Botschaftsbesetzung der MRTA
zur wirtschaftlichen, sozialen und politischen Situation in Peru
zur Situation der politischen Gefangenen in Peru
An den peruanischen Botschafter Bonn 15.01.97
Teil 1 (Kundgebung zur MRTA)
Botschaftsbesetzung der MRTA
Wohl nie zuvor war in den Medien so ausgiebig ueber Ereignisse in Peru berichtet worden. Die Besetzung der japanischen Botschaft in Lima durch ein Kommando der MRTA (Movimiento Revolucionario Tupac Amaru - Revolutionaere Bewegung Tupac Amaru) hat das lateinamerikanische Land schlagartig in den Blickpunkt der Weltoeffentlichkeit gerueckt. Durch die Kundgebung vor der peruanischen Botschaft in Bonn wollen wir unsere Solidaritaet mit der MRTA ausdruecken. Weiter wollen wir ueber die Beweggruende fuer diese nicht gerade alltaegliche Aktion und ueber die politischen und sozialen Verhaeltnisse in Peru informieren. Inhalte, die in der aktuellen Berichterstattung verschwiegen oder nur sehr verzerrt dargestellt werden. Ungebetener Besuch beim Galafest
Am 17. Dezember 1996 besetzte ein Kommando von 23 KaempferInnen der
peruanischen Guerillaorganisation MRTA die japanische Botschaft und nahm ca.
700 Gaeste als Geiseln. Fast ausnahmslos waren das hochrangige peruanische
Politiker, Richter, Militaers und Unternehmer mit ihren Ehefrauen, dazu viele
auslaendische Diplomaten und vor allem japanische Wirtschaftsvertreter. Unter
den Geiseln war beispielsweise der peruanische Aussenminister, der Chef der
Antiterroreinheiten, der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofes, der Bruder des
peruanischen Praesidenten Fujimori und natuerlich der japanische Botschafter.
Diese erlauchte Gesellschaft war in der japanischen Botschaft zu einem Empfang
anlaesslich des Geburtstages des japanischen Kaisers Akihito versammelt. Japan
ist Perus wichtigster Handelspartner und Kreditgeber, die Beziehungen zwischen
beiden Laendern sind eng, und ueber Peru versucht Japan seinen wirtschaftlichen
Einfluss auch in anderen lateinamerikanischen Laendern zu vergroessern; so ist
die Besetzung gerade der japanischen Botschaft durch die Tupac Amarus kein
Zufall.
Als Gegenleistung fuer die Freilassung der Geiseln fordert die MRTA eine
gerechte, der Bevoelkerung zugute kommende Wirtschaftspolitik, die Freilassung
aller MRTA-Gefangenen, freies Geleit fuer die BotschaftsbesetzerInnen sowie die
Zahlung einer Geldsumme durch die Regierung.
Die MRTA betont immer wieder ihre Verhandlungsbereitschaft und unterstrich
diese durch die Freilassung aller Frauen und alten Maenner schon wenige Stunden
nach der Besetzung und der schrittweisen Freilassung der meisten uebrigen
Geiseln bis Ende 1996. So befinden sich jetzt noch 74 Maenner in der Hand der
MRTA.
Demgegenueber signalisiert Praesident Fujimori kein Entgegenkommen, im
Gegenteil: Ein Sturmangriff von Polizeisondereinheiten kurz nach der
Botschaftsbesetzung, bei dem ein Guerillero durch Schuesse verletzt wurde,
scheiterte. Danach fiel dem Praesidenten nichts anderes ein, als die Wasser-
und Elektrizitaetsversorgung der Botschaft zu unterbrechen, wenige Tage spaeter
den Ausnahmezustand ueber die Region zu verhaengen und Anfang Januar den Chef
der Antiterroreinheiten und einen Geheimdienstgeneral - beide Geiseln in der
Botschaft - kurzerhand abzusetzen. Die Verhandlungen fuehrte bis jetzt der eher
unbedeutende peruanische Erziehungsminister und ein Freund von Fujimori, der
Erzbischof und Opus Dei-Repraesentant Luis Cipriani.
Die MRTA bekraeftigt dagegen ihre Forderungen und kommentiert: "Wir haben alle
Zeit dieser Welt."
Peru in den Zeiten der Cholera
Schon einmal, 1991 sorgte Peru in den letzten Jahren fuer Schlagzeilen, als
naemlich im Land tausende von Cholerafaellen bekannt wurden und damit die
katastrophale gesundheitliche Versorgung der meisten PeruanerInnen
offensichtlich wurde.
