Ich bekam auf den Bauchnabel, die Brustwarzen, den Mund und die Nasenhöhlen Elektroschocks. Auf der anderen Seite sagten sie, daß es sie nicht interessieren würde, ob ich sprechen würde oder nicht und fluchten weiter. Später gossen sie mir kaltes Wasser über den Körper und gaben mir weiter Elektroschocks und erhöhten die Spannung. Dies dauerte über eine Stunde. Nachher sollte ich auf der Stelle hochhüpfen. Hierbei bekam ich Faustschläge. Nach dem Hüpfen stellte man mich für über zwei Stunden unter eine kalte Dusche. Man ließ mich eine Weile, bis die gleichen Foltermethoden von vorne anfingen. Dies dauerte 5 bis 6 Tage an. In dieser Zeit fragte man mich immer nach Leuten, die ich nicht kannte. Man stellte mich auch Leuten gegenüber, die ich ebenfalls nicht kannte. Einmal wurden mir Stöcke in meine Genitalien geschoben bis das Blut floß. Immer wieder bekam ich Elektroschocks. Unter Faustschlägen wurde ich unter eine kalte Dusche gestellt. Man schob mir wieder Stöcke in die Genitalien. Man legte mich auf den Rücken, daß sich in meiner Leber Wasser ansammeln würde und dadurch sterben würde. Ich sollte Wasser von Boden auflecken. 11 Tage lang dauerte diese Folter an. Mit Jedem Tag wurde die physische und psychische Folter erhöht. Am ersten Tag drohte man mir mit dem Tod. Sie sagten mir, daß sie die Konterguerilla sein. Aufgrund des Drucks in der Öffentlichkeit brachte man uns ins Krankenhaus. Die psychische Folter setzten sie auch beim Arzt fort. Der Arzt, der sich der Lage bewußte war, gab uns einen befundlosen Attest. Man ließ uns durch die laut eingestellte Nationalhymne nicht einschlafen. Hüseyin Korkat, der auch gefoltert wurde, wurde aufgrund seines schlechten Zustands in die Nervenklinik in Manisa eingewiesen. Münire Apaydin, deren Namen ich später erfuhr, befand sich auch in einem sehr schlechten Zustand. Das, was ich sah und erlebte, kann man sich selbst in Hitler Deutschland nicht vorstellen.
Sakine Ögeyik:
Vom ersten Moment meiner Festnahme an sagte man mir "Du bist erledigt, Du wirst noch sehen, was wir dir alles antun werden, Nun ist alles aus, Du wirst wie ein Vogel zwitschern." Diese Worte dröhnen einem in den Ohren, während man geschlagen und beschimpft wird. Man antwortet ihnen dann, " ich werde nicht mitkommen, ich werde mich nicht setzen, mich nicht ausziehen. Ihr werdet von mir nichts erfahren." Man ruft Parolen. Und dann fängt ein Kriegszustand an. Sie versuchen den/die Festgenommenen in die Psychologie der Folterkammer zu stecken und diese Psychologie zu lösen. Ich wußte von Erzählungen aus Büchern und von Erfahrungen von festgenommenen Menschen, wozu sie im Stande sind. Ich weiß auch, wie wichtig die erste Haltung ist. Ich war auf dies alles vorbereitet, dennoch bekam ich einen Schock, als ich festgenommen wurde. Man hätte mich nicht festnehmen können, ich würde schon befreit werden, dachte ich immer wieder. Ich sagte mir immer wieder, so, wie ich anfange würde es auch zu ende gehen, ich mußte Widerstand leisten. In Gedanken hatte ich dies schon begriffen, aber ob ich es auch in die Praxis umsetzen kann, mußte ich noch erfahren. Ich wußte, daß dies ein Ort der Prüfung ist. Wollte ich die Revolution wirklich, hatte ich den Kampf verinnerlicht, war ich meinen GenossInnen und meiner Partei treu und konnte ich mich für sie opfern. Dies alles sollte ich noch feststellen. Ich baute Selbstvertrauen auf. Es gab keinen anderen Ausweg, ich mußte Widerstand leisten, um in Würde wieder rauszukommen.
