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Alles hat ein Ende - nur die Wurst hat zwei!

oder: Die Müllerinnen haben immer noch Lust auf Krawall!
Einige Frauen aus der radikal Dieser Beitrag entsteht vor dem Hintergrund einer längeren Mitarbeit in der radikal, die nach 1984 begann und vor 1993 endete. Das Folgende ist also weder für den ganzen Zeitraum noch für alle Frauen, die zu dieser oder anderer Zeit mitgearbeitet haben, repräsentativ.
Es geht grundsätzlich um die Frage, welche Stellung Frauen/Lesben in gemischten Medien einnehmen bzw. welchen Stellenwert gemischte Medien für uns haben, welchen Platz wir darin einnehmen wollen und welche Position einzelne von uns zu radikal hatten/haben?
Diese Fragen können nicht pauschal und allgemeingültig für alle Frauen/Lesben beantwortet werden, da sie von der jeweiligen politisch/strategischen Vorstellung abhängen: Geht es um autonome Frauen/Lesbenorganisierung, oder geht es um gemischte Organisierung, die patriarchale Ausbeutung und Unterdrückung in und mittels gemischt-geschlechtlicher Organisierung bekämpfen will? Hinter so unterschiedlichen Vorstellungen stehen zwei unterschiedliche Organisierungskonzepte, die eine jeweilige Praxis von Frauen/Lesben nach sich ziehen - auch was die Mitarbeit in einem gemischten Projekt wie der radikal betrifft.
Eine Schwierigkeit besteht darin, daß viele intern geführte Diskussionen keinen Niederschlag in veröffentlichten Artikeln fanden, oder bei einzelnen Artikeln wegen fehlender Kennzeichnung zumindest die Miturheberinnenschaft einzelner von uns nicht sichtbar wurde.
Als damals einzelne Frauen/Lesben in das Projekt einstiegen, geschah dies mit der Vorstellung von gemischter Organisierung. Wir sahen eine Struktur wie die der radikal als unabdingbar für radikale Organisierung an. Zum einen wegen der Überregionalität (weg vom regionalen Mustopf), als auch wegen der verdeckten Form der Struktur, die zwingend notwendig war wegen der Repression, aber die wir auch für bereichernd hielten, denn sie erzwang nicht die Schere im Kopf. Zudem wollten wir unsere inhaltlichen Vorstellungen als eine Grundlage linksradikaler Organisierung einbringen und durchsetzen. Das war auch notwendig, denn seinerzeit wurde die Hervorhebung des Kampfes gegen patriarchale Unterdrückung und Ausbeutung von der Mehrheit in der radikal lediglich als Einstellung toleriert. Eine praktische Konsequenz unseres Konzeptes (verfaßt von einer gemischten Gruppe) sollte sein, daß bestimmte Themen wie Sexismus nicht nur gemischt, sondern auch von Frauen und Männern getrennt diskutiert werden sollten.
Wenn wir heute selbstkritisch unsere damaligen Konzeptpapiere lesen, sehen wir, wie reduziert sich Diskussionen in der Gruppe und in der Struktur vermittelten, als auch, wie verschwommen die damalige Begrifflichkeit war. Wir schrieben zwar, daß man nicht von "Menschen" allgemein sprechen könne, da diese Formulierung "überdeckt, daß Männer und Frauen hier unterschiedliche Ausgangsbedingungen haben, aus denen sich sowohl eine andere Wahrnehmung als auch andere Kämpfe ergeben" (134, Teil 2, S.76), aber gerade zum Punkte Patriarchatskritik, -analyse kam nicht mehr viel nach. Auch bei den Hauptaufgaben der radikal, die wir zum Schluß aufzählten, gab es keinen ausdrücklichen Punkt, der sich zum Ziel setzte, feministische Inhalte zu verbreiten und Frauenlesbenaktionen zu dokumentieren. Lediglich die Hinweise auf "Adler" (eine Billigklamottenladenkette, die Textilarbeiterinnen im Trikont besonders übel ausbeutete) und "Flüchtlinge" deuteten an, daß unsere inhaltlichen Vorstellungen stark von den Analysen und Aktionen der RZ und Rote Zora beeinflußt waren. Die Aktionen der Roten Zora gegen die Adler-Filialen waren für uns kämpferischer Ausdruck von internationaler Frauensolidarität, die Flüchtlingskampagne der RZ ein notwendiger Ausdruck der Unterstützung und Solidarität mit rassistisch/sexistisch selektierten und ausgegrenzten Frauen und Männern außerhalb der westeuropäischen Kernländer - eine notwendige Ergänzung zu anderen internationalistischen Unterstützungskampagnen mit Befreiungsbewegungen im Trikont - praktischer Antiimperialismus in den Metropolen. Aber dies war lediglich zwischen den Zeilen lesbar und wäre für Außenstehende schwerlich aus den Texten allein rekonstruierbar.
