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Sat Oct  7 23:29:28 1995
 

Aus aktueller Anlass:

Fünf Genossen sitzen im Knast, vier von ihnen soll der Prozeß gemacht werden, weil sie die angeblichen "Macher" der linksradikalen Zeitschrift 'radikal' sein sollen. So die Bundesanwaltschaft.
Wer oder was ist die Zeitschrift 'radikal'? Diese Frage wird in der Solidaritätsarbeit immer wieder gestellt.
Da keiner von uns diese Frage besser beantworten könnte als diejenigen die die 'radikal' machen, haben wir uns entschieden das Interview, welches vom ID-Archiv im IISG / Amsterdam, 1989 mit Menschen der 'radikal' gemacht wurde zu dokumentieren. Aus diesem Interview geht so ziemlich alles hervor für was die 'radikal' steht und was sie aus ihrem Selbstverständnis heraus ist.


VORBEMERKUNG:

Vor ein paar Monaten schrieben wir an die Kontaktadresse der radikal und baten die MacherInnen um Stellungsnahmen zu einigen Fragen, die sich auf die Themen Zensur und illegale Zeitungsproduktion bezogen. Geplant war dieses schriftliche Interview für den Band 'Schwarze Texte Zensur in der BRD. 1968 bis heute'. Dort sollte das radikal-Interview als eine Position zur Diskussion über die Perspektiven der Gegenöffentlichkeit integriert werden. Wir hatten einen Beitrag von vielleicht 5-10 Seiten erwartet und waren überrascht, als wir diese ausführlichen Antworten erhielten. Einerseits freut es uns, daß die MacherInnen der Zeitung in der öffentlichen Vermittlung ihrer Arbeit eine Notwendigkeit sehen, andererseits passt der vollständige Abdruck des 'Interviews' nicht in die Konzeption der 'Schwarzen Texte'.
Das im September erscheinende Buch 'Schwarze Texte' zeigt die Kontinuität der staatlichen Zensormaßnahmen gegen linke Buchläden, Verlage, Zeitschriften, Vertriebe, Drukkereien, dokumentiert eine Auswahl verbotener Texte und versucht stichpunktartig Diskussionsansätze der letzten 20 Jahre zum Thema Zensur und Gegenöffenltichkeit nachzuzeichnen. Die radikal ist ein Bestandteil dieser Diskussionen. Gerade die Repression gegen sie bzw. die angeblichen MitarbeiterInnen und WiederverkäuferInnen ist beispielhaft für die staatliche Unterdrückung einer freien Widerstandspresse in der BRD. Doch trotz jahrelanger Kriminalisierung existiert die radikal noch. Deshalb ist eine Auseinandersetzung über Zweck, Notwendigkeit und Widerprüche illegaler Zeitungsproduktion sinnvoll, auch wenn die von der radikal praktizierte klandestine Herstellung und Verbreitung in der Linken nicht ungeteilte Akzeptanz findet.
Im folgenden Interview geht es um: die geschichte der Zeitung von 84 bis heute; der Bezug der heutigen MacherInnen zur 'alten' radikal (76-84); den Umgang mit dem Mythos des Blattes, der sich hauptsächlich am Namen festmacht; die Widersprüche der Illegalität und die Bedeutung der Repression; das Verhältnis zu den WiederverkäuferInnen; die Einschätzungen zum Abdruck von Anleitungen und Erklärungen; die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu anderen linksradikalen Zeitungen.
Wir finden die Stellungsnahmen der radikal in ihrer Ausführlichkeit lesenswert und brauchbar für Diskussionen. Aus diesem Grund haben wir uns zu der Herausgabe dieser Broschüre entschlossen, auch wenn es uns durch die Art der schriftlichen Kommunikation nicht möglich war, an einigen Punkten nachzuhaken bzw. darüber zu diskutieren.
'radikal - Ein Interview' erscheint mit Genehmigung der unbekannten VerfasserInnen ungekürzt und wird der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.

ID-Archiv im IISG Juli '89

radikal 1976 - 1984 CHRONOLOGIE EINER KRIMINALISIERUNG

1976 wird die radikal als Sozialistische Zeitung für Westberlin gegründet. 1978 laufen die ersten kleinen Verfahren gegen die radikal an, darunter eines wegen dem Nachdruck des 'Buback-Nachrufs'. Der presserechtlich Verantwortliche der Zeitung wird dafür zu 875.- DM Geldstrafe verurteilt. Die anderen Einschüchterungs- und Kriminalisierungsversuche enden aber meist ohne Erfolg für die Staatsgewalt, dh., die Verfahren werden eingestellt bzw. es erfolgt ein Freispruch.
Im Februar 1982 erhebt die Staatsanweltschaft zum ersten Mal Anklage nach 129a, wegen '.Werbens für die terroristische Vereinigung 2.Juni.' Das sich die dementsprechende Vereinigung jedoch juristisch nicht nachweisen läßt, kommt es zu keiner Hauptverhandlung. Doch das ganze Jahr ist die 'Zeitung für unkonventionelle Bewegungen' von Bespitzelungen bis hin zu offensiven Observationen der HandverkäuferInnen ausgesetzt. Am 1.12. erfolgt dann der große Schlag der Berliner Staatsschützer. 14 Privatwohnungen, 2 besetzte Häuser, 3 Druckereien, 2 Buchläden, 1 Verlag, 1 Buchvertrieb, 1 Fotosetzerei sowie die Vereinsräume der 'Zeitungskooperative' wetden zum Auffinden von Beweismitteln, gegen die damals schon unbekannten Verfasser und Hersteller der radikal, durchsucht. Angeblich sollen zahlreiche Erklärungen der Revolutionären Zellen den Straftatbestand 129a erfüllen. Tatsächlich richtet sich die Repression aber gegen die Funktion der Zeitung. 'radikal' ist in der Phase des Häuserkampfs das wichtigste Sprachrohr und Diskussionsorgan der autonomen Bewegung. Das Blatt ist maßgeblich an der Mobilisierung zu den Stör- und Protestaktionen gegen die Reagan Propaganda Show (10.11.82) und anderen unruhigen Ereignissen in Westberlin beteiligt.
Stellvertretend für die unbekannten Redaktionsmitglieder werden am 13. und 14.6.83 Michael Klöckner und Benny Härlin wegen 'Werbung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung' verhaftet. Erst am 19.8.83, nach lautstarken öffentlichen Protesten, erhalten beide Haftverschenung gegen Zahlung von 30.000 DM Kaution.

Vom November 1983 bis März 1984 findet der Prozeß gegen Michael Glöckner und Benny Härlin vor dem Berliner Kammergericht statt. Eine breite Solidaritätskampagne begleitet den Prozeßverlauf. Die Empörung gegen den Prozeßverlauf äußert sich neben vielen Protestaktionen der Linken auch in Teilen der bürgerlich-liberalän Öffentlichkeit. Doch unbeeindruckt davon verurteilt Richter Pahlhoff, ganz auf Linie der Staatsanweltschaft, nach 36 Prozeßtagen am 1.3.84 Klöckner und Härlin gemäß 129a zu je 30 Monaten Haft. Michael Klöckner, weil er redaktionell mitgearbeitet, das Konto geführt und die Zeitung bei der Post aufgegeben haben soll.

Gegen Auflage von einer wöchentlichen polizeilichen Meldung wird beiden Haftverschonung gewährt. Bei den Wahlen zum Europaparlament werden Härlin und Klöckner auf der Liste der Grünen im Mai 1984 nach Straßburg gewählt. Im Mai 1985 wird die Immunität als Abgeordnete vom Europaparlament bestätigt.
Die Repression gegen die radikal geht jedoch unvermindert weiter. Am 12.4.84 werden erneut 2 Druckereien und die Wohnung zweier Leute im Zusammenhang mit der Herstellung der Zeitung durchsucht. Gegen eine Person, die später in den Niederlanden politisches Asyl beantragt, wird Haftbefehl erlassen. Das Bankkonto der radikal wird gesperrt und am 19.4. nehmen Staatsschützer jemanden bei der versuchten Öffnung des Postfachs fest. Das Postfach wird rund um die Uhr observiert und ankommende Post beschlagnahmt. Um noch postalisch erreichbar zu sein, stellt die taz vorübergehend ihre Adresse zur Verfügung. Am 2.5.84 wird sie deshalb von der Staatsanweltschaft durchsucht, alle eingegangenen Briefe werden beschlagnahmt. Ein paar Tage später erklären die MacherInnen der radikal, daß sie unter diesen Bedingungen nicht mehr weitermachen wollen und geben in der Nr. 126/127 die Einstellung der Zeitung bekannt.
Zur Überraschung vieler erscheint einige Monate später die radikal erneut. Im Editorial der Nr. 128 'Frohe Botschaft - Der Kampf geht weiter' ist zu lesen: "So Leute, habt ihr also gedacht es wäre zu Ende-mit der radikal... Habt ihr sie schon auf der Liste der von 'Verfassungsschutzorganen' totgeprügelten linken Initiativen angekreuzt und archiviert...
Wir wollen nicht verhelen, daß das Frohlocken darüber, der Repression ein Schnippchen geschlagen zu haben einen guten Teil der Motivation bei der Produktion dieser Nummer ausgemacht hat.
Und jetzt zu uns: Diese Zeitung kann nur versteckt geschrieben und produziert werden......."
aus: 'Schwarze Texte' - Chronologie

ID-Archiv: Die alte radikal (1976-1984) verstand sich selbst als Zeitung ' von der Bewegung - für die Bewegung'. Ihr offensives Thematisieren militanter Aktionsformen, die teilweise sehr anspruchsvollen Theoriediskussionen und vor allem ihr fast schön ästhetisches Lay-out fand in der autonomen Szene Begeisterung. Die radikal dokumentierte, kritisierte, anaylisierte und mobilisierte gleichermaßen. Vor allen in den Jahren 80-84 spiegelten sich in ihr die unterschiedlichen Bedürfnisse der autonomen Bewegung wieder. Was haben die heutigen radikal-MacherInnen für ein Verhältnis zu dieser (ihrer) Zeitung ? Was hat sich eurer Meinung nach in der Bewegung verändert

radi: eine umfassende antwort ist nicht möglich, denn es gibt schon lange nicht mehr die redaktion, die den ganzen laden schmeißt. die menschen und gruppen, die heute bei der zeitung mitmachen, haben eine unterschiedliche geschichte. beispielsweise sind nicht alle in der bewegung anfang der 80ger rumgewirbelt, oder speziell im häuserkampf in berlin, dessen eigentliches organ die radi ja war. also für einige ist die geschichte der zeitung lebendiger, weil sie viel mit den eigenen erfahrungen zu tun hat, für andere abstrakter.
wir reden hier als eine gruppe. was uns betrifft, gibt es auch unterschiede. aber im prinzip ist die radi teil unserer geschichte, d.h. wir waren teil der bewegung, haben häuser besetzt, bewohnt und deshalb barrikaden gebaut. nebenbei haben wir auch radi gelesen, ohne uns groß daran zu beteiligen. war halt unsere zeitung. sie ist von leuten gemacht worden, die du nicht kanntest, aber die haben dasselbe gedacht und gewollt wie du selbst.

mittlerweile sind wir selbst "diese leute" geworden, und damit hat sich logisch auch unser verhältnis zur legalen radi verändert. es ist genauer und bewußter, aber auch distanziert. das liegt hauptsächlich daran, daß mit dem niedergang dieser bewegung neue dinge in den kopf und in die zeitung reinmußten. du konntest nicht so weitermachen als wäre nichts geschehen. damals schien alles möglich, wenn wir nur viele sind und explodieren. so war die zeitung. heute mußt du möglichkeiten vorbereiten und aus der erfahrung lernen, daß die spontane revolte auch über jahre nicht erreichen konnte, daß sich wirklich wesentliche dinge ändern. 82 war es relativ einfach eine zeitung in berlin zu machen. du mußtest beobachten und die eigendynamik ausdrücken. heute sammeln sich u.a. reste der bewegung und du versuchst erfahrungen weiterzugeben, warum eben das eher nach hinten losgeht und jenes nach vorne. und es geht nicht allein um inhaltliche arbeit, was normalerweise den schwerpunkt bei jeder zeitungsarbeit ausmacht. die arbeit mit dieser zeitung muß verdeckt organisiert werden, damit kriminalisierter inhalt überhaupt veröffentlicht werden kann. es hat konsequenzen wenn du sagst, weitermachen statt anpassen und nach einer nische suchen. es kann bedeuten, daß du langsam untergehst und keiner merkt's. oder du organisierst dich konspirativ, um gena'u diese resignation gegenüber staatlicher krimininalisierung aufzubrechen. also du wirst nicht illegal, weil du bock darauf hast dich zu verstecken, sondern weil es aufgezwungen wird. dahinter steckt die gefahr, nach außen isoliert zu werden. aber illegalität ist nur eine möglichkeit - in manchen situationen die einzige - um den kopf offen und klar zu behalten, damit du genau dort weitermachen kannst, wo du willst. es kommt darauf an, was du daraus machst, also illegalität an sich weder dogmatisch ablehnst, noch verherrlichst. einen umgang damit zu finden braucht zeit, und du neigst schnell dazu auf ein extrem abzufahren, wenn du mit dem anderen konfrontiert bist. da wir diesbezüglich keine erfahrungen hatten, war es ein versuch in ziemlich unbekanntes neuland. von der alten radi konnten wir kaum etwas lernen, außer über ihre kriminalisierung und wie damit umgegangen wurde.

was die bewegung betrifft, konnten wir auch kaum auf etwas aufbauen. als wir 84 anfingen, war nichts mehr los. die entwicklung eines teils der bewegung entspricht in etwa auch unserem werdegang in und mit der radi, nur an jeweils unterschiedlichen punkten.
.viele hören auf und richten sich ein oder verzweifeln. andere brauchen monate, jahre, ein ganzes leben, um nach der niederlage perspektiven zum weiterkämpfen zu finden. eben ohne die aufbruchstimmung der massenbewegung, sondern aus eigener kraft gegen die plötzliche vereinzelung. so eine grundsätzliche aufsplitterung ist ja schon geschichtlich bei allen revolten und bewegungen, z.B. bei der apo, der anti-akw-bewegung oder nach der friedensbewegung. der widerstand in allen bereichen stößt an immer dieselben grenzen des systems, und auch an die eigenen. einigen reicht eine diffuse sensibilisierung in der gesellschaft aus - evtl. auch bei sich selber - andere radikalisieren sich, weil sie die vorgegebenen grenzen nicht akzeptieren und praktische veränderungen wollen. unter letzteren geben viele auf, weil sie sich gegenüber der scheinbaren allmacht ohnmächtig fühlen und resignieren. sie suchen nach einer nische im system, wo sie bis zum weltuntergang noch einigermaßen zufrieden leben können, und wenn's die nicht gibt, hauen sie sich mit herein, alk oder sonstigen ersatzlösungen die birne weg. in der bewegung zerfällt das 'wir-Gefühl', weil wenn z.b. erfolge ausbleiben, vor der zunehmenden konfrontation zurückgewichen wird. wenn bullen, die drohung mit knast und medienhetze diese wirkung erzielt haben, setzt die subtile repression ein und verstärkt die innere spaltung.
solche entscheidungspunkte gibt es in jeder bewegung, wenn die politischen forderungen das übersteigen, was das system herzugeben bereit ist. innere konflikte sind die chance, in 'gute und schlechte' zu teilen. also z.b. welche die verhandeln und nicht verhandeln, oder militanter und gewaltfreier widerstand. die 'schlechten', die radikaleren teile der bewegung, bekommen ein abgestuftes instrumentarium an repression zu spüren - medienheatz, knast und klapse, bullenterror - um einige wieder zu 'guten' zu machen. welche weiterkämpfen und nach zig bewährungsproben nicht reformierbar sind, werden aufgegeben und vernichtet.

mit solch beschissener perspektive vor augen wächst natürlich die anzahl der 'guten'. der ausstieg in den einstieg wird ihnen außerdem noch versüßt, d.h. sie bekommen privilegien, von denen die normalbevölkerung nur träumen kann. das sind relative freiräume zur relativen selbstverwirklichung im system, geld und sogar funktionen. im resultat hast du dann ehemals militante häuserkämpferInnen, die ihr haus mit staatskohle reparieren und davon leben, und in einem verinnerlichten abhängigkeitsverhältnis schon die barrikaden anderer wegräumen, um ihren frieden mit dem system aktiv zu verteidigen. das ist ein beispiel aus der realität in kreuzberg nach der bewegung.

kreuzberg ist überhaupt ein gutes beispiel, wenn du dir die reaktionen nach dem 1. mai 89 anschaust. der bezirk ist ein unkontrollierbarer unruheherd und gegenmacht zur herrschaft, in der linke positionen aber nur einen teil ausmachen. der staat finanziert einen aufgeblähten apparat an alternativprojekten, sozialstationen und sanierungsträgern, in dem u.a. der reformierte teil vergangener bewegungen integriert ist und heute handfeste staatliche funktionen erfüllt. sowas findest du nirgendwo sonst in solchem ausmaß in der brd - diese gleichzeitigkeit von relativem freiraun und arbeitsbeschaffungsmaßnahme zur selbstverwirklichung. wo herkömliche mittel der aufstandsbekämpfung (wie bullenknüppel) versagen, werden leute mit geld gekauft. es entsteht eine struktur, die viel effizienter - weil nahe an der basis - die staatliche funktion der herrschaftssicherung übernimmt, und mit der zeit selbst zur herrschenden macht wird. das sind gewollte prozesse, die vielen eingekauften nicht bewußt sind. da mögen einige mit guten absichten und einem radikalen selbstverständnis angefangen haben, aber die zeit arbeitet gegen sie. ihre existenz hängt am staatlichen tropf, und staatliche kohle wird nur vergeben, wenn sie staatlichen interessen dient. mit diesem widerspruch wirst du auf dauer schizophren oder entscheidest dich. die allermeisten entscheiden sich für den weg durch bestehende institutionen oder gründen neue, die sie alternativ nennen. sie entscheiden sich also für den weg der macht und der kleinen reformen innerhalb des systems. im ergebnis werden initiativen von unten bekämpft und es entsteht ein qualitativ neuer angriff auf die radikale linke. es ist ein totaler unterschied, ob springer hetzt oder die taz, weil letztere wesentlich mehr einsicht und wirkung innerhalb der schwammigen zielgemeinschaft 'die linke' hat. auch die taz ist zu einem wesentlichen teil produkt der bewegung. wir haben jetzt weit ausgeholt, um unser heutiges verhältnis zur bewegung und zur alten radi zu erklären. es gab eine gemeinsame geschichte, die im augenblick der entscheidung gegensätzlich interpretiert wurde. einige machen weiter, andere werden über die jahre sogar deine feinde, weil sie dich durch die gemeinsame vergangenheit kennen, und so wesentlich effektivere methoden zu deiner bekämpfung entwickeln können, als der bürokratische apparat. also was vor 5 jahren richtig war, kann heute falsch sein, weil sich die bedingungen verändert haben. gäbe es morgen eine neue bewegung wie 68, 76 oder 81, hätte sie eine neue zeitung. die radi wartet nicht auf neue bewegungen, um sich dann wieder voll in's geschehen zu werfen. die zeitung ist heute bruch mit der bewegung und gleichzeitig weiterentwicklung auf der basis gemachter erfahrungen. sie ist der versuch, genaue und verbindliche strukturen zu organisieren, die von bewegungskonjunkturen unabhängig sind. das soll nicht heißen, daß bewegungen unwichtig sind, im gegenteil. in ihnen wird verkrustetes und eingefahrenes denken aufgebrochen, und die mobilisierung geht meist über das traditionelle linke spektrum hinaus. aber sie werden wieder verpuffen, wenn nicht auch erfahrungen und geschichte der kämpfe ernstgenommen werden und strukturell den luftleeren raum füllen. es geht uns u.a. darum, die verbreitung radikaler inhalte zu organisieren, und uns auf die vermittlung eines revolutionären bewußtseins zu konzentrieren, mit gleichzeitigem bezug zur praxis. ja, und diese vermittlung sicher hinzukriegen, das ist unsere praktische aktion, auch wenn sie im gängigen bild von autonomer politik noch nicht so auftaucht.

