Sie können auf die in den Händen der MRTA befindlichen Menschen nur demoralisierend wirken. Es wird angekündigt, daß der Konflikt militärisch gelöst wird, daß die Geiseln ohne weiteres geopfert würden. Mit einer militärischen Erstürmung der Botschaft würde dem Land die Möglichkeit genommen, zu einer politischen Lösung der Probleme Perus zu finden. Der Tod von Tupac-Amaru-Kämpfern würde den Konflikt im Lande zuspitzen.
F: Mehrere gefangene MRTA-Mitglieder sollen bereits in ein abgelegenes Gefängnis in den Bergen gebracht worden sein.
Die Situation der politischen Gefangenen in Peru hat sich in den letzten Wochen bereits drastisch verschlechtert. Die Regierung hat Angehörigen schon Besuche untersagt. Die politischen Gefangenen befinden sich nunmehr in Dauerisolation. Uns liegt die Information eines peruanischen Marineoffiziers vor, daß drei unserer Genossen - Victor Polay Campos, Maria Lucero Cumpa Miranda und Peter Cardenas Schult - im Gefängnis der Marinebasis bei Lima gefoltert werden.
F: Die Regierung ließ schwerbewaffnete Polizeieinheiten vor der japanischen Botschafterresidenz aufmarschieren und Angriffe simulieren, Polizisten warfen Steine, Hubschrauber überflogen das Gebäude. Wie beurteilen Sie die andauernden Demonstrationen militärischer Stärke?
Es wurden auch internationale Pressevertreter vor der Botschaft entfernt. All dies deutet darauf hin, einen militärischen Eingriff durchzuführen.
Es ist kein Zufall, daß sich die Regierung mit den nationalen Medien und Journalisten in Peru getroffen und ihnen klare Verbote und Restriktionen auferlegt hat. Die peruanische Regierung hat alles so vorbereitet, daß sie die Stürmung mit absoluter Straffreiheit durchführen lassen kann: Es wird keine Zeugen geben, die diesen Barbarismus überhaupt anklagen werden können.
F: Unterstützt die peruanische Bevölkerung die MRTA öffentlich?
Jede Kundgebung, jede Versammlung in Peru würde brutal unterdrückt. Das Volk hofft, daß jetzt eine Veränderung eintritt. Aber die linken Partien in Peru sind gelähmt: Sie müssen sich mit der Regierung arrangieren, um einer politischen Verfolgung oder einem Verbot zu entgehen. Menschenrechtsgruppen, die in Peru tätig waren, können nicht mehr agieren und operieren. Sie schweigen schon seit Jahren angesichts der täglichen Verbrechen der Regierung. Es gibt sehr viel Angst, aber auch sehr viel Hoffnung.
Widerstand wächst aus sozialer Unzufriedenheit. Und revolutionäre Bewegungen entstehen, wenn ein Volk offener staatlicher Willkür ausgesetzt wird. Herrschte in Peru soziale Gerechtigkeit, bräuchte niemand eine Guerilla-Bewegung.
F: Was verlangt die MRTA von der internationalen Gemeinschaft, was insbesondere von der Bundesrepublik?
Daß sich die internationale Gemeinschaft und Deutschland klar für eine politische Lösung des Konflikts aussprechen und erklärt wird, daß keine Spezialtruppen nach Peru entsandt werden. Die internationale Gemeinschaft und der IWF haben trotz Kenntnis der Lage ihr Verhältnis gegenüber Peru nicht geändert. Als Fujimori bereits während der ersten Woche der Besetzung eine militärische Beendigung des Konflikts nicht ausschloß und sagte, es müsse entschieden werden, ob nur peruanische Truppen oder ob auch amerikanische, israelische oder sogar deutsche Truppen zu Hilfe geholt würden, hat die Bundesrepublik Deutschland dies nie zurückgewiesen. Es wurde nicht erklärt, ob deutsche Spezialtruppen in Peru tatsächlich zur Verfügung stehen würden oder nicht. Die Bundesrepublik sollte von Fujimori eine Erklärung oder Richtigstellung seiner Aussage verlangen.
F: Die Situation scheint festgefahren. Fujimori lehnt die Freilassung der politischen Gefangenen nach wie vor ab. Welche Kompromisse sind für die MRTA vorstellbar?
Die Regierung setzt anscheinend weniger auf eine politische als auf eine militärische Lösung. Eine angebliche Verbesserung der Haftbedingungen werden wir nie akzeptieren. Wir werden es nicht weiter zulassen, daß in Peru politische Gefangene unter schlimmsten Bedingungen gefoltert werden. Unsere ausschließliche Forderung ist die Befreiung der Gefangenen.
F: Sollte es nicht zu einer politischen Lösung des Konflikts kommen, sollte also die japanische Botschaft vom peruanischen Militär oder anderen Spezialtruppen gestürmt werden, wie verhielte sich die MRTA?
Wir wollen eine politische Lösung. Falls es zu einer Stürmung der Botschaftsbesetzung kommt, dann würde sich die Situation in Peru zuspitzen und verschlimmern. In ganz Peru stehen bewaffnete Kommandos der MRTA bereit, um Angriffe auf ökonomische und politische Ziele durchzuführen.