Diese Ungenauigkeiten sind sicher zum einen einer erst wachsenden inhaltlichen Klarheit, aber auch der sich erst entwickelnden "Schreibfähigkeit" geschuldet.
Doch zurück - wir wollten feministische Standpunkte, Analysen und Inhalte in die Diskussion tragen und außerdem intern getrennt-geschlechtliche Diskussionen führen. Eine inhaltliche Begründung dafür lieferten die Männer der Gruppe in einem Text in der 134, Teil 2.
Kurz gesagt, es war nicht durchsetzbar, da die Mehrheit - Frauen wie Männer - keinen Grund und keine Notwendigkeit für ein solches Vorgehen sah. Diese Position war damals absolut gängig in der Linken, und auch heute scheint sich wieder eine entsprechende Mainstream-Meinung durchzusetzen, die bestenfalls wohlwollend toleriert, wenn Frauen sich organisieren, aber für sich selbst die Frage der getrennt-geschlechtlichen Organisierung nicht in Betracht zieht.
Begründet wurde die Ablehnung unseres Konzeptes damals nicht großartig - aber unterschwellig schwang das männlich Überlegene mit, der Rückzug auf vertraute Territorien, auf denen mann sich sicher fühlte. Nach dem Motto: 'Ist ja wichtig, aber der Kampf gegen US-Imp. oder Faschisten, oder Hausbesitzer, oder sonstwas ist viel wichtiger!' Im übrigen wurde deklamiert: 'Wir sind keine Macker', oder von Frauen: 'Wir fühlen uns nicht unterdrückt', und unisono und sowieso: 'Männer, die sich mit Männern organisieren wollen, werden wohl von den Frauen in ihrer Gruppe unterdrückt oder sind abgedrehte, oberintellektuelle Hirnwichser.'
Unterschwellig transportierten sich selbstverständlich in solchen Diskussionen alte sexistische Standpunkte, feministische Standpunkte wurden oft erst dann wahrgenommen, wenn es eine militante Aktion von Frauen gegeben hatte.
Schon in den eigenen Strukturen wurden Frauen, die viel schrieben und sich nicht schwerpunktmäßig im organisatorischen, technischen Bereich engagierten, sondern konfrontativ feministische Inhalte vertraten und keine offensichtlich "militante" Praxis aufwiesen, von einigen nur mühsam als Genossinnen akzeptiert. Und wenn doch, dann aufgrund ihrer Arbeitskraft - ein durchweg funktionales Verhältnis, das sicher nicht auf dem oft beschworenen gegenseitigen Vertrauens- und Respektverhältnis beruhte. Natürlich existierten dadurch, Inhalte als auch Umgangsformen (Chefstrukturen) betreffend, Kampfverhältnisse untereinander. Das galt nicht für alle am Projekt Beteiligten. Es gibt auch die andere Seite: Diejenigen, die eher im technischen Bereich arbeiteten, fühlten sich von den als "Intellektuelle" Bezeichneten abqualifiziert. Das größte Problem war wohl, daß es wenig Raum für ausführliche gemeinsame Diskussionen gab. In der "Natur" dieser Strukturen liegt, daß sie technisch sehr aufwendig und arbeitsintensiv sind. Der Platz für inhaltliche Debatten muß sehr bewußt eingeräumt werden, weil er sonst immer gegenüber den (kurzfristig) existentielleren, wichtigeren Technix auf der Strecke bleibt.
Konflikte bestanden nicht darin, daß Beiträge von Frauen oder Männern mit antipatriarchalem Inhalt nicht veröffentlicht wurden. Es hing vielmehr immer alles von der Eigeninitiative ab. Wenn man die Stärke aufbrachte und powerte, dann in der Regel meist mit Erfolg. Das machte eine Offenheit des Projektes aus, war aber auch Anzeichen für eine gewisse Beliebigkeit (die immer wieder Thema von Diskussionen war).
Richtig Schluß war dann bei dem Anspruch, sich gemeinsam in eine inhaltliche Richtung zu entwickeln. Wenn es an das schon erwähnte Eingemachte ging, die Frage nach der eigenen Person, beharrten alle meistens auf ihren Standpunkten. Das hatte schon wieder den Vorteil, daß frau wußte, woran sie war - was sie erwarten konnte, und was aber nicht.