ID-Archiv: Wie wird mit dem Mythos der radikal, der sich vor allem eben am Namen festmacht, von euch und euren LeserInnen umgegangen ? Das wer (ist) ja eine immerwährende Kritik, dem die radikal bisher öffentlich wenig entgegengesetzt hat.

radi: mythen werden wohl immer bestehen im politischen kampf, denn die meisten menschen brauchen fixpunkte und orientierungen, in gewissem sinne auch idole. das ist schließlich gesellschaftlicher normalzustand. so wie andere auf popstars abfahren, wird halt in der politszene z.b. eine gruppe hochgehalten und idealisiert.

der mythos 'radikal' nistete anfangs auch in unseren köpfen. je mehr du dich damit auseinandergesetzt hast, desto klarer kommt raus, worum es dabei geht und wie du dich davon befreist. also der mythos war zunächst weniger ein problem zwischen uns und leserInnen, sondern hauptsächlich der eigene konflikt. mythos ist ja ein ziemlich weitläufiger begriff. er wird in der politischen auseinandersetzung oft verwendet. meistens geht es darum, die substanz und basis eines kampfes zu verneinen. also nicht infragestellen, sondern zu sagen: da ist was aufgeblähtes und elitäres, zu dem ich mich nicht verhalten brauche und das sogar falsch ist. das soll jetzt nicht heißen, daß es keine mythen gibt, sondern wie damit politisch umgegangen wird. der mythos radikal hat dieselben ursprünge wie der mythos raf, rz oder der mythos hafenstraße. das geht noch weiter. es gibt den mythos des/der vermummten, der militanz oder der klasse, die das maul aufmacht und sich wehrt. wir möchten den begriff mal übersetzen mit vorbild oder bewunderung jenen gegenüber, die etwas sagen und tun, was du selbst gern sagen und tun würdest.
entscheidend ist, wie du selber damit umgehst. also es gibt vorbilder, aus deren erfahrungen und entschlossenheit du lernen kannst, weil du sie gleichberechtigt als Menschen siehst. das können viele bücher sein von leila khaled bis hin zu den texten der rz, die in vielen wg's die regale füllen. ihr vorhandensein sagt aber nix darüber, wie sie gelesen werden. viele machen aus den menschen übermenschen, sie werden bestaunt und ihre erfahrungen nachgeplappert. so wird aus lebendigkeit ein totes idal. vielleicht weil dein alltag keine Gleichberechtigung mit ihnen zuläßt. du kannst dich identifizieren, aber die radikalltät nicht bei dir selbst umsetzen. es gibt auch leute, die ihr minderwertigkeitsgefühl gegenüber ihren persönlichen mythen noch beschissener verarbeiten. die fangen dann nicht bei sich selber an, sondern zerfleischen eine an sich richtige politik, weil sie mit den eigenen Ansprüchen konfrontiert werden und die nicht raffen. das ziehn wir uns nicht aus dem kopf. solche phänomene haben wir abgekriegt, und es hat ziemlich lang gedauert, das auch so zu blicken. erst bist du überrascht und läßt dich immer wieder auf die kritik ein, bis du akzeptieren mußt, daß es gar nicht um kritik geht, sondern daß sich leute einfach wehren gegen die existenz der zeitung, die beteiligung fordert und ihre zufriedenheit angreift.
mythen verändern die realität, das geschehene verändert sich, was du siehst, wird etwas glattes ohne ecken und kanten. also ein abziehbild oder eine schablone, die jederzeit gezückt werden kann und konstruktive auseinandersetzung unmöglich macht. oft ist es egal, ob der mythos sich als vorbild oder haßsymbol bildet. meist wechselt das eine im laufe der zeit in's andere: karl's vorbild in der schule war immer atze, weil er gut im tor war, während er selbst nur mäßig spielen konnte. bis zum tag des schulturniers. da kassierte atze gleich 5 tore in einem spiel und wurde von der klasse total zur sau gemacht. karl hatte die wahl: mitbrüllen, also sein eigenes vorbild runtermachen, oder ihn verteidigen. ein vorbild gegen alle zu verteidigen geht aber nicht, denn es darf numal keine schwächen haben. ab da war atze nur noch der letzte depp, weil er im entscheidenden moment versagte und von karl's aufgebautem sockel fiel. ähnliche mechanismen spielten sich unserer meinung nach auch innerhalb der linken in den 70ger Jahren ab. als die raf den bewaffneten kampf aufnahm, gab es zunächst viel symphatie für diesen schritt. ihre methoden stießen auf bewunderung, ihre konsequenz schien unerreichbar. mit der zeit veränderte sich die guerilla in den augen vieler zu einem haufen übermenschen, die genosslnnen waren aus dem eigenen alltag verschwunden. als die euphorie nachließ und die zeit der rückschläge folgte, war es passiert. aus kritik wurde ablehnung, ein großteil der linken distanzierte sich und begann wenig später, die heldinnen von einst und vor allem die eigentlich gemeinsamen ziele zu bekämpfen.
das mag jetzt vereinfacht klingen, ist ja auch nur die eine seite der geschichte. wie mythen entstehen und welche auswirkungen sie haben, hängt auch von denjenigen ab, die merken müssen, wenn sie hochgejubelt werden. entscheidendes hat die raf selbst verbrockt. sie haben mit dem mythos politik gemacht, ihn sogar kräftig vorangetrieben, indem auf kritik meist selbstgefäälig geantwortet, und bewegungen und sonstige entwicklungen innerhalb der linken ignoriert oder höchstenfalls abfällig kommentiert wurden. die avantgarderolle bedingt unserer meinung nach die mythenbildung zu einem wesentlichen teil. andere haben gegen ihren mythos angekämpft, wie z.b. die rz. sie haben sich selbst als menschen in einer entwicklung beschrieben, mit ganz menschlichen problemen und engsten. ihre aktionen orientieren sich nicht ausschließlich am eigenen stand, d.h. es wird versucht, revolutionäre politik als wechselspiel zu entwickeln, damit sie für viele aus ihren eigenen bedingungen heraus machbar wird. das ist ein grundsätzlich anderer ansatz als jener der bewaffneten sperrspitze. wenn sie bricht oder stumpf wird, kannst du den ganzen speer wegwerfen. also es steckt sehr viel dahinter, ob du auf einem mythos aufbaust oder gegen ihn ankämpfst. einmal konzentrierst du dich auf die eigene position und verlierst den weg dorthin aus den augen. andersrum konzentrierst du dich auf diesen weg und förderst eigenständiges wollen und handeln. verschiedene positionen können sich dann ergänzen, es gibt nicht das allgemeingültige programm oder die absolute weisheit, nach der genosslnnen eingeteilt werden.
ein anderes beispiel, das wohl viele nachvollziehen können, ist, wie genosslnnen aus der hafenstraße politik gemacht haben. der mythos hafenstr. ist vorhanden in jeder phase ihres widerstandes, der den erhalt der häuser und eine weiterentwicklung von Leuten zum ziel hatte. die genosslnnen haben sich nicht in ihre häuser gesetzt und gesagt, schaut her wie gut wir drauf sind und bewegt eure ärsche. sie haben im stadtteil organisiert, sind in anderen politischen bereichert aktiv und haben ihre positionen und ihr selbstverständnis soweit vermittelt, daß radikale politik selbstbestimmt unterstützt wurde. dann haben sie in vielen städten nicht etwa podiumsdiskussionen geleitet, sondern sich selbst und ihre gefühle rübergebracht, die andere bei sich wiederfinden. also nicht gefordert und leere parolen geschwungen, sondern eigenständigkeit mobilisiert. das ist wohl ein wesentlicher grund für die solidarität mit der hafenstr.. sie hat vielmehr substanz als eine mythen-solidarität gegenüber heldInnen, und pflanzt sich von mund zu mund weiter. wir reden gerade über andere kämfe und gleichzeitig über unseren. es gibt wohl unterschiede, also wir können uns z.b. nicht öffentlich hinsetzen und erzählen. im gegensatz zu den hamburger genosslnnen verschwinden unsere gesichter und unser leben hinter papier. ihre möglichkeiten haben wir nicht, weil die kommunikation aus der illegalität heraus nur abstrakt laufen kann. wir machen die zeitung, schreiben briefe und diskutieren mit genossInnen zu denen es ein vertrauen gibt innerhalb der gemeinsamen arbeit. oder wir machen dies interview. es ist eine andere ebene, im wesentlichen aber derselbe inhalt. auch wir haben an einem mythos mitgebastelt. zunächst die legale redaktion, indem mit selbstbewußtsein geprotzt wurde, von dem nach dem urteil 84 kaum was übrigblieb. in ähnlichem tonfall erschien auch die erste illegale ausgabe, wo der stolz, den bullen auf der nase rumzutanzen, nicht zu verkennen war. hinter dem selbstsicheren frohlocken steckte allerdings nicht viel substanz. schon der. titel der nr.128 - 'anleitung für den herzinfarkt von staat und staatsanwalt' unter einem abgebildeten grab - macht deutlich, daß wir uns eher am unterstellten zorn der gegner aufgebaut haben, als an eigener selbstbestimmung. ungewollt haben wir so eine mystische sichtweise bestärkt, weil sie auch unter uns vorhanden war. die radi erschien als selbstzweck gegen die repression, solange und sogut sie weiterbesteht und organisatorische antworten auf die jeweiligen Schläge findet. demgegenüber spielte der inhalt eine untergeordnete rolle, obwohl wichtigster faktor, wenn du sinn und zweck einer zeitung beurteilst.
an den folgen der anfangszeit haben wir auch heute zu knabbern. wir versuchen dem illegalen prestige unsere eigene veränderung entgegenzusetzen. in die zeitung soll einfließen, daß sie von stinknormalen menschen gemacht wird, die wie alle anderen auf demos gehen und weder gurus noch perfekt sind und sein wollen. wir haben schiß und pauer, sind schwach und stark. wir sind selbstbewußt, wenn viele zustimmen und zweifeln, wenn es arschtritte hagelt. aber wir wissen, daß sich eine kontinuierliche arbeit lohnt, egal in welchem bereich. daß du gruppen brauchst und banden, wo du dich gegenseitig auffängst und bestärkst, daß es keine alternative zu vereinzelung und kriminalisierung gibt, außer kollektivität und vertrauen. so kommen wir zusammen weiter, jeder in seinem und ihrem bereich.
jetzt noch was zum speziellen mythos, dem namen 'radikal'. ob wir ihn beibehalten oder ändern, ist ein schwarz-roter faden in der diskussion der letzten jahre. hinzu kommt die kritik von außen: wenn gesagt wird, andere leute machen eine andere zeitung, dann ist das festhalten am namen 'radikal' nur noch ein festhalten an der symbolik. da sind wir durch, also es ist kein zufall, daß die zeitung weiter so heißt. wir verbinden damit nicht nur einen namen, sondern eine gemeinsame entwicklung und ein selbstverständnis. keineR von uns würde heute eine andere zeitung ausprobieren. die alte redaktion hat die geschichte und das, was der name der zeitung ausgedrückt hat, in ihren letzten ausgaben so ziemlich versaut. der name stand relativ inhaltslos für eine fast schon institution der bewegung. viele genosslnnen kritisierten den ton der letzten ausgaben oder die schwammigen aussagen zum prozeß, unterstützten aber trotzdem. nach dem urteil wurde das projekt als gescheitert angesehen, und der damit verbundene mythos schien nicht mehr zu knacken. jedenfalls wurde die möglichkeit eines neuanfangs belächelt, und wir bekamen sogut wie keine unterstützung von denen, die vorher aktiv waren. das war lange der hintergrund unseres zappelns, daß wir innerhalb der damaligen szene so eine art privatding ohne perspektive abmachen.
entsprechend schwankten wir zwischen selbstaufgabe und durchbeißen, wie in einem heiß-frostigen wechselbad. 'radikal' hat bedeutet, daß da ein tierisches vertriebsnetz liegt, um das sich keineR kümmert. es ging nicht darum, irgendeine zeitung oder überhaupt eine zeitung zu machen, sondern genau diese anhand der struktur die sich entwickelt hatte. der name stand für die möglichkeit, auch nach der repression mit neuen mitteln sinnvoll zeitung zu machen. und zwar ohne sich selbst irgendeinem politischen sachzwang unterzuordnen. als nächstes kamen taktische Überlegungen, mit denen iir von außen auch heute noch konfrontiert werden: wechselst du den namen, werden die bullen verarscht und du verschickst mit weniger panik denselben inhalt über denselben verteiler. das argument kommt immer wieder. in unserer diskussion ging es auch um die radi in die knäste - das waren nicht wenige zeitungen - die mit anderem namen evtl. häufiger an der zensur vorbeigehen.
je mehr wir überlegten, desto deutlicher wurde die kurzsichtigkeit der idee. du hast dich umgeschaut in der radikalen zeitungslandschaft, und die meisten waren regional und hatten verfahren am arsch. nirgendwo gab es eine offensive illegale organisierung, d.h. alle haben aufgehört früher oder später, wenn die repression zu stark wurde und kein entsprechender rückhalt vorhanden war.
der name radikal war bekannt, und eine breite verteilung war darüber möglich. also ein prima ansatz gegen die isolation in der illegalität. änderst du den namen der radi, werden die leserInnen schneller und länger verwirrt, als die repression.
den bullen geht es ja nicht um einen namen, sondern um den verbreiteten inhalt der zeitung. die kriegen ziemlich schnell den taktischen schachzug mit, jedenfalls schneller als die eigene struktur. mit der konkreten erfahrung im rücken haben wir ausgerechnet, daß die scheinbar neue zeitung ziemlich schnell als 'nachfolgeprojekt' oder sonstwas denselben 129a rangekriegt hätte. der einzige schutz dagegen wäre eine stärkere basis für die zeitung gewesen, und die war mitnichten in sicht. wir hätten uns wohl selbst schachmatt gesetzt und eine entwicklung wie sie heute stattfindet verbaut. insofern haben wir auf dem mythos 'radikal' auch aufgebaut. das hieß aber nicht, ihn zu akzeptieren, sondern möglichkeiten die bei keiner anderen zeitung vorhanden waren konstruktiv nutzen. während wir mit taktischen varianten jonglierten, wurde die wichtigste sache überhaupt klarer: wenn du taktierst oder nur daran denkst zu taktieren, muß vorher ein konkretes selbstverständnis da sein, über das jedwede tricks definiert werden. es muß klar sein, was wir überhaupt wollen. da wir gezwungen waren, uns mit den namen 'radikal' auseinanderzusetzen, hat sich einiges im gemeinsamen wollen darüber entwickelt. am anfang hat es sich etwa so angehört: wenn die schweine dir verbieten zu sagen und zu diskutieren, was wir wollen, dann ist das eine unverschämtheit. egal was in ihren gesetzen steht. und wenn sie deshalb eine zeitung mit dem namen 'radikal' verbieten, weichst du nicht aus, sondern organisierst dich besser, und machst genau die zeitung weiter. das hat nichts mit trotz zu tun, sondern wie aufrecht du selbst in den spiegel schauen kannst. wir müssen eh schon genug akzeptieren, aber das nicht. da ist unsere grenze erreicht.
inzwischen können wir das selbstverständnis genauer beschreiben. da liegt ja eine längere entwicklung und immer wieder kritik von außen dazwischen. besonders nach der repression 86/87 mußten wir begründen können, warum die zeitung auch weiter so heißt. es geht dabei weniger um die symbolträchtige geschichte, sondern um unsere deutung des wertes 'radikal'. wir finden keinen besseren namen für diese zeitung, der unseren politischen ansatz besser ausdrücken würde. vielleicht hilft ein beispiel weiter: es gibt ja mehrere zeitungen, die als name ein hauptwort haben. das entspricht in etwa politischen positionen in der autonomen und antiimperialistischen bewegung. ein hauptwort ist etwas festes, während z.B. eigenschaftsworte alle hauptwörter beschreiben und interpretieren können. nach langem suchen hat sich die 'karlsruher stadtzeitung' später 'wildcat' genannt. die wildkatze ist das symbol bestimmter arbeitskämpfe, d.h. die genosslnnen haben in dem namen eine aussage für die politische position und den inhalt der zeitung getroffen. da kannst du einen ganz anderen politischen bereich erwarten, als bei einer zeitung, die z.b. 'zwischenlösung' genannt wird. wir haben kein hauptwort und auch keine ausschließliche position, unter der wir alles betrachten und einordnen. wir sehen radikale politik als etwas lebendiges, was sich ständig verändert, und vor allem von vielen unterschiedlichen menschen getragen wird. wir legen uns weder auf häuserkampf fest, noch auf z.b. anti-akw-kampf. in manchen bereichen ist der widerstand gegen etwas bestimmend, in anderen wird stark für selbständige ziele gekämpft. dann gibt es kämpfe und genosslnnen, die sich antiimperialistisch, sozialrevolutionär, antifaschistisch oder kommunistisch begreifen. kein ansatz beschreibt für sich genommen den weg zur revolution oder kann eine allesumfassende wahrheit vermitteln.
umgekehrt: in allen bereichen und mit jeder position werden wichtige ansätze verfolgt. sie müssen sich ergänzen und ineinanderfließen, damit etwas starkes gemeinsames rauskomt.'

