Die Revolutionaere Bewegung Tupac Amaru wurde offiziell 1984 gegruendet, aber
ihre Wurzeln legen in den Erfahrungen verschiedener linker Kraefte der 70er
Jahre, sie ist eine politische und militaerische Organisation, die eine
revolutionaere Veraenderung der peruanischen Gesellschaft anstrebt. Laut einem
ihrer Fuehrer, bekannt als Commandante Andres, verkoerpert Peru - im Kontext
Lateinamerikas- das ganze Spektrum moeglicher Konflikte: wirtschaftlich,
sozial, kulturell, rassistisch, politisch. In diesem exklusiv Interview, das
der MRTA Fuehrer Bariccada International in Mexico gegeben hat, werden ihr
Konzept des bewaffneten kampfes, ihre Unterschiede zu Sendero Luminoso und der
spektakulaere Ausbruch aus dem Canto Grande Gefaengnis diskutiert.
...
,Wir entwickelten uns als eine politische und militaerische Organisation, nicht
um einer bestimmten Ideologie zu folgen, sondern weil die historischen
Bedingungen des peruanischen Volkes immer gekennzeichnet war durch die
Anwendung von Gewalt durch die herrschende Klasse. Wir haben uns den Namen
Tupac Amaru gegeben, weil er den Kampf der peruanischen Menschen gegen ihre
Unterdruecker symbolisiert. Tupac Amaru wurde in Cusco umgebracht und
gevierteilt, nachdem er einen antikolonialen Aufstand angefuehrt hatte, der
beinahe die spanische Herrschaft ueber einen grossen Teil Suedamerikas
abgeschuettelt haette.
Tatsache ist, dass diese Geschichte der Gewalt der Unterdruecker uns erkennen
lies, dass der einzige Weg, eine radikale Veraenderung der peruanischen
Gesellschaft zu erreichen, in der Anwendung revolutionaerer Gewalt liegt.
Wir haben uns als politische und militaerische Organisation organisiert, weil
unsere zentrale Politik ist, den bewaffneten Kampf zu entwickeln ohne
irgendeine politische Aktion, die wir machen koennten, abzuwerten.
Unsere ersten bewaffneten Aktionen fanden in den Staedten statt, trotzdem
hatten wir politisch fast im ganzen Land Unterstuetzung. 1987 machten wir den
Sprung und wurden eine laendliche Guerillabewegung mit der Vorstellung die
Volksbewegung Tupac Amaru aufzubauen.
Wir stellen uns die peruanische Revolution als einen Prozess mit vielen
Facetten vor, eine politischen und militaerischen Prozess. Es ist ein Prozess,
der auf dem Land und in der Stadt stattfinden, das heisst, ein Prozess, der
alle Formen und moeglichen Aspekte des revolutionaeren Kampfes enthaelt.
Manchmal ist es einfach zu analysieren, wie Kriege anfangen, aber es ist
schwierig herauszufinden, wie sie zu beenden sind. Wir denken, in Peru gibt es
vorrevolutionaere Bedingungen mit einigen Zuegen einer revolutionaeren
Situation. Wir denken, dass die Niederlage, nicht der Regierung, sondern des
Regimes, des imperialistischen sozialen und wirtschaftlichen Systems, und der
Aufbau eines neuen Modells durch eine Revolution, durch den bewaffneten Kampf,
moeglich ist.
Jedenfalls haben wir immer gesagt, dass es nicht die MRTA ist, die eine
Revolution in Peru machen wird, sondern die PeruanerInnen mit ihren zahlreichen
sozialen und politischen Organisationen, in denen die MRTA eine wichtige Rolle
spielt.
Was sind die Unterschiede und was die Uebereinstimmungen zwischen der MRTA und
Sendero Luminoso?
Es gibt mehr, das uns von Sendero Luminoso trennt, als uns mit ihnen eint.
