Inhalt | Das Jahr, in dem wir nirgendwo |
Afrikanische Bilder | Die Fahrt über den See |
Schließlich war das Boot fertig. Che gab die letzten Instruktionen. Vier der kubanischen Freiwilligen ließ er in Daressalam zurück, um die weiteren Gruppen zu erwarten. Außerdem ließ er ein Kisuaheli-Wörterbuch dort, damit die Neuankömmlinge weiterhin umbenannt werden konnten, und wies Padilla an, das Haus nicht zu verlassen und die Leute unverzüglich nachzuschicken. Inne [Pichardo] wurde zum Chef der Gruppe ernannt, die dablieb, und um das Haus herum wurden Sicherheitsposten aufgestellt.
CHE: Nun waren wir im Krieg. Die Tür war geöffnet.
RIVALTA: Die Reise machten wir in Wagen, die wir für die Botschaft gekauft hatten: ein Landrover, drei Mercedes Benz, zwei schwarze und ein weißer, zwei Jeeps. Das Boot wurde auf einem Lastwagen transportiert.
Eine Gruppe von 14 Kämpfern mit Che an der Spitze verläßt Daressalam, bestehend aus Víctor Dreke, dem Kapitän Martínez Tamayo, der in M'bili umbenannt worden war, dem Arzt Kumi, Nane; außerdem sind Chamaleso, zwei Fahrer und ein Delegierter aus Tansania dabei, um Probleme unterwegs zu vermeiden.
CHE: Vom ersten Augenblick an kamen wir mit einer Wirklichkeit in Berührung, die uns während des gesamten Kampfes verfolgte, der fehlenden Organisation. Dies beunruhigte mich, weil unsere Bewegungen womöglich bereits vom Imperialismus registriert worden waren, der alle Fluggesellschaften und Flughäfen der Region kontrollierte, ganz abgesehen davon, daß in Daressalam der Kauf von Rucksäcken, Anoraks, Messern, Wolldecken usw. in ungewöhnlichen Mengen Aufsehen erregt haben mußte. (...) Nicht nur die kongolesische Organisation war schlecht, die unsere auch.
Im Rückblick erscheint die Organisation der Infrastruktur der Brigade gar nicht so schlecht, eher schon macht der Kommentar den Perfektionismus und die Detailbesessenheit Che Guevaras deutlich.
DREKE: [23. April] Drei Wagen, ein abgedeckter Lkw. Der Che fährt für eine Weile ... Schotter, schlechte Straßen, jede Menge Staub. Der Weg ist lang, das Atmen fällt schwer. Wir achten darauf, daß wir immer Wasser dabei haben. Am Straßenrand gab es Posten, wo Libanesen Sachen verkauften. Wir kauften ein Zelt. Als wir Dodoma erreichten, so etwa auf der Hälfte des Weges, kauften wir ein Baguette und mußten es in 14 Teile schneiden. Beim Essen war Kumi einfach furchtbar. Den »feinen Neger« nannten wir ihn.
KUMI: Ich fuhr im Mercedes Benz mit dem Che, von Daressalam bis Kigoma. Vernier war einer von denen, die das Steuer übernahmen, der andere war Tremendo Punto (Antoine Godefroi Chamaleso), unser Kontakt zur kongolesischen Befreiungsbewegung; außerdem fuhr Bolívar mit, der »König der Schillinge«.
Auf dem Lastwagen hatten wir die Rucksäcke und die Waffen. Aus Dar waren wir in olivgrünen Uniformen abgereist, die gelbe Uniform würde man uns im Kongo geben. Wir fuhren sehr früh morgens los, durchquerten Wüsten, Dschungel, von Osten nach Westen über Landstraßen und Dorfpfade, durch winzige Siedlungen hindurch. Der Che führte die üblichen Gespräche. Er sagte zu mir:
Ich schlief wie ein Verrückter, konnte mich nicht an die Zeitumstellung gewöhnen. Che machte Bemerkungen über die Armut, er sagte: »Hier muß noch viel getan werden.« Aber das war schwierig, hier gab es Frauen, wie ich sie bis dahin nur im Film gesehen hatte, aber nie aus der Nähe. Wir kamen durch ein Dorf, in dem die Leute wie Tiere aussahen. Auf der Fahrt aßen wir Konserven, aber wir hinterließen keine Spuren. Die leeren Dosen warfen wir auf den Lastwagen. Das war eine der Vorsichtsmaßnahmen, die getroffen wurden. Das einzige, was wir nicht auf dem Lastwagen machten, war scheißen.