noch einen schritt weiter: wir denken, daß viele autonome zu sehr von der eigenen betroffenheit ausgehen und andere kämpfe teils nichtmal wahrnehmen, weil sie nicht so spektakulär sind wie die eigenen. aber widerstand ist so vielfältig, wie es für die unterdrückten weltweit unterschiedliche bedingungen und möglichkeiten gibt, sich zu wehren und zu organisieren. viele kämpfe werden kaum beachtet, weil sich in andere menschen und situationen nicht reingedacht wird. oder es entstehen wunschbilder, die mit den wirklichen menschen nix zu tun haben. gerade die vereinzelten, spontanen und meist unspektakulären kämpfe müssen erkannt und unterstützt werden, damit die radikale linke eben teil einer revolutionären kraft wird. wenn wir näher hinschauen, ist eine wichtige verbindung der kämpfe ein neues klassenbewußtsein, das begriffe wie abhängigkeit, entfremdung, unterdrückung nicht allein auf das arbeits und lohnverhältnis reduziert. der antipatriarchale kampf der frauen hat z.b. deutlich gernacht, daß herrschaftssicherung und bevormundung nicht allein in der fabrik vorhanden sind, sondern daß unterdrückungsmechanismen erstrecht in familien und beziehungen zwischen männern und frauen ablaufen. es gibt nicht nur den klassischen rassismus gegen ausländerinnen, sondern die eine hälfte der menschen fast überall - die frauen - werden vom sexismus existenziell angegriffen. der kampf der frauen hat ein radikales selbstverständnis. theoretisch und praktisch darf der antipatriarchale ansatz in keinem kampf um autonomie und in keiner politischen position fehlen, wenn der widerstand konsequent für eine menschenwürdige gesellschaft eintritt. wir nehmen ein eigenschaftswort, das für jede hauptwort-position gültigkeit hat. wenn genosslnnen z.b. für kommunismus eintreten, dann müssen ihr theoretisches gebäude und ihre praxis die vorhandene realität radikal erfassen und radikal verändern wollen. nicht alle mittel heiligen den zweck, d.h. es gibt genug geschichtliche beispiele von beschissenen revolutionen, wo eine herrschaft die andere ersetzt. wenn das reale unterdrückungsverhältnis zwischen mann und frau nicht angetastet wird, wird die basis von elite und herrschaft nicht angetastet. das bezieht sich dann auch auf die treffsicherheit der kämpfe, also der alleinige klassenstandpunkt erfaßt das wesen von herrschaft, kapitalismus und faschismus nicht vollständig, und eine entsprechende politik stößt auf grenzen. radikal ist ja nicht irgendeine worthülse. das wort wird von vielen gebraucht, um ein selbstverständnis auszudrücken. es zeigt sich in der geschichte seit 68 und aktuell, daß zwischen 'der linken' und der 'radikalen linken' ein unterschied wie zwischen himmel und hölle bestehen kann. 'die linke' hätte nach dem verbot der zeitung aufgehört oder was neues probiert. 'die linke' agiert innerhalb des systems und klammert ihre persönliche existenz an kapitalistische nischen, während es für radikale eine logische konsequenz ist, innerhalb einer politischen entwicklung gejagt zu werden und wahrscheinlich im knast zu landen. die grenzen dazwischen sind fließend, entscheidend ist nicht immer was einer tut, sondern wie und mit welchem bewußtsein. du kannst z.B. innerhalb eines staatlichen apparates für leichte veränderungen eintreten, oder deine stellung zur radikalen sabotage nutzen. letzteres bedeutet, daß du von deiner position nicht abhängig werden darfst, daß du jederzeit bereit bist, woanders ganz neu anzufangen. zwischen den unterschiedlichen herangehensweisen liegt ein bruch, der dein ganzes leben bestimmt.
das wort radikal bedeutet an der wurzel anpacken, ursachen finden, angreifen und verändern. es bedeutet, den eigenen erfahrungsbereich auch verlassen zu können und z.b. nicht von frieden zu sprechen, während du selbst von mord und ausbeutung profitierst. eine solche sichtweise darf nicht bei moralischer betroffenheit enden, sondem in aktiver solidarität. radikal bedeutet, daß 'persönlich' und 'politisch' nicht getrennt werden können. also es gibt nicht nur politische notwendigkeiten, sondern auch die eigene verweigerung im radikalen leben. es ist voller veränderung und risiken, und es besteht aus extremen höhen und tiefen, je mehr die ruhe bürgerlicher zufriedenheit und sicherheit verändert wird. ein radikales selbstverständnis setzt nicht nur bei einem feindbild an, sondern auch bei dir selber und deinen verhaltensweisen. so ähnlich gehen wir mit dem mythos radikal um. wir sprechen ihn an, wenn es möglich ist, und wir schreiben briefe und kommunizieren außerhalb der zeitungsarbeit, soweit wir die kraft und konzentration dafür aufbringen. wir denken, daß sich einiges schon verändert hat und sich in dem maße weiterverändert, je mehr genosslnnen in verschiedenen regionen mitarbeiten, statt außerhalb zu stehen. im wesentlichen geht es nur darum. es sind heute größtenteils andere leute als vor 5 jahren, die die radi lesen. je mehr ein eigenständiges und gleichberechtigtes verhältnis zu der zeitung entsteht, desto weniger wird über mythen gesprochen werden müssen. das wird hoffentlich auch jenen genosslnnen deutlich, die sich noch ziemlich stark an der geschichte der zeitung orientieren. welche genauer hinschauen, entdecken die schwächen und stärken der entwicklung über die jahre. mythen entstehen oft, wenn wenige aktiv sind. sind es viele, wird der mythos durch die machbare realität abgelöst, auch wenn sie gestern unrealistisch schien.

ID-Archiv: Könnt ihr nach 5 Jahren nocheinmal den Diskussionsprozeß von 1984 aufzeigen, d.h. die Gründe, die eurer Meinung nach zur Einstellung der 'alten' radikal (1976-84) führten - und natürlich die Motivation der Leute (in der Nr. 128 bezeichnen sie sich selbst als die 'neuen'), die Zeitung weiterexistieren zu lassen.

radi: dazu ist ja schon was gesagt worden. erstmal fiel die entscheidung zum weitermachen nicht in einem diskussionsprozeß. das war ein ziemlich spontanes ding. es entsprach einfach der eigenen politischen entwicklung, jetzt und mit diesem projekt auch für dich selber etwas kontinuierlich anzupacken, statt z.b. relativ ziellos von einem ereignis zum nächsten zu hechten. für die meisten damals war die radi nicht irgendeine zeitung, sondern teil der eigenen geschichte. entsprechend aufgewühlt und geladen waren wir nach dem prozeß. den haben wir auch als angriff auf uns selbst gesehen.
was in der alten redaktion abgegangen ist, hat keiner selbst erlebt. das blieb außen vor, denn von den alten leuten war keineR da, der und die sich für ein weitermachen eingesetzt oder zumindest was vermittelt hätte. erst über jahre konnten wir uns ein bild machen und nach gründen für den abgang suchen. das mußte mühselig zusammengeklaubt werden, größtenteils über genossInnen, die was über andere wußten und auch nur während des umbruchs oder sporadisch im projekt aktiv waren. der bruch zwischen der legalen und illegalen radi fand auf allen denkbaren ebenen statt, außer beim vertrieb. es gab sogut wie keine vermittlung von erfahrungen, die zuvor in jahrelanger zeitungsarbeit oder während der kriminalisierung gemacht wurden. z.b. gab es den versuch, sowohl inhaltlich wie auch gegen die repression mit anderen zeitungen zusammenzuarbeiten. ein bestandteil dieses versuchs war die kampagne 'radikal und zornig', deren parolen und plakate auch heute verwendet werden. mit öffentlichen diskussionen von vertreterinnen der stadtzeitungen und festen wurde versucht, daß bewußtsein für radikale zeitungen und deren kriminalisierung zu verbreitern und eine gemeinsame stärke hinzukriegen.
als wir anfingen, war davon kaum noch was zu spüren, besonders was den angestrebten zusammenschluß der zeitungen betrifft. da gab es wohl weiter Überlegungen für eine von vielen getragene bundesweite zeitung, aber die hatten mit der radi wenig zu tun.

die zeitung existierte ja nicht mehr in den köpfen und nur selten erschien eine neue ausgabe. ganz zum anfang gab es einen kontakt zu einem anderen zeitungskollektiv, nachdem wir uns vollständig zurückgezogen haben. die waren nur spitz auf das vertriebsnetz und den namen der radi, um es in ihre eigene politik und konzept zu überführen. als wir unser williges amen zu deren planen verweigerten, kam der arschtritt und uns wurde nochmal klarer, daß wir nur auf die eigene kraft vertrauen dürfen. wie sehr wir bei null angefangen haben, hat sich u.a. in der ersten illegalen nr.128 ausgedrückt, die in vieler hinsicht eine schlechte kopie der alten radi war. der prozeß 84 viel in eine zeit, wo die häuserbewegung größtenteils befriedet oder zerschlagen war. von den turbulenten messen auf der straße war wenig übriggeblieben, bzw. autonome strukturen gab es nur vereinzelt und es mußten neue aufgebaut werden. mit dem abgang der bewegung kam auch die radi in eine sinnkrise, also die zeitung war ja teil der bewegung und mußte sich jetzt irgendwie anders orientieren. die redaktion fiel auseinander. wie wir's mitgekriegt haben gaben jene leute auf, die die bewegung aufarbeiten und neue perspektiven finden wollten. wir denken, daß sich die spaltung auch an, der frage vollzog, auf welcher politischen ebene mit der kriminalisierung umgegangen werden sollte, aber das ist eher eine spekulation. weitergemacht hat dann eine mehr oder minder intellektuelle fraktion, die weniger auf eine stärke von unten setzte, sondern auf unangreifbarkeit über die große öffentlichkeit, die anhand der kriminalsierung entstand. das drückte sich auch im inhalt der letzten zeitungen bis zum urteil aus. es ging immer mehr um ein freies lebensfeeling und eine allgemeinverträgliche politik, als um weiterkämpfen.
auf die kriminalisierung folgte eine breite solidarität von militanten bis in liberal-bürgerliche gefilde: also z.b. scherbendemos wie in kopenhagen und hunderte von leuten, die namentlich als mitherausgeberinnen der radi abgedruckt wurden. selbst bürgerliche medien medeten sich, weil sie ihre eigene 'presse-freiheit` bedroht sahen.

in der breite der kamagne sind radikale inhalte allerdings bis zur unkenntlichkeit verschwommen. entsprechend stützte sich ein großer teil der empörung auf die verteidigung eben der 'pressefreiheit`, als ob die radi - zwar am rand der presselandschaft - dieselben von der verfassung versprochenen rechte beanspruchen würde, wie bürgerliche medien. ein radikales selbstverständnis des widerstandes hatte da kaum noch platz. also z.b., daß die radi kein einzelfall von zensur und verbot ist, daß eine politik gegen das system unglaubwürdig wird, wenn sie sich auf dessen gesetze beruft, daß du ganz logisch demokratische rechte und freiheiten verlierst, weil diese die macht stützen sollen und nicht den widerstand dagegen. die radi erschien während des prozeßes weiter. ihr ton war frech, lässig und vermittelte ein selbstbewußtsein, auf das so einige abgefahren sind. dann kam das urteil, und das schöne gebäude brach bis auf die grundmauern zusammen. die beiden symbolisch verurteilten entwischten dem knast über die immunität als europaparlamentarier, ein von den 'grünen' gestelltes privileg, von dem weniger berühmte gefangene nur träumen können. ein anderer angeblicher "Täter" mußte nach holland ins exil flüchten und war lange von der auslieferung bedroht. die redaktion war plötzlich verschwunden, ohne noch ein wort in der angelegenheit zu verlieren. viele waren enttäuscht, und begruben die zeitung in ihrer erinnerung.

angesichts der öffentlichen kampagne war das 2 1/2 jahre urteil schon ein hammer, mit dem in der situation nicht unbedingt gerechnet werden mußte. meistens bist du immer nachher klüger. es war ein glasklares staatsschutzurteil der harten fraktion. ähnlich wie das nicht integrierbare häuserproblem militärisch gelöst wurde, erledigte die justiz die zeitung der bewegung ohne große rücksicht auf den öffentlichen protest. außerdem war es ein präzedenzurteil in der auslegung des 129a, also ein grundsätzlicher angriff auf mißliebige kommunikatiosstrukturen: du gehst in bau, weil worte als taten gelten. egal ob deine eigenen, egal ob du sie druckst, schreibst, verbreitest und mittlerweile einfach nur sagst oder sagen könntest, weil du sie denkst. mit dem hintergrund haben sich nach dem urteil mehrere leute hingesetzt und beratschlagt. von anfang an gab es sich widersprechende vorstellungen, was mit der situation anzufangen ist. fakt war, daß die radi schon längst eine bundesweite zeitung war, daß sie regionen und leute erreichte, wo es ansonsten nur die taz gibt. radikale träumen oft von der verbreiterung der bewegung oder revolutionärem bewußtseins - hier lag ein wesentliches mittel und die struktur ungenutzt rum, du brauchtpst bloß zuzugreifen. die grundstimmung, das ding ist wichtig genug und muß weiterlaufen, reichte nicht aus. um das wie kam es relativ schnell zu harten diskussionen und auch machtkämpfen. es ging darum, welche politik hinter einem schlußstrich unter die bewegung angesagt ist, und auf welche politischen positionen sich die radi in zukunft beziehen sollte. im prinzip rasselten dabei weniger die ausgeschmückten vorstellungen aneinander, sondern die politische und persönliche unterschiedlichkeit der leute. das war wirklich ein bunt zusammengewürfelter haufen. ziemlich bald stellte sich heraus, daß einigen eher ein rein bewußtseinbildendes organ vorschwebte, während andere in erster linie revolutionäre praxis vermitteln und militantes bandenwesen dokumentieren und vorantreiben wollten. das ist aber nur ein beispiel. wenn wir den ganzen konflikt wiedergeben müßten, würde das seiten füllen. was du als inhalt in einer zeitung willst, hängt ja davon ab, wie du selber politik machst. also z.b. ob du dich so siehst, daß du für andere etwas tust oder sagst, oder mit anderen in einer gemeinsamen entwicklung. was theoretisch hätte zusammenlaufen und sich ergänzen können, zerbrach endgültig an der frage, wie die radi zu organsieren ist. entsprechend ihren inhaltlichen vorstellungen setzten einige weiter auf legales erscheinen, indem z.b. anschlagserklärungen weggelassen oder ausdrücklich nur dokumentiert werden sollten. also eine läuterung nach innen, denn genau jene inhalte würden verschwinden, die der repression den anlaß zum ausflippen gegeben hatten. durchgesetzt hat sich schließlich die andere fraktion. durchgesetzt ist das richtige wort, denn angesichts der widersprüche war eine gemeinsame sache nicht möglich. es gab einen bruch in der diskussion weil es in der nächsten zeit hauptsächlich um die konkrete arbeit ging, also das umsetzen, was sich als gemeinsame basis in der theoretischen auseinandersetzung zuvor herauskristalisiert hatte.
die notwendigkeit der radi und der illegalen organisierung waren im bauch, aber nicht viel im kopf dazu. keiner hatte erfahrung mit illegaler arbeit oder schonmal eine zeitung gemacht. erstrecht keine überregionale mit einer solchen struktur und geschichte. und dann stehst du vor einem apparat mit tausend abos und hunderten verteilerInnen, von denen du überhaupt nichts weißt. genossInnen die unseren erfahrungshintergrund kannten, schimpften uns leichtsinnig. zum glück konnten wir uns darunter nicht mehr vorstellen als eine warnung, sonst wäre es zum Leichtsinn nicht gekommen. wir haben versucht nach vorne zu schauen und auf entwicklungen vertraut. es gab keinen zweifel an der richtigkeit des vorhabens, sondern nur, ob wir es überhaupt schaffen können, bevor z.b. die bullen erneut zuschlagen. das ging alles hand in hand mit der eigenen entwicklung, also in der auseinandersetzung und arbeit für die radi, gingen wir unsere eigenen schritte.
das hieß dann, illegalität lernen, gleichzeitig den büro-apparat mit kohlescheiße und rechnungen blicken, und denn noch möglichst viel energie für den inhalt der zeitung. es mußte eine sichere adresse her, damit zumindest ein kontakt und einfluß von außen möglich ist, damit du nicht vollständig abdriftest ohne es zu merken. unsere entwicklung läßt sich vergleichen mit dem, wie sich viele im widerstand durch den widerstand verändern und lernen. also erst schmeißt du steine, um dich zu wehren und aus hass gegen schweinereien. mit der zeit wird klarer, daß die ungerechtigkeit system hat und du nicht allein betroffen bist. die steine fliegen mehr und mehr als bewußter angriff. die front zum staat wird zum bestandteil deines fühlens und handelns, gleichzeitig die alltägliche und politische repression. dann fängst du an dich zusammenzutun und überlegst, ob es nicht auch andere mittel als steine gibt, mit denen du angreifen kannst. in solchen entwicklungen haben wir angst bekamen und nochmehr die eigene kraft gespürt. da war das Gefühl, du blickst immer mehr durch und verstehst zusammenhänge. untereinander entsteht ein zusammenhalt und vertrauen, das auf extreme proben gestellt wird. das hast du vorher so nicht gekannt. es war etwas neues und gutes, denn nach jeder bestanden probe mit dir selber warst du sicherer und weiter als zuvor. heute ist es genauso. es gab nur abschnittweise eine feste gruppe. genossInnen hörten auf und andere fingen an. mal war die gruppe größer mal kleiner.

das waren die härtesten proben, wenn und warum einer aufgehört oder ausgesetzt hat. es blieb immer ein stück ohnmacht zurück, die kollektive entwicklung wurde infragegestellt und ob das alles überhaupt zu schaffen ist.
in einem solchen prozeß entstanden die ersten ausgaben. es war ein lernen und durchboxen. die motivation diese zeitung zu machen, veränderte sich ständig. einige male war ende angesagt, und als es dann doch weiterging, hattest du festeren boden unter den füßen. vielleicht ist es ein frevel, soviel an motivation von sich selber abzuleiten. aber es war so, mindestens bis 86. es war uns klar, daß das projekt bei älteren genossInnen unten durch ist und höchstenfalls abwartend beobachtet wird. und daß wir von leuten auf unserem stand nicht mehr erwarten können, als das begeisterte 'geil, daß es die radi weitergibt'. die briefe, die pauer, die spenden besonders aus der provinz und kleineren städten waren tierisch wichtig: du bist von der bildfläche verschwunden und trotzdem nicht im luftleeren raum. es hat basis und macht sinn, schritt für schritt weiterzugehen, auch wenn es jahre dauern kann bis die radi das ist, was sie werden soll. in dieser zeit hat sich herausgebildet, daß wir uns nicht mehr allein auf die autonome metropolenszene beziehen. von hier kam relativ wenig unterstützung und relativ viel mißtrauen, warnungen und kritik. mit der erfahrenheit der leute konnten wir aber wenig anfangen, weil sie neben uns stand und nichts investierte. wir haben oft praktische hilfe gebraucht, wo hätte gebettelt werden müssen.

so waren dann auch die ersten ausgaben. der inhalt orientiert sich an jenen, die damit was anfangen können und auch rüberbringen, daß sie die radi brauchen. und die nicht zerfleddern, was nicht geschafft wurde, weil sie sich ein bißchen in die schwierigkeiten reinversetzen können und deshalb mehr auf positive entwicklungen achten. mit solcher rückenstärkung wurden wir immer weniger anfällig gegen eine kritik, die z.b. die geschichte der radi oder meterhohe ansprüche auf uns übertrug. wenn sich erfahrene genossInnen um den nachlaß der radi gekümmert hätten, wäre bestimmt alles anders geworden. nicht besser oder schlechter, sondern anders.

