nadir start
 
initiativ periodika Archiv adressbuch kampagnen suche aktuell
Online seit:
Sun Jan 26 18:59:32 1997
 

Demonstration am 25. Januar 1997
12 Uhr, Gänsemarkt


Solidarität mit der
Revolutionären Bewegung Tupac Amaru
in Peru!

 

Mit dem Operationsnamen "Oscar Torre Condesu" und der Parole: "Das Schweigen brechen; das Volk will, dass die Gefangenen freikommen" besetzte am 17. Dezember 1996 ein Kommando der MRTA (Revolutionäre Bewegung Tupac Amaru) die Residenz des japanischen Botschafters in Lima, der Hauptstadt Perus. Anlässlich der Feierlichkeiten zum Geburtstag des japanischen Kaisers hatten sich dort viele ausländische Diplomaten, führende Geschäftsleute, vor allem aus Japan, sowie hochrangige peruanische Militärs, Richter und Politiker getroffen. Insgesamt nahm das Kommando über vierhundert Geiseln, wobei noch am selben Tag Kinder, Frauen, Alte und Kranke wieder freigelassen wurden. Heute, am 16. Januar 1997 befinden sich noch 74 Geiseln in der Residenz, unter ihnen der Bruder des peruanischen Präsidenten Fujimori, der Chef der sog. Anti-Terror-Einheiten, der peruanische Außenminister sowie die Botschafter Japans und Boliviens.

 

Die Forderungen des Kommandos sind:

&endash; die Verpflichtung auf eine veränderte Wirtschaftspolitik, die das Wohl der Mehrheit der Bevölkerung zum Ziel hat

&endash; die Freilassung aller Gefangenen der MRTA und aller Personen, denen eine Mitgliedschaft in dieser Organisation vorgeworfen wird

&endash; die Überführung des Kommandos, das die Residenz besetzt hat, und aller Gefangenen in das Zentrum des Regenwaldes im Osten des Landes

&endash; die Entrichtung einer Kriegssteuer von seiten der Regierung.

 

Wer ist die MRTA?

Die Revolutionäre Bewegung Tupac Amaru (MRTA) ist eine politische Organisation in Peru, die aus ArbeiterInnen, BäuerInnen, StudentInnen, Intellektuellen und fortschrittlichen religiösen Menschen gebildet wird. Sie entstand 1984 als bewaffnete Organisation unter dem Namen "Ejército Popular Tupacamarista (EPT)" und als Antwort auf die Anwendung des Neoliberalen Modells in Peru, das das peruanische Volk in absolute Armut stürzte und seinen gerechten Protest unterdrückte. Die MRTA will eine Gesellschaft schaffen, in der es soziale Gerechtigkeit gibt, und wo Männer und Frauen wieder als menschliche Wesen angesehen werden. Die MRTA erkennt die Existenz einer multikulturellen Gesellschaft in Peru an, den Prinzipien der Inkas folgend respektieren sie die Vielfalt. Die MRTA geht davon aus, dass Frieden nur auf der Grundlage der sozialen Gerechtigkeit möglich ist.

 

Die Regierung Fujimori

Der japanisch-stämmige Alberto Fujimori wurde 1990 in der zweiten Wahlrunde zum Präsidenten Perus gewählt. In Konkurrenz zum konservativen Schriftsteller Mario Vargas Llosa fehlte ihm sowohl das politische Programm als auch eine hinter seinen Vorschlägen und Initiativen stehende Organisation. Er verbündete sich mit den rückschrittlichsten Sektoren des Militärs und übernahm das neoliberale Wirtschaftsprogramm des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank.

In Erfüllung der mit dem Militär getroffenen Vereinbarungen vollzog Fujimori am 5. April 1992 den "Selbstputsch". Er löste den Kongress und das Verfassungsgericht auf, "reorganisierte" die Justiz und läutete eine zivil-militärische Diktatur ein. Die Befugnisse für das Militär, die Polizei und eigens geschaffene Sondereinheiten zur Aufstandsbekämpfung wurden stark erweitert. Seitdem stehen Razzien in den Armenvierteln und die Durchsuchungen von Büros gewerkschaftlicher und politischer Organisationen auf der Tagesordnung. Diese massive Repression ließ die Zahl der Gefangenen in die Höhe schießen. Auch viele demokratische JournalistInnen, LehrerInnen, ÄrztInnen, ArbeiterInnen, BäuerInnen, Männer und Frauen sind in die Gefängnisse gekommen und alle wurden beschuldigt, die Subversion zu unterstützen. In Wirklichkeit waren sie jedoch GegnerInnen des Regimes.