DREKE: Die Fotos machten der Che und Papi.
KUMI: Ich machte ein Foto vom Lastwagen, es gibt andere, auf denen ich drauf bin, die hat Dreke gemacht.
Man lebt mit dem Gefühl, Geschichte zu machen. Daß dies der Anfang von etwas Großem sein könnte, das Ende von allem.
RIVALTA: Der Che fuhr vorneweg. Ich fuhr hinterher als Rückendeckung. Die Fahrt dauerte ungefähr zwei Stunden oder etwas länger.
KUMI: Sicherheitsmaßnahmen, die der Che getroffen hatte, bevor wir Kigoma verließen: die Waffe laden aber nicht entsichern, nicht sprechen, nicht rauchen. Außerdem erklärte er uns, daß es nicht unser Ziel war, auf den Feind zu treffen, sondern daß wir uns einschleusen wollten.
NANE: Alle waren mit FALs ausgerüstet ...
DREKE: FAL-Gewehre und UZI-Maschinengewehre. Außerdem hatten wir Waffen für die Compañeros dabei, die später übersetzen würden.
KUMI: Bemerkungen vor der Abreise: Verhaltensregeln, Respekt gegenüber der physischen und moralischen Integrität der Einheimischen, bei Mißachtung ein Kriegsgericht oder Ausschluß aus der Guerilla; Sinn für die Gleichheit jedes einzelnen zu entwickeln und dafür, daß keine Situationen der Privilegierung untereinander entstanden, alles würde zu gleichen Teilen aufgeteilt werden. Dort würde niemand mehr haben können als ein anderer, es sei denn aus besonders gerechtfertigten Gründen. Für mich galt das erst recht: wenn ich Anerkennung gewinnen wollte, das Vertrauen der Truppe, mußte ich ein treuer Wächter dieses Prinzips werden: Bescheidenheit; die Anzeichen von Arroganz oder Überheblichkeit niederkämpfen. Und noch etwas, das er sagte: »Derjenige, der einer Afrikanerin zu nahe tritt, muß natürlich für sie sorgen und wird aus der Guerilla ausgeschlossen.« Er fragte, wer in der Partei aktiv war. Ich sagte, ich sei es nicht. In einer Versammlung der Kerngruppe sagte er, daß er Neuzugänge im Verlauf der Operation erwarte.
DREKE: Mit uns kamen ein Fahrer und ein Afrikaner und zur Sicherheit ein weiterer Fahrer von uns, der die Strecke schon gefahren war. Wir kamen nachts in Kigoma an. Gegen acht. Wir wurden sofort zu einem großen Haus außerhalb des Ortes gebracht. Dort erwarteten uns einige Compañeros. In einer großen Hütte aßen wir zu abend. Dort bekamen wir auch die Uniformen.
RIVALTA: In Kigoma erwartete sie der Gesandte. Man brachte sie in einer Art kleinem Hotel unter. Chamaleso war mit ihnen gekommen. Ich hatte Anweisung zu überwachen, wie die Operationen abliefen, aber wie jemand von außerhalb. Selbst den Abmarsch von dem kleinen Hof sah ich nur von weitem. Schon in Kigoma dachte ich an die vielen Unbekannten: die Unkenntnis des Terrains zum Beispiel, einige Fragen zu den Führern der Befreiungsbewegungen selbst, die ich kannte. Meine Einschätzungen waren sehr schlecht. Diese Leute tranken, trieben sich mit Frauen herum. Und immerzu außerhalb vom Kongo selbst, entweder in Kigoma oder in Daressalam. Es waren Lebemänner, nicht Leute, die sich wirklich entschieden hatten, für die Befreiung zu kämpfen. Die tansanische Regierung zeigte mir die Ausgabenliste dieser Leute, der ganzen Befreiungsbewegung. Die Summen waren hoch, für Getränke, für Bordelle. Kabila machte, durch die Art, wie er redete, den Eindruck, als sei er ein großer Führer. Er war ein sehr beredter Mensch. Soumaliot dagegen kam mir persönlich ein wenig verlogen vor. Trotzdem schien Kabila intern wenig Rückhalt zu haben. Nur die Leute, die in Daressalam saßen, respektierten ihn.
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