ID-Archiv: Als Zeitung illegal erscheinen bedeutet ja nicht nur, ohne Rücksicht auf zu erwartende politische und juristische Repression, Inhalte zu vermitteln. Und nicht zu vergessen, daß ein offensives Ignorieren der bestehenden Gesetze auch ein verantwortliches Umgehen aller Beteiligten voraussetzt Wurde die illegale Zeitungsproduktion intern ausführlich diskutiert, d.h. alle Möglichkeiten der zu erwartenden Repression abgewägt? Nach außen, also für die LeserInnen, kann in den einleitenden Worten der MacherInnen jedenfalls nicht von Transparenz einer Diskussion zu dieser Problematik gesprochen werden.

radi: es kommt darauf an, was unter diskussion verstanden wird. du kannst versuchen, eine sache von vorn bis hinten auzudiskutieren, bevor mit dem praktischen umsetzen angefangen wird. oder du nimmst dir verschiedene schritte vor, und diskutierst darüber während du sie machst. wir haben z.b. transparent gemacht, daß die zeitung illegal ist, und daß du wegen handverkauf in knast gehen kannst. allein damit läßt sich doch was konkret anfangen und selbständig überlegen.

die frage zielt auf das bewußtseins mit der die illegale arbeit begonnen wurde; vorbestimmung und vorplanung, bevor du illegal aktiv wirst. aber illegalität ist nicht nur ein bruch, sondern auch eine entwicklung. also wenn du dich dazu entscheidest, bist du noch lange nicht mit illegalität vertraut. wenn du dich vorher nie verstecken brauchtest, mußt du verstecke finden, wenn du gerne ehrlich und offen lebst, mußt du dir auch lügen und schweigen angewöhnen. stell dir vor, du lebst mit hundert freundInnen auf der straße, und plötzlich verkriechst du dich in ein kellerloch. da kannst du nicht von einem tag auf den anderen mit umgehen. du läßt dich bewußt darauf ein, aber illegalität ist ein lernprozeß, in dem du stück für stück abcheckst, was sie bedeutet und welche konsequenzen der schritt hat. in der entwicklung ist stillstand kaum möglich. du mußt permanent hinterfragen und nach vorne verändern, auch weil im rücken ein messer sitzt, und es die hundertprozentige sicherheit nicht gibt.
die voraussicht und unsere einschätzung der repression entsprachen unserem stand. wir haben ja schon beschrieben, daß wir zwar mit besten absichten aber ohne viel erfahrung angefangen haben, und mit beiden beinen reingesprungen sind. wir haben das projekt nie als nebensache behandelt, im gegenteil. die diskussionen über illegalität und repression liefen meist an den praktischen sachen ab, die gerade anstanden. wir mußten relativ schnell relativ viele bedingungen klarkriegen und umsetzen, es wurde organisiert und abgesichert, zuerst uns selber. viele kannten sich ja vorher nicht, und das hieß, daß du viel genauer miteinander umgehen mußt, als beim gemeinsamen kneipenplausch. du mußt gemeinsame kriterien entwickeln, wie du dich verhälst, was du anderen erzählst, wie du dich innerhalb der szene versteckst und trotzdem mitmachst. das läßt sich in zwei sätzen nicht wiedergeben, weil illegalität lernen jahre dauert und eigentlich nie zu ende ist. das bewußtere umgehen mit der repression entsteht auch erst in einer längeren entwicklung. dazu brauchst du eigene erfahrungen aus der speziellen situation und arbeit, um überhaupt eine basis für egal welche einschätzung zu haben.
am anfang haben wir von den erfahrungen anderer mit illegaler praxis gelernt, z.b. von den rz. so haben wir uns gegen die wahrscheinlichsten ansätze der repression abgesichert. wir brauchten maschinen, und wir brauchten treffen und die kontinuierliche arbeit. vorplanen, um überhaupt diskutieren und die zeitung machen zu können.
dann mußte eine sichere adresse her, denn eine zeitung ohne kontakt zur außenwelt ist meist etwas totes oder organ einer gruppe und position. wir konnten uns die radi nur als offene zeitung vorstellen, an der sich viele beteiligen können und sollen. eine adresse in der brd fiel flach, denn die bullen würden zugreifen und kein vernünftiger mensch was schicken. also eine auslandsadresse, am besten mehrere in solchen Ländern, wo es noch keine kriminalisierung entsprechem dem 129a gibt, und deshalb schwierigkeiten bei der "amtshilfe" zu erwarten sind. solche Adressen mußt du erstmal finden, und wenn du keine internationalen kontakte hast, dann geschieht das nicht von einem tag auf den anderen. und irgendwie müssen wir an die post ran, die kannst du dir nicht einfach nach hause schicken lassen oder mal kurz abholen.
die zeitung selbst muß irgendwie irgendwo vorbereitet, gesetzt und layoutet werden. eine setzerei anmieten geht nicht, und das zeug aus der hand geben, wohin denn? bist du da durch, muß das ganze gedruckt werden, und wo soll das laufen, wenn du noch nie eine drucke von innen gesehen hast. da mußten wir kontakte spinnen und rumfragen, aber immer schön vorsichtig und langsam und über ecken. die radi war durch den prozeß so bekannt, daß wir befürchten mußten, an die falschen leute zu geraten. ist auch passiert. in der anfangszeit mußtest du bloß den namen nennen, und schon spitzen sogar die wände ihre ohren. kam uns jedenfalls so vor.

um sicherheit zu bekommen, waren wir stark auf vertrauen angewiesen. deshalb gab es lange diskussionen mit leuten, um sagen zu können, der oder die ist in ordnung oder andersrum eine aufgeblasene pfeife. gerade solche, die besonders lässig waren nach dem motto `alles klar, kein problem', hatten am wenigsten klar, was der unterschied zwischen einer zeitung und einer illegalen zeitung ist. es gab schonmal eine fertige ausgabe, die wegen unseres gewachsenen mißtrauens gegenüber unterstützerinnen fast vollständig eingestampft werden mußte. auch verschiebungen sind vorgekommen. andersrum haben auch wir mal solche scheiße gebaut, daß andere den kontakt mit uns abbrachen. wir sind über die situation der genossInnen ziemlich rübergetrampelt, und bei unserem damaligen verhalten war es mehr glück als verstand, daß nix aufgeflogen ist. was wir noch klarkriegen mußten, war der vertrieb, also zigtausend zeitungen in zighundert paketen und umschlägen in zighundert städte, dörfer und ins ausland. als postvertriebsstück ging nicht mehr, und z.b. bei allen persönlich vorbeischaun genausowenig. also mußte die zeitung zwar anders und unauffälliger, aber trotzdem verschickt werden. das machte dann ein paar tausend mark mehr porto. und wo kriegst du auf die schnelle so ein sümmchen her, wenn du nicht millionärin bist. oder die kohle für produktion und gewisse sicherheitskosten, die wir hier nicht auflisten wollen. wir selbst sind das genaue gegenteil von vermögend, und trotzdem blieb oft nichts anderes übrig, als von der eigenen kohle reinzubuttern. mit der organisierung u.a. der beschriebenen sachen waren wir gut eingedeckt. es kam noch viel mehr dazu, was wir nicht erwähnen. wenn eine sache angepackt wurde, ergaben sich daraus meist neue probleme, an die zuvor keiner gedacht hatte. oft auch nicht denken konnte. beim nächsten mal flutschte es allerdings besser, denn du konntest schon weiter vorne ansetzen. ohne ein gute portion idealismus, pauer und auch glück, hätte es zwischendurch mehrmals endgültig krachen können. mit den erfahrungen vor allem in der praxis wurden wir sicherer, daß die basis für eine illegale zeitung steht. die meisten hatten sich wesentlich mehr auf organisatorische sachen konzentriert, als auf die inhaltliche diskussion.und beiträge in der zeitung. im hinterkopf stand die perspektive, daß längerfristig viel mehr gruppen aus dem widerstand die zeitung nutzen, wenn sie sicher organsiert ist und regelmäßig erscheint. es ging ja nie um illegalität als selbstzweck, sondern als voraussetzung für freie kommunikation und vermittlung radikaler politischer anhalte. unsere verantwortung hörte an einem ziemlich eindeutigen punkt auf. wir machen die redaktionsarbeit und die zeitung, organisieren die produktion, notwendige kohle und den vetrieb bis an die stelle, wo die radi in den postämtern liegt. ab da hatten die zeitungen die illegale struktur verlassen.

ID-Archiv: Im August 1986 kam es mit der Nummer 132 zum großen Knall. Ein auf der letzten Seite abgedruckter Gruß zur Liquidierung des Siemens Managers Beckurts und die beigelegte Erklärung nahm die Bundesanweltschaft zum Anlaß, um bundesweit linke Buchläden und Wohnungen von WiederverkäuferInnen zu durchsuchen. Gerade die Grußadresse an die 'Genossen/innen aus der Stadtguerilla, die Siemens-Vorstandmitglied Beckurts liquidiert haben' auf der Rückseite des 2. Teils der Zeitung und die eingelegte Erklärung der RAF zu dem Anschlag, wurde von vielen Projekten schlicht als überflüssig eingeschätzt. Aber was noch mehr Verwirrung stiftete, war die Tatsache, daß dem Staatsschutz fast die gesamte öffentliche Verteilerstruktur in die Hände fiel. War das nun ein (inhaltliches und organisatorisches) oberflächliches Umgehen eurerseits oder einfach nur Zufälligkeit? Mit der Diskussion um die Nr. 132 kam ein weiterer Kritikpunkt hoch, nämlich die sogenannten 'Anleitungen' in den bisher erschienenen Ausgaben. Das Nachdrucken aus einer RZ-Broschüre mit Tips zur Sabotage, wurde von nicht wenigen als Spielen mit der Illegalität und Wortradikalismus eingeschätzt, deren juristische Konsequenz u.a. die WiederverkäuferInnen zu tragen hatten. Aber prinzipiell sind solche Anleitungen auch für Leute gefährlich, die aus Neugierde und ohne notwendigen Fähigkeit mal was ausprobieren wollen. Daß die 'Tips' aus der RZ-Broschüre, die auch in der militanten Szene umstritten waren und sind, einige gravierende Konstruktionsfehler aufwiesen, zeigten dann auch die regelmäßigen Korrekturmeldungen in den jeweils folgenden Nummern. Und es gibt genügend Beispiele, wo sich Leute daran (nicht nur) die Finger verbrannt haben. Sicher, jedes Herz kann eine revolutionäre Zelle sein, aber der Umgang mit explosiven Materialien vermittelt sich doch nicht auf ein paar Seiten der radikal, oder ? In den den letzten Nummern hat man keine Anleitungen mehr gelesen. Hat diesbezüglich bei euch eine Reflexionsphase stattgefunden ?

radi: als erstes möchten wir auf die fehler bei der nr.132 eingehen, und dann auf die inhaltliche kritik. für die betroffenen der kriminalisierung gehört das zwar zusammen, denn wenn du wegen der radi angegriffen wirst, mußt du viel klarer hinter dem projekt und inhalt stehen als vorher. unsere situation ist anders, wir möchten nicht auf dem hintergrund des schlages der repression über den inhalt diskutieren, sonst wird etwas vermischt, was für uns nicht zusammengehört. wenn wir inhaltlich diskutieren und konzepte beratschlagen, dann muß das unter uns und unabhängig staatlicher einflüsse geschehen. es soll ja eine eigenständige position rauskommen, die natürlich von vielen entwickelt und getragen wird, möglichst auch von allen, die die radi verteilen. und wenn wir über die repression diskutieren, dann sind es organisatorische dinge die überlegt werden, wenn es dabei um die verbreitung der zeitung geht.

was die repression betrifft, sind wir verdeckt organisiert und z.b. buchläden öffentlich. was den inhalt der zeitung betrifft, bekommst du ein viel konkreteres verhältnis dazu, weil du ihn ja mitbestimmst und diskutierst. einige verteilerInnen haben die radi vor der nr. 132 nichtmal gelesen oder sich mit dem inhalt auseinandergesetzt. das ist gerade auch in buchläden kaum zu bewältigen, weil dort papier tonnenweise vorhanden ist und täglich wechselt.
es geht uns jetzt nicht darum, etwas als besser oder schlechter hinzustellen, sondern um unterschiedliche sichtweisen, entsprechend der eigenen situation und arbeit. für die verteilerInnen sind wir als radi ein fixpunkt, für uns waren sie hunderte verschiedene menschen und gruppen. es ist selbstverständlich, daß genossInnen am inhalt messen, ob sich das risiko der verteilung für sie selbst lohnt. und dann sollte eine diskussion entstehen, wo eine inhaltliche kritik auch uns gegenüber formuliert wird, damit wir damit umgehen können, und sie u.a. in die zeitung einfließen kann. das ist ja der sinn der kantaktadresse im ausland und überhaupt der sinn kontroverser diskussion, daß unterschiede dahingehend ausgelotet werden, ob und wie ein zusammengehen möglich ist. von der kritik hat uns das meiste über zig stellen und gerüchte nur verschwommen oder in form absoluter sätze erreicht. damit konnten wir nichts anfangen. wir wußten meistens nicht, wohin wir uns wenden sollten. wo es klar war, haben wir über kontakte und briefe unsere sichtweise beschrieben und darum gebeten, die kritik deutlicher und für uns faßbar zu formulieren. in den meisten fällen wurden auch mehrmalige initiativen nicht aufgegriffen. das große schweigen hielt an, und der mißmut in den gerüchten endete uns gegenüber in vollständigem nichtverhalten. aber es soll nicht das bild entstehen, wir wären fürchterlich aktiv gewesen und hätten überall eingegriffen. in den ersten monaten nach der 132 und auch später war das genaue gegenteil der fall. in der zeit fand ein bruch statt, der in kraftaufwand und auswirkung einen ähnlichen neuanfang bedeutete wie 84. wir haben uns gegenüber der kriminalisierung der struktur fast gar nicht verhalten. das war ein kitten von rissen, die bald so groß waren, daß du nicht mehr hinsehen konntest ohne aufgesogen zu werden.

jetzt konkret zu der nr.132: das postamt in bielefeld, wo alles aufgeflogen ist, war eine entscheidende schnittstelle zwischen der illegalen und öffentlichen struktur. ähnlich ist es bei der auslandsadresse. beide punkte waren unverzichtbar, um den großen vertrieb zu bewältigen, und um wenigstens eine möglichkeit für die kommunikation zwischen illegaler redaktion und außenwelt zu ermöglichen. an diesen punkten war die gefahr am höchsten für alle beteiligten, also auch für uns. während über die post die zeitungen aus der illegalen struktur rausgehen, ist der weg der briefe über die öffentliche adresse genau umgekehrt. die gefährung war uns bewußt, und wir haben sie inkauf genommen. das hieß akzeptieren, daß keine andere möglichkeit der verteilung vorhanden war, die die post hätte ersetzen können. so haben wir den postvertrieb dann organisiert: möglichst große sicherheit im verhältnis zu den eigenen kräften und möglichkeiten. z.b. wurden die zeitungen auf mehrere städte verteilt aufgegeben.
dann kam der hammer. wie die 132 und die namen der leute aufgeflogen sind, hat uns lange mundtot gemacht. es war plötzlich klar, daß von dem bewußtsein der gefahr zuwenig umgesetzt wurde, und dann noch am heikelsten punkt überhaupt. angesichts der summe und auswirkung der fehler hast du nicht nur die arbeit an der zeitung bezweifelt, sondern ob wir selbst dazu in der lage sind trotz über 2 jahren erfahrung. die stimmung war eine art kollektives schachmatt.

es fing damit an, daß gerade die 132 zu einem wesentlich größeren teil auf einem postamt aufgegeben wurde, als geplant. der grund war eine nicht vorhersehbare "naturgewalt", die wir nicht genauer beschreiben können. jedenfalls haben die betreffenden genossInnen in einer hektischen situation, in der keine zeit für überlegungen war, so entschieden. andere hätten evtl. anders gehandelt, aber im nachhinein läßt sich vieles klarer beurteilen, als in der konkreten situation. die große menge kann auch ein grund gewesen sein, warum die postler mißtrauisch wurden. wahrscheinlicher waren es die offenen umschlage der einzelabos. wenn du die zeitung offen als 'büchersendung' verschickst, hat es 90 pfennig gekostet. beim geschlossenen versand sind es 3 mark, und insgesamt hätte das mehrere tausend mark mehr porto bedeutet.
der schlimmste fehler war, wie die paketkarten beschriftet waren. das problem ist schon vor der 132 ansatzweise aufgefallen, aber in der hektik war es plötzlich weg. dafür könnten wir uns selbst eine reinhauen, aber die folgen werden nicht ungeschehen.
zwischen august 86 und februar 87 wurden 60 läden und 59 wohnungen durchsucht. 5 leute wurden stellvertretend für alle zu teils hohen bewährungsstrafen verurteilt, nachdem insgesamt gegen 192 nach 129a ermittelt wurde.
es lief so ab, daß zuerst die offenen einzelabos auf geflogen sind, die in einem gesonderten bereich der post abgegeben wurden. ca. eine woche später hatten sich die bullen über bka, baw und bgh mit einem beschlagnahmebeschluß bis in die paketanahme vorgearbeitet. viele pakete waren da schon weg, aber nicht die dazugehörenden paketkarten. ein abschnitt. mit empfänger, absender und gewichtsangabe wird aufbewahrt für spätere reklamationen. ohne diese abschnitte hätten die empfänger der bereits verschickten pakete nicht ermittelt werden können. jede information auf der paketkarte hatte für die bullen eine wichtige funktion. anhand des absenders - das war die gültige auslandsadresse - und des einheitlichen schriftbildes auf den aufklebern, konnten sie mühelos den verteiler unter anderen paketkarten herausfischen. neben dem empfänger bekamen sie auch eine zahl auf dem aufkleber geliefert, die sie als anzahl der zeitungen im paket interpretierten. das mußten sie dann nur noch mit der gewichtsangabe durch die post vergleichen und behaupten, daß hier und dort jeweils soundsoviel zeitungen angekommen wären. oft fanden sie bei den durchsuchungen noch das paket selbst, rechnungen, begleitschreiben und sogar ältere ausgaben. aber es wäre nicht nötig gewesen, denn der rest war formsache. ein regionaler staatsanwalt fügte der anzahl ein "zum zwecke der verteilung" hinzu und beantragte ohne große verrenkungen nach 129a. der hintergrund all dieser 'oberflächlichkeiten' waren machtstrukturen innerhalb des kollektivs. frauen mußten gegen die bevormundung von männern und deren art politik zu machen ankämpfen. es gab starke unterschiede in der frage, auf welche menschen wir uns beziehen, über die wertigkeit von militanz, und entsprechend in welchen politischen bereichen schwerpunkte gelegt werden müssen. all das - und noch viel mehr - führte zu destruktiven kämpfen untereinander, und die beiden teile der nr.132 wurden grob das produkt zweier fraktionen. nach der 132 spaltete sich die gruppe, weil einige sich zu hassen begannen und alle anderen sich dagegen nicht durchsetzen konnten. die repression trieb den konflikt auf die spitze. der schlag nahm dir die ruhe und den abstand, die genau zu diesem zeitpunkt nötig waren, damit wir uns ohne druck von außen mit uns selbst beschäftigen können.
mit abstand lassen sich die fehler fassen und daraus lernen. wir hoffen, damit möglichst sorgfältig umgegangen zu sein. in der situation damals wären viele dinge nicht vorstellbar gewesen, auch wenn sie gedacht worden wären.
klar ist die scheiße mit der beschriftung der paketkarten oder daß die offenen umschlage auf kosten der sicherheit gingen. nach dem schlag der repression war leicht vermittelbar, warum ein geschlossener versand nötig ist, und daß deshalb ein abo teurer wird. es war auch läden vermittelbar, daß der z.b. im buchhandel übliche 30% rabatt wegfällt, weil kohle als motivation bei der verteilung keine rolle mehr spielte. aber ob das vorher verstanden worden wäre, halten wir bei den meisten für unwahrscheinlich, denn sehr viele haben nichtmal die schulden trotz rabatt bezahlt. und das kohleproblem war der konkrete grund für die offenen umschlage und so der hauptsächliche ansatz, über den alles aufgeflogen ist. kriminalisierung und repression haben auch ein bewußtsein und so möglichkeiten geschaffen, die vorher nicht in der art vorhanden waren. das ist nicht zynisch gegenüber den betroffenen gemeint. es geht eben um einen bewußtseinsprozeß, weswegen die repression unserer meinung nach zum teil gescheitert ist. also es ist kein zufall, daß schon in der nr.133 eine diskussion mehrerer gruppen über das konzept und selbstverständnis der radi anfing, und daß darüberhinaus immer mehr genossInnen die notwendigkeit sehen, für und in der struktur mitzudenken und verantwortung zu übernehmen. und das liegt nur zum teil an unserer vermittlung in und außerhalb der zeitung.

