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Online seit:
Wed Sep 25 23:25:32 1996
 

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Dieses Buch ist in linken Buch- und Infoläden zu bekommen.
Wenn es in der Nähe keine Läden gibt, kann das Buch bei den im Impressum genannten Verlagen bestellt werden.
Die Verlage verdienen an diesem Buch nichts und spenden für jedes verkaufte Exemplar - eine kommerzielle Nutzung dieser nicht-gedruckten Fassung wäre schon deshalb unsolidarisch.

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Editorial

Die Idee zu diesem Buch entstand bald nach dem 13.6.1995, als in einem Rundumschlag der Staatsschutzorgane über 50 Durchsuchungen stattfanden. Getroffen werden sollten militante Gruppen wie K.O.M.I.T.E.E. oder die AIZ, aber vor allem die Zeitschrift radikal, und - wie es der Innenminister umstandslos zugab - präventiv die ganze radikale Linke. Mehrere Personen wurden für Monate in Untersuchungs- oder Beugehaft genommen, andere werden seither gesucht.
In mehreren Städten, von verschiedenen Personen oder Gruppen, wurden Dokumentationen von radikal-Artikeln geplant. Die einzelnen Motivationen mögen unterschiedlich gewesen sein, gemeinsam war jedoch der Impuls, sich nicht von der Obrigkeit das Maul verbieten zu lassen.
Für dieses Buch erschien es sinnvoll, autonome Medien und ihre Geschichte generell - aber am Beispiel der radikal - darzustellen. Die staatliche Repression hat sich in den vergangenen Jahren nicht nur gegen die radikal gerichtet, und es gibt andere Medien, die von Zensur und Kriminalisierung bedroht sind.
Der historische Blick - und von dem kann nach 20 Jahren gut gesprochen werden - sollte sich nicht auf ein Projekt beschränken. Aus der Vielfalt der Erfahrungen über die Jahre kann linke Geschichte transparent und nutzbar für weitere Unternehmungen gemacht werden.
Dieses Buch versteht sich als eine politisch-publizistische Initiative gegen staatliche Zensur und für eine Geschichtsschreibung von links aus. Von links aus meint, daß wir unsere Geschichte nicht zentimeterweise in die Regale stellen, sondern als eine Quelle für Anregungen, Kritik und Perspektiven nutzen. Sollte dieses Buch dazu beitragen, wäre seine Funktion erfüllt.
Linke Medienprojekte wurden angesprochen, ob sie sich durch eine Mitherausgabe solidarisch erklären wollen. Viele haben dies getan, und nicht alle sind im Impressum erwähnt, z.T., weil die Rückmeldungen erst beim Säzzen eintrafen, z.T., weil wir uns bewußt auf Projekte aus dem Medienbereich beschränken wollten. Einige, mit deren Zustimmung wir nicht gerechnet haben, sind nun dabei, andere, mit deren Zustimmung wir sicher rechneten, sind es nicht. Auch das war eine wichtige Erfahrung beim Entstehen dieses Buches.
Mehrere Texte in diesem Buch stammen von einzelnen aus der Redaktionsgruppe und wurden gemeinsam diskutiert. Einen erhielten wir von Oliver Tolmein. Andere Texte wurden uns postalisch zur Verfügung gestellt, nachdem die Ankündigung dieses Buches erfolgt war. Letztgenannte Beiträge werden so dokumentiert, wie sie uns erreichten. Da wir diesen AutorInnen nicht persönlich danken können, wollen wir es hier ausdrücklich tun!
Bis auf das Kapitel "Zeitung für unkontrollierte Bewegungen", welches bereits in einer etwas kürzeren Fassung in der Interim veröffentlicht wurde, und dem Brief aus dem Exil, den wir aus radikale Zeiten übernommen haben, sind alle Beiträge für dieses Buch verfaßt worden.
Als kleiner Wegweiser durch das Buch nun ein paar Hinweise. Wer sich für die 70er Jahre interessiert, wird in der "Vorgeschichte der Geschichte ..." erklärt finden, wieso die radikal beinahe nicht radikal geheißen hätte und wieso sie das erste Mal kriminalisiert wurde. In dem Kapitel "Zeitung für unkontrollierte Bewegungen" wird im späten Rückblick das Innenleben der nächsten radikal-Phase inmitten der Westberliner Bewegungen geschildert. "The future is unwritten! Bleibt radikal!" unterschrieben postalisch an uns herangetretene Autoren ihre Geschichte der radikal seit 1984, es geht um inhaltliche Stränge, Technix, Organisierung, Frauen und Männer, Bastelanleitungen und eigentlich um alles. Die gleiche Phase beschreiben und reflektieren (ehemalige) Frauen aus der radikal im Beitrag "Alles hat ein Ende nur die Wurst hat zwei"; der Untertitel "Die Müllerinnen haben immer noch Lust auf Krawall" erklärt sich beim Lesen ... (Auch dieser Beitrag nahm den Weg über die Post.)
Um Knast und Zensur dreht sich der Artikel "Vom Scheiterhaufen zur ðkriminellen VereinigungÐ", in dem anhand historischer Erfahrungen davor gewarnt wird, sich heute zu sicher zu fühlen. Das nachfolgende Interview mit einem der im Sommer 1995 verhafteten "radikal-Gefangenen" enthält seine Situationsbeurteilung und läßt sich auch als eine Art Ratgeber für den Fall der Fälle - nämlich einen Knastaufenthalt - lesen. Für den Fall des Exils - und auch für die, die nicht dort leben müssen - ist das Kapitel "Einige Gedanken aus dem Exil zum Exil" sehr lesenswert. Stand und Zustand der autonomen Printmedien läßt sich nachlesen in "Subversives Blätterrauschen" und einen Querschnitt der autonomen Frauen/Lesbenzeitungen liefert anschließend das Kapitel "Von COURAGE bis AMAZORA". In "Öffentlichkeit und Klandestinität" geht es um Paradoxien im radikal-Verfahren. Für ein Gespräch über autonome Medien fanden sich - zumeist Hamburger - Projekte zusammen, dort fiel der prägnante Satz, der nun den Titel bildet: "Die Interim finde ich übrigens völlig öde ...", der nicht ganz unwidersprochen blieb. Bei diesem Gespräch war es aus Platz- und Zeitgründen unvermeidlich, andere Bereiche autonomer Medien auszulassen. Jemand aus dem Musik- oder Videobereich und z. B. die Medienzentren sind nicht dabei gewesen - zumindest deren Adressen finden sich aber am Ende des Buches. In der "Kleinen Bibliographie zur Theorie und Praxis subversiver Medien" finden sich Tips zum Weiterlesen und abschließend eine Adressenliste.
Das war's.
Nein doch nicht: Gleichzeitig mit dem Buch erscheint ein vierfarbiges DIN A-1-Plakat "20 Jahre radikal", welches bei den Verlagen bestellbar und in linken Buch- und Infoläden hoffentlich anzusehen ist.
Und nun viel Spaß beim (radikalen) Lesen! Einer aus der Redaktionsgruppe

P.S. Fünf Mark für jedes verkaufte Buch und alle Überschüsse aus den Plakateinnahmen gehen an einen Solifonds; die Verlage verdienen nichts daran.