Die Eigeninitiative, von der dann so viel abhing, setzte ein ständiges Funktionieren voraus. Ein Stärkebegriff entwickelte sich parallel dazu, der Durchziehertum, funktionalen Umgang mit sich und anderen nach sich zog. Oft ging an ihm kein Weg vorbei, oft konnten aber gerade Männer sich auf die Weise lästigen Diskussionen außerhalb der radikal entziehen, z.B. warum sie zuhause nicht abwaschen: 'Habe gerade was irre Wichtiges zu tun'. Auch innerhalb der radikal wurden Sachzwänge gerne ins Feld geführt, um unliebsame Diskussionen abzubiegen, 'es stehen noch so viele Technix an, wir haben keine Zeit mehr, dieses oder jenes zu besprechen...' Das galt nicht nur für Männer, aber eben auch und gerade für Männer. Es ist schließlich immer eine Frage, wem Anonymität, eine reduzierte Wahrnehmung und entsprechend reduzierte Diskussionen der ganzen, umfassenden Persönlichkeit entgegenkommen? Das soll kein generelles Argument gegen verdeckte Strukturen sein, sondern ist als Hinweis gemeint, wie Mann und Frau, die sich in solchen Strukturen bewegen, ihre eigene Tätigkeit reflektieren sollten. Oft war es auch schlicht Ausdruck von persönlichem, sozialem Unvermögen. So oder so ist es ein Terrain, wo sich keine/r die Selbstkritik sparen kann.
Wir schlugen uns also mit diesen Anforderungen individuell herum, kauten an unseren eigenen Persönlichkeitsveränderungen herum, die durch die intensive, auch sozial abgetrennte Arbeit (da man über sie nur mit wenigen redete) entstanden.
Artikel aus dieser Zeit waren u.a. die Dokumentation einer Frauenradiosendung in Radio 100, Westberlin, von Frauen aus dem "autonomen Frauenplenum gegen die Weltbank und den Internationalen Währungsfond" zu Frauenarbeit, oder Internationalismus. Einige von uns beteiligten sich an Vorläufern des späteren "Gegen das Vergessen" in der 136 Teil 2:
"Kampf gegen imperialistische Flüchtlingspolitik zu entwickeln geht Hand in Hand mit der Beschäftigung mit der faschistischen Geschichte der BRD. Bei der Beschäftigung mit der Geschichte der organisierten Vernichtung und des Widerstands dagegen, wird die Dimension klarer, die unser Kampf und unsere Ziele hier haben. Mit einem klaren Bewußtsein der faschistischen Kontinuität erscheinen auch 'tagespolitische' Ereignisse in einem neuen Licht. So wird die Ermordung eines Flüchtlings in Tübingen, den ein Ladenangestellter beim Klauen erwischt hatte, die Überfälle der organisierten Faschisten gegen Flüchtlingslager erkennbar als Spitze des Eisberges. Der Boden dieses Eisberges ist das Hinnehmen breiter Teile der Bevölkerung, das Hinnehmen der Vernichtung. Dieser Boden wird durch die permanenten rassistischen und sexistischen Mobilisierungen des Staates geschaffen, anhand der Flüchtlinge, anhand der SS 218 Prozesse in Bayern (Memminger Massenprozesse damals), wo das sexistische Bild von Frauen als die lebensspendende Produktionsmaschine ohne freie Selbstbestimmung über den eigenen Körper festgeklopft wird, in den sexistischen Kampagnen gegenüber Lesben und Schwulen (in England ganz offen in Form des SS clause 28, der das positive Darstellen von Homosexualität in der Öffentlichkeit kriminalisiert) usw. Diese sexistischen und rassistischen Strukturen, die verinnerlicht, in die Köpfe gehauen werden, schaffen den Boden, auf dem imperialistisch/patriarchale Unterdrückung, Ausbeutung und Vernichtung sich hier ideologisch am Leben erhält, sich reproduziert und immer wieder weiterentwickelt..." (S.93).
In der 137 kam ein Artikel zum Zusammenhang von Faschismus und Sexismus.
Andere von uns recherchierten liebevoll Chronologien zu den Hungerstreiks, die von verschiedenen sog. sozialen Gefangenen und RAF- und Widerstands-Gefangenen 1989 gemacht wurden. Besonderes Gewicht hatten dabei die Aktionen und Erklärungen der Frauen aus dem Frauenknast Plötzensee. Kleine Nettigkeit nebenbei, im Zeitalter der Computer wird es nicht mehr vielen auffallen, aber das klebemontierte Bild zu der Hungerstreik-Chronologie in der 137 (S.20), auf dem eine Frau Gitterstäbe durchtritt, war auch eine der Formen, mit denen sich Frauen bemühten, den Mangel an Bildern, besonders was die - andere - Darstellung von Frauen angeht - zu beheben.