zur inhaltlichen kritik bei der frage: der gruß an das raf-kommando und die erklärung waren die juristische handhabe tür die repression. dieser spezielle inhalt der nr.132 wurde hervorgehoben, weil damit auf die fortgeschrittene distanzierung vom "Terrorismus" auch bei linken aufgebaut werden konnte, und so die razzien und prozesse leichter zu legitimieren waren.
nicht allein dieser inhalt der 132 wurde kriminalisiert. es war fast der gesamte inhalt, der gegen irgendein gesetz verstieß. z.b. die aufforderung zum klauen, die anschlagserklärungen oder ein Artikel zur pfingstrandale in wackersdorf, in dem "der Gewalt das wort geredet" wurde. also gewalt von unten gegen gewalt von oben ist kriminell, und die waa wird jetzt aus profitgründen nicht mehr gebraucht.
wir denken daß die repression auch gegen die nr.131, 133 oder jede andere ausgabe zugeschlagen hätte, wenn die bullen den konkreten ansatz wie in bielefeld gehabt hätten oder in zukunft bekommen. juristische vorwände lassen sich immer finden, weil sie existieren.

den gruß an das raf-kommando als "überflüssig" zu bezeichnen heißt, daß die betreffenden sich gar nicht vorstellen können, daß er ernst gemeint war. in einer zeit, wo diskussionsveranstaltungen verboten und die bloße forderung nach zusammenlegung der gefangenen mit dem 129a verfolgt wird, geht es doch gerade darum, an den wurzeln der repression anzufangen, und nicht schritt für schritt zurückzuweichen. bis du mit dem rücken zur wand stehst und gar nichts mehr sagen kannst. der gruß kam auch nicht aus dem hohlen bauch. zuvor fand eine auseinandersetzung mit der politik der raf und dem hungerstreik statt, nach der uns niemand blinde solidarität vorwerfen kann. auf der anderen seite fiel der anschlag in die zeit nach tschernobyl, als in anderen erklärungen und analysen der bewegung überall der name siemens als nutznießer und hauptverantwortlicher eben nicht nur der atompolitik auftauchte. mit beckurts hat es also nicht nur den richtigen erwischt, sondern die aktion hat sich durch sich selbst vermittelt.
wir stehen hinter diesen drei sätzen, auch wenn wir gerne noch mehr gesagt hätten. sie entsprachen dem spontanen und richtigen gefühl vieler, die auch das gefühl der ohnmacht gegenüber der unterdrückung und solchen hintermännern der macht kennen. die sympathie mit der aktion kannst du nirgendwo lesen, weil sie nicht öffentlich artikuliert wird, weil das verbot es zu tun schon in vielen köpfen sitzt. das heißt aber nicht, daß es sie nicht gibt. und deshalb ist auch ein kurzer gruß nicht überflüssig sondern notwendig, damit auch die unauffällige repression nicht gänzlich zum normalzustand wird. wenn du nicht mehr sagen kannst, was du denkst und fühlst, kannst du dich stückweise begraben.
die erklärung des kommandos war nur beigelegt, weil der abdruck zeitlich nicht geklappt hat. sie ist nirgendwo veröffentlicht worden, mal von verschiedenen szene-klüngeln abgesehen. weil andere auch verständliche gründe dafür haben, ist die radi ja illegal. damit genau solche und überhaupt alle erklärungen doch verbreitet werden, damit die motive der aktion bekannt werden und diskussionen stattfinden können. das interesse ist vorhanden, auch wenn viele linksliberale es leugnen. normalerweise werden erklärungen in ihren medien dann veröffentlicht, wenn die aktion und ihr inhalt für eine distanzierung herhalten. und so entsteht das bild von der sinnlosigkeit von Aktionen und militanz, weil die ungenauen und schlechten beispiele aufgeplustert und die zielgerichteten verschwiegen werden.
was die anleitungen und speziell den abdruck der rz-broschüre angeht, wollen wir ausführlicher darauf eingehen. wir bemühen uns wirklich knapp zu antworten. noch mehr, unsere sicht möglichst genau rüberzubringen, weil wir nicht alle tage eine 5jährige entwicklung wiedergeben. unter anleitungen verstehen wir praktische und technische erfahrungen des widerstandes für den widerstand. unter widerstand verstehen wir nicht ausschließlich anschläge, sondern auch den kleinkriminellen alltag der sabotage, verweigerung und aneignung. die anleitungen sollen mythen nicht verfestigen, sondern sie aufbrechen und zum austausch untereinander führen. in der frage wird das alles auf hypergefährliche "explosive materialien" in der rz-broschüre reduziert. das kann es doch nicht gewesen sein, wenn du dir die zeitungen reinziehst. zunächst einmal geht es auch in der rz-broschüre nicht um sprengstoff, sondern praktische erfahrungen die nachvollziehbar sind und verwendet werden. natürlich hängt das vom jeweiligen hintergrund ab, als erstes, ob du dir selbst über solche dinge gedanken machst. da wird z.b..nicht nur beschrieben, mit welcher chemischen zusammensetzung ein molli funktioniert, sondern. auch wie er geworfen wird, um zu treffen. die wurftechnik läßt sich prima auch auf steinwürfe anwenden und proben. wenn du dir anschaust, wie oft klamotten irgendwie nach vorne geworfen werden und dabei die eigenen leute verletzen, dann ist das lernen U.a. der körperhaltung und technik bitter nötig. das ist ein beispiel. es ließe sich auch anwenden auf die tips zur spurenvermeidung, wenn du einen brandsatz baust. daß die braschüre "in der militanten szene umstritten" ist, halten wir für ein gerücht. also wenn "umstritten" heißt, daß sie nicht perfekt ist, dann mag das so sein. das haben die rz aber auch nie behauptet. sie haben von ihren erfahrungen gesprochen und diese zusammengefaßt, damit andere nicht von vorne anfangen müssen und auch fehler vermeiden, die den genossInnen evtl. selbst passiert sind. wenn sie mischungsverhältnisse beschrieben haben, die explosiv sind, dann wird schon in fast jedem absatz dazugesagt, daß alles - und das bezieht sich auf die ganze broschüre - selbst und in kleinen mengen ausprobiert werden muß.
wir hatten mit dem abdruck der rz-broschüre angefangen, weil wir die erfahrungen selbst nutzen und darauf aufbauen konnten. es hätten auch passagen von johan most sein können, der tot ist, oder aus der broschüre 'guerilla diffusa', die wesentlich ungenauer ist als die rz. hinter dem abdruck stand eine absicht, die sich immer mehr konkretisiert hat. im dezember 87 haben genossInnen mehrere brandanschläge auf kaufhäuser in hamburg gemacht. prinzipiell finden wir solche brandsätze weniger gefährlich, als z.b. die gefährdung für frauen, die durch die sexistische werbung besteht. vergleiche kannst du dir aber sparen, wenn sich die allgemeine panik in den medien breitgemacht hat.
wenn ein solcher brandsatz losgeht, gibt es eine stichflamme, die kurz darauf in sich zusammenfällt, ähnlich wie beim feuerspuckern. natürlich kann jemand verletzt werden, aber das risiko steht in einem bestimmten verhältnis und ist gering. zumal die genossInnen merken, wenn das ding nicht außerhalb der öffnungszeit losgeht, und dann eine warnung übermitteln. der brandsatz ist nur ein mittel, um die sprinkleranlage auszulösen, die den eigentlichen schaden verursacht und wie in hamburg verbilligten einkauf möglich macht. nicht mehr und nicht weniger zündstoff brauchst du. und wenn sich die zündung verzögert oder gar nicht stattfindet, dann muß überlegt werden, ob z.b. die verwendeten säurezünder angebracht sind oder verändert werden müssen, weil sie in diesem fall die pünktlichkeit nicht garantieren konnten. was ein säurezünder und ein mechanischer zünder ist, mußt du erstmal wissen, um vor- und nachteile zu kennen, um alternativen zu haben, um möglichst sichere anschläge durchzuführen. deshalb haben wir die rz-broschüre abgedruckt. wir haben uns gedacht, militanz ist nicht allein eine theoretische sache, sondern etwas sehr praktisches. die theorie kannst du untereinander besprechen und veröffentlichen in bestimmten zeitungen. aber die praxis muß auch den besten freundinnen gegenüber geheim bleiben. sie ist oft die isolierte entwicklung einer gruppe, es gibt kaum kommunikation und austausch, und das ist für uns ein grund für den mythos 'anschläge' und warum vielen menschen dieser schritt so schwer fällt. militante aktionen sind kein privileg besonders hochwertiger perfektionisten, und sie erfordern auch nicht die fähigkeiten einer spezialistin. alle können es, denn alle können lernen und mit ihrem bedürfnis nach militanz umgehen. menschen sind in der lage mit streichhölzern, bunsenbrennern und sogar mit schweißgeräten umzugehen, wenn sie das lernen. nicht groß anders ist die technische gefährlichkeit eines brandsatzes, wenn du lernst ihn zu bauen, zu transportieren und zu deponieren. für dies handwerk braucht es keine besonderen technischen fähigkeiten. wenn sich welche die finger verbrennen - wie du sagst - dann ist ihnen die möglichkeit vorher bewußt. oder du gehst danach anders damit um. oder du läßt es sein, weil sich die neugierde nicht gelohnt hat. wir wissen kein einziges beispiel, wo sich leute bei brandsätzen - nicht sprengstoff - ernsthaft verletzt hätten. wenn - wie in der frage gesagt wird - "genügend beispiele" da wären, dann müßten sie verbreitet werden und nicht als anlaß dienen, wegen fehlern und mängel das ganze infrage zu stellen. wir denken, daß bei sogenannten betriebsunfällen wesentlich mehr leute ernsthaft verletzt werden, obwohl es staatliche auflagen und überprüfungen gibt. brandsätze werden nicht zum geldverdienen gelegt, d.h. du kannst zurecht eine andere eigenverantwortung voraussetzen, erstrecht wenn sie ständig erwähnt wird. in gewisser hinsicht ist auch die gefährlichkeit von anschlägen ein mythos. also nicht der anschlag an sich ist gefährlich, sondern daß du dieses system bekämpfst. das technische wissen macht die aktion im gegenteil bekannter, kalkulierbar und damit ungefährlicher. in dem maße, wie du dich auf eine militante demo vorbereitest, sinkt die gefährdung für alle beteiligten.
wenn du einem bullen widersprichst und alleine bist, ist das gefährlich. auch häuser besetzen ist gefährlich. gefährlichkeit und bedrohung sind logische elemente in jedem radikalen und aufsäßigen leben. aber sie sind nicht feststehend, es hängt entscheidend von dir ab, wie schnell du einfährst oder dich und andere verletzt.
gefährlich, oder besser: brisant, ist der rahmen in dem der anschlag stattfindet. daß eine Gruppe das angriffsziel genau bestimmt und die durchführung verantwortlich plant, damit - eine gefährdung auch anderer ausgeschlossen wird. daß sie sich mit dem risiko einzufahren beschäftigt und auch ohne drin zu sein, mit der bedrohung durch knast. es kommt auf das bewußtsein an, mit dem du diesen kampf führst. ob du anschläge als methode in gewissen situationen besser findest, als ein flugi oder ob es wichtiger wäre, gemeinsam mit vielen eine demo zu organisieren. welche methoden angebracht sind, hängt von der politischen und örtlichen situation ab, und von den eigenen erfahrungen. es ist wichtig, viele methoden zu kennen, damit du die wirkungsvollste auswählen kannst. es gibt situationen und zeiten, in denen du handlungsunfähig wirst, weil eine aktionsform gerade nicht sinnvoll oder nur mit hohem risiko durchführbar ist, und für andere formen und mittel zuviel zuschnell gelernt werden müßte. wir haben einen prozeß im kopf, in dem viele aktionsformen gleichberechtigt entwickelt werden. wesentlich ist, daß du darüber auch öffentlich diskutieren mußt. dies öffentliche z.b. in der radi - allein das schon - ist ein schritt gegen die vereinzelung und den mythos `militante aktion.
über die radi kann der austausch revolutionärer praxis laufen, weil sie die repression nicht berücksichtigen muß und relativ weit verbreitet ist. wir wollen nicht über scheren in den köpfen diskutieren, sondern dort weitermachen, wo es keine scheren gibt; also wir stellen nicht die notwendigkeit von militanz infrage, sondern wollen damit weiterkommen. dann ist es konstruktiv, wenn genossInnen aus eigenen erfahrungen sagen: das klappt so nicht, anders geht es besser. gerade das wechselspiel wollten wir erreichen.
es kamen zunehmend erklärungen zu anschlägen, wo genossInnen von sich aus auch vorgehensweise, sicherheitsüberlegungen und neue techniken beschrieben haben. die vermittlung der praxis stand oft gleichberechtigt neben der vermittlung des inhalts der aktion. z.b. zündelten 'revolutionäre viren' mit einem tauchsieder, oder in dem interview in der nr.134 erklärte eine gruppe, warum eine geplante entführung wegen ganz anderer und neuer sachen abgeblasen wurde. da ging es u.a. um gruppenprozesse, sichere wohnungen und wie du an autos rankommst. solche fragen sind vorher vernachlässigt worden, obwohl sie eine menge mit revolutionärer praxis zu tun haben. in diesem zusammenhang stand dann die anleitung für einen ausdreher, mit dem' schlösser geknackt werden, und die sich mittlerweile praktischer beliebtheit erfreut.
unser verhältnis zu anleitungen hat sich so verändert. wir haben hauptsächlich aufgegriffen und dokumentiert, was andere in eigener verantwortung veröffentlichen wollten. auch die art der anleitungen änderte sich, z.b. wenn es um methoden des einklauens ging oder den bau eines ukw-senders. es entsprach den vielfältigen möglichkeiten und der gleichberechtigung mehrerer formen des widerstandes, und so hat sich der politische inhalt über anschläge hinaus ausgedehnt. besonders deutlich wird das an den Anleitungen der anti-akw-bewegung, die überall kursierten. nach tschernabyl ging die massenhafte sägerei an strommasten los. es war politisch richtig und machbar für viele, also nicht nur für leute mit besonderen sägetechnischen fähigkeiten. so war auch die realität, daß unterschiedliche menschen zur säge griffen, als die sinnlosigkeit des bloßen protestes deutlich wurde. dann gab es verletzte, leute die eingefahren sind und die namen anderer aussagten. das haben wir veröffentlicht und mehrere schlüsse daraus gezogen: wir haben uns z.b. mit aussageverweigerung beschäftigt, und anhand der sägerei den hintergrund militanter aktionen hinterfragt. also du bist nicht militant, weil du sägst oder sprengst oder egal mit welchen mitteln sachschäden produzierst, sondern militante aktionen müssen ein bewußter schritt und auch das ergebnis einer gemeinsamen entwicklung sein. wir haben versucht, den mythos des sachschadens und des einmaligen erfolgserlebnisses anzugreifen: das ist ein bereich und eine bewegung, die aktuelle betroffenheit muß zum kampf gegen das system in allen bereichen werden.

wir sind mit solchen inhalten nicht losgelöst vorgeprescht. die euphorie und spätere mulmigkeit war in der bewegung selbst vorhanden. als das neue gesetz speziell gegen die aktionen an strommasten kam, waren sie aus eigener Überzeugung schon fast vorbei. die erfahrungen damit sind es nicht. heute überwiegen in der radi themen, wo es um die bedingungen und persönliche entwicklung für militante praxis geht. das ist z.b. der sinn der 'spüren-broschüre' in der nr.136, die auf dem kleinkriminellen alltag und den konsequenzen aufbaut., die sich aus so einem leben ergeben. oder die auseinandersetzung mit spitzeln im verhältnis zu mehreren anschlägen auf banken. also es gibt die entwicklung militanter Gruppen vor einer aktion, und die konfrontation mit spitzeln, bullen und knast danach. in diesem verhältnis findet ein radikales und militantes leben statt, in dem anschläge nur ein teil sind. wenn in den letzten ausgaben der radi weniger klassische anleitungen drin sind, dann liegt das nicht nur an uns. es werden weniger erklärungen geschickt, und es laufen derzeit auch weniger anschläge, als z.b. nach tschernobyl. aber das ist nicht der einzige grund, denn es gibt immer gruppen, die eine kontinuierliche militante praxis haben.
wir wollen keinesfalls darauf verzichten, und die tat und alles was damit zusammenhängt, soll inhaltlicher schwerpunkt der radi bleiben. allerdings erwarten wir gerade bei diesem punkt die verantwortliche beteiligung von anderen, weil wir uns nicht alleinverantwortlich für den inhalt der zeitung sehen. es wurde schon gesagt, daß wegen der organisatorischen arbeit weniger zeit und kraft für die inhaltliche bestimmung bleibt, als wir möchten. das wird sich erst langsam ändern. wenn genossInnen meinen, daß die revolutionäre praxis in den letzten ausgaben zu kurz kam, dann stimmt das für verschiedene bereiche. aber wir gehen nicht auf sammelfahrt und wollen - wie gesagt - nicht allein bestimmen und interpretieren, was sache aller sein muß.

abschließend noch was grundsätzliches zur kritik in der frage, weil wir sie ja oft hören. es ist zwar immer die radi als eigenständiges ding gemeint, aber so können wir nicht antworten. wir sind nicht nur radi sondern auch widerstand, und deshalb gehen wir mit anleitungen nicht als redaktionelle sache um. die kritik trifft einen punkt, an dem sich viele von der zeitung distanziert haben. es ist ähnlich, wie die distanzierung vom widerstand läuft. das geschieht auf einer ebene der floskeln, also wenn z.b. wie in der frage festgestellt wird: "sicher, jedes. herz ist eine revolutionäre zelle". wenn es bloß so wäre - da würden einige aus den gräbern springen vor freude. aber es gibt noch tiefergehende 'argumente', wie, wir würden ein nettes "spiel mit der illegalität" abziehen, uns an "wortradikalismus" ergötzen, und überhaupt hätten wir uns ja selbst toll verbunkert, während andere für unsere angeberei repression kassieren. dieses bild macht uns zu dummen arschlöchern, die das vertrauen und die gutmütigkeit anderer ausnutzen, und womöglich noch die inhalte revolutionären selbstverständnisses in den dreck ziehen. die art der kritik macht es schwer, damit umzugehen oder zu antworten. besonders wenn d die betreffenden leute nicht kennst. es ist öfter vorgekmmmen, daß die kritik dazu diente, den eigenen widersprüchen auszuweichen, indem stellvertretend die radi angegriffen wurde. dann ging es überhaupt nicht um inhaltliche diskussion, und es wäre ehrlicher zu sagen, haut bloß ab und laßt uns in ruhe. das bittere war, sowas erst dann zu merken, wenn auf unser aufgreifen der kritik einfach nicht geantwortet wurde.

