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Sun Feb  2 14:11:55 1997
 

BERICHTE AUS KURDISTAN

Dezember 1996

UNHCR will das Flüchtlingslager "ATRUSH" auflösen! Der Weltflüchtlingskommisar bei den Vereinten Nationen (UNHCR) hat angekündigt, das in Südkurdistan/Nordirak befindliche Flüchtlingslager "Atrush" zu schliessen und den Flüchtlingen den UN-Schutz zu entziehen. Das Lager, eine abgelegene Zeltstadt nahe der Stadt Dohuk, wurde für 15.000 Kurden Zufluchtsort vor Angriffen der türkischen Armee Von März 1994 an flohen etwa 30.000 Kurden, zumeist Kinder Frauen und ältere Menschen vor den ständigen Angriffen und Repressalien der türkischen Armee aus dem Gebiet Botan nach Südkurdistan/Nordirak. Bis die Flüchtlinge an ihrem Zielort ankamen, wurden 306 Flüchtlinge unterwegs durch die Bombardierung der türkischen Luftwaffe und Minenexplosionen getötet und etwa 600 verletzt. Der UN-Schutz wurde ihnen erst nach langandauerndem Kampf, wie Massenhungerstreik, gewährt. Eine genügende Versorgung des UNHCR blieb aber aus, woran bislang etwa 150 Kinder, Frauen und Ältere an Hunger und Krankheiten gestorben sind. Die Hilfstransporte aus dem Ausland wurden stets durch die Türkei verhindert. Die Situation dort ist nach wie vor gekennzeichnet durch Mangel an Nahrung, fehlendem sauberen Wasser, medizinischer Versorgung und Unterkünften. Trotz alledem fühlten sich die Flüchtlinge in den Zelten unter dem Schutzschild des UNHCR gegen die Angriffe der türkischen Armee sicher. Der Versuch der türkischen Armee, das Lager vom Boden bzw. aus der Luft anzugreifen, scheiterte bislang an dem Schutz des UNHCR. Die Existenz dieses Lagers ist für die Türkei ein Dorn im Auge, da eine solche Massenflucht die Politik der Türkei in Kurdistan auf internationaler Ebene entlarvt. Vor diesem Hintergrund forderte die Türkei seit langem die UNO auf, den internationalen Schutz für das Lager "Atrush" aufzuheben und die Flüchtlinge zur Rückkehr in die Türkei zu zwingen. Bei einem Gipfeltreffen der USA, Englands, der Türkei und der südkurdischen Organisationen, PDK- (Demokratische Partei Kurdistans) und YNK (Patriotische Union Kurdistans)/Irak, im November 1996 in Ank ara, wurde der Türkei, vor allem durch die US-Vertretung die Auflösung des "Atrush-Camps" versichert. Unmittelbar danach gab der Sprecher des UNHCR bekannt, daß das Lager aufgelöst und der UN-Schutz aufgehoben wird. Infolge dessen wurde auch die geringe Versorgung durch das UNHCR am 23.11.1996 eingestellt. Als Alternative bietet der UNHCR den Flüchtlingen zwei Camps in Mugiple und Balgus zwischen Dohuk und Zakho. Jedoch in einem Gebiet, nah zur türkischen Grenze, das fast täglich Ziel der Bombenangriffe der türkischen Armee ist. Trotz Proteste internationaler Menschenrechtsorganisationen, sowie der Flüchtlinge selbst, hält der UNHCR an seiner Entscheidung fest und möchte den Flüchtlingen den Schutz am 21.01.1997 offiziell entziehen und seine Mitarbeiter zurückziehen. Aus Protest gegen diese Entscheidung befinden sich etwa 400 Flüchtlinge im Camp in einem Hungerstreik. Die Auflösung des Lagers bedeutet, die Flüchtlinge den Massakern durch die türkische Armee preiszugeben. Deshalb ruft H eyva Sor a Kurdistan alle Mitmenschen auf, von dem UNHCR die Erhaltung des Lagers "Atrush" einzufordern. (06.12., M-V.P.)

