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Sat Jan 25 02:57:26 1997
 

,Das Licht am Ende des Tunnels" Interview mit einem MRTA Fuehrer 1991

Die Revolutionaere Bewegung Tupac Amaru wurde offiziell 1984 gegruendet, aber ihre Wurzeln legen in den Erfahrungen verschiedener linker Kraefte der 70er Jahre, sie ist eine politische und militaerische Organisation, die eine revolutionaere Veraenderung der peruanischen Gesellschaft anstrebt. Laut einem ihrer Fuehrer, bekannt als Commandante Andres, verkoerpert Peru - im Kontext Lateinamerikas- das ganze Spektrum moeglicher Konflikte: wirtschaftlich, sozial, kulturell, rassistisch, politisch. In diesem exklusiv Interview, das der MRTA Fuehrer Bariccada International in Mexico gegeben hat, werden ihr Konzept des bewaffneten kampfes, ihre Unterschiede zu Sendero Luminoso und der spektakulaere Ausbruch aus dem Canto Grande Gefaengnis diskutiert. ...
,Wir entwickelten uns als eine politische und militaerische Organisation, nicht um einer bestimmten Ideologie zu folgen, sondern weil die historischen Bedingungen des peruanischen Volkes immer gekennzeichnet war durch die Anwendung von Gewalt durch die herrschende Klasse. Wir haben uns den Namen Tupac Amaru gegeben, weil er den Kampf der peruanischen Menschen gegen ihre Unterdruecker symbolisiert. Tupac Amaru wurde in Cusco umgebracht und gevierteilt, nachdem er einen antikolonialen Aufstand angefuehrt hatte, der beinahe die spanische Herrschaft ueber einen grossen Teil Suedamerikas abgeschuettelt haette.
Tatsache ist, dass diese Geschichte der Gewalt der Unterdruecker uns erkennen lies, dass der einzige Weg, eine radikale Veraenderung der peruanischen Gesellschaft zu erreichen, in der Anwendung revolutionaerer Gewalt liegt. Wir haben uns als politische und militaerische Organisation organisiert, weil unsere zentrale Politik ist, den bewaffneten Kampf zu entwickeln ohne irgendeine politische Aktion, die wir machen koennten, abzuwerten.
Unsere ersten bewaffneten Aktionen fanden in den Staedten statt, trotzdem hatten wir politisch fast im ganzen Land Unterstuetzung. 1987 machten wir den Sprung und wurden eine laendliche Guerillabewegung mit der Vorstellung die Volksbewegung Tupac Amaru aufzubauen.
Wir stellen uns die peruanische Revolution als einen Prozess mit vielen Facetten vor, eine politischen und militaerischen Prozess. Es ist ein Prozess, der auf dem Land und in der Stadt stattfinden, das heisst, ein Prozess, der alle Formen und moeglichen Aspekte des revolutionaeren Kampfes enthaelt. Manchmal ist es einfach zu analysieren, wie Kriege anfangen, aber es ist schwierig herauszufinden, wie sie zu beenden sind. Wir denken, in Peru gibt es vorrevolutionaere Bedingungen mit einigen Zuegen einer revolutionaeren Situation. Wir denken, dass die Niederlage, nicht der Regierung, sondern des Regimes, des imperialistischen sozialen und wirtschaftlichen Systems, und der Aufbau eines neuen Modells durch eine Revolution, durch den bewaffneten Kampf, moeglich ist.
Jedenfalls haben wir immer gesagt, dass es nicht die MRTA ist, die eine Revolution in Peru machen wird, sondern die PeruanerInnen mit ihren zahlreichen sozialen und politischen Organisationen, in denen die MRTA eine wichtige Rolle spielt.
Was sind die Unterschiede und was die Uebereinstimmungen zwischen der MRTA und Sendero Luminoso?

Es gibt mehr, das uns von Sendero Luminoso trennt, als uns mit ihnen eint. Sendero ist eine voellig dogmatische, sektiererische Bewegung, die glaubt, dass die Vorstellungen ihrer Fuehrer eine qualitative Entwicklung ausdruecken, ein 4. Stadium des Marxismus-Leninismus. Wir haben konzeptuelle und konkrete Unterschiede in der Praxis des revolutionaeren Kampfes. Sendero ist durch sein negatives Image gekennzeichnet. Sie suchen nicht danach, die Herzen und Koepfe zu gewinnen, sondern sie draengen den Leuten ihre Richtung auf, deswegen zoegern sie nicht zu toeten um ihre Herrschaft zu erreichen. Sendero ist auch gekennzeichnet durch seine Grausamkeit, was stark zurueckgewiesen wird. Die PeruanerInnen sehen die Notwendigkeit eines revolutionaeren Kampfes, aber sie unterstuetzen diese Art des Kampfes, diese Unmenschlichkeit nicht.
Ich wuerde zoegern, Sendero als eine revolutionaere Gruppe zu beschreiben, weil ihr Pol Pot- Konzept von Leben und Revolution weit entfernt ist von dem, was wir als Revolution ansehen. Aber gleichzeitig hat Sendero wegen bestimmten Aktionen, die sie gemacht haben, eine gewisse Staerke erreicht. 1980, als fast alle linken Gruppen legal wurden, begann Sendero den bewaffneten Kampf, in einer Zeit, als andere Organisationen sagten, es waere unmoeglich. Zuerst erzeugte dies eine Menge Sympathie in verschiedenen sozialen Bereichen. Viele Leute schlossen sich Sendero an. Das Problem ist, dass er spaeter durch seine Aktionen seinen wahren Charakter zeigte und das hat objektiv sein Wachstum begrenzt.

Wie verbreitet ihr eure Ideologie? Wie erreicht ihr die Leute?