ID-Archiv: Seit Herbst '86 ist die radikal, rein optisch zumindest, von den Auslagen der traditionellen linken Informations und Kommunikationsorten, den Buchläden verschwunden. Diese Tatsache ist ohne Zweifel ein Erfolg staatlicher Repressionsstrategie. Was hat es bei euch für Diskussionen um die oben genannte Nr. 132 gegeben ? Wie wurde mit der Repression gegen die Buchläden und WiederverkäuferInnen umgegangen. In der Nr. 133 (1987) findet zwar eine 30seitige Debatte zur Konzeption der Zeitung statt, bezüglich der Repressionswelle gegen angebliche VerbreiterInnen ist dort jedoch kaum etwas zu finden. Welche Bedeutung hatte für die radikal die Auseinandersetzung in bzw. mit den Buchläden. Das Verhältnis Buchläden- radikal ist seit dieser Zeit ja wohl weitgehend von Ignoranz bzw. Desinteresse geprägt. Von nicht wenigen wurde das Projekt 'illegale' radikal danach als gescheitert betrachtet.

radi: das stimt. die stimmung war ähnlich wie nach dem prozeß 84, sehr distanziert. damals hatte sich das dahin verändert, daß beobachtet wurde, was aus der sache wird. das heißt aber nicht, daß das projekt illegale zeitung' realistisch oder machbar eingeschätzt wurde. wenn du etwas als "gescheitert" ansiehst, kannst du dir eine weiterentwicklung nicht vorstellen. einmal gab es bei vielen einen vertrauensbruch nach unseren fehlern bei dem vertrieb der 132. dann der konkrete anlaß, daß die radikal scheinbar über die verteilung zerschlagen war. also wie müssen wir drauf sein, wenn wir soviel streß und arbeit in eine illegale zeitung reinstecken, die nicht rumkommt. wenn du dich an der erfahrbaren realität orientierst, scheint es aussichtslos, eine derart breite und gewachsene struktur wie die buchläden zu ersetzen. da spielt auch eine allgemeine resignation mit rein, denn wenn die bullen so reinschlagen wie geschehen, wächst nur selten und spärlich etwas neues. 84 war es auch so. da schien es kaum möglich, daß aus einer illegalen zeitung etwas anderes als ein isoliertes untergrundblatt wird.

im prinzip geht es aber um was anderes. der aufwand, die kraft und das risiko die in eine sache reingesteckt werden, wird an dem ergebnis gemessen. und da hatte die radi für mancherlei ansprüche nlicht viel vorzuweisen. sie erschien selten, fast nicht wahrnehmbar, und konnte kaum aktuelle auseinandersetzungen aufgreifen oder zu bestimmten anlässen mobilisieren. außerdem wurde sie noch immer stark mit der legalen zeitung vor dem prozeß verglichen. besonders die metropolenszene, die auf aktuellere und bessere informationsträger zurückgreifen kann, stand relativ passiv daneben, weil die radi dort kaum einen gebrauchswert hatte. wenn genossInnen der zeitung an sich - dem inhalt - nicht den großen sinn und nutzen abringen können, dann ist das "gescheitert" nach so einem schlag verständlich. allerdings gab es keine genauere diskussion, die speziell die radikal zum gegenstand hatte oder ob eine illegale zeitung als notwendig angesehen wird. insofern haben wir die ablehnende sichtweise sehr oberflächlich und von weit außenstehend reingekriegt, ähnlich wie das stumme kopfnicken zuvor. wir würden sagen, für buchläden war wohl die verteilung der radi gescheitert, aber das kann nicht auf das ganze projekt illegale zeitung ausgedehnt werden. es wird so stillschweigend davon ausgegangen, daß dafür der öffentliche vertrieb zwingend notwendig ist, bloß weil alternative erfahrungen fehlen. die radi war damals die initiative und verantwortung sehr weniger leute. außerhalb der illegalen struktur gab es kaum eine basis in einer szene oder bewegung, die sich z.b. kontinuierlich damit auseinandergesetzt, oder die zeitung zur verbreitung eigener inhalte genutzt hätte. nach der 132 haben wir uns von einigen ansätzen und hoffnungen grundlegend verabschiedet. es fand ein ziemlich plötzlicher und umfassender bruch statt. ab da ging es nicht mehr allein um diese zeitung, sondern um das ob und wie revolutionärer propaganda aus der illegalität in die öffentlichkeit. wir hatten mehrere zeitungsprojekte vor augen, die entweder an der repression gescheitert sind und/oder daran, daß die eigenen strukturell sie nicht getragen haben. das gehört zusammen. wir standen an einem punkt, den die meisten erst gar nicht erreichen. wir haben das als so einen geschichtlichen teufelskreis gesehen: es entstehen überall und immer wieder autonome zeitungen. je mehr wirkung sie entfalten und in einer basis verwurzelt sind, desto notwendiger werden sie angegriffen. das muß nicht über den 129a laufen, es gibt viele stufen darunter, mit denen die bullen die zeitungsarbeit erschweren können und nerven. ab einer bestimmten stufe kann der konflikt nicht mehr allein von der jeweiligen redaktion getragen werden, und das bewußtsein in die notwendigkeit autonomer kommunikationsstrukturen ist auch heute nicht so vorhanden, wie es notwendig wäre. mit der zeit verzweifelst du daran, also wenn z.b. beim "freiraum" oder "s'blättle" jede ausgabe immer fadenscheiniger kriminalisiert wird, die ganze auflage beschlagnahmt wird, durchsuchungen und verfahren folgen. wenn die bullen hartnäckig bleiben, hälst du sowas nicht lange aus. während eine neue nr. entsteht, kannst du dir schon ausrechnen, daß sie ebenfalls verboten wird. die arbeit an der zeitung wird dann auch in der legalität zur arbeit an strukturen, die sie tragen und schützen müssen, "s'blättle" blieb z.b. nichts anderes übrig, als auf eine ausländische kontaktadresse auszuweichen.

aktuelles beispiel ist "sabot" in hamburg. zum prozeß gegen fritz ist zwar viel und auch öffentlich über sinn und zweck des 129a gesagt worden. aber das konkrete ziel der repression - der angriff auf die zeitung - rückte in den hintergrund. nach dem urteil beschwerten sich dann die genossInnen von der sabot über die fehlende unterstützung in der szene, und seitdem gibt es die zeitung nicht mehr. wir denken es hat damit zu tun, daß die kampagne stark an der person von fritz orientiert war, den viele kennen, und so die hintergründe seiner einknastung eben auch in den hintergrund traten. das wird auch daran deutlich, daß er jetzt in isolation sitzt und von der ehemaligen stärke draußen kaum was übrig ist, obwohl sie gerade heute wichtig wäre.

wenn sich genossInnen jahrelang nicht in die illegalität drängen lassen, dann führen sie einen kampf, der notwendig ist und nie grundsätzlich aufgegeben werden darf. mit der radi haben wir den anderen weg eingeschlagen. nach der 132 ging es einfach nur darum, ob dieser andere Ansatz eine perspektive hat und verwirklicht werden kann, oder eben jetzt gescheitert ist. also nicht allein für die radi, sondern stellvertretend für einen gangbaren weg nach der kriminalisierung autonomer zeitungen. wir haben angefangen, langfristig zu überlegen und sind dabei auf notwendige bedingungen gestoßen, deren verwirklichung zuvor mehr oder weniger dem zufall überlassen wurde. als erstes: die illegale zeitung kann sich nicht mehr auf einen öffentlichen verteiler stützen. sie muß mit autonomen strukturen vertrieben werden. wenn solche strukturen aufgebaut werden können, dann entspricht diese organisierung dem wesentlichen ziel und selbstverständnis, die eigenen inhalte auch in die eigene hand zu nehmen. du verläßt dich nicht auf funktionen, die z.t. gewinnorientiert arbeiten oder wegen ihrer angreifbarkeit bestimmte grenzen nicht überschreiten können. als zweites: die radi ist nicht irgendeine zeitung, weil das projekt im verhältnis zu repression und widerstand mehrere entwicklungsstufen hinter sich hat. der umgang mit ihr bedeutet viel zwangsläufiger knast, und staatlichen angriff, als bei vielen anderen zeitungen. die ebene der konfrontation kann zur stärke des widerstandes werden, wenn daran bewußtsein entsteht und sich organisiert. das heißt, die verteilung der zeitung setzt kenntnis der situation und bewußtsein der gefährdung voraus und muß entsprechend organisiert werden. welche deswegen zeit, arbeit und risiko inkauf nehmen, müssen sich vielmehr mit genau diesem projekt identifizieren, als viele buchhandlungen. gibt es überregional genug genossInnen, die verantwortung übernehmen und die sache so auch zu der ihren machen, dann schwebt die radi nicht im luftleeren räum, weil eine basis von unten existiert. dann lohnt es weiterzumachen, und die arbeit mit mehreren neu zu bestimmen. die entwicklung bis heute und wahrscheinlich noch viel länger ist der versuch, eigenständige und eigenverantwortliche strukturen mit der radi umzusetzen. einige von uns haben mal von einer struktur der zellen und netze gesprochen. dabei geht es nicht um illegal oder legal, sondern um die vielfalt der regionalen und individuellen möglichkeiten, die in ihrer Gesamtheit eine solche trennung aufheben. wenn du dir dies bild vorstellst, dann sind zellen die knotenpunkte in dem netz, das sich mit faden verzweigt und wuchert, so daß woanders neue knotenpunkte entstehen. es kann ein spinnennetz sein, das eine spinne um ihren brennpunkt webt oder ein fischerInnennetz, wo erst die vielzahl der quadrate den fang ermöglicht. es ist wohl klar, welche struktur eher autonomem selbstverständnis entspricht und unkontrollierbarer ist. klar ist auch, daß eine zentrale struktur schneller aufzubauen ist, als eine eigenverantwortliche. letztere steht dafür auf festeren beinen. wir haben leider nicht viel Übung mit so beschreibungen aus der welt des fischfangs oder der tiere. viele leute denken ja, daß zu einer zeitung eine redaktion gehört, der dann eine produktions- und vertriebsabteilung beigeordnet sind. daß eine arbeitsteilung auch ohne bürokratische regeln oder mit maßstäben wie fähigkeit' laufen kann, läßt sich wohl schwer vorstellen. wir denken, daß es gehen muß, und daß speziell eine illegale zeitung nur von vielen und autonom organisiert werden kann. wir sehen es nicht als grundsätzlichen erfolg der repression, daß die radi kaum noch auf den tischen der buchläden ausliegt. es ist eher eine folge der repression. erst über längeren zeiträum kannst du feststellen, in welchen punkten wir verloren oder gewonnen haben. das hängt mit vielen kriterien zusammen und davon ab, ob und welche konsequenzen gezogen werden. in manchen situationen ist es möglich, sich nicht zurückdrängen zu lassen. in anderen ist es klüger, mit neuen mitteln und möglichkeiten denselben zweck zu erzielen, und die bullen ins leere laufen zu lassen. eine illegale zeitung kann derzeit nicht auf Öffentlichen und breiten druck vertrauen, was nicht bedeutet, daß er keine rolle spielt. die repression hat erfolgreich abgeschreckt, aber es ist auch bewußtsein entstanden. die radi kann abonniert werden, und über neue möglichkeiten auch der öffentlichen verteilung erreicht sie leute in verschiedenen politischen bereichen. die auflage steigt wieder. es hat also nicht geklappt, die zeitung auf eine bestimmte szene zu isolieren, und es wäre auch weniger erfolgversprechend, die neue struktur mit den alten mitteln anzugreifen. sie werden versuchen, leute zu finden, als köpfe aufzubauen und einzuknasten. aber ihre abschreckung würde nicht mehr so leicht greifen, weil hinter der verteilung der radi heute ein anderes bewußtsein steht. eben die erfahrung der repression gegen die 132 und zig andere schweinereien gegen kommunikationsstrukturen in den letzten jahren. wir denken, daß dadurch insgesamt das verhältnis zur radi genauer geworden ist. also nicht nur bei solchen die verteilen, sondern auch bei leserInnen. daß du eine zeitung vom ladentisch kaufen kannst, ist normal. aber wenn sie z.b. von vermummten verteilt wird, mußt du dir schon was dabei denken. als solche aktionen anfingen, haben viele leute den kopf geschüttelt und sich gefragt, was für ein gehabe dahintersteckt. mit der zeit sind welche von sich aus aktiv geworden, haben selbst solche aktionen gemacht oder sie geschützt. dadurch wird eine ganze menge vermittelt, z.b. wiemit die repression schon fortgeschritten ist, und daß du zu solchen aktionen einfach gezwungen wirst. sie konfrontieren mit dem abstrakten begriff von zensur. es wird klar, daß genosslnnen selbst was für den austausch und die kommunikation untereinander tun, weil angreifbare strukturen das nicht vollständig gewährleisten können. was das verhältnis 'buchläden-radikal' betrifft, existiert es so nicht. es gibt ein verhältnis zwischen der gewachsenen struktur der zeitung und genossInnen, die darin oder außerhalb - das läßt sich gar nicht trennen - verantwortung übernehmen. es ist nicht entscheidend, welche im buchladen, jugendzentrum, kneipe etc. aktiv sind, sondern ob sie innerhalb ihrer region möglichkeiten finden und einen teil machen, der mit vielen anderen zusammen ein ganzes ergibt.
mit die buchläden meinst du wohl die vielzahl linker und alternativer kollektive, die mit ihrer arbeit politische ansprüche verbinden. der grundanspruch, denken wir, heißt: information und diskussion von unten, verbreitung von gegenöffentlichkeit gegen die relativ gleichgeschalteten medienkartelle, um - und das wäre der sinn der sache - über diese wichtige kleinarbeit zu einer veränderung des bewußtseins beizutragen. denn es ist ja so und wird auch so bleiben, daß medien an sich - also schriften, funk und fernsehen - die am meisten bewußtseinsbildenen mittel in der Gesellschaft sind. also wichtige mittel der herrschaftssicherung, vereinzelung und vorbeugenden aufstandsbekämpfung. der politische anspruch eines ladenkollektivs ist dem sehr ähnlich, mit dem wir eine zeitung machen. im prinzip ziehst du am gleichen strang, und es könnte die wundervollste arbeitsteilung anstehen. ist aber leider nicht grundsätzlich so. erstmal haben sich einige buchläden in ihrer langen geschichte stark in theoretische vertiefungen politischer ansätze reingekniet, und auf ihrem hintergrund kam die radi wohl zu platt rüber. und dann müssen sowohl buchläden wie auch einige zeitungen-mit linkem anspruch gewinn abwerfen, damit sich die leute ihre arbeitskraft auszahlen können, d.h. die eigene existenz ist daran gekoppelt. und dadurch entstehen konflikte, weil sich viele arten der existenzsicherung im kapitalismus nicht mit radikalen ansprüchen vertragen.
spätestens seit den 70ger jahren, seitdem bestimmte bücher, broschüren, zeitungen und flugblätter kriminalisiert werden. geld verdienen läßt sich damit nicht, im gegenteil handelst du dir nur streß und verfahren ein. d.h. der politische anspruch kollidiert mit der existenzsicherung, und ab dem punkt scheiden sich die geister. einige machen weiter und kämpfen gegen die repression an, und zwar aus eigenem selbstverständnis, das sie mit ihrer arbeit verbinden. welche sich z.b. gegen die repression der 132 gewehrt haben, haben das nicht getan, weil sie speziell die radi so toll fanden und sich darin politisch verwirklicht sahen, sondern weil sie selbst angegriffen wurden. das drückt auch das plakat aus, auf dem anhand vieler zeitungen der zusammenhang zwischen zensur und gegenöffentlichkeit hergestellt wurde.
andere, und das sind leider mehr, entscheiden sich für die existenzsicherung zulasten des politischen anspruchs. einigen bleibt aufgrund ihrer finanziellen lage und fehlender verankerung auch nix anderes übrig, denn prozesse kosten geld und du stehst vor der entscheidung, den laden evtl. dichtmachen zu müssen. aber mit dieser situation wird von vielen nicht ehrlich umgegangen. die drehen dann den spieß um, und hauen dir den eigenen widerspruch um die ohren bis es knallt. also es wird nicht gesagt: scheiße, ich kann meinen Anspruch im laden nicht so verwirklichen wie ich wollte, sondern er wird der repression schleichend angepaßt. ein merkwürdiger aber real existierender weg, sich selbst ernstzunehmen, indem die eigene position innerhalb eines verdrängungsprozesses teilweise vollständig umgekehrt wird. dann wechseln auch die feindbilder, und dann haben einige angefangen, die radi mit der repression zu verwechseln. das war ein prima vorwand, die zeitung an sich zum teufel zu wünschen, und sich ja nicht mehr mit den eigenen widersprüchen zu konfrontieren.

vor der 132 konnten wir nur.begrenzt differenzieren. mit einigen gab es briefkontakte, und du hast gemerkt, daß die das projekt illegale radi schon ernstnehmen. dann ist auch zwischen uns und wenigen etwas entstanden, was du 'verhältnis' nennen könntest. aber die meisten haben nichtmal auf mehrere briefe oder fragen von uns reagiert. wir haben versucht zu erklären, daß die radi was anderes ist als ein legaler schmöker, und die haben die zeitung trotzdem ganz locker verkauft, weil ja die nachfrage da war. aus der ecke kamen dann die übelsten schuldzuweisungen, nachdem die bullen ihnen die 132 vor die nase hielten. manchmal hatten wir den eindruck, daß da welche echt nur kohle machen und die teilweise über jahre nicht rüberschieben. und dann waren wir schon soweit, bei einigen die scheiben einzuhauen, weil die einfach auf nix reagiert haben, ob unsere finanzielle situation erklärt oder später gedroht wurde. wegen der schulden stand die existenz der radi mehrmals auf. dem spiel. mindestens zwei ausgaben mußten verschoben werden, weil die kohle für die produktion gefehlt hat. die mußten wir dann woanders herholen, und das hat einmal ein halbes jahr gedauert. zu der zeit waren wir relativ naiv. wir hatten so ein bild von linken läden als mächtige institutionen, ohne deren unterstützung gar nichts läuft. so werden sie auch heute von vielen gesehen, relativ schnell akzeptiert und natürlich benutzt was das zeug hält. daß zwischen den kollektiven teils unterschiede wie sonstwas bestehen, ist uns erst durch das unterschiedliche verhalten nach der 132 endgültig klargeworden. bis dahin haben wir uns in einem einseitigen abhängigkeitsverhältnis gesehen, denn wir waren auf die verteilung der radi angewiesen, aber die laden nicht auf die radi. und dann stand hinter der zeitung eine anonyme Gruppe einem apparat hunderter verteilerlnnen gegenüber. ein gleichberechtigtes verhältnis dazwischen wäre eine schöne sache, aber in der wirklichkeit blieb es erstmal utopie. inzwischen orientieren wir uns nicht allein an den vorgezeigten ansprüchen oder dem einfluß, den so einige läden besonders in kleineren städten haben, wo kaum autonome strukturen existieren. wir schauen auf die praxis der genossInnen, egal ob sie in einem buchladen oder sonstwo aktiv sind. und es geht auch gar nicht mehr anders seit der 132, daß du die verteilung selbst wollen und jeweils organiseren mußt, nachdem das risiko klar ist. wir merken, daß es auswirkungen hat, wenn kollektive sehen, daß die verteilung der radi nicht von ihren laden abhängt. möglicherweise fällt dadurch ein druck weg und es 'entsteht eine auseinandersetzung auf gleichberechtigter ebene. wir meinen damit nicht speziell die traditionellen buchläden und haben auch nicht im kopf, daß kriminalisierte zeitungen und bücher plötzlich wieder überall öffentlich ausgelegt werden. wir fänden es notwendig, daß sowas nicht aufgegeben wird, aber es ist die entwicklung anderer, die wir nicht direkt beeinflussen können. wir machen halt die zeitung und nicht einen laden. aber vielleicht konfrontiert die existenz der radi und anderer zeitungen, und kann mit dazu beitragen, daß sich auch linke projekte wie buchladen kontinuierlich zusammentun und organisieren, wie z.b. "razzia" in hamburg. sowas findet normalerweise ja nur zu bestimmten anlassen statt, wenn viele betroffen sind. aber dazu muß auch im ganzen widerstand viel passieren, z.b. daß vorhandene strukturen nicht wie selbstverständlich genutzt, sondern mitausgebaut und neue geschaffen werden. in einem solchen prozeß entstehen seit jahren infoläden.