Andere versuchten durch die Auswahl der dokumentierten Artikel ihre Auffassungen in der radikal unterzubringen. So mit dem Artikel "Hungerstreik vorbei, was nun?" in der 138, Teil 1. Auf Seite 48/49 wird dadrin kritisch festgestellt, daß das "fehlende Verhältnis zum Knast sich krass in der Bewertung des Hungerstreiks der Frauen in der Plötze zeigte. Zwar gab es das Bemühen, diesen Hungerstreik in die laufende Mobilisierung einzubeziehen, die Art und Weise, wie das meistens geschah, zeigte jedoch, daß viele Genossinnen und Genossen draußen die politische Bedeutung dieses Kampfes nicht begriffen haben.(...) In einigen Veranstaltungen wurde überhaupt nichts zur Plötze gesagt. Wir können es wirklich nicht mehr gelassen ertragen, wenn Genossinnen und Genossen immer wieder ihr 'Die Plötzefrauen sind uns nah' oder 'Den Kampf der Plötzefrauen finden wir total stark' herunterbeten und dazu sonst politisch nichts zu sagen haben. Die Frauen haben mit ihrem Widerstand auch den sogenannten Behandlungsvollzug, der als reformierter (modernster) Strafvollzug gilt, angegriffen und somit ein Vorzeigeprojekt der Herrschenden stark in Mitleidenschaft gezogen. In diesem Beton-Psycho-Knast, wo so manche von uns die Ohnmacht beschleicht, wenn wir davor stehen, finden Frauen ihre eigene Sprache des Widerstands (...) Besonders wichtig ist doch, daß die Frauen in der Plötze den Kampf mit Forderungen geführt haben, an denen sich eine Perspektive für den gesamten Knast aufzeigt (...) Im Gegensatz z.B. zu den Forderungen der gefangenen Männer in Tegel (die auch 'eigene' Forderungen sind) betonen die Frauen in der Plötze viel stärker den sozialen Aspekt der Selbstbestimmung und Kollektivität, aus dem heraus Stärke und gemeinsamer Kampf entsteht."
In der 138, 2.Teil folgte dann noch eine historische Aufarbeitung zum Thema ArbeiterInnenbewegung und Frauenbewegung anläßlich der Diskussionen um den 1. Mai und die Krawalle in Westberlin. Festgestellt wurde dort von einigen von uns, daß "die meisten autonomen Männer nachwievor ihr eigenes Tun und Handeln nicht reflektieren, da sie kein grundsätzliches Interesse an antipatriarchalen Inhalten haben." (S.15)
Als letztes Beispiel für Arbeit einzelner von uns, aber ohne "namentlich" Kennzeichnung, sei noch ein Artikel in der 139 auf S.118/119 zu den großen Prozessen gegen Feyka Kurdistan erwähnt. Schon damals wurde thematisiert, warum die Solidarität zu den Kurdinnen und Kurden, die bei Feyka organisiert sind, im Verhältnis zu der sie treffenden Repression so gering ist. Als wichtiger Punkt wurde dort genannt, daß "dem Wesen von marxistisch/leninistischen Parteien entsprechend, die PKK ein ausgesprochen funktionales Verhältnis zu Frauen hat. Vor einigen Jahren gründete sie neben einer Jugend- eine eigene Frauenunion, aber diese soll sich um die 'Rückständigkeit' der Frauen kümmern, um sie dann in den allgemeinen Klassenkampf einreihen zu können. Unterdrückung in der Partei durch Männer gibt es offiziell nicht. Und wenn, wird 'offiziell' maßgeregelt."
Parallel beschäftigten wir uns öfter mit der Frage, ob wir Peinlichkeiten aus dem Inhalt der jeweiligen radikal-Ausgaben lieber gleich zensieren sollten oder ob sich die radi-Männer bei gelegentlichen inhaltlichen Beiträgen ungestört und richtig blamieren sollten. Auf der einen Seite wollte frau das Bild der radikal nicht schönfärben und damit in der Öffentlichkeit einen falschen Eindruck entstehen lassen, auf der anderen Seite kämpfte frau um ein bestimmtes inhaltliches Profil, das sie sich nicht versauen lassen wollte.
