Inhalt | Das Jahr, in dem wir nirgendwo |
Ich bin der Che | Warten in Kibamba |
DREKE: Der Che hatte uns eine vage Vorstellung von den Vorbereitungsgesprächen mit den Kongolesen in Algier gegeben. Er war ziemlich verwegen, er sagte, in den Gesprächen habe er keine präzisen Daten über die Lage des bewaffneten Kampfes bekommen können. »Den Rest erfahren wir vor Ort.«
Die Kongolesen waren vorbereitet auf die Kubaner, aber mit ihm hatten sie nicht gerechnet. Ich vermute, daß der Che sich selbst in das Projekt einbezog, nachdem er schon die Vorbereitungsarbeit gemacht hatte. Und das geschah entgegen seiner ursprünglichen Idee, in Argentinien weiterzukämpfen. Die Ermordung Lumumbas und die allgemeine Situation im Kongo brachten den Che auf den Gedanken, diese Guerilla zu unterstützen. Er verfolgte eine doppelte Absicht: eine Gruppe für Lateinamerika vorzubereiten und einen dritten Fokus im Kongo aufzubauen (Vietnam, Amerika und Afrika). All diese Ideen will er selbst umsetzen. In Afrika schien es einfacher als in Amerika. Nicht allein im Kongo, es war offensichtlich, daß es auch in Guinea-Bissau brannte. Das erkannte der Che, als er Amílcar Cabral kennenlernte ... »Es ist der richtige Moment, sich nach Afrika aufzumachen.«
Auf Gesuche verschiedener Befreiungsbewegungen hin kämpften Gruppen aus Kuba auch in anderen afrikanischen Ländern. Wieso wir im Kongo? Wieso nicht in Angola, Moçambique oder Guinea? Weil uns die objektiven Bedingungen im Kongo geeignet schienen. Vor nicht langer Zeit war es zum Massaker von Stanleyville gekommen. Die Situation war anders als in den portugiesischen Kolonien, wo der Kampf erst anzufangen schien. Für den Kongo sprachen zwei Bedingungen: daß sie uns von Brazzaville aus um Hilfe ersucht hatten und daß es im ehemaligen Belgisch-Kongo ein enorm großes Gebiet gab, das eine mit Waffen aus China und der Sowjetunion gut versorgte Guerilla befreit hatte. Selbst die geographischen Bedingungen waren gut. Warum also sagte er den Kongolesen nicht von Beginn an, daß er mitfahren würde? Nun, es wäre recht gefährlich gewesen, das offen anzukündigen: Sie waren desorganisiert, es gab undichte Stellen. Sie hätten wahrscheinlich sogar selbst nein gesagt, wenn sie gewußt hätten, daß der Che mitkommen würde. Monate später, als der Che das Dokument für die Trikontinentale abfaßte, gab er immer noch dem Kongo und Guinea-Bissau den Vorzug. Damals schaute die ganze Welt auf den Kongo.
RIVALTA: Bevor er selbst in den Kongo kam, sprach der Che mit mir über das, was er beabsichtigte. Der Kongo sollte als Basis dienen, das heißt als Zündschnur, um die Revolution in alle afrikanischen Länder zu tragen, und vor allem war er auch strategisch für Südafrika von essentieller Bedeutung. Der Kampf, die Ausbildung und Aktivierung der Befreiungsbewegung im Kongo würde so allen Ländern, insbesondere Südafrika nützen. Das war seine Vorstellung. Die vertrat er mit großem Nachdruck, als er auf dem Treffen mit den Führern der afrikanischen Befreiungsbewegungen statt der Ausbildung auf Kuba, die sie sich, neben Geld, gewünscht hatten, für die direkte Ausbildung im Kongo plädierte, unmittelbar in ihrer Nähe. Der Mehrheit auf diesem Treffen gefiel das gar nicht, denn in Wahrheit wollten sie aus dem Kongo raus, nicht wieder in den Kongo hinein.
VIDEAUX: Ich glaube, daß Tatu bei seiner ersten Reise durch Afrika die Einschätzung gewonnen hatte, daß trotz aller vorhandenen Schwierigkeiten die objektiven Bedingungen im Kongo gegeben waren. Es gab Aspekte, die diesen zuwiderliefen: daß die Führer außer Landes waren (nicht, weil sie es so gewollt hätten, es gab auch dafür eine Erklärung, obwohl wir in der Hitze des Moments manchmal etwas vorschnell ein Urteil fällten), und andere, die sie begünstigten: die gespannte Stimmung aufgrund des Todes von Lumumba, die Reaktionen auf das Massaker von Stanleyville, wo man nach zwei oder drei Stunden knietief in Blut watete. Nach all diesen Grausamkeiten, die vom 52. belgischen Kommando verübt worden waren, waren viele Stadtguerilleros aufs Land gegangen. Sie verfügten über eine große Menge chinesischer und sowjetischer Waffen, konnten aber nicht damit umgehen. Sie hatten keine Ausbildung, aber die menschliche Masse war da. Der Che betonte immer wieder die Wichtigkeit der Ausbildung, denn wenn man diese Menschenmasse erst einmal geformt haben würde, wäre die Grundlage für den Sieg schon gelegt.
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