 

Die Situation der politischen Gefangenen

In den letzten vier Jahren ist die Zahl der politischen Gefangenen in Peru auf über 9.000 angewachsen. Unter ihnen sind über 400 Gefangene der MRTA und ebenso viele Unbeteiligte, die aus staatlicher Willkür verhaftet und verurteilt wurden.

"Allen wird die Zugehörigkeit zur Subversion vorgeworfen, sie werden der Öffentlichkeit in Gefängniskleidung vorgeführt, kollektiven Verfahren vor Militärgerichten mit "Richtern ohne Gesicht" unterzogen und ohne den geringsten Respekt gegenüber den juristischen Normen zu 25 bis 30 Jahren Gefängnis sowie lebenslanger Haft verurteilt." (zitiert aus: Kommuniqué Nr.4 der MRTA)

Allein 1994 übernahmen die Organisationen für Menschenrechte die Verteidigung von 700 Personen, die erwiesenermaßen unschuldig und ungerecht beschuldigt mit dem Vorwurf von Terrorismus und Vaterlandsverrat verurteilt wurden.

Die Gefängnisse, in denen sie untergebracht sind, erfüllen keine der nationalen und internationalen Bestimmungen bezüglich der Lebensbedingungen der Gefangenen. Es sind Zentren zur physischen und psychischen Zerstörung. Für politische Gefangene gilt Totalisolation, das bedeutet: kein Kontakt mit anderen Gefangenen und zur Außenwelt, Dunkelheit, akustische und optische Isolation, enge Zellen von sechs Quadratmetern ohne Wasser und ständige Überwachung. Drei der höchsten Führer der MRTA befinden sich in Kerkern ohne Licht acht Meter unter der Erdoberfläche. Wenn diese totale Isolation nicht gilt, sind die Zellen mit sechs Gefangenen auf neun Quadratmetern extrem überbelegt.

Die Gefangenen haben keinen Zugang zu einer adäquaten medizinischen Versorgung. Viele Fälle von Atemwegserkrankungen, Magen-Darm-Infektionen und Tuberkulose, bedingt durch die niedrigen Temperaturen und den Mangel an Nahrungsmitteln, sind bekannt geworden. Das Essen ist schlecht und es gelten starke Einschränkungen bezüglich des Mitbringens von Lebensmitteln durch Angehörige. Nur die engste Familie darf sie für 30 Minuten im Monat besuchen, falls es kein Verbot gibt. Zudem liegen einige Gefängnisse fernab von den Wohnorten, sodass viele Gefangene keinen Besuch erhalten.

Zu diesen unmenschlichen Lebensbedingungen kommt die Praxis und ständige Bedrohung der Folter. Die Vernichtungspolitik der Regierung Fujimori gegen die kämpfenden Gefangenen schreckt vor keinem Mittel zurück, um ihre politische Identität zu brechen. In dieser Lage werden ihnen "Friedensangebote" gemacht, die ihre Lebensbedingungen im Gefängnis verbessern sollen. Dahinter steht der Versuch, eine bedingungslose und selbstbezichtigende Kapitulation zu erreichen, was auch die Unterzeichnung eines Dokuments der "Reue" für den bewaffneten Kampf beinhaltet. In diesem Zusammenhang steht die Einführung der Kronzeugenregelung, um Gefangene zu der Kollaboration mit der Regierung zu bewegen. Die Gefangenen der MRTA lehnen diese Angebote eindeutig ab, was die Repression in den Gefängnissen noch zusätzlich verschärft.

Aufgrund dieser Bedingungen und der Vernichtungspolitik der Regierung Fujimori traten die politischen Gefangenen der MRTA am 16. Dezember 1996 um 0.00 Uhr &endash; also noch vor der Residenzbesetzung &endash; in einen unbegrenzten Hungerstreik. Dieser wurde aber Ende Dezember in Hinblick auf den unklaren Ausgang der Besetzung der Botschafterresidenz vorläufig abgebrochen.