Wir sagen, ohne die menschen gibt es keine Revolution. Also ist unser Ziel uns den Leuten anzunaehern und uns eng mit ihnen zu verbinden. Die Aktionen, die wir durchfuehren - neben der politischen Arbeit durch die Organisation bei zahlreichen Gelegenheiten - ist bewaffnete propaganda, hauptsaechlich in den Staedten.
Wir machen Sachen, wie z.B. Lebensmittel von grossen Supermarktketten enteignen und den Leuten geben. Wir unterstuetzen den Kampf der Leute, einer professionellen Organisation oder einer Gewerkschaft, in dem wir politisch-militaerische Aktionen durchfuehren, die diesen Kampf unterstuetzt. Wir sind in zahlreichen staedtischen und laendlichen professionellen Organisationen und BaeuerInnenvereinigungen praesent, unter einem rein militaerischen Gesichtspunkt. Als eine sowohl staedtische als auch laendliche Guerilla z..B. schlagen wir konkret auf den Feind ein, auf die bewaffneten kraefte und die Polizei, die mehr und mehr zu Besatzungskraeften im eigenen Land werden. Sie sind Kraefte, die immer blutbefleckt, hoechst korrupt und Erpresser der Menschen sind. Wir ergreifen auf jede Art konkrete Aktionen gegen sie.

Wie definierst du die MRTA ideologisch?

Wir versuchen die peruanische Realitaet vor jede vorbestimmte politische Ideologie zu stellen. Wir hoffen darauf, einen Sozialismus aufzubauen, weil der Kapitalismus weder die Loesung der Probleme der PeruanerInnen war noch die Moeglichkeiten hat, sie zu sein. Das bedeutet nicht, dass wir vorhaben eine Sozialismus im Stil der Osteuropaeischen Laender aufzubauen, ein Modell , das in der Praxis gescheitert ist. Wir schlagen die Bildung eines Sozialismus vor, der den Bedingungen Perus angepasst ist.
Wir wollen keinen Staatszentralimus oder die Buerokratisierung der peruanischen Gesellschaft. Das Leben hat uns gelehrt, dass das nicht der Weg ist. Wir sollten eine demokratische, sehr partizipatorische Gesellschaft haben; nicht alle 5 Jahre eine Wahldemokratie, sondern eine Demokratie, in der Maenner und Frauen an ihrem Arbeitsplatz, ihren Gemeinden, ihre Wohnviertel eingebunden sind und ueber ihr Schicksal selbst bestimmen. Wir wollen eine partizipatorische Demokratie mit den Menschen als Handelnde. So muss es sein.

Ihr habt oeffentliches Aufsehen mit der Flucht aus dem Gefaengnis von Canto Grande erlangt. Was kannst du darueber sagen?

Es ist unsere Politik, GenossInnen, die in die Haende des Feindes fallen zu befreien. Wir wissen, dass Tupac Amaru KaempferInnen, die in die Haende des Feindes fallen, systematisch gefoltert werden. Das ist in Peru immer der Fall. Eine der grundlegenden Pflichten eines Mitglieds ist es, jede Moeglichkeit des Entkommens herauszufinden, wenn sie Gefangene gemacht haben, und es ist die Pflicht der Organisation, nach einem Weg zu suchen, sie zu befreien. Die Rettung der GenossInnen, die im Canto Grande Gefaengnis waren, das ist das groesste Hochsicherheitsgefaengnis in Peru, wurde fast 3 Jahre vorher ausgedacht. Wir sahen die Notwendigkeit einen Tunnel von aussen in das Gefaengnis zu graben. Als die Rettung stattfand, waren dort 47 GenossInnen, darunter 8 Frauen und Commandante Rolando (Victor Polay), der der oberste Fuehrer der Organisation ist.
Wir haben eine 330 Meter langen Tunnel gebaut. Mindestens 25 GenossInnen nahmen an der Grabung des Tunnels unter extrem schwierigen Bedingungen teil. Ich denke, das ist der laengste Fluchttunnel aus einen Gefaengnis in Lateinamerika und vielleicht in der ganzen Welt.
Eine gewaltige Anzahl von Schwierigkeiten musste geloest werden, z.B. Licht, Wasser und Belueftung, genauso wie die Koordination der Flucht der GenossInnen, seit sie Commandante Rolando in einem Zellenblock isoliert hatten, die Maenner in einem anderen und die Frauen in noch einem anderen. Es musste eines sehr genaue und entschiedene Koordinierung geben, um eine erfolgreiche Flucht zu erreichen.
Wir zaehlte sehr viel auf den Einfallsreichtum der Leute. Peru ist ein Bergbauland und es gibt Minenarbeiter, die Erfahrung mit Tunneln haben und unsere Genossen sind. Ihre Teilnahme war vor allem entscheidend um einen Tunnel zu bauen, der nicht zusammenbrechen wuerde, keine Belueftungsprobleme haette usw.
Ein anderes Problem war es, die richtige Richtung zu finden, so dass wir am exakt richtigen Platz im Gefaengnis rauskamen. Wir haben alle moeglichen Instrumente, wie z.B. eine Theodolitenkompass, dafuer benutzt und unseren eigenen Einfallsreichtum getestet. Am Ende haben wir jede und jeden gerettet.

Niemand wurde getoetet oder geschnappt?

Alle GenossInnen, die den Knast verliessen - es 47 plus einem gewoehnlichen Kriminellen, der mit uns entschluepfte- sind jetzt auf ihren Platz. Einige sind bei den Guerillas, andere in den Staedten, aber jede/r ist wieder im revolutionaeren Kampf.

Quelle: Barricada International, 1991;
Uebersetzung: Anna, Radio Dreyeckland, Freiburg