Es ist ja auch außerordentlich ermüdend, die Rolle der "notorischen Quengeltante" zu spielen. Heute ja noch wird von den Frauen in linken Zusammenhängen regelrecht erwartet, daß sie in Diskussionen ihr Sprüchlein aufsagen: 'Also, ich vermisse jetzt aber wirklich den Frauenstandpunkt...' Mit so einer Rollenzuweisung wollen sich die Herren das Denken ersparen und, indem sie Problembewußtsein signalisieren, vielleicht sogar noch Fortschrittlichkeit demonstrieren. Schlußendlich ist es ein ignorantes, zynisches und ausbeuterisches Verhältnis. Diese Rolle sollte frau tunlichst zurückweisen.
Wir haben noch einmal herumgestöbert und haben ein gutes Beispiel für diesen Zwiespalt gefunden. In der 140 war ein "Interview mit einem türkischen Genossen" zu Jugendgangs ("Seit rund 3 Jahren rotten [für den Schreiber ein positiver Begriff, Anm.] sie sich zusammen. Hier geboren, nicht hier geboren - Jugendliche mit unterschiedlichen Nationalitäten. Gemeinsam gegen eine rassistische Gesellschaft. - Tagtäglich auf der Straße kloppen sie Nazis, gehen sie rauben, geben sie den Bullen zurück, was sie täglich einstecken. Machen Frauen an, weil sie ihren Haß nicht nur an korrekten Stellen ablassen. - Widerspenstig, unausstehlich, mackermäßig - aber unwiderstehlich? ...")
Das Interview geht über viele Seiten, immer wieder gespickt mit Setzerinnenbemerkungen. Grundtenor des Interviewers wie des Interviewten ist eine sich gegenseitig bestärkende, abfeiernde, männliche hubba-hubba-Stimmung: "Akan: Ja, es kann sein, daß sie [=Leute von den Jugendbanden, Anm.] einen Edeka-Laden aufgemacht haben und beim Rückzug auf die Bullen getroffen sind. 20 von ihnen sind festgenommen worden, aber alle mußten freigelassen werden, weil sie denen nix beweisen konnten. - Fred: Aber vorher haben sie son Glatzentreffen aufgemischt? Oder wie war das? - Akan: Na ja, da waren so 10 Glatzen und sie haben sich gesagt, wenn es nur 10 Glatzen sind, machen wir ersteinmal Edeka klar und dann gehen wir die Glatzen klatschen. Weil sie haben gehofft, daß noch mehr Nazis da sind, es waren aber weniger, und dann haben sie ... - Fred und Akan: Erst Edeka und dann die Nazis klargemacht..., hahahöhö, gröhl." (S.54) "Fred: Gibt es eine eigenständige Frauengruppe? - Akan: Eine Frauengang gibt es. Ich denke mir, daß die gemeinsame Sache mit den 36 boys machen. Die Frauen sind auch vor kurzem von den Bullen festgenommen worden, weil sie 30 Baseballschläger dabei hatten (na klasse! in dem grips vom interviewer spielte sich wohl nix ab, sonst hätte er ja wohl jetzt nachgefragt - diese männer! d. S'in)(...)" Es folgt ne Diskussion über den Sexismus der Gangs, dann wieder Akan: "Ja, zur Zeit wird sehr viel darüber diskutiert. Hauptsächlich die Leute aus den Jugendgangs, die hier geboren sind, schmeißen sich dabei ins Zeug. Die anderen sind anders drauf als die in der Türkei geborenen. Sie sind solidarischer mit den Frauen (na ich denke mir, die frauen in den gangs oder die eine frauengang sind auch nicht schlecht am pauern, daß sich was ändert. kann doch gar nicht anders sein, sonst würden die typen doch nix machen, d.s'in) Ich denke mir, daß sich das mit der Anmache nur ändern wird, wenn immer mehr Frauen in die Banden reingehen. Das wird auch von den türkischen Antifas propagiert und auch, mehr gegen Sexismus zu machen. Aber ich denke, das braucht noch Zeit, bis es sich unter den Jugendlichen durchsetzt. (Frauen bildet Banden! Yeah! d.s'in)" (S.55).
Vorher schon hatten sich bei einigen Frauen die Überlegungen verstärkt, gemeinsam und massiver feministische Inhalte in die radikal zu tragen, sie auch namentlich zu zeichnen und einen eigenen Post-Kanal für Frauen (Stichwort: Frauen-ZK) einzurichten.
Diese Veränderungen hingen stark mit unserer sonstigen politischen Entwicklung zusammen. Unsere Vorstellung von Frauenkampf verschob sich noch mehr in Richtung autonomer Organisierung und gemeinsamer Arbeit mit Frauen/Lesben, Schaffung eigener Strukturen auch in der radi selber.