1990 waehlte Peru den bis dahin voellig unbekannten Alberto Fujimori, Sohn
japanischer Einwanderer, zum Praesidenten, in der Hoffnung, durch ihn eine
Verbesserung der sozialen Lage und ein Ende der Korruption zu erreichen. Diese
Hoffnung sollte schnell enttaeuscht werden. Fujimori unterwarf sich dem Diktat
von IWF und Weltbank, schlug einen streng neoliberalen Wirtschaftskurs ein, der
zu Lasten der Mehrheit der Bevoelkerung ging. Unter Praesident Fujimori nahm
die Arbeitslosigkeit stark zu, die Preise fuer Grundnahrungsmittel
verzwanzigfachten sich, waehrend die Loehne eingefroren wurden. Die Inflation
stieg von 2296 % im Jahr 1990 auf unfassbare 7650 % im Jahr 1992. 75 % der
Bevoelkerung leben aktuell in Armut, davon 50 % in extremer Armut. Allein 48 %
der Kinder Perus leiden an chronischer Unterernaehrung.
Diese fuer uns kaum vorstellbaren Bedingungen werden von einer massiven
Repressionspolitik begleitet. 1992 loeste Fujimori das Parlament und den
Obersten Gerichtshof auf, verwandelte das Land faktisch in eine Diktatur.
Jahr fuer Jahr klagt amnesty international die vielen Faelle von
Verschwindenlassen, von Morden und schwerer Folter durch die Militaers an.
Bezeichnenderweise amnestiert Fujimori am 16. Juni 1995 durch ein Gesetz alle
Militaers und Polizeikraefte die von 1980 an wegen Menschenrechtsverletzungen
angeklagt oder verurteilt waren.
Dagegen sitzen in den peruanischen Hochsicherheitsgefaengnissen ueber 6000
politische Gefangene. Die meisten von ihnen kommen aus legalen politischen
Organisationen, sind aber wegen "Landesverrat" oder "Terrorismus" verurteilt
worden. Prozesse finden schon 24 Stunden nach der Inhaftierung ohne das Recht
auf Verteidigung statt, die Militaerrichter und Staatsanwaelte sind maskiert
und bleiben anonym. Nach der Verurteilung sind die Gefangenen 1 Jahr in
Totalisolation, koennen erst danach monatlich .5 Stunde von den naechsten
Verwandten besucht werden. Gefangene werden zum Teil in winzigen Zellen 8 Meter
unter der Erdoberflaeche inhaftiert oder in klirrender Kaelte in einem
Gefaengnis in den Anden auf fast 4000 Metern eingesperrt. Es existiert kaum
medizinische Versorgung, viele Gefangene leiden an schweren Erkrankungen wie
Tuberkulose oder Krebs, fast alle erhalten zu wenig Nahrung und Wasser.
Praesident Fujimori kommentierte die Situation der politischen Gefangenen in
den peruanischen Knaesten folgendermassen: "Dort werden sie verfaulen und nur
tot wieder herauskommen"
Die MRTA - Kampf fuer ein menschenwuerdiges Leben
Gegen die vernichtenden Haftbedingungen begannen MRTA-Gefangene aus dem
Hochsicherheitsgefaengnis Miguel Castro Castro am 16. Dezember, fast zeitgleich
mit der Botschaftsbesetzung einen unbefristeten Hungerstreik fuer das Ende der
Isolationshaft, fuer eine menschenwuerdige Behandlung und die Aufhebung der
Antiterrorgesetze. Hier wurde der Hungerstreik von den Medien voellig
verschwiegen, und weil die peruanische Regierung keinerlei Entgegenkommen
erkennen liess, wurde der Hungerstreik am 31. Dezember beendet, um das Leben
der Gefangenen nicht unnoetig zu gefaehrden.
Die MRTA wurde 1984 gegruendet und bezieht sich ideologisch auf Che Guevara und
die cubanische Revolution. KaempferInnen der MRTA arbeiten sowohl in legalen
Volksorganisationen als auch in den bewaffneten Einheiten. In den 80er und
Anfang der 90er Jahre fuehrte die Guerilla etliche spektakulaere Aktionen
durch, entschied sich aber 1992 nach dem Putsch Fujimoris und der beginnenden
Repression zu einer Zuruecknahme der Aktivitaeten. Seitdem widmet sich die MRTA
der Reorganisierung der Volksorganisationen und der Entwicklung einer
revolutionaeren Perspektive. Bewaffnete Aktionen sollen "Nadelstiche" gegen den
Staat sein, aber natuerlich auch konkrete Ziele erreichen, wie aktuell die
Geiselnahme in der japanischen Botschaft.