Parlamentarische Menschenrechtskommision: "Vorsätzliche Tötung im Gefängnis"

Ankara: Eine Untersuchung der türkischen parlamentarischen Menschenrechtskommision hat ergeben, daß alle 10 Gefangenen bei dem Massaker am 24. September 1996 im Diyarbakirer Gefängnis von Sicherheitskräften vorsätzlich getötet wurden. Die Kommission, bestehend aus Regierungs- und Oppositionsparteien, legte dem Parlament einen Bericht vor, in dem festgestellt wurde, daß 10 Gefangene im Diyarbakirer Gefängnis am 24.09.1996, nicht infolge einer Revolte, sondern vom Sicherheitspersonal gezielt mit Schlagstöcken angegriffen wurden. Dabei wurde der Gefangene Mehmet Aslan am Tag der Tat getötet und neun Gefangene schwer verletzt. Die verletzten Gefangenen wurden während des Transports ins Krankenhaus, aber auch im Krankenhaus, weiter geprügelt, so daß auch sie den schweren Verletzungen erlagen. Die parlamentarische Kommission fordert, 30 Soldaten und 38 Polizisten, die an dem Massaker beteiligt waren, wegen vorsätzlicher Tötung und Amtsmißbrauchs anzuklagen. Eine Anklageerhebung wurde später vom türkischen Justizministerium nicht zugelassen. (02.,05., 06., 07. 12., M-V.P.)

MGK: "Geburtsquote bei den Kurden begrenzen." Der türkische Nationale Sicherheitsrat (MGK) hat dem Parlament einen rassistischen Bericht vorgelegt, der Maßnahmen über die Begrenzung der Geburtsquote bei den Kurden, sowohl in Kurdistan als auch in den türkischen Metropolen vorsieht. Menschenrechtler betrachten diesen Bericht rassistisch und äußerst gefährlich, zumal das gesamte kurdische Volk potentiell als eine gefährliche Gruppe degradiert wird. In dem Bericht werden Zwangsmaßnahmen zur Geburtskontrolle bei den Kurden vorgeschlagen, um die Zahl der Unterstützer der PKK und der legalen HADEP zu reduzieren. (21., 22.12., M-V.P.)

"Grund der Flucht ist der andauernde Krieg" Nach einem Bericht, der im Auftrage der Kinderstiftung von dem Soziologen Dr. Ahmet Bilgili, anhand einer Befragung unter den Flüchtlingen in Van erstellt wurde, wird der Krieg in Kurdistan als Ursache für die Flucht bezeichnet. 96% der Befragten gaben an, daß sie nicht aus ökonomischen sondern aus Sicherheitsgründen ihre Heimat verlassen, und daß sie vor ihrer Flucht wirtschaftlich ein besseres und eigenständiges Leben geführt haben. (06.12., M-V.P.)

Massenverhaftungen

Diyarbakir: Die Kreisstadt Lice, die im Oktober 1993 zum größten Teil durch Militärs zerstört wurde, steht erneut auf der Tagesordnung: Am 20.12. wurden alle Männer -etwa 200- durch die Militärs festgenommen und tagelang in der Militärstation mißhandelt. Grund: Die Menschen, die noch in der Stadt leben, (seit der Zerstörung der Stadt sind etwa 90% der Bewohner geflüchtet), weigern sich, als Dorfschützer tätig zu werden. Nach tagelanger Mißhandlung waren 104 Menschen bereit, darunter auch Kinder im Alter von 10-15, als Dorfschützer zu fungieren. 89 Menschen befinden sich in Haft und sieben Festgenommene werden vermißt. Obwohl die Bewohner, entgegen der Behauptung des Militärs, vor der Presse und einer Menschenrechtsdelegation die Tätigkeit als Dorfschützer ablehnen und ihre Waffen niederlegen wollen, beharrt das Militär darauf, sie als Dorfschützer einzusetzen. Mittlerweile ist die Stadt hermetisch abgeriegelt und die Einreise von Menschenrechtsdelegationen wird vom Militär nicht erlaub t. (24.,27., 28., 29., 30.12., M-V.P.)

Lebensmittelembargo Bingöl: Gegen die Dörfer Yedisu, Adakli und Yayladere wird ein Lebensmittelembargo verhängt: Die Militärs verbieten den Bewohnern Lebensmittel, Bekleidung und Medikamente aller Art in ihre Dörfer mitzunehmen. (10.12., M-V.P.)