ID-Archiv: Bei 10 Ausgeben in fast 5 Jahren kann ja wahrlich nicht von einem kontinuierlichen Erscheinen gesprochen werden. Aus den Editorials läßt sich herauslesen, daß die radikal sich zunehmend als politisches Projekt definiert. Könnt ihr da mal ausführlicher drauf eingehen ?

radi: erstmal geht auch heute nur ein teil der arbeit in den inhalt und die produktion einer ausgabe. eine illegale zeitung z.b. monatlich zu diskutieren und bundesweit zu verteilen, können wir uns nicht vorstellen. eine neue ausgabe zu machen ist wie eine eigenständige aktion vorbereiten. da kann sich viel verzögern, weil die bedingungen nicht so stimmen, wie sie sollten. z.b. ist die kohle nicht da oder es gibt schwierigkeiten im produktionsablauf.
es ist kaum vorgekommen, daß du dich ruhig hinsetzen und sagen kanntest: so, die beine stehen fest, die bedingungen sind auf lange zeit geklärt, jetzt konzentrieren wir uns allein auf den inhalt und auf's zeitungmachen. am anfang, nach 84, mußte die illegalität erstmal begriffen und organisiert werden. der prozeß ist nicht abgeschlossen. die produktion jeder ausgabe war wie ein brennpunkt, an dem sich die arbeit und diskussionen der monate vorher konzentrierten. jedesmal gab es veränderungen, verbesserungen, neuigkeiten, die bei den ausgaben 128-132 umgesetzt wurden.
als wir uns einigermaßen sicher fühlten, und für die 132 relativ intensiv am inhalt diskutierten, zerschlug die repression den vertrieb. damit hatte keiner so gerechnet, es hätte sein können, daß die radi schon damals häufiger erschienen wäre. es war jedenfalls schon 86 klar, daß eine zeitung alle 6 monate eher für archive taugt, und daß über zwei jahre interner entwicklung im ergebnis eine regelmäßigkeit der zeitung bringen müßten.
daraus wurde bekanntlich nix. die Zeitungsarbeit trat wieder in den hintergrund und organisatorische dinge nach vorne. da sich mehr genossInnen am projekt beteiligten, entstanden auch neue ideen und konzepte. ein versuch in diese richtung war das radikal-info' vom februar 87, mit dem eine gruppe etwa monatlich eine dünne infosammlung im kopf hatte. also die häufige und breite vermittlung unterdrückter nachrichten des widerstandes. woran der versuch schnell scheiterte, läßt sich in der folgenden nr.133 nachlesen. das info war ein schuß in ofen, auf den viel kritik, unsicherheit und mißtrauen gefolgt ist. wir mußten erkennen, daß ohne vorherige diskussion etwas veröffentlicht wurde, hinter dem danach keiner mehr richtig stand. es dauerte dann nochmal fast ein jahr, bis die zeitung regelmäßiger gemacht werden konnte. das fing an mit der nr. 134 im juni 88, nach der in etwa dreimonatigem abstand bis im mai 83 vier ausgaben folgten. der unterschied zu früher ist, daß diese regelmäßigkeit nicht nur gewollt wird, sondern auch praktisch umgesetzt werden kann, weil die voraussetzungen einigermaßen stimmen. dann trifft es nicht ganz, wenn du sagst, 10 ausgaben in 5 jahren. wir würden sagen, 4 jahre aufbauarbeit und rückschläge, interne diskussionen und erfahrungen, wonach eine illegale zeitung etwa 4mal im jahr gemacht werden kann. oder um bei der rechnung zu bleiben: in 4 jahren 7 ausgaben, im 5ten jahr 4. das hört sich doch schon besser an.
auf den zweiten teil der frage sind wir jetzt gar nicht eingegangen, denn daß und wie wir die radi als "politisches projekt" sehen, sollte in jeder antwort enthalten sein. es ist wohl so, daß wir damit etwas offensiver umgehen wie früher, weil wir selbstbewußter geworden sind und uns mehr trauen. wir haben oft aus unsicherheit geschwiegen, und um den bullen keine bilder und somit mittel zu liefern. auf dauer geht das aber nicht, wenn du mythen und die isolation der illegalen arbeit aufknacken willst. wir versuchen jetzt unsere entwicklungen offener zu beschreiben und zur diskussion zu stellen, denn wenn wir nicht nach außen gehen, wird die angestrebte verankerung der radi steckenbleiben. es ist ganz einfach: wenn menschen miteinander reden, lernen sie sich kennen, und es kann vertrauen entstehen. wir wollen nicht mehr allein die zeitung machen, sondern auch über die arbeit an ihr und das ganze projekt sprechen. das ist für uns ein schritt nach vorne. wir öffnen uns u.a. für kritik, und es ist unsicher. ob wir das verkraften. aber vielleicht klappt es, daß die radi immer mehr eine zeitung derjenigen wird, die sie lesen und auf die wir uns beziehen. klar, wir quatschen auf papier. allerdings entsteht die persönliche nähe auch zu gefangenen meist über das papier in den briefen, und manchmal wird sie so intensiver, als wenn du dich unterhälst. daß wir uns langsam trauen können, würden wir als ein ergebnis unserer kontinuierlichen entwicklung bezeichnen. eine absolute sicherheit wie auf einem persilschein haben wir nicht, uns deucht, daß wir die auch nie kriegen werden. wir haben uns schon oft und gründlich daneben verschätzt. aber je gravierender die fehler, desto weniger kommen sie vor, wenn daraus gelernt wird. auch das sollte über die jahre eine kontinuität ausmachen, worin die zeitung selbst nur ein ausdruck und sichtbares ergebnis ist. was zwischen ihren großen abständen geschehen ist, bleibt unsichtbar.

ID-Archiv: Wie ist die momentane Konzeption der Zeitung, was könnt ihr zur Praxis der Herstellung und Verbreitung nach außen vermitteln ? Wie kommen konkret die Artikel in die Zeitung, werden sie von allen am Projekt Beteiligten diskutiert und ausgewählt, ist eine inhaltliche Beteiligung von euch unbekannten Personen oder Gruppen möglich ? Wie wird die Zeitung verbreitet und welche Sicherungsmaßnahmen habt ihr, damit keine Kriminalisierung möglich ist ?

radi: unser konzept sind ziele und etappen, vereinfacht gesagt.- wir versuchen uns so zu organisieren, daß die repression keinen direkten einfluß auf inhalt und struktur der radi hat. und es soll eine zeitung sein, die von möglichst vielen für den austausch untereinander und zur diskussion genutzt wird. vielleicht verdienen solche Absichten den namen 'konzept' nicht. um wieder ein bild zu bemühen: am bau, bevor auch nur ein spatenstich getan wird, erstellen spezialistinnen mehrere konzepte, die von anderen in die tat umgesetzt werden. zwischen solchen die vordenken und hivis besteht ein hierarchisches gefälle, das sich u.a. in der bezahlung ausdrückt. wir tdürden es anders machen, weil wir ein haus für uns selbst besetzen oder bauen. kollektivität und gleichberechtigung funktionieren anders als die klassengesellschaft, die den wert eines menschen nach dessen ausbildung, qualifikation und macht festsetzt. alle planen und bauen mit, wobei eine arbeitsteilung selbstbestimmt vorgenommen wird. im prinzip sollen alle alles können, damit kollektive entscheidungen erst möglich werden.

die radi wird von mehreren diskutiert und bestimmt. es entsteht ein konzept für einen abschnitt - z.b. eine neue ausgabe oder dies interview - und die weitere entwicklung ergibt sich während der arbeit, oder wenn die gemeinsame praxis nachbereitet wird. natürlich haben einige mehr und andere weniger erfahrungen. aber wir kämpfen dagegen an, daß daraus hierarchien entstehen, also besondere entscheidungskompetenzen oder die ungleichheit im überblick und verantwartung für das ganze projekt. in den diskussionen geht es grundsätzlich darum, wie du ein autonomes selbstverständnis auch in der illegalität praktisch umsetzen kannst, ohne geschichtliche fehler zu wiederholen. als autonome zeitung kann die radi nicht das zentralorgan einer einseitigen politischen analyse sein. die autonome bewegung ist eben keine partei mit statut. es gibt viele politische strömungen darin, deren zusammenhalt aus ähnlichen erfahrungen und schlußfolgerungen entsteht. genau das gegenteil von einem manifest, das als leitfaden zur orientierung dient. deshalb ist der lebendige austausch und die diskussion untereinander so wichtig, und deshalb treten widersprüche viel deutlicher auf, als etwa in einer zentral und hierarchisch organisierten k-gruppierung. viele sehen das als politische schwäche. wir sind überzeugt, daß es grundsätzlich eine stärke ist, weil jeder mensch widersprüche hat. wenn du sie offensiv artikulierst und angehst, gewinnst du dich selbst und eine politische perspektive, wenn du sie zukleisterst, verlierst du dich in der disziplin der organisation. wir wollen die radi als forum unterschiedlicher linksradikaler strömungen und schwerpunkte. durch den austausch untereinander konkretisiert sich ein gemeinsames selbstverständnis, und anschließend können wir über eine revolutionäre strategie reden. die radi ist ein teil in so einem prozeß, in dem nicht einige etwas vorgeben, sondern viele entwickeln. normalerweise ist das ein ding der selbstbewußten metropolenszene, in der nicht wenige mit geringschätzung auf die provinz oder andere positionen herabblicken. eine solche haltung bezeichnet nicht nur den jeweiligen tellerrand, sie bringt auch nicht weiter. es gibt z.b. sehr viele, die vor dem bild des schwarzen chaoten zurückschrecken, und sich selbst nie als 'autonome' bezeichnen würden, obwohl sie selbständig denken und handeln. das von den medien erzeugte horrorbild und der mythos muß aufgeknackt werden, und daß wird keineR tun, außer uns selbst. wo es getan wird, entstehen persönliche beziehungen und es gibt politische erfolge. das ist ein schwerpunkt unserer inhaltlichen arbeit. viele artikel genügen gehobenen ansprüchen nicht, weil sie woanders ansetzen und aufbauen. unabhängig vom inhalt achten wir darauf, daß dahinter immer auch die menschen erscheinen. oder wir beurteilen einen Artikel nicht allein an der aussage, sondern ob sie auch verständlich artikuliert wird und erät so wirkung für viele hat. die sprache ist ein wichtiges kriterium. z.b. haben wir ein papier der rz nicht abgedruckt, weil mit intellektueller herrschaftssprache, die ohne duden nur von professorInnen entziffert werden kann, über das herrschaftsverhältnis zwischen mann und frau geschrieben wird. die notwendige auseinandersetzung, die die veröffentlichung für uns sinnvoll gemacht hätte, war weder vorhanden noch haben wir sie auf die reihe gekriegt. auch ein politjargon und verlautbarungsstil ist leider in vielen schriften der szene verbreitet. er bekräftigt unterschiede, statt sie aufzubrechen.
wir denken, daß einige genossInnen mit den jahren die wurzeln ihrer eigenen politisierung aus den augen verlieren. wenn die erfährungen bis zu dem aktuellen stand fehlen, kannst du eine politik nur noch wenigen vermitteln. also nur jenen, die zufälligerweise dieselben erfahrungen gemacht haben, und deshalb deine analyse nachvollziehen können. im ergebnis bedeutet das isolation, weil die eigene situation absolut genommen wird. und es ist oft unabhängig davon, ob du an sich richtige sachen weißt und aufschreibst. so manche autonome sind dicht bis unter die haßkappe, und halten viel von selbstdarstellung und wenig von einer vermittlung ihrer politik.
ein weiterer punkt in unserem 'konzept': die radi ist eine illegale zeitung. illegalität ist ein wesentlicher bestandteil autonomer politik, denn welche das system bewußt bekämpfen, sind früher oder später vogelfrei. einige empören sich und jammern darüber, andere sehen es als logisch und selbstverständlich, daß sich die herrschende macht mit allen mitteln gegen ihre abschaffung und bekämpfung wehrt.
in der radi wollen wir den bruch vermitteln und dafür pauern, denn es gibt weltweit keine alternative zur revolution. welche das anders sehen, haben wir nicht abgeschrieben. eine politik ist dann richtig, wenn mit anderen meinungen diskutiert wird,

und sie tatsächlich mit den besseren argumenten hinzugewonnen werden. und lernen können wir allemal auch noch eine ganze menge. alles andere ist eine wahrheit als religion, und das ist scheiße fressen bis dein hirn voll davon ist. viele halten eine revolution für unmöglich, weil sie u.a. eine illegale praxis für unmöglich.halten, die nicht isoliert wird, sondern ausufert. so wird es gesagt: schön und gut was ihr tut, aber eure perspektive ist knast. mag sein, mit der ohnmacht läßt sich schwer argumentieren. inzwischen machen wir eine illegale zeitung, die sie trotz mehrfacher versuche nicht kleingekriegt haben, und deren entwicklunq sie fürchten, während sie uns hoffnung macht. also es ist menschenmöglich, eine illegale zeitung zu machen, und wenn wir das praktisch beweisen, können wir ganz anders behaupten, daß auch widerstand trotz repression machbar ist. das beweisen in ihren bereichen und in den knästen alle, die weiterkämpfen, und ihre praxis ist der mobilisierende hintergrund für die worte, mit denen du deinen kopf und dein herz vermittelst.
der inhalt jeder ausgabe kommt auf unterschiedliche weise zustande. in der tendenz sind es immer weniger artikel, die von redaktionen gemacht werden. ein zuhehmender teil des inhalts kommt über die post, manchmal als fertiger artikel, manchmal als zeitung, broschüre oder infos, die dann von einer redaktion ausgewertet werden. alles was über die post kommt, wird ernstgenommen, aber nicht alles taucht in der zeitung auf.
es gibt auch andere möglichkeiten als den kontakt über die auslandsadresse, weil es autonome strukturen gibt. wenn wir den inhaltlichen schwerpunkt für eine ausgabe bestimmen, sind wir oft auf genossInnen angewiesen, die mit dem thema erfahrungen haben, weil sie in dem bereich seit langem aktiv sind. wir können nicht überall durchblicken, und es ist auch nicht leistbar, zu allen politischen vorgängen eine fundierte position zu entwickeln bloß weil wir es der zeitungsarbeit schulden. dann wird versucht nachzufragen, zu sammeln und zu vermitteln, daß dies oder jenes thema beabsichtigt ist, und daß es von mehreren bestimmt werden soll. das wird so gut oder so schlecht, wie sich bestehende strukturen - die wir erreichen - daran beteiligen. aber das ist ein beispiel, vielleicht ein versuch, aber nicht grundsatz. im prinzip entscheiden mehrere gruppen über den inhalt jeder ausgabe. ein geringer teil wird von mehreren diskutiert, zunehmend mehr entscheiden die einzelnen gruppen in eigener diskussion. auch das ist ein prozeß, in dem das vertrauen zueinander wächst, weil sich gemeinsame kriterien herausbilden. in den letzten ausgaben sollten sie auch nach außen vermittelt worden. sein, so daß genossInnen - ob wir sie kennen oder nicht - von sich aus artikel schreiben. es kommen immer mehr beiträge, die ohne diskussion veröffentlicht werden. wenn eine gruppe widersprüche hat, macht sie einen vorspann. und wenn sie zu groß sind, folgt ein eigenständiger Artikel oder - wenn das nicht geleistet werden kann - fällt der beitrag raus. wir sind keine roboter, und unsere verantwortung hat grenzen in der zeit und kraft, die wir in diese arbeit investieren. wir orientieren uns an gemeinsamen richtlinien und weniger daran, ob eine bestimmte position uns paßt oder nicht. es gibt papiere die abgedrurkt werden, obwohl wir darin vertretene positionen nicht teilen. aber wenn sie real existieren, dann haben sie bedeutung, und das ist ein anlaß zur auseinandersetzung, und nicht zum gegenteil. wie gesagt - eine gemeinsame position und strategie entsteht nicht dadurch, daß du eine dir unpässliche realität verschweigst, sondern indem sie aufgegriffen und diskutiert wird. über die auslandsadresse haben alle die möglichkeit, ihre infos und positionen in der radi zu veröffentlichen. es ist unmöglich alles abzudrucken oder z.b. eine ganze broschüre zu einem artikel zu verarbeiten, wenn keiner die zeit dafür aufbringt. inhaltlich haben wir die macht der entscheidung, und das ist ein knackpunkt in vielen diskussionen auch bei anderen zeitungen. die macht ist da und läßt sich nicht wegdenken. wir entscheiden subjektiv, aber auch mit der verantwortung der ansprüche die wir formulieren und ernstnehmen. wenn z.b. nationalrevolutionäre schreiben - und das ist oft nicht auf Anhieb zu erkennen - dann ziehen wir uns die infos raus und schmeißen den dreck in den müll. wir haben keinen bock uns damit gleichberchtigt auseinanderzusetzen, und wenn eine solche ideologie in der zeitung auf tauchen würde, dann nur um sie nach strich und faden und äußerst unsolidarisch auseinanderzunehmen. bei einem solchen beispiel sind unsere kriterien evtl. nachvollziehbar, bei anderen wird es schwieriger. aber es bleibt eine tatsache, daß innerhalb der struktur entschieden wird, daß aber kritik von außen nicht verpufft.

eine gewähr dafür, daß die entscheidungsmacht verteilt und nicht mißbraucht wird, ist unsere struktur. wenn mehrere gruppen aus verschiedenen regionen mitbestimmen, dann geschieht das auf einer basis, wo alle im widerstand verwurzelt sind. also wenn einige mit gewissen beiträgen nix anfangen können, gibt es andere, die es anders sehen und bei einer arbeitsteilung auch die Möglichkeit haben, sich damit auseinanderzusetzen. in der gemeinsamen arbeit und diskussion ensteht außerdem ein überblick, welche themen und ansätze in verschiedenen regionen und bereichen der radikalen linken von bedeutung sind. deswegen glauben wir übersichtlich entscheiden zu können, zumal die autonome bewegung meist auf eine region oder stadt konzentriert ist, und kontakte darüberhinaus nur spärlich und meist unorganisiert sind. es hat erst einmal stunk gegeben, der hoffentlich zur beiderseitigen zufriedenheit gelöst wurde. wäre es anders, würden wir abheben und müßten zwangsläufig das ganze projekt infrage stellen. glücklicherweise ist die entwicklung umgekehrt, also konstruktiv und aufbauend.

zur produktion der zeitung sagen wir gar nix, aber noch ein paar worte zur verteilung. es ist ein jonglieren mit dem satzbau und der aussage. wir sind damit konfrontiert, daß die gesetze gegen schriften verschärft werden, und so z.b. die radi zunehmend in den bereich der anti-terror- justiz gerät. in diesem bereich geht es weniger um beweise, sondern um teils oberplatte interpretationen der baw, wie in den letzten 129a- verfahren ersichtlich. zwar ist die einsicht verbreitet, daß eine zeitung zunächst keine bombe sein kann, aber je häufiger und lauter "Terroristen" gebrüllt wird, desto mehr menschenwürde und angebliche grundrechte verlierst du. blutrünstige tiere müssen halt mit allen mitteln erlegt werden, einfach weil sie so drauf sind und frei herumlaufen.

diese hinterste ecke der willkür wird meist sorgfältig vorbereitet und schrittweise in die tat umgesetzt. es ist z.b. ein unterschied, ob einer wegen "beihilfe zur unterstützung" oder "täterschaftlicher unterstützung" verfolgt wird. im letzten fall wirst du "Täter", das gibt höhere straf en, und du bist ein stück mehr "Terrorist", weil du eben ein stück mehr angeblich bewußt "getan" hast. du bist vogelfreier für nachfolgende konstrukte.

das ist ein problem bei diesem ganzen interview, denn es wird als fundgrube für pässliche interpretationen bei passender gelegenheit herhalten. einerseits möchten wir vermitteln um zu mobilisieren, andererseits den bullen sowenig wie möglich juristisch verwertbare ansätze liefern, die später evtl. sogar unbeteiligte zu spüren bekommen.