Fuer uns ist Widerstand, auch bewaffneter Widerstand gegen Unterdrueckung und unmenschliche Lebensverhaeltnisse absolut gerechtfertigt und notwendig. Dabei ist uns neben dem Entwickeln von Widerstand und fortschrittlichen Perspektiven hier eben auch die Solidaritaet zu anderen Laendern und Kaempfen wichtig.
Wir fordern:
Redebeitrag zur wirtschaftlichen, sozialen und politischen Situation in Peru
Wenn Laender aus den Elendsregionen der suedlichen Kontinente in westlichen Medien Schlagzeilen machen muss dem ein herausragendes Ereignis vorausgegangen sein. Dies gilt vorallem fuer Laender wie Peru, deren Ertragskapazitaet Ende der achtziger Jahre fuer die internationale Finanzbourgeoisie von untergeordneter Bedeutung wurde. In den Chefetagen des Internationalen Waehrungsfonds IWF wurde das Land 1987 als nicht laenger kreditwuerdig aus den Listen gestrichen. Die peruanische Wirtschaft war fuer die internationale Bankenwelt zu einer versiegenden Quelle geworden. Die vorwiegend durch den Export von Kupfer, Zink, Blei und Silber in die reichen Industrielaender erzielten Profite konnten kaum die Zinsen und Zinseszinsen der Auslandsschulden des Landes abdecken. International gesehen wurde es ruhig um Peru. In den neunziger Jahren waren es dann an einer Hand abzaehlbare Ereignisse, ueber die das Land wieder in die Schlagzeilen geriet:
So Anfang 1991: Die Cholera, als von der sogenannten Zivilisation laengst
besiegt geglaubte Krankheit breitete sich aus und erfasste in kuerzester Zeit
fast 300000 Peruaner und Peruanerinnen. Fast dreitausend Menschen starben. Die
internationale Oeffentlichkeit war durch die Nachricht aufgeschreckt. Ueberall
wurden fuer die minimalste Versorgung der Kranken Spenden gesammelt. Wie die
Ursachen fuer die rasche Ausbreitung dieser mittelalterlichen Seuche zu
beseitigen waeren kuemmerte jedoch die Wenigsten.
Dann im September 1992, als die verhaftete Fuehrungsspitze der maoistischen
Guerilla "Leuchtender Pfad" - wie Tiere in Kaefige gesperrt - der
internationalen Oeffentlichkeit praesentiert wurde. Gleichzeitig flimmerten
Bilder ueber die Mattscheibe, auf denen Flugzeuge die Felder und Huetten von
Bauern in den Anden mit Brandbomben und chemischen Giftstoffen eindeckten.
Peruanische Generale und sogenannte Drogenexperten aus dem Pentagon sprachen
von einem erfolgreichen Feldzug gegen die Kokainguerilla. Dabei sind es
vorallem hohe Militaers selbst, die den groessten Teil des Kokainexports in
Peru kontrollieren und dabei hoechsten Profit machen.
Anfang 1995 schliesslich beschossen sich an der Grenze zwischen Peru und
Ecuador die Armeen beider Staaten. Dass es dabei um handfeste wirtschaftliche
Interessen ging, fand nur am Rande Erwaehnung. In der Grenzregion werden reiche
Erdoelvorkommen sowie Gold und Uran vermutet, an deren Auspluenderung die
jeweilige nationale Bourgeoisie teilhaben will.
Hinter den drei Schlagzeilen verbirgt sich die ganze Situation des Landes und das Elend, in dem die Bevoelkerung Perus seit Jahrzehnten gehalten wird. So ist die Ausbreitung der Cholera nur die Spitze des Eisberges der sozialen Misere. Die Kindersterblichkeit betrug 1993 9,1 %, 48 % der peruanischen Kinder leiden unter chronischer Unterernaehrung
Es war die rigide Auspluenderungspolitik von IWF und Weltbank in den siebziger
und achtziger Jahren, die diese Zahlen in die Hoehe schnellen liessen. Die
monatlichen Inflationsraten fuer Preise von Grundnahrungsmitteln betrugen in
der Regel mehrere hundert Prozent. Gleichzeitig wurden jaehrlich von den zwoelf
groessten in- und auslaendischen Firmengruppen, die in Peru die 12 Apostel
genannt werden, mehrere Milliarden Dollar ausser Land gebracht.
