Texte, Beiträge und Diskussionen zum Thema: Chiapas und die Linke
Marsmenschen
Die zapatistische Bewegung steht noch ganz am Anfang
Was bisher geschah: Im Januar 1996 rief Subcomandante Marcos von der zapatistischen Befreiungsbewegung EZLN dazu auf, im Sommer 1996 ein "Intergalaktisches Treffen" in Chiapas, Mexiko, durchzuführen. Dazu sollten auf den verschiedenen Kontinenten Vorbereitungstreffen tagen. Im Juni 1996 versammelten sich rund 1200 Menschen in Berlin, von Ende Juli bis Anfang August fand in Chiapas das Erste Encuentro für eine menschliche Gesellschaft und gegen den Neoliberalismus statt. Dieses Jahr ist ein Zweites Interkontinentales Encuentro in Spanien geplant, wiederum von Ende Juli bis Anfang August.
"Ich fühle mich hier wie ein Marsmensch, der soeben auf dem
Planeten Erde gelandet ist", meinte ein Teilnehmer des Europäischen
Vorbereitungstreffens gegen den Neoliberalismus und für eine menschliche
Gesellschaft über Ostern 1997 in Prag. Die tschechische Hauptstadt war gewählt
worden, um OsteuropärInnen die Teilnahme zu erleichtern, leider aber waren
kaum solche anwesend. Über 120 Delegierte nahmen in Prag teil, vorwiegend
aus Westeuropa. Die meisten sind in Lateinamerika- und Mexiko-Solidaritätsgruppen
aktiv. Sie bereiteten in Prag das zweite Interkontinentale Treffen in Spanien
vor, zu dem Ende Juli bis Anfang August 1997 über 4000 Menschen erwartet
werden. In Prag wurden vorwiegend organisatorische Fragen geklärt, für
Inhaltliches bestand kaum Platz. Die westeuropäischen Soli-Gruppen werden
in den nächsten Monaten vor allem mit Geldsammeln beschäftigt sein, für
Infrastruktur und Reisekostenfond.
Das zweite Interkontinentale Treffen in Spanien
Ziel des zweiten Interkontinentalen Treffens im spanischen Staat soll der Aufbau eines weltweiten Netzwerks der lokalen Kämpfe sein. Die Geschlechterfrage soll überall thematisiert, aber voraussichtlich auch in einer eigenen Arbeitsgruppe von Frauen behandelt werden. Die weiteren Arbeitsgruppen des zweiten Encuentro im spanischen Staat werden sich unter anderem mit Globalisierung, Alternativen jenseits von Ökonomie, mit Kultur und Medien, Ökologie, Landkämpfen sowie Ausgrenzungs- und Unterdrückungsformen befassen.
Der geplante Aufbau eines Netzwerkes gegen den Neoliberalismus war wichtiger
als bei den bisherigen Treffen. Beim ersten Europäischen Treffen in Berlin
1996 und beim ersten Interkontinentalen Encuentro in Mexiko im Sommer
1996 stand die Situation in Chiapas selbst stärker im Vordergrund. Beim
letzten Delegiertentreffen in Zürich Ende 1996 hingen noch Poster des
Subcomandante Marcos an der Wand, in Prag lagen die T-Shirts mit EZLN-Aufdruck
unbeachtet in der Ecke.
Was hat Chiapas mit uns zu tun?
Die Zapatistas wollen auch möglichst viele Gruppen außerhalb der Mexiko-Solidarität ansprechen und zum Encuentro im Sommer 1997 einladen.
Um weitere Gruppen anzusprechen, wird es außerdem notwendig sein, gemeinsam Begriffe wie "Zivilgesellschaft", die nicht ohne weiteres auf andere Länder übertragen werden können, genauer zu untersuchen und zu klären, was denn "neue Formen von Politik" gegen den Neoliberalismus sein sollen.
Bekanntlich lautet der vielzietierte Ausspruch von Marcos: "Es ist nicht notwendig, die Welt zu erobern. Es reicht, sie neu zu schaffen. Durch uns. Heute." Auch wenn die Welt neu geschaffen werden soll, wäre es vermutlich vorteilhaft, aus den Erfahrungen und Fehlern vergangener Befreiungsbewegungen zu lernen. Mit welchen Verhältnissen haben wir es in dieser neoliberalen Phase zu tun, wodurch zeichnen sie sich aus?
In einigen Diskussionsbeiträgen, die im Internet veröffentlicht werden, wird der Neoliberalismus als eine neue Form des Kapitalismus verstanden. International sei das Kapital schon zuvor gewesen, aber im Zuge der Globalisierung erhalte der Staat eine andere Funktion, Eingriffsmöglichkeiten fallen weg, eine Rückkehr zum Wohlfahrtsstaat nicht mehr möglich. Deshalb könnten sich neue Politikformen nicht mehr auf den Staat konzentrieren, der Proteste bloß mit massiver Polizeigewalt und Ausgrenzung beantwortet.
Ann Stafford