Zensur wie in einer Bananenrepublik Die Bundesanwaltschaft weist deutsche Internet Provider und Online-Dienste auf Beihilfe zu Straftaten durch Internetdatentransport hin, und einige deutsche Provider sperren jetzt den Zugang zu XS4all in Holland Im Internet werden rund um die Uhr weltweit Daten ausgetauscht. Die Daten passieren Berge, Täler, Wüsten, Meere und Ländergrenzen in einem dauerhaften Flow of Information. Das ist die schöne Datenautobahn, die den Weg in die Informationsgesellschaft bedeuten soll. Die Informationsgesellschaft der Zukunft kann sich bereits heute in der unübersehbar großen Informationsflut des Internet über alles mögliche Informieren: Computerprogramme, Aquaristik, Medienkunst, Raumschiff Enterprise, Hochenergiephysik und so weiter. Dort draussen in den unendlichen Weiten des Weltraums gibt es - wie immer im richtigen Leben - auch Bösewichter, die über Dinge informieren, die in Deutschland nicht rechtskonform sind. Wenn ein Staat seinen Bürgern vor bösen Informationen schützen möchte, dann kann er z.B. chinesische Verhältnisse schaffen oder, wie jetzt die Bundesanwaltschaft in Deutschland, durch Einwirken auf die Provider versuchen, das Böse zu bannen. Am 30.8.96 hat die Bundesanwaltschaft mit Hinweis auf einen nach deutschem Recht $129a Abs.3 StGB verbotenen Text, der auf World WideWeb Servern ausländischer Internetprovider weltweit abrufbar liegt, deutsche Internet Provider und "Online- Dienste" auf eine mögliche Mitschuld durch Beihilfe zu Straftaten nach $129a Abs.3 StGB und 130a Abs.1 StGB (Ein Ermittlungsverfahren gegen die Verbreiter des Textes wurde bereits eingeleitet) hingewiesen, falls die Provider auch weiterhin den Abruf der beanstandeten Seiten über Ihre Zugangs- und Netzknoten ermöglichen sollten. In einem Akt gewissermassen vorauseilenden Gehorsams haben einige deutsche Internetprovider Massnahmen ergriffen, die von der Bundesanwaltschaft genannten ausländischen World Wide Web Sites mit dem beanstandeten Text bzw. die zugehörigen Hosts voruebergehend zu sperren. Von Seiten des gesperrten Host, etwa von xs4all in Holland, stellt sich diese Sperre als Boykott ihres Internetangebotes durch deutsche Netzprovider dar. Obwohl die Rechtslage noch sehr unklar ist, wurden eilfertig, wenngleich unter Protest die Hacken zusammengeschlagen. Dieses Kuschen ist zwar verständlich, denn für die Provider gilt noch keine Gleichstellung mit TelCo-Providern, die froh sein können, keine Briefe zu erhalten, in denen die Sperrung ausländischer Telephonnummern verlangt wird. Auch Verkäufer von Kurzwellenradios müssen nicht damit rechnen aufgefordert zu werden, den Empfang böser Radiosender zu verhindern. Das Internet ist kein Volksempfänger, bei dem einzelnen Staaten wirksam kontrollieren könnten, was ihre Bürger erfahren. Es ist für den freien Fluß der Daten konstruiert, nicht für Kontrolle und Zensur. Entweder Internet, oder gar nichts und den Hahn völlig absperren. Durch die Struktur des Internetdatentransports gelingt es XS4all mit einem technischen Katz-und-Maus-Spiel weiterhin weltweit und selbstverständlich auch in Deutschland zu informieren. Die Sperre einiger deutscher Provider bleibt in der Sache wirkungslos, richtet jedoch beträchtlichen politischen Schaden an. Und der Gesundheit ist es ebenfalls nicht zuträglich, meiner Gesundheit zumindest nicht, denn mir wird flau und speiübel, wenn ich die Briefe und Erklärungen zu diesem Fall lese. Noch habe ich und die meisten anderen Netizens hierzulande noch Zugang zu allem im Netz, zum Guten wie zum Bösen. Die Vorfälle ärgern mich. Und sie ärgern auch andere. Diese Geärgerten haben eine Protestnote unterzeichnet, die unter der URL http://duplox.wz-berlin.de/people/s/decl.html im Netz - weltweit und ohne Kontrolle, so wie es sein soll und hoffentlich immer bleibt - zu sehen ist. xs4all und xs2all Internet Information! Sabine Helmers, Projektgruppe Kulturraum Internet, Berlin
Berlin, D - Friday, September 13, 1996 at 13:47:00 (MET DST) |