Die Freude mußte ich erleben. Den Folterern gegenüber durfte ich nichts zugeben, um meine GenossInnen nicht zu verraten. Ich dachte an jenes, was auf mich zukommen könnte und bereitete mich auf die Folter vor. Schimpfend und schlagend drohten sie mir an, was mich auf der Polizeistation erwarten würde. Ich sagte, daß sie mich zu Unrecht festgenommen haben, daß ich nichts verbrochen habe und sagte ihnen ins Gesicht, daß sie unschuldige Menschen foltern. Und wie immer warfen sie dem Folteropfer vor, schuldig zu sein. Aber da ich wußte, daß "wir" im Recht sind, beeinflußten mich ihre Anschuldigungen nicht im Geringsten. Sie versuchten, mich einzuschüchtern und planten einen Angriff. Nach dem Weg zur Polizeistation hatte ich mir vorgenommen, Widerstand zu leisten. Und ich antwortete auf deren erste Frage "Wie heißt du?" "Werde ich nicht sagen". Sie erwarteten diese Antwort nicht. Bevor sie die Aufnahmeformalitäten erledigten, schickten sie mich gleich in die Folterkammer. Einer sagte: M-^DDie ist schon abgehärtet". Zerrend drängte er mich in die Kammer hinein. Ich sagte: "Ihr seit Folterer, ich habe euch nichts zu erzählen, ihr habt Vergnügen beim Foltern von anderen Menschen." Auf die einfachste Frage hin dürfte ich ihnen nichts erzählen. Wenn ich antworten würde, hätten sie ihr Ziel erreicht. Ich würde nichts machen, was sie mir befehlen. "Zieh dich aus", sagten sie zu mir. Als ich darauf nicht reagierte, zogen sie mich mit Gewalt aus. Sie erhöhten die Spannung der Elektroschocks und ich bekam sie am ganzen Körper. Mein Körper zitterte und ich war wie vom Blitz getroffen. Aber ich durfte nicht an die Schmerzen denken und versuchte, mich gedanklich vom Körper loszureißen. Das erste, was mir einfiel, war der Widerstand von Ali Riza (ein Revolutionär). Was mir Mut gab, war, daß er auch hier Widerstand geleistet hatte. Er hatte die Folterer besiegt. Mir fielen seine Worte ein. Er sagte, daß Folter zu überstehen ist. "Du wirst unter Schmerzen leiden, aber du kannst Widerstand leisten", sagte er. Er sagte, "Versuch, die Folter ideologisch zu besiegen." Ich dachte dabei an andere GenossInnen, wie Birtan, Baki und viele andere, die Widerstand geleistet hatten. Ich dachte auch an die gemeinsamen Erlebnisse mit meinen GenossInnen und Mitmenschen, die ich gerne mochte. Selbst die schlechten Erinnerungen an sie ermutigten mich, durchzuhalten. Sie schalteten den Strom ab, da sie dachten, daß ich reden würde. Als ich sagte, "Ich werde nicht reden", rasteten sie aus. Sie machte sich lustig über die Würde des Menschen und wurden noch brutaler. Zwischendurch fragten sie mich, ob ich reden werde. Als ich "Nein" sagte, fuhren sie fort. "Wir werden dich schon zum Reden bringen. Du wirst die anderen, einen nach dem anderen nennen und sie verraten. Wer bist du? Wer ist dein Verantwortlicher?" Als ich keine Reaktion zeigte, schalteten sie nach gewisser Zeit den Strom ab. In diesem Moment dachte ich nur, "Ich habe Widerstand geleistet, ich habe gesiegt". Ich hatte mein Selbstvertrauen wieder. Ich wußte aber auch, daß sie nicht aufgeben würden. Nach den Elektroschocks setzten sie andere Foltermethoden ein. Danach wurde ich in eine Zelle geworfen (....)