Fuer die Aermsten der Armen, und das ist in Peru die Mehrheit der Bevoelkerung,
begann sich der tagtaegliche Ueberlebenskampf zuzuspitzen. Die Staatsausgaben
fuer den Auf- und Ausbau sozialer Einrichtungen, Schulen und der
Gesundheitsversorgung gingen gegen Null. Den Menschen auf dem Land wurde die
Lebensgrundlage entzogen, weil sie ihre Produkte nichtmehr verkaufen konnten.
Der Konkurrenz von Importware von Lebensmitteln konnten sie nicht standhalten.
Vielen bleibt heute nichts anderes uebrig, als ihre Existenz ueber den Anbau
und Verkauf der Kokapflanze zu bestreiten. Die andere Moeglichkeit ist die
Flucht in die Grossstaedte. In Peru gibt es jaehrlich ca 600000
Binnenfluechtlinge. Fuer die meisten Campesinos bedeutet der Weg in die Stadt
dort in den Slums ihren tagtaeglichen Ueberlebenskampf weiterfuehren zu
muessen. Heute leben ueber 70 % der Peruanerinnen und Peruaner in den grossen
staedtischen Zentren des Landes, ohne dass deren Infrastruktur auf eine solche
Entwicklung eingestellt war.
Bereits Ende der achtziger Jahre sprachen peruanische Wissenschaftler vom
neoliberalen Wirtschaftsprogramm, einem heute weltweit gelaeufigen Begriff fuer
den oekonomischen Grossangriff der Bourgeoisie gegen die
Bevoelkerungsmehrheiten weltweit. Was diesem neoliberalen Programm der
imperialistischen Bourgeoisie in den Laendern des Trikonts und im europaeischen
Osten folgen wird ist in Peru heute schon zu sehen: der Fuji-Schock. Die 1990
ins Amt gewaehlte Regierung von Alberto Fujimori hat in wenigen Jahren ein
politisches Programm des endgueltigen sozialen und demokratischen Kahlschlags
exekutiert:
Mit Unterstuetzung eines Beratungsstabs des IWF wurden folgende Massnahmen
getroffen:
Subventionen und Preiskontrollen fuer Lebensmittel und Brennstoff wurden
aufgehoben, was zu einer weiteren Preisexplosion fuehrte. Gleichzeitig wurden
unter dem Stichwort "Liberalisierung des Aussenhandels" die letzten
Importschranken aufgehoben. Nur noch knapp ueber 5% der peruanischen
Bevoelkerung gehoerte Ende 1990 zu den Vollbeschaeftigten; ueber 80 % mussten
sich auf dem informellen Wirtschaftssektor verdingen. Und ein Jahr spaeter
schnellte nach Angaben der Welternaehrungskommission FAO die Zahl der unter dem
von der UNO festgelegten Existenzminimum lebenden Peruaner und Peruanerinnen
von sieben auf dreizehn Millionen Menschen. Das ist ueber die Haelfte der
peruanischen Bevoelkerung.
Sogenannte flankierende politische Massnahmen begleiteten diesen Raubzug: Noch
im Jahr seiner Wahl wurde eine der groessten Verhaftungswellen bekannt. Mehrere
tausend Personen wurden wegen des Verdachts des Terrorismus festgenommen,
zahlreiche Menschen verschwanden. Der ueber einen Grossteil des Landes
verhaengte Ausnahmezustand wurde immer wieder um Monate verlaengert. Am 5.
April 1992 schliesslich loeste Fujimori das peruanische Parlament auf und
setzte grosse Teile der Verfassung ausser Kraft. Diesem zivilen Putsch
verschaffte er ein paar Monate spaeter durch Wahlen zu einer neuen
verfassungsgebenden Versammlung eine Scheinlegitimation. Fujimoris Partei liess
sich als glaenzende Siegerin feiern obwohl bekannt war, dass die bedeutendsten
Oppositionsparteien zum Boykott der Wahlen aufgerufen hatten. Die zivile
Diktatur Fujimoris hat in den letzten Jahren ein ganzes Paket sogenannter
Antiterrorgesetze verabschiedet. So wurden im Nachhinein Folter und Mord sowie
alle anderen Arten von Menschenrechtsverletzungen, die seit Anfang der
achtziger Jahre von Polizei und Militaer in Peru begangen wurden legalisiert.
