"Wir haben nicht gerade üppig gelebt mit unserem kollektiven Einheitslohn, noch dazu in den letzten Monaten, in denen selbst dieser nur spärlich zur Auszahlung gelangte, denn die freundlich kultivierten alternativen Nischen haben sich nach einem Jahrzehnt als wirtschaftliche Rattenfalle erwiesen. Kopf ab.
Ja damals, vor ein paar Jährchen, schien alles so einfach. Die Auflage stieg, der Lohn war kümmerlich, aber keiner störte sich daran, man konnte leben im und mit dem Blatt, und der Weg war geebnet, für Spontis, Ökologen, Querulanten und die anderen. Die große Leserzahl bestärkte das alternative Selbstvertrauen und es war leicht, Tabak-, Alkohol- und andere Konzern-Anzeigen abzulehnen. Mia san mia und wir nehmen, was uns paßt. (...)
Und so blieb das BLATT, wie es ist, stolz und nicht weniger hartnäckig beharrend und hoffend auf die Leser, die es abseits von jedem ökonomischen Gedankengut tragen sollten, und kein "alternativer Manager" konnte in dem chaotischen Haufen Fuß fassen. Später dann, als die Auflage stetig sank, wehte langsam ein anderer Wind. Das Kollektiv wurde nicht mehr aufgestockt, das sonst so üppige Frühstück fiel den ausstehenden Rechnungen zum Opfer, und das so relaxed gehandhabte Mahnwesen erfuhr eine erstaunliche Belebung. Selbst den Anzeigenkunden, die früher so bereitwillig von selber kamen, mußte mehr und mehr nachgelaufen werden. Die sonst so wild sprießenden Ideen ordneten sich mehr dem Drängen der strafferen Organisation unter, und die verhaßte Arbeitsteilung hielt strengen Einzug. Auch der Gedanke, daß selbst ein kollektiver Betrieb im Kapitalismus nach kapitalistischen Prinzipien funktioniert, fiel jetzt auf fruchtbareren Boden. Natürlich war das Kollektiv, bestehend aus konsequenten Systemverächtern, diesem Gedanken trotzdem nicht sonderlich zugeneigt und versuchte wie immer den Inhalt zu verbessern, in der Hoffnung auf zukünftige Lesermassen.(...)
Durchhalten zumindest, solange die Schulden nicht ins Astronomische stiegen - nur fiel die Auflage weiter, und auch die Abozahlen entwickelten sich trotz einer Aboaktion nicht gerade befriedigend. Auf bessere Zeiten zu hoffen war ausweglos und die Pleite nur noch eine Frage der Zeit. Das Blatt erschien letzte Woche nicht und wird auch die nächsten Monate nicht erscheinen. Wie und wann es weiter geht, werdet ihr schon merken. So long."
(Aus der letzten "Notausgabe" des Blatt, Mai 1984)