Sendero ist eine voellig dogmatische, sektiererische Bewegung, die glaubt,
dass die Vorstellungen ihrer Fuehrer eine qualitative Entwicklung
ausdruecken, ein 4. Stadium des Marxismus-Leninismus. Wir haben konzeptuelle
und konkrete Unterschiede in der Praxis des revolutionaeren Kampfes. Sendero
ist durch sein negatives Image gekennzeichnet. Sie suchen nicht danach, die
Herzen und Koepfe zu gewinnen, sondern sie draengen den Leuten ihre Richtung
auf, deswegen zoegern sie nicht zu toeten um ihre Herrschaft zu erreichen.
Sendero ist auch gekennzeichnet durch seine Grausamkeit, was stark
zurueckgewiesen wird. Die PeruanerInnen sehen die Notwendigkeit eines
revolutionaeren Kampfes, aber sie unterstuetzen diese Art des Kampfes, diese
Unmenschlichkeit nicht.
Ich wuerde zoegern, Sendero als eine revolutionaere Gruppe zu beschreiben, weil
ihr Pol Pot- Konzept von Leben und Revolution weit entfernt ist von dem, was
wir als Revolution ansehen. Aber gleichzeitig hat Sendero wegen bestimmten
Aktionen, die sie gemacht haben, eine gewisse Staerke erreicht. 1980, als fast
alle linken Gruppen legal wurden, begann Sendero den bewaffneten Kampf, in
einer Zeit, als andere Organisationen sagten, es waere unmoeglich. Zuerst
erzeugte dies eine Menge Sympathie in verschiedenen sozialen Bereichen. Viele
Leute schlossen sich Sendero an. Das Problem ist, dass er spaeter durch seine
Aktionen seinen wahren Charakter zeigte und das hat objektiv sein Wachstum
begrenzt.
Wie verbreitet ihr eure Ideologie? Wie erreicht ihr die Leute?
Wir sagen, ohne die menschen gibt es keine Revolution. Also ist unser Ziel uns
den Leuten anzunaehern und uns eng mit ihnen zu verbinden. Die Aktionen, die
wir durchfuehren - neben der politischen Arbeit durch die Organisation bei
zahlreichen Gelegenheiten - ist bewaffnete propaganda, hauptsaechlich in den
Staedten.
Wir machen Sachen, wie z.B. Lebensmittel von grossen Supermarktketten enteignen
und den Leuten geben. Wir unterstuetzen den Kampf der Leute, einer
professionellen Organisation oder einer Gewerkschaft, in dem wir
politisch-militaerische Aktionen durchfuehren, die diesen Kampf unterstuetzt.
Wir sind in zahlreichen staedtischen und laendlichen professionellen
Organisationen und BaeuerInnenvereinigungen praesent, unter einem rein
militaerischen Gesichtspunkt. Als eine sowohl staedtische als auch laendliche
Guerilla z..B. schlagen wir konkret auf den Feind ein, auf die bewaffneten
kraefte und die Polizei, die mehr und mehr zu Besatzungskraeften im eigenen
Land werden. Sie sind Kraefte, die immer blutbefleckt, hoechst korrupt und
Erpresser der Menschen sind. Wir ergreifen auf jede Art konkrete Aktionen gegen
sie.
Wie definierst du die MRTA ideologisch?
Wir versuchen die peruanische Realitaet vor jede vorbestimmte politische
Ideologie zu stellen. Wir hoffen darauf, einen Sozialismus aufzubauen, weil der
Kapitalismus weder die Loesung der Probleme der PeruanerInnen war noch die
Moeglichkeiten hat, sie zu sein. Das bedeutet nicht, dass wir vorhaben eine
Sozialismus im Stil der Osteuropaeischen Laender aufzubauen, ein Modell , das
in der Praxis gescheitert ist. Wir schlagen die Bildung eines Sozialismus vor,
der den Bedingungen Perus angepasst ist.