Ausserdem wurden die Strafen fuer sogenannte Vergehen des Terrorismus extrem
verschaerft. Militaerrichter mit Masken zum Verbergen ihrer Identitaet
verhaengen immer haeufiger in Schnellverfahren lebenslange Strafen gegen
Oppositionelle. Unter den herrschenden Haftbedingungen in Peru bedeutet
lebenslaenglich nichts anderes als die Verhaengung der Todesstrafe.
Das sind die Nachrichten der 90er Jahre aus Peru.
Die Initiativen und Kaempfe der verschiedenen gesellschaftlichen Sektoren
kommen darin nicht vor: nicht der organisierte Kampf zum Beispiel beim
deutschen Chemiekonzern Schering um Loehne zur Deckung des Existenzminimums.
Nicht der Kampf der Bauern um Land und um das Recht zum Kokaanbau, solange es
ihre einzige Moeglichkeit zum Ueberleben bedeutet. Nicht der Kampf der
Lehrerinnen und Lehrer um ein Alphabetisierungsprogramm, der Strassenhaendler
um das Recht, Ware anzubieten, der Familien von Verschwundenen um das Recht,
von den Folterern Auskunft ueber den Verbleib ihrer Angehoerigen zu erhalten
und der Gefangenen um die minimalsten Menschenrechte.
Erst eine Aktion wie die Botschaftsbesetzung der MRTA zum Jahreswechsel 1996/97
aendert dies schlagartig. Sie hat den Angriff auf die Entwicklung der letzten
sechs Jahre als fortlaufende Zuspitzung der sozialen und politischen Krise des
Landes zum Inhalt. Die letzten Wochen haben zu einer weiteren Vertiefung der
Widersprueche innerhalb der herrschenden Kreise in Peru gefuehrt. Fuer sie
steht auf dem Spiel, dass sich die internationale Wirtschaftswelt wieder aus
Peru verabschieden koennte. Die Berichterstattung westlicher Journalistinnen
und Journalisten blaest ins gleiche populistische Horn: es muesse befuerchtet
werden, dass durch die Aktion der MRTA die Investitionen auslaendischer
Firmengruppen sowie der Touristenstrom nach Peru zurueckgehen werde. 600000
Menschen waren es immerhin 1996, die sich Peru als Urlaubsland aussuchten. Die
Touristenbranche verzeichnet weltweit die hoechsten Zuwachsraten. Auch dies
wirft ein bezeichnendes Licht auf die weltweite Entwicklung der Verteilung von
Reichtum und Armut: Hier noch die relative Moeglichkeit an der Teilhabe der
Vernutzung natuerlicher und menschlicher Ressourcen, dort der Ausverkauf
saemtlicher von den Menschen erbrachter Leistungen.
Hier die rassistische Abschottung und Bekaempfung von allem, was als fremd
wahrgenommen und diskriminiert wird, jenseits der eigenen Staatsgrenze die
Vermarktung desselben als exotische Ware.
Es reicht: Mit diesem ungleichen Austausch muss Schluss gemacht werden.
"Ohne soziale Gerechtigkeit wird es keinen Frieden mit uns geben" sagt die MRTA
in Peru. Sorgen wir dafuer, dass sie damit auch hier nicht alleine
steht.
no justice - no peace.
Hoch die internationale Solidaritaet!
Redebeitrag zur Situation der politischen Gefangenen in Peru
Eine Handvoll Frauen und Maenner sind es muede geworden die Weltorganisationen
darum zu bitten, dass sie sich fuer die Menschenrechte von Tausenden von
politischen Gefangenen einsetzen, die als Geiseln in den peruanischen
Gefaengnissen festgehalten werden.
Ein Kommando der MRTA stellt die Freilassung von 500 politischen Gefangenen ins
Zentrum ihrer Aktion. Die Besetzung der japanischen Botschaft in Lima ist ein
direkter Kampf um das Recht als Mensch zu leben.
Die Propaganda der herrschenden Klassen des weltweiten kapitalistischen Systems
lautet, dass sie der Garant fuer Menschenrechte sind. Sie geht inzwischen so
weit, dass es zum "guten Ton" gehoert, die imperialistischen Expansionskriege
damit zu begruenden.