IHD Bericht Januar-Oktober 1996

IHD-Bericht November 1996
  1. . Durch Angriffe von Todesschwadronen wurden getötet:
  2. Durch Angriffe von Todesschwadronen wurden verletzt:
  3. Bei Angriffen von Militärs, Polizei und Dorfschützern Getötete und Verletzte: 01.12. Diyarbakir: Kalo Korkut (59), Faruk Korkut (12) und Fulya Bozkurt (8) sowie Muhterem Kocaga (14), wurden schwer verletzt, als sie bei einem Gefecht zwischen der Guerilla und den Militärs in die Fronten gerieten. 03.12. Diyarbakir : Im Stadtteil Baglar wurden die im Freien eine Hochzeit feiernden Menschen von einem Hauptkommissar beschossen. Dabei wurde ein 14-jähriges Kind namens Oktan Cacan tödlich getroffen. Istanbul: Cüneyt Erkan und Yücel Erkan wurden bei einem Streit von dem Polizeibeamten Ali Turan Yaka niedergeschossen. 04.12. Diyarbakir: Bei der Beerdigung des Dorfschützers Bedri Bozkurt in der Kreisstadt Kulp, der durch eine Mine getötet wurde, haben die Dorfschützer wahllos um sich herum geschossen. Dabei wurde Bayram Cicek getötet und Behcet Eren (60), Ihsan Tegin (55) und Cicek Aktas verletzt. 08.12. Siirt: Die 9-jährige Meyrema Esmer wurde auf der Straße im Distrikt Kurtalan von einem Militärfahrzeug, mit überhöhter Geschwindigkeit überfahren. Mardin: Hatun (44) und ihre Tochter Hatice (17) wurden durch die Militärs unter Beschuß genommen, als sie sich vor ihrem Haus im Distrikt Derik befanden. Dabei wurde Hatice getötet und ihre Mutter schwer verletzt. 12.12. Adana: Seyhmus Tosun (25) wurde bei einer Straßenkontrolle im Stadtteil Gülbahcesi niedergeschossen und festgenommen. 13.12. Istanbul: Erhan Aydin (21), vermeintlicher Einbrecher, wurde am 08.12. im Bezirk Sisli erschossen. 14.12 .Diyarbakir: Velat Özer hat sich aus Protest gegen Polizeirepressalien vor dem Polizeirevier selbst verbrannt. Er erlitt Verbrennungen 2. Grades. V. Özer wurde öfter festgenommen und mißhandelt. 16.12. Mardin: Der Hirt Mehmet Banan (15), der am 11.12. von einem Helikopter in der Nähe des Distriktes Midyat niedergeschossen wurde, ist im Krankenhaus gestorben. 24.12. Mardin: Bei einem Militäroperation im Dorf Cilin (Cinarönü), Distrikt Savur, wurden die Bewohner auf dem Dorfplatz gesammelt und gefoltert: Abdullah Boran (50), Mehmet Aslan (40) und Seyhmus (37) schwer verletzt, so daß sie auf Intensivstation im Mardiner Krankenhaus geliefert wurden. 28.12. Dersim: Ein Omnibus wurde am 23.12. gegen 16.00 Uhr in der Nähe des Dorfes Palandüzü von Dorfschützern unter Beschuß genommen. Dabei wurden Haci Simsek und Ali Bulut niedergeschossen.
  4. Verschwindenlassen von Menschen nach ihrer Festnahme: 01.12. Diyarbakir: Ihsan Atmaca, herzkrank, festgenommen. am 30.11. im Stadtteil Balikcilarbasi. A. Demir wurde während einer Fahrt angehalten und festgenommen. Obwohl die Passagiere seines Reisebusses Zeuge seiner Festnahme sind, bestreitet die Polizei dies. 04.12. Adana: Nuri Dogan, festgenommen. am 30.11. im Stadtteil Daglioglu. 05.12. Diyarbakir: Hamit Güzel und Fahri Alver, festgenommen. am 24. bzw. 27.11. im Stadtteil Urfakapi bzw. Huzurevleri. 