Wir wollen keinen Staatszentralimus oder die Buerokratisierung der peruanischen
Gesellschaft. Das Leben hat uns gelehrt, dass das nicht der Weg ist. Wir
sollten eine demokratische, sehr partizipatorische Gesellschaft haben; nicht
alle 5 Jahre eine Wahldemokratie, sondern eine Demokratie, in der Maenner und
Frauen an ihrem Arbeitsplatz, ihren Gemeinden, ihre Wohnviertel eingebunden
sind und ueber ihr Schicksal selbst bestimmen. Wir wollen eine
partizipatorische Demokratie mit den Menschen als Handelnde. So muss es sein.
Ihr habt oeffentliches Aufsehen mit der Flucht aus dem Gefaengnis von Canto Grande erlangt. Was kannst du darueber sagen?
Es ist unsere Politik, GenossInnen, die in die Haende des Feindes fallen zu
befreien. Wir wissen, dass Tupac Amaru KaempferInnen, die in die Haende des
Feindes fallen, systematisch gefoltert werden. Das ist in Peru immer der Fall.
Eine der grundlegenden Pflichten eines Mitglieds ist es, jede Moeglichkeit des
Entkommens herauszufinden, wenn sie Gefangene gemacht haben, und es ist die
Pflicht der Organisation, nach einem Weg zu suchen, sie zu befreien.
Die Rettung der GenossInnen, die im Canto Grande Gefaengnis waren, das ist das
groesste Hochsicherheitsgefaengnis in Peru, wurde fast 3 Jahre vorher
ausgedacht. Wir sahen die Notwendigkeit einen Tunnel von aussen in das
Gefaengnis zu graben. Als die Rettung stattfand, waren dort 47 GenossInnen,
darunter 8 Frauen und Commandante Rolando (Victor Polay), der der oberste
Fuehrer der Organisation ist.
Wir haben eine 330 Meter langen Tunnel gebaut. Mindestens 25 GenossInnen nahmen
an der Grabung des Tunnels unter extrem schwierigen Bedingungen teil. Ich
denke, das ist der laengste Fluchttunnel aus einen Gefaengnis in Lateinamerika
und vielleicht in der ganzen Welt.
Eine gewaltige Anzahl von Schwierigkeiten musste geloest werden, z.B. Licht,
Wasser und Belueftung, genauso wie die Koordination der Flucht der GenossInnen,
seit sie Commandante Rolando in einem Zellenblock isoliert hatten, die Maenner
in einem anderen und die Frauen in noch einem anderen. Es musste eines sehr
genaue und entschiedene Koordinierung geben, um eine erfolgreiche Flucht zu
erreichen.
Wir zaehlte sehr viel auf den Einfallsreichtum der Leute. Peru ist ein
Bergbauland und es gibt Minenarbeiter, die Erfahrung mit Tunneln haben und
unsere Genossen sind. Ihre Teilnahme war vor allem entscheidend um einen
Tunnel zu bauen, der nicht zusammenbrechen wuerde, keine Belueftungsprobleme
haette usw.
Ein anderes Problem war es, die richtige Richtung zu finden, so dass wir am
exakt richtigen Platz im Gefaengnis rauskamen. Wir haben alle moeglichen
Instrumente, wie z.B. eine Theodolitenkompass, dafuer benutzt und unseren
eigenen Einfallsreichtum getestet. Am Ende haben wir jede und jeden gerettet.
Niemand wurde getoetet oder geschnappt?
Alle GenossInnen, die den Knast verliessen - es 47 plus einem gewoehnlichen Kriminellen, der mit uns entschluepfte- sind jetzt auf ihren Platz. Einige sind bei den Guerillas, andere in den Staedten, aber jede/r ist wieder im revolutionaeren Kampf.
Quelle: Barricada International, 1991;
Uebersetzung: Anna, Radio Dreyeckland, Freiburg