Doch die Realitaeten auf allen Kontinenten sind unter anderem davon gepraegt,
dass das Menschenrecht auf Nahrung, Arbeit, Wohnung, soziales kulturelles Leben
in Wuerde und Selbstbestimmung nicht existiert. Selbst die Verletzung der
minimalen buergerlichen Menschenrechte sind sozusagen diesem System immanent.
Darueber koennen auch die auf Papier festgehaltenen Menschenrechtsdeklarationen
nicht hinwegtaeuschen.
Wir sagen, des Menschen Recht muss international von unten gegen die bestehenden Verhaeltnisse erkaempft werden!
Die Frage nach der Freiheit der politischen Gefangenen ist existentiell. Jede
Widerstands- und Befreiungsbewegung muss sich diese Frage stellen und nach
einer entsprechenden Antwort suchen.
Weltweit gibt es politische Gefangenen die von den jeweiligen Staaten als
Geiseln gefangengehalten werden.
Weltweit gibt es physische und psychische , also rote und weisse Folter gegen
politische Gefangene.
Weltweit kaempfen politische Gefangenen um ein Leben in Wuerde als politische
und soziale Menschen.
Ueberall ist die Lage der politischen Gefangenen und die Frage nach ihrer
Freiheit mit den Kraefteverhaeltnissen zwischen Befreiung und Imperialismus
verbunden.
Ueberall gibt es von den herrschenden Eliten das Projekt, die Gefangenen
lebendig zu begraben, sie zu brechen um sie dann zur Kollaboration, zum Verrat
und zur Denunziation der revolutionaeren Bewegung zu zwingen. Die Worte des
Praesidenten Fujimori zu den "Gefaengnisgraebern" genannten
Hochsicherheitsgefaengnissen bringen das auf den Punkt: Er sagte, "dort werden
sie verfaulen und nur tot wieder herauskommen."
In diese Situation faellt die Entscheidung der MRTA fuer die Besetzung der
Botschaft, um das Schweigen zu brechen und mit dem Ziel ihre gefangenen
Genossen und Genossinnen freizukaempfen.
Die Aktion hat das Schweigen gebrochen, allerdings klammert die
Berichterstattung ueber die Besetzung der japanischen Residenz weitgehend die
Hintergruende aus.Offen ist nach wie vor inwieweit die Fujimori-Demokratur zu
einer politischen Loesung gezwungen werden kann.
Es gibt ca. 5000 politische Gefangene in diesem Land. Ihre Situation ist
dadurch gekennzeichnet, dass sie unter unmenschlichen und erniedrigenden
Bedingungen leben muessen.
Beispiele hierfuer sind: die dunklen Zellen, teilweise unter der Erde in die
lediglich 30 Minuten Licht taeglich faellt. Keine medizinische Versorgung der
Gefangenen, was zu schweren Krankheiten bei mehreren Gefangenen gefuehrt hat.
Das schlechte Essen und nur 2 Liter Wasser pro Gefangenen taeglich, Leseverbot,
sowie lediglich 1/2 Stunde Besuchszeit im Monat von naechsten Verwandten.
Seit Mitte der 80er Jahre wird der Bau von Hochsicherheitsgefaengnissen in Peru
betrieben. Die politische Durchsetzbarkeit dieser Knaeste hat die
Voraussetzungen zur Anwendung der Isolationsfolter geschaffen. Seitdem wird
massiv versucht, die Bedingungen fuer die Gefangenen zurueckzudrehen. Die
Zwangsverlegungen in die Isolationstrakte stehen dafuer.
Die Zwangsverlegungen in die Hochsicherheitstrakte waren der Hintergrund der
Knastrevolten in Peru im Sommer 1986. Die Antwort der peruanischen Regierung
darauf war das Massaker am 19. Juni an 250 politischen Gefangenen. Es war der
gleiche Tag an dem das Treffen der Sozialistischen Internationale in Peru
stattfand. Die wenigen Ueberlebenden Gefangenen sagten damals "das Schweigen
von Willy Brand dem damaligen Vorsitzenden der Si ist die Zustimmung zum
Voelkermord."
Wir wollen auch daran erinnern, dass in den 80er Jahren hochrangige peruanische
Delegationen deutsche Hochsicherheitstrakte besuchten. Sie liessen sich von den
Aufstandsspezialisten aus der BRD in Sachen Isolationshaft beraten. Auch das
gehoert zum "Modell Deutschland": der Export von Isolationsfolter und die
Normen fuer "Hochsicherheit".