Wir sahen die radi weiterhin als einen unverzichtbaren Bestandteil für linksradikale, überregionale Organisierung, und aufgrund unserer eigenen politischen Sozialisation in gemischten Zusammenhängen waren wir der Ansicht, daß Feministinnen sich nach ihrer Entwicklung hin zu autonomen Frauenkämpferinnen nicht vollständig aus gemischten Zusammenhängen herausziehen, sondern ihr Verhältnis zu ihnen neu definieren sollten.
Wir sahen gemischte Medien als Forum, um andere Frauen zu erreichen, die nicht von sich aus auf den Gedanken kommen, Frauenzeitungen zu lesen. Durch unsere Präsenz in diesen Foren haben wir die Möglichkeit, unsere inhaltlichen Konflikte (aber auch Gemeinsamkeiten) mit den Gemischten zu benennen und auf deren Widersprüche, Halbheiten etc. hinzuweisen. Durch diesen offenen Umgang mit gemischten Projekten und in der offensiven Art der Verbreitung unserer Inhalte und unserer Praxis können wir neue Frauen für unsere Sicht und unsere Organisierung begeistern.
Für uns gab und gibt es keine "geschlechtsneutralen" Diskussionen, und es gibt in patriarchalen Gesellschaften erst mal keinen Lebensbereich, in dem Frauen und Männer nicht ganz unterschiedliche Interessen haben. Um feministische Interessen und Ziele durchsetzen zu können, bedarf es eines permanenten Kampfes, für den wir autonome Strukturen als Ausgangspunkt zur Entwicklung feministischer Strategien und Praxis brauchen, um in unserem Sinne handlungsfähig zu sein.
Das inhaltliche Profil der radi war somit neben dem daran erfolgenden praktischen Strukturaufbau für uns das entscheidende. Diese Beurteilung hängt natürlich vom politischen Selbstverständnis ab: Sieht man/frau sich eher als Dienstleistungsunternehmen oder als eingreifendes Medium mit klar umrissenem politischen Standort? Und sieht man/frau die eigene Position als eine gesellschaftlich marginale, wie es die linksradikal-feministische oder auch die von antipatriarchalen Männern oder die von radikalen Behindertengruppen leider ist, dann kann frau es sich schlicht nicht leisten, sich in diffusen Bündnissen "aufzulösen", sondern muß immer wieder den eigenen Standort benennen. Ohne den gehen Frauen (und auch Linke) im mainstream unter und schwächen somit die eigenen Interessen.
Sinnvolle Bündnisse mit gemischten Strukturen sahen wir auf der Grundlage, daß wir nicht maßgeblich verantwortlich für den "ganzen Laden" sind, sondern unsere Energien im wesentlichen für den Strukturaufbau mit Frauen einsetzen können.
Beginn dieser Phase war die 140 mit dem Artikel "An die Genossinnen - wer sind wir eigentlich" S.61.
Der eigene Post-Kanal sollte dem Rechnung tragen, daß viele Frauen nicht an ein gemischtes Medium insgesamt schreiben, sondern nur mit den Frauen kommunizieren wollen.
Wir arbeiteten zu Themen wie dem Golfkrieg (142) und wie eine Praxis dazu aussehen kann, zur Entwicklung militanter Politik, zu Positionen anderer Frauen zur RAF (141, zu einem Text von Schweizer Frauen), zu Sexismus in Antifa und dem Rest der Szene, dokumentierten das, was wir an Frauenlesbenaktionen und -diskussionen in die Finger bekamen.
Nicht alles, was wir für die Diskussion in Frauenzusammenhängen wichtig fanden, konnte oder kann Platz in der gemischten Öffentlichkeit haben, da es nur zu gern von Männern bzw. Gemischten für eigene Polemiken im Stile von: 'Ihr seid ja auch nicht besser' gegen Frauen genutzt wurde und wird. Unsere Idealvorstellung und Utopie war eine Art Frauen-radikal - also eine ähnliche Struktur, aber ausschließlich von und für Frauen. Dort wären wir die Schere im Kopf gegenüber männlichen Mitstreitern und Lesern bei den Beiträgen losgewesen und hätten ein Forum geschaffen, in dem Frauen über radikale Inhalte und radikale Frauen/Lesbenpraxis diskutieren können.