06.12. Diyarbakir: Mahmut und Fahriye Mordeniz sowie Mevlüde Tekdag, festgenommen. am 28. 11. zu Hause im Stadtteil Sehitlik. Adana: Ahmet Ceylan (50), HADEP-Funktionär, festgenommen. am 04.12. um 07.30 Uhr zu Hause im Stadtteil Kücükkirim. 09.12. Diyarbakir: Haki Kaya, festgenommen. am 18. 11. vor dem Amt für Landwirtschaft. Ramazan Tekin (62) und Sirin Bayram, festgenommen. am 01.11. im Dorf Temiran (Demirli), Distrikt Kulp. Ramazan Yazici (36), festgenommen. am Busbahnhof im Stadtteil Melikahmet. 12.12. Diyarbakir: Kadri Acar, festgenommen. am 29. 11. in einem Kaufhaus im Stadtteil Balikcilarbasi. 13.12. Diyarbakir: Tevfik Kusun, festgenommen. am 29.11. im Stadtteil Seyrantepe. 14.12. Diyarbakir: Remzi Calik, festgenommen. am 10.12. beim Standesamt 15.12. Izmir: Fuat Cacan (27), HADEP-Funtionär, festgenommen. am 12.12. zu Hause im Bezirk Buca. 20.12. Batman: Erdinc Atak, festgenommen. vor 5 Monaten im Dorf Mezirhalke, Distrikt Kozluk. 21.12. Diyarbakir: Esma Yüce, festgenommen. am 17.12. im Stadtteil. S.A. (16) und A.A. (17), sowie Ali Erdogan, festgenommen. am 13.11. bzw. 02.12. in der Nähe des Gymnasiums bzw. im Distrikt Lice. 22.12. Diyarbakir: Sehnaz Göl, festgenommen. am 17.12. zu Hause im Stadtteil Sehitlik. 24.12. Diyarbakir: Ahmet Senyurt und weitere sechs Personen, festgenommen. am 20.12. mit etwa 200 Menschen im Distrikt Lice. 26.12. Diyarbakir: Sebahat Yildirim, (Studentin), festgenommen. am 22.10. im Studentenwohnheim. Mersin: Remzi Vural (26) und Yeliz Türkmen (18), festgenommen. am 23.12. im Stadtteil Cumhuriyet. 27.12. Diyarbakir: Aydin Bayduz, festgenommen. am 18.12. bei der Arbeit im Bezirk Incirlik. Isparta: Bahadir Kotur, Ilker Sahin, Umit Kaya, Murat Han, Cicek Han, Ali Kemal Sosun, Mehmet Ertugrul, Bülent Kara und Gültekin Acik, festgenommen. vor neun Tagen in einem Kaffeehaus. 29.12. Diyarbakir: Mehmet Önardi, festgenommen. am 08.12. an der Bushaltestelle. 31.12. Mardin: Mehmet Batil (38), festgenommen. am 20.12. bei einer Straßenkontrolle zwischen Nusaybin und Derik. Sükrü Akgül, festgenommen. am 28.12. im Busterminal.
  5. Tote und Verletzte durch Minen- und Bombenexplosionen: 01.12. Südkurdistan: Bei der Bombardierung des Gebietes Sive durch die türkische Luftwaffe wurde eine durch den UNCHR gebaute Schule völlig zerstört. Über Tote und Verletzte wurde nichts bekannt. 10.12. Sirnak: Um das Dorf Yukari Ciyan, Distrikt Idil, dessen Bevölkerung sich weigert, als Dorfschützer zu fungieren, wurde von dem Militär vermint und dort Handgranaten verstreut. Infolgedessen kam es am 08.12. zu einer Explosion, als zwei Geschwister hier eine Handgranate fanden. Dabei kam Hüseyin Timur (16) um und Ahmet Timur (14) wurde verletzt. 20.12. Südkurdistan: Bei einem Bombenanschlag auf das MKM (Mesopotamisches Kulutrzentrum) in Erbil wurde ein Polizeibeamter getötet und ein weiterer Beamter verletzt.
  6. Völlig oder z.T. zerstörte bzw. entvölkerte Dörfer: Siirt: Eyne (baggöze), Heseta Bere Spi (Belenoluk), Gola Zeyne (Göl), Quse (Yerlicoban) Südkurdistan: Homero, Sidika, Gero
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