Am 16. Dezember 1996 traten die politischen Gefangenen der MRTA im
Hochsicherheitsgefaengnis "Miguel Castro Castro" in den Hungerstreik.
Sie fordern: Beendigung der Isolation, Aufhebung des Antiterrorgesetzes,
welches zivile und militaerische Richter "ohne Gesicht", sowie
Schnellgerichtsverfahren vorsieht, sowie eine menschenwuerdige Behandlung der
Gefangenen und bessere Haftbedingungen.
Die Gefangenen haben Ende Dezember aufgrund der politischen Situation und
aufgrund ihres schlechten gesundheitlichen Zustandes den Hungerstreik
abgebrochen, die Erfuellung ihrer Forderungen sind nach wie vor existentiell
und aktuell.
Dass im April 1992 das Antiterrorismusgesetz in Peru in Kraft trat, war die verrechtlichte Grundlage fuer die Massenfestnahmen und Folterungen oppositioneller Menschen. Dazu passt es dann auch, dass im Juni 1995 von Praesident Fujimori eine Generalamnestie fuer diejenigen erlassen wurde, gegen die es Untersuchungen und Prozesse bezueglich Menschenrechtsverletzungen gab. Diese Straflosigkeit stellt auch weiterhin allen staatlichen Moerdern und Folterer einen Freibrief aus.
Fujimori muss zu einer politischen Loesung gezwungen werden, aktuell heisst das, die Erfuellung der Forderungen des Kommandos der MRTA.
Wir solidarisieren uns mit den Gefangenen und ihren Forderungen!
Freiheit fuer alle politischen Gefangenen!
Die Internationale erkaempft des Menschen Recht!
Wir sind heute hier , um solidarische Oeffentlichkeit ueber die Besetzung der
japanischen Botschaft in Lima/Peru zu schaffen.
Die Besetzung durch die MRTA (Movimento Revolucionario Tupac Amaru) laeuft seit
dem 17. Dezember 1996. Die Presse in der Bundesrepublik Deutschland hat bislang
wenig dazu beigetragen ueber die Hintergruende der Besetzung zu informieren.
Tagtaeglich sterben Menschen in Lateinamerika an den Folgen der neoliberalen
Politik.
Tagtaeglich leisten Menschen Widerstand in Form von Landbesetzungen, Protest-
und Widerstandsaktionen in den verschiedenen gesellschaftlichen Sektoren fuer
soziale Gerechtigkeit und fuer die Unteilbarkeit der Menschenrechte.
Vor diesem Hintergrund ist die Besetzung der MRTA einzuordnen, und wir fordern
Sie auf, ihr politisches Gewicht fuer die Erfuellung der Forderungen des
Kommandos "Edgar Sanchez" in die Waagschale zu legen.
Die MRTA fordert und kaempft fuer eine gerechte Wirtschaftspolitik und sie
fordert die Freilassung von ueber 400 politischen Gefangenen.
Die politischen Gefangenen in der Haftanstalt Castro Castro haben am 16.
Dezember einen Hungerstreik begonnen, den sie Ende Dezember aufgrund der
politischen Situation und aufgrund ihrers geschwaechten koerperlichen Zustandes
abgebrochen haben.
Fuer die ueber 5000 politischen Gefangenen in Peru ist es eine existenzielle
Frage, ob ihre bedingungslose Freilassung politisch durchgesetzt werden kann,
oder ob sie weiterhin der physischen und psychischen Vernichtung der
Fujimori-Diktatur unterworfen werden koennen.
In diesem Zusammenhang erinnern wir Sie an das Massaker, das am 19. Juni 1986
gegen 400 politische Gefangene 1986 in Peru stattfand. Folterungen,
Demuetigungen und "Verschwindenlassen" stehen in Peru auf der Tagesordnung.
Amnesty International (AI) und andere internationale
Menschenrechtsorganisationen weisen hierauf seit Jahren hin. Unter anderem
brachte AI im Februar 1996 die femeartigen Schnellgerichtsverfahren und die
Folterungen in Peru zur Sprache.
Geaendert hat sich an der Lage der politischen Gefangenen bis zum heutigen Tage
nichts.
Eine politische Loesung kann es nur ueber die Erfuellung der Forderungen der
MRTA geben
Die Gefangenen muessen frei kommen!