So haben wir anfänglich mit Begeisterung die Entwicklung der Amazora verfolgt - der einzigen Frauenzeitung, die unseren eigenen Vorstellungen nahekam. Aber nach dem geringen Echo auf unserem Frauenpostkanal in der radi - frau kann von einer Null-Reaktion sprechen, es kam also auch keine Kritik, mit der wir uns hätten auseinandersetzen können - wunderte es uns nicht, daß die Amazora zwischenzeitlich ihr Erscheinen wegen mangelnder Beteiligung einstellte. Wir mußten für die Frauen/Lesbenszene leider ähnliches feststellen, wie wir es schon seit Jahren aus den gemischten Strukturen kannten, nämlich daß es wenige gab, die sich verbindlich um die Vermittlung und Verbreitung von Diskussionen, Erfahrungen u.ä. kümmerten, und daß es noch weniger gab, die sich verbindlich um den "ganzen Laden" kümmerten.
Erklärbar ist das unserer Meinung nach mit der allgegenwärtigen Konsumhaltung und dem mangelnden Denken in übergreifenden Strukturen. Das Zerfallen in Kleinstzirkel, das sektiererische Abgrenzen untereinander (nicht gemeint sind legitime Abgrenzungen gegenüber Sexismen, Rassismen, Antisemitismus oder auch ML-Politik) läßt viele in übergreifenden Strukturen keinen offenkundigen Sinn erkennen. Oft ist frau und mann sich selbst genüge. Von anderen meint man in der Regel nicht lernen zu können bzw. nur von denen, die der Trend gerade vorschreibt: Mal wird sich dann an "Der Schwarzen Frau" orientiert, dann an "Der Jüdischen Frau in Israel", an "Den kämpfenden kurdischen Frauen", bei den Männern und Gemischten sind es wieder andere.
Wir haben unsere Beteiligung an der radi nie als Konkurrenz zu der Amazora betrachtet. Die Amazora war für uns ganz unabhängig von der radikal wichtig in ihrer Bedeutung für den Aufbau autonomer Strukturen. Die radi betrachteten wir als eine Propagandabühne und Auseinandersetzungsfeld von Feministinnen mit einem Teil der linksradikalen Bewegung. Im nachhinein gesehen hat dies sicher viel zu selten öffentlich nachvollziehbar stattgefunden. Das sehen wir auch als Manko an. Es könnte somit der Eindruck entstehen, daß die Artikel und die Gruppen doch im großen und ganzen harmonisch nebeneinander her arbeiten konnten. Das war aber so sicher nicht der Fall.
Die Unterschiede zwischen den an der radikal Beteiligten sieht frau wohl am besten, wenn sie sich ansieht, in wie vielen Artikeln außer denen von uns versucht wurde, einen feministischen Standpunkt einzuarbeiten. Es gab immer einige Männer und Gemischte, die das versuchten, aber eben auch immer einige, von denen nichts kam. Weiter wäre noch selbstkritisch festzustellen, daß es die Dynamik gibt, daß frau selber auch, wenn sie sich viel gemischt-geschlechtlich bewegt, auch ihren Schwerpunkt tendenziell auf gemischt legt und feministische Ansätze teilweise schwimmen gehen. Das heißt dann nicht, daß frau nicht mehr in der Lage wäre, die gröbsten sexistischen Schnitzer zu bemerken, aber den ausgemacht feministischen Standpunkt zu einem Thema sich zu erarbeiten, halten wir unter gemischt-geschlechtlichen Bedingungen schlicht für unmöglich.
Einen letzten Aspekt wollen wir nicht unerwähnt lassen (nicht nur meckern...): Frau lernt in dieser Art Projekte besonders Verläßlichkeit und Verbindlichkeit zu schätzen, auch die derjenigen, mit denen sie an dem einen und anderen Punkt im Clinch liegt.
Und noch ein weiterer Punkt, der uns mit vielen dort verband, war eine Art "Lebensgefühl" und eine ähnliche Einstellung zu vielen Geschehnissen. So war es von allen getragen, daß auf die Rückseite der 135 ein Gruß an Ingo kam, der gerade im Zusammenhang mit den Schüssen an der Startbahn untertauchen mußte - oder ein ähnlicher Humor wie bei der Rückseite von der 139, wo lauter Strandkörbe mit der Bezeichnung "Müller" abgebildet waren und der Spruch daneben stand: "Ohne Müller, kein Krawall!"
Das ist natürlich Geschmackssache, aber wir haben uns darüber immer herrlich amüsiert.