 

Die Situation in Peru

Peru ist eines der ärmsten Länder Lateinamerikas. Seit dem Amtsantritt des Präsidenten Alberto Fujimori 1990 hat sich die wirtschaftliche und soziale Situation der überwältigenden Bevölkerungsmehrheit entscheidend verschlechtert. Sie ist gekennzeichnet durch eine jährliche Inflationsrate von fast 2300%, Rezession und immer höhere Arbeitslosigkeit (60-70%). Um die Forderungen von Institutionen wie IWF und Weltbank zu erfüllen, verabschiedete Fujimori am 8. August 1990 mit Unterstützung der Militärspitze ein Paket brutaler wirtschaftspolitischer Maßnahmen, als "Schock" bezeichnet. Damit wurde der wilde und ungezähmte Kapitalismus in Peru installiert: der Neoliberalismus. Die wirtschaftlichen Konsequenzen des "Schocks" zeigen sich in dem mehr als 3000%igen Anstieg des Benzinpreises und dem Anstieg der Preise von Nahrungsmitteln und Dingen des unmittelbaren Bedarfs auf das Zwanzigfache. Die Löhne und Gehälter wurden eingefroren. Von den 22 Millionen Peruanerinnen und Peruanern leben nach UNO-Kriterien 13 Millionen in absoluter Armut, sieben Millionen leben sogar weit unterhalb der Armutsgrenze.

Die Protestwelle gegen die Wirtschaftspolitik wächst von Tag zu Tag an. Die Zivilbevölkerung verlangt eine Volksbefragung, um zu verhindern, dass weiterhin strategische Staatsunternehmen wie die Ölgesellschaft Petroperu verkauft werden. So wurde z.B. die Telefongesellschaft an spanische und die Stahlindustrie an chinesische Unternehmen verkauft. Die Hauptinvestoren kommen nach den USA vor allem aus Japan. Noch größer ist Japans Einfluss auf der politischen Ebene. So werden höhere Verwaltungsposten überwiegend von Angestellten, die aus Japan stammen, besetzt.

 

Fujimori in Hamburg

Am 9. Oktober 1996 wurde Fujimori in der Handelskammer Hamburg empfangen. Mit seinem Besuch in Deutschland wollte Fujimori sein Regime als demokratische Regierung legitimieren. Zudem möchte er erreichen, dass deutsche Unternehmer und Kaufleute denken, dass sie in Peru investieren können und dabei die Garantie haben, dass sowohl die Subversion zerschlagen ist als auch große wirtschaftliche Erfolge erzielt werden können.

 

Solidarität hilft siegen!

" ...bitten wir die fortschrittlichen Frauen und Männer der Welt,von der peruanischen Regierung weiterhin eine politische Lösung zu fordern, die zur Freilassung der politischen Gefangenen und der Kriegsgefangenen des Kommandos "Edgar Sanchez" führt. Bis heute konnte durch diese solidarische Geste eine gewaltsame Lösung verhindert werden. Die peruanische Regierung hat jetzt das Wort." (aus: Kommuniqué Nr.4)

 

...und die bisherige Antwort der Regierung Fujimori ist unter anderem die Verschärfung der Haftbedingungen für die Gefangenen aus der MRTA. Nach wie vor lehnt die Regierung jegliche Verhandlungen über eine friedliche politische Lösung kategorisch ab. Im Laufe der letzten Wochen ist das Interesse der internationalen Medien zurückgegangen, deren Erwartung an einen spektakulären Ausgang der Besetzung bislang nicht erfüllt wurde. Fujimori spielt auf Zeit: Dem Konflikt wird in den Nachrichten zunehmend weniger Platz eingeräumt. Die politischen Inhalte der Auseinandersetzung und die Forderungen der MRTA sind aus der Berichterstattung der Massenmedien verschwunden. Eine Erstürmung der Residenz durch Soldaten, etwa internationale Eliteeinheiten, würde heute nur noch als Lösung eines rein militärischen Konflikts dargestellt werden.

 

Unsere Solidarität ist notwendig, damit eine friedliche politische Lösung möglich bleibt und die Forderungen des Kommandos erfüllt werden.

Es ist unsere Aufgabe, aufmerksam zu bleiben und weiterhin über die Entwicklungen in Peru zu informieren.

Beteiligt euch an Solidaritätsaktionen!

Unterstützen wir den Kampf für eine gerechte Gesellschaft!

 

 

Die ganze Welt soll wissen, dass man in diesem Land die sozialen Aktivisten in den Gefängnissen vernichtet (...) und deswegen bleibt nur der Kampf gegen eine Regierung, die gegenüber dem Dialog taub ist, eine über-mächtige Regierung, die glaubt, dass sie mit Waffen und Hochmut den revo-lutionären Kampf des Volkes zurückdrängen kann." (MRTA)

 

Die Besetzung der Botschafterresidenz muß friedlich und politisch gelöst werden!

Freiheit für alle politischen Gefangenen!