Oft kam oder kommt ja die Kritik, daß die radi militanzfixiert sei. Wir sahen das vor dem Hintergrund der Arbeit, die wir uns mit inhaltlichen Artikeln machten und der ständigen Betonung, daß es auf das Zusammenspiel der verschiedenen Ebenen (militant, öffentlich etc.) ankomme, immer als schräge, auch vorgeschobene Argumentation an. In einem konkret-Interview in 1/90 sagte Nina auf die Frage: "Was in euren Worten über Theoretiker anklingt, aber auch in eurem Interview mit dem ID, ist, daß es für euch eine Hierarchie politischer Tätigkeiten gibt, bei der die illegale, militante Praxis die höchste Stufe hat", folgendes:
"Es geht uns weniger um das Mittel, sondern um das Ziel. In erster Linie kommt es darauf an, daß immer mehr Leute im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf eine Revolution hinarbeiten. Wie du das machst, ist erstmal dein Bier und militanter ist nicht gleichbedeutend mit besser drauf. Da gibt es ganz andere Kriterien, z.B. was für ein Niveau die Auseinandersetzungen zwischen Typen und Frauen haben und wie ein Bewußtsein praktisch umgesetzt wird. Es geht uns einfach um Basisautonomie und Strukturen, wo Leute ihre Geschichte in die eigene Hand nehmen mit dem Ziel, hier zunehmend die Machtfrage stellen zu können. Was wir vorhin gesagt haben, hat nichts mit Theoriefeindlichkeit zu tun.
Aber wir haben Abscheu vor Funktionärstum und vor Leuten, die rumreden und die Drecksarbeit den Leuten an der Basis überlassen, auf die herabgeschaut wird, weil sie sich nicht so geschliffen ausdrücken können. Oder die als doof belächelt werden, weil sie bei Diskussionen über Fordismus nicht mitreden können oder wollen. In der Geschichte war es doch eher so (im großen Maßstab, d.S'in), daß die legale Linke sich von den Militanten abgegrenzt hat statt daß umgekehrt gesagt wurde, ihr seid uns zu lasch. Dann fahren welche ein, und dafür wird ihnen noch ans Bein gepißt. Ich hab das Gefühl, man muß permanent beteuern, daß militante Aktionen oder Steine schmeißen nicht aus einem Avantgardedünkel kommt."
Auch heute haben wir häufig bei dieser Art Kritik den Eindruck, daß weniger der komplette Inhalt der radi eine Rolle spielt (schon teilweise halb wissenschaftlich abgedrehte Texte zu Geschlechtergeschichte mit merklichem drive weg von Genauigkeit der Sprache, die für alle verständlich sein soll), sondern allein die Position ein Dorn im Auge ist, die unablässig durch die Form der Organisierung daran erinnert, daß wir nicht im Land der freien Möglichkeiten leben bzw. daß alle linksradikale Politik nichts ist, wenn sie nicht ein militantes Standbein hat.
Wir haben zur radi an sich ein solidarisch funktionales Verhältnis - wir finden es enorm, wie kontinuierlich gegen jeden Szene-mainstream, der immer schon sehr oberflächlich und mit wenig Instinkt für politisch notwendige praktische Schritte agierte, gearbeitet wurde und wird. Solange sich nicht das politische Kräfteverhältnis in der radi ändert, wissen wir, daß unsere Positionen dort immer einen Platz haben werden und weiter auf inhaltlich und strukturell Erarbeitetem aufbauen können.
Es wird dennoch ein Kampfverhältnis hinsichtlich der Analyse und Einschätzung bleiben, mit dem notwendigen Mißtrauen gegenüber dem oft opportunistischen Verhalten von Männern als den gesellschaftlich Stärkeren und Privilegierten.
Wir sehen die radi als ein Forum, wo Frauen/Lesben die Chance wahrnehmen sollten, ihre Praxis für Frauen sichtbar und somit diskutierfähig zu machen. Der Schwerpunkt feministischer Arbeit liegt dennoch ohne Zweifel im Aufbau eigener Strukturen.
Nicht zuletzt sehen wir es als unsere Sache, den GenossInnen als Teil einer zwar diffusen, aber nichtsdestotrotz bestehenden linksradikalen Bewegung den Rücken gegen Repression zu stärken.
Die Grundlage für eine gute Zusammenarbeit besteht in der konkreten inhaltlichen Ausrichtung der radi, in der der Kampf gegen patriarchale Ausbeutung und Unterdrückung gleichberechtigt zu antirassistischen und antikapitalistischen Kämpfen seinen Platz finden sollte...
P.S. Die Gründe für die Beendigung der Arbeit in der Gruppe "Einige Frauen aus der radi" waren unterschiedlich, teils lagen sie später an gesamt-strukturellen Streitigkeiten, teils daran, daß sich der persönliche Arbeitsschwerpunkt in der Form (weniger Zeitung) oder in der Art der Organisierung (mehr mit Frauen) verschob.