also nochmal zur verteilung: gäbe es eine zentrale, wäre das unsicher. gibt es die eigenverantwartung vieler, dann ist das sicherer. keiner in oder außerhalb der struktur übernimmt die verantwortung für das tun oder lassen der anderen. die verteilung der radi ist das ding der jeweiligen genossInnen. sie können sich nicht auf allgemeingültige methoden verlassen, sondern nur auf die eigenständige beurteilung der speziellen situation in der sie leben und politisch aktiv sind. anders geht es nicht. du könntest auch von einer zentrale ausgehend nicht bestimmen, welche möglichkeiten und risiken woanders bestehen, wenn du die dortigen verhältnisse nicht kennst. es könnte kontrolliert werden, aber darauf hat keineR bock.
klar gibt es erfahrungen und bewährte techniken der verdeckten verteilung. sie werden ausgetauscht, aber ob und mit welcher abwandlung sie übernommen werden, entscheiden die betreffenden selbst. je mehr erfahrungengesammelt und ausgetauscht werden, desto sicherer können einzelne gruppen die verteilung organisieren. wem einzelne genossInnen dabei auffliegen, können sie das nicht anderen anlasten. es ist ein risiko, daß sie einschätzen müssen und bewußt eingehen. sie sind trotzdem nicht allein, denn die struktur wird weiterexistieren. es mag kalt und nüchtern klingen: die vielfalt ist der eigentliche schutz jedes und jeder einzelnen. die bullen wissen, daß sie die struktur nur als ganzes zerschlagen können, und wem sie einzelne in städten oder regionen verhaften, kann das einen solidarisierungseffekt erzeugen, der für sie kontraproduktiv Ist. so denken die klügeren schweine, und sie sammln über durchsuchungen und spitzel informationen, um sich ein bildvom ganzen zu machen. sie versuchen in die struktur reinzukommen. trotz zumindest eines versuchs sind wir relativ sicher, daß es ihnen bisher nicht gelungen ist.

diesen punkt möchten wir etwas ausführlicher machen, denn die einschätzung der staatlichen repressionsorgene ist für unsere arbeit ziemlich wichtig: die blöderen bullen verhaften überall, wo sich eine möglichkeit bietet. zwischen staats- und verfassungsschutz gibt es wesentliche unterschiede. oft besteht zwischen den beiden apparaten ein konkurrenzverhältnis, weil sich der vs für wesentlich fähiger hält und es auch ist. der vs beobachtet und wertet aus, ohne anzugreifen, weil er an hintergründen bis zum vollständigen durchblick interessiert ist.
es widerspricht wesentlichen zielen des vs. leute auffliegen zu lassen, denn erstens verbrennen dabei spitzel und zweitens folgt auf direkte repression oft die verdeckte organisierung der betroffenen. das erschwert die arbeit. als wolle und claudia in berlin eingefahren wurden, kam der tip vom vs an den ausführenden staatsschutz. zu dieser zeit war der vs wegen mehrerer affären - z.b. bespitzelung der taz und des heutigen innensenators täglich in den zeitungen. spd und al forderten untersuchungsausschüsse und sogar dessen auflösung. der apparat stand damals unter starkem erfolgszwang, d.h. der vs mußte beweisen, daß er eine existenzberechtigung hat. daß sich sein tip als glatte blamage herausgestellt hat - spätestens seitdem die beiden aus dem knast entlassen werden mußten - interessiert heute nicht mehr. inzwischen sind die einstigen kritikerinnen selbst regierung geworden, und haben somit auch dem vs ein neues, liberales image verpasst. wolle und claudia waren nichts anderes als opfer und funktionen im dreckigen machtkampf des vs. wir denken daß die radi regelmäßig ausgewertet wird, natürlich auch dies interview. der vs verspricht sich davon informationen, was aktuell und längerfristig "in der szene" thema ist, und in welche richtung diskutiert wird. er entwickelt vorbeugend methoden zur aufstandsbekämpfung, versucht also für die Herrschaft gefährliche antwicklungen zu erkennen und zu verhindern, bevor sie sich entwickeln und zum tragen kommen. das ist der sinn des vs. für uns bedeutet das mal wieder, daß wir bei vielen aussagen genau abwägen müssen, ob sie für eine vermittlung notwendig sind oder nicht vielmehr dem vs ein unnötiges mosalkstück in seinen rastern und bildern liefern.
der staatsschutz ist auf "gefahrenabwehr" ausgerichtet, undseine bullen auf schnelle erfolge getrimmt. eine observation des vs ist gefährlich, weil gut geplant und schwer zu entdecken. eine observation des staatsschutzes fällt aufmerksamen genossInnen relativ schnell auf. wenn ein spitzel des stäatsschutz die verteilung der radi beobachtet, wird er nach möglichkeit zugreifen wollen, egal ob damit das ganze projekt zerschlagen wird oder nicht. soweit kann ein durchschnittlicher bluthund gar nicht denken. in vielen fällen riskiert er mit seiner absicht kopf und kragen, und da die überwiegende mehrheit der bullen angst haben, wie die meisten menschen, wird sein wirkungsradius durch z.b. entschlossenes auftreten stark eingeschränkt. an diesem beispiel ist die sicherheit der genossInnen ihre organisierung in der gruppe. sie bleiben unerkannt und können zeitpunkt und ort der verteilung selbst bestimmen. als nächstes entsteht ein bewußtsein in der örtlichen szene, und das wird zum eigentlichen schutz, wenn vormals unbeteiligte nicht nur zuschaun, sondern selbst aktiv werden. es ist wie einen stein ins rollen bringen, der mit zunehmender geschwindigkeit immer schwerer gestoppt werden kann. das netz verzweigt sich schneller, als ein durchschnittlicher spitzel durchblicken oder wir selbst es kontrollieren könnten. ansonsten erübrigt sich eine perspektive in die langfristige möglichkeit einer autonomen zeitung.

ID-Archiv: Die linksradikale Szene ist ja nicht gerade arm an eigenen Publikationen.So unterschiedlich die Richtungen (autonom, anarchistisch, antiimperialistisch), so vielfältig sind die Zeitungen.Neben überregionalen, nennen wir sie mal Strömungsblätter mit unterschiedlichem Selbstverständnis, gibt es seit ca. 2 Jahren in einigen Städten sogenannte Infosammlungen.U.a. erscheint in Berlin wöchentlich 'Interim', in Hamburg 'sabot', für das Rhein/MainGebiet gibt es 'Swing' und das 'Rhein-Main- Info'.Die Zeitungen veröffentlichen Flugblätter, Erklärungen und Texte zur linksradikalen Diskussion, meist unkommentiert und ohne größeren redaktionellen Teil.Manchmal bezeichnen sie sich selbstkritisch auch als "Dienstleistungsunternehmen' für die Szene.Worin seht ihr die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der radikal zu anderen linksradikalen Zeitungen, und läßt sich deraus eine konkrete Perspektive für das Projekt 'radikal' entwickeln ?

radi: du nennst ganz bestimmte beispiele aus ganz bestimmten städten: vor der 'Interim' in Berlin gab es die radi als Stadtzeitung, vor der `sabot` in hamburg gab es die 'große freiheit' und vor `swing' und 'rhein-main-info' die 'krasse zeiten' in rhein/main. zufall oder nicht, die beispiele sind treffend und leider einzigartig, oder? berlin, hamburg und rhein/main sind die zentren der radikalen linken, die metropolen. die geschichte und kontinuität der politischen arbeit wird an genau diesen drei punkten immer wieder zeitungen hervorbringen. ein großes ABER: obwohl sich viel dort konzentriert und impulse ausgehen, sind sie nicht repräsentativ. du kannst die zeitungen und infos gar nicht zählen, die in kleineren städten oder in der provinz kursieren, z.b. hinterland im wendland, 'Aufruhr' im ruhrgebiet, 'freiraum' in bayern, alle mit ihrer eigenen geschichte. unser verhältnis zu allen zeitungen des widerstandes ist durchweg solidarisch. mit fast allen ziehen wir am gleichen strang, auch wenn wir woanders anpacken. der zusammenhalt ergibt sich aus der gemeinsamen arbeit, denn mit jeder zeitungsarbeit veröffentlichst du dich auch selber, d.h. auch wenn wir die genossInnen nicht persönlich kennen, werden uns durch die zeitung ihre positionen und die menschen dahinter bekannter. hinter dem 'knispelkraant' haben wir lange vor dessen boykott ein kaderdenken vermutet, weil mit der zeitung eben kaderpolitik vermittelt wird. früher hießen die zeitungen 'Gegenwind, eschhausheft, blatt, große freiheit', um relativ bekannte zu nennen. lauter namen, die heute vielen nichts sagen. es waren regionale oder stadtzeitungen, die nicht allein infos von unten oder eine plattform für diskussionen gewährleisten wollten. die redaktionen hatten den anspruch, auch selber politik zu machen, d.h. linien verfolgen und statt relativ neutraler dokumentation besonders auswahl und bewertung derselben. im prinzip mußte der ganze inhalt der zeitung diskutiert werden, egal ob er von dir selbst oder von außen kommt. vom anspruch und arbeitsaufwand her, ist das ein großer unterschied zu den heutigen infosammlungen. fast alle zeitungen sind verschwunden. wegen der repression, und weil sie über jahre oft nicht das bewirken konnten, was sie anstrebten. dazwischen gab es den versuch, daß sich mehrere regionale redaktionen koordinieren und zusammen eine bundesweite zeitung herstellen. es war gedacht als schutz gegen die repression, und als versuch, über die bündelung der kräfte mehr wirkung und verankerung in der radikalen linken zu erreichen. das konzept einer bundesweiten autonomen zeitung, getragen von mehreren redaktionen, ist später von der unzertrennlich' aufgegriffen worden. aber trotz der 2jährigen praxis scheint auch auch hier nicht die struktur möglich, die das projekt tragen müßte.
die entwicklung der radi hat viel mit der geschichte anderer und den 'alten' ansätzen an zeitungsarbeit zu tun. wir haben wenig mitgemacht, aber umso mehr beobachtet. wir halten zwar auch eine bundesweite zeitung für notwendig, und es ist auch realistisch, daß besser viele gruppen ihre kraft in ein projekt reinstecken, als einzeln einzugehen. aber alleinige erwägungen der vernunft machen die praktische zusammenarbeit noch lange nicht möglich. wir haben uns rausgehalten, weil wir nicht nur eine bundesweite, sondern auch eine verdeckt organisierte zeitung wollten, und die damalige diskussion ging in die entgegengesetzte richtung. darin steckt keine wertung, weil es zu jedem ziel unterschiedliche wege geben kann. trotzdem können sie in der praxis konkurrieren. es gibt eh nur wenige genosslnnen, die zeitungsarbeit zu ihrem politischen schwerpunkt machen wollen, und wenn es zu viele projekte gleichzeitig gibt, können alle an der aufsplitterung der kräfte scheitern. das ist keine theorie, sondern eine individuelle entscheidung die wir erlebt haben.
die vergangenheit kann in der kürze nur oberflächlich beschrieben werden, manche mögen uns kreuzigen. es kommt uns darauf an, daß die heutigen infosammlungen in einem zusammenhang gesehen werden.'interim' oder 'swing' sind eine weiterentwicklung des alten stadtzeitungskonzeptes. sie fordern eine selbständige beteiligung nicht nur ein, sondern machen sie zur voraussetzung ihrer zeit. das ist direkt und entspricht autonomen selbstverständnis. nicht einige spezialistinnen schaffen ein Organ für alle und fördern bewußtsein, sondern sie bauen auf etwas vorhandenem auf. sie schaffen die voraussetzung, die technischen möglichkeiten für ein kommunikationsmittel, das, wenn es vorhanden ist, schon fast automatisch von unten genutzt wird. und wenn ein großteil der inhaltlichen verantwortung für die redaktionen wegfällt - denn es sind ja gar keine redaktionen mehr, die sich die verantwortung für das geschreibsel anderer reintun - dann können sie ihre kraft darauf verwenden, daß die zeitung häufig erscheint. und dann wird sie zum forum für aktuellen austausch und diskussionen. es ist ja so, daß die häufigkeit einer zeitung entscheidend dafür ist, ob und wie intensiv sie genutzt werden kann.
das wort "dienstleistungsunternehmen" verstehen wir weniger als selbstkritik, sondern als treffenden zynismus. die genossInnen machen eine absolut notwenige arbeit, die für viele einen nutzen hat. sie stecken unbezahlte arbeitskraft in die verwirklichung einer voraussetzung, auf der alle aufbauen können, ohne daß bedingungen gestellt werden. ihre arbeit vermindert die arbeit anderer, also wenn konkret ein flugi oder ein diskussionspapier verbreitet werden soll, müssen nicht einzelne hundertfach durch kneipen laufen, sondern es nur in einen postkasten stecken. der umgekehrte weg wird auch erleichtert. es ist weniger notwendig, sich auf die taz zu verlassen oder die einzelnen infos sonstwoher zusammenzuklauben, denn du kriegst sie gebündelt und relativ aktuell in einer zeitung. eine infosammlung können viele machen, wenn sie sich dafür zeit nehmen. obwohl deren notwendigkeit und praktischer nutzen für autonome strukturen offensichtlich ist, sind kaum welche dazu bereit. stattdessen werden manchmal erwartungen z.b. gegenüber der 'interim' formuliert, die an den absichten der genossInnen ziemlich vorbeigehen. warum müssen die soviel mehr verantwortung übernehmen, bloß weil sie etwas tun, was andere nicht auf die reihe kriegen? es ist doch klar, daß welche aus dem zugeschickten inhalt auswählen, und das passiert logisch nach den eigenen kriterien. es wird nirgendwo behauptet, daß sie für alle richtig oder allgemeingültig sind. wenn welche anders bewerten, dann sollen sie eine neue zeitung machen. -das kann nur konstruktiv sein, weil die vielfalt ein bestandteil radikaler politik ist. es ist leider nicht unüblich, daß eher die praxis anderer kritisiert und miesgemacht wird, statt selber aktiv zu werden und es einfach besser zu machen.

das wollen wir in dem zusamenhang schon mal loswerden: im prinzip "dienstleistung" auch für andere. in der heutigen situation kassierst du für deinen idealismus den lohn der angst. leserInnen müssen befürchten, daß sie ein kommunikationsmittel verlieren, aber die redaktionen autonomer zeitungen dürfen sich über kurz oder lang auf prozesse und knast einstellen. in derselben zeit, wo du papier schichtest, beschreibst und versuchst, mit der verantwortung dabei klarzukommen, könntest du dir auch einen schönen lenz machen oder im lebendigen alltag mitdiskutieren und mitmischen. also eine "dienstleistung" wird normalerweise bezahlt, und wenn diese motivation wegfällt, muß ein anderes interesse vorhanden sein, mit dem soviel streß eingegangen wird. klar, es kann selbstzweck und eigennutz sein. speziell mit der radi könntest du dich daran berauschen, daß wir mit der macht der hohen auflage unseren senf durch die gegend pusten, weil allein das wort 'illegal' ansehen und prestige in gewissen kreisen einbringt.
wir würden uns wünschen, daß so manche leute ein bißchen weiterdenken, und dabei nicht vergessen, daß eine zeitung nicht unbedingt von machtbesessenen gemacht werden muß. vielleicht ist vorstellbar, daß aus einer kritik u.a. am monopol und der politik der taz etwas konstruktiv neues probiert werden könnte, das eher vertrauen als mißtrauen braucht. welche eine zeitung machen, stehen immer auf der patte, weil eine zeitung eben was öffentliches ist. uns persönlich wäre es recht, wenn andere den job weitermachen, denn dieses im rampenlicht stehen, würden wir oft und gerne gegen einen platz im publikum eintauschen. empörung beiseite, zurück zur sachlichkeit. wir haben ja weiter oben versucht zu erklären, daß wir von der grundsätzlichen verbundenheit aller zeitungen ausgehen, die von unten gemacht werden und nicht gewinnorientiert funktionieren. daß einige anarchistisch oder antiimperialistisch argumentieren, und wieder andere antifaschismus oder klassenbewußtsein im betrieb zu ihrem schwerpunkt machen, ist eine stärke. all diese ansätze sind in der radikalen linken vertreten. wir denken, daß keine einzige position die alleinvertretung beanspruchen kann. wenn du so willst, ist das eine art arbeitsteilung. auch daß die meisten zeitungen legal und offen vertrieben werden und die radi verdeckt, sehen wir als ergänzung. im ersten fall entsteht gegenöffentlichkeit durch - sagen wir mal - die dokumentation unterdrückter nachrichten und diskussionen, die anhand legaler strukturen viele erreichen können. im zweiten fall kann offen und deutlich position bezogen werden. das wird verboten, und deshalb sind die möglichkeiten der verbreitung begrenzter. noch deutlicher wird die ergänzung, wenn du wirkung und inhalt der regionalen zeitungen mit der von überregionalen zeitungen vergleichst. erstere veröffentlichen kontinuierlich infos und ermöglichen lebendige diskussionen. nicht wenige greifen zum stift und schreiben ihre einschätzung auf, weil es eine zeitung gibt, die das veröffentlicht. wenn dann z.b. 'Swing' in anderen regionen ausliegt, können sich die dortigen genossInnen ein bild davon machen, was innerhalb der bewegung in rhein/main abläuft und gerade diskutiert wird.PRIMA! noch primeliger wär's, wenn jede region und bewegung ihre eigene zeitung hätte. die radi ist erstens bundesweit und zweitens illegal. die ausgaben in großen abständen können weder eine regionale entwicklung vermitteln, noch in aktuelle entwicklungen eingreifen. aber wir können schwerpunktmäßig dort weitermachen, wo das regionale oder die reine dokumentation aufhört, bzw. auch in regionen forschen, wo es keine infosammlung gibt. wenn z.b. tonnenweise flugblätter zu einem ereignis wie dem 1. mai in kreuzberg erscheinen, ist es notwenig, sie zusammenzufassen und wesentliche positionen herauszuarbeiten. erstmal geht es um die genossInnen in der provinz und in anderen politischen bereichen, die hauptsächlich auf die medienberichterstattung angewiesen sind, weil sie keine eigenen zeitungen oder korrespondentInnen vor art haben. sowas könnte auch für berlin selbst notwendig sein, wenn sich dort keiner die mühe einer umfassenden nachbereitung macht, bzw. diese veröffentlicht. dasselbe gilt für den hungerstreik. trotz regionaler infobüros gibt es keine zusammenfassung der bundesweiten und internationalen solidaritätsaktionen. wenn du dir das info der angehörigen durchließt, entsteht das bild, der streik der gefangenen wäre allein von einer öffentlichkeitskampagne unterstützt worden. außerdem wird allein durch die gewichtung eine wertung des kampfes von gefangenen aus der guerilla zu anderen gefangenen vorgenommen. wir sehen das anders. es mag sein, daß viele direkte und militante aktionen im info deshalb fehlen, weil wegen der repression nicht darüber berichtet werden kann. gut oder schlecht, jedenfalls ein beispiel der ergänzung, denn in der radi ist das möglich. es fallen uns noch eine menge politische themen ein, die versanden oder oberflächlich bleiben, weil sich nicht weitergehend damit beschäftigt wird. wenn ein großteil der radikalen linken von einem ereignis zum nächsten hechtet, sollte die wiederholung von fehlern vermieden werden. dazu ist eine genauere aufarbeitung der kämpfe notwendig. regionale sammlungen wollen und können das nicht leisten, sie veröffentlichen das, was vorhanden ist. das tun wir zwar auch, aber bei einigen sachen können wir es nicht dem zufall überlassen, ob sich nun in der szene eine auseinandersetzung entwickelt oder nicht. schließlich ist unser blickwinkel ein anderer. wir versuchen regionale entwicklungen danach zu beurteilen, ob sie bundesweit von bedeutung sein können. die schwerpunkte der radi suchen wir auch unabhängig aktueller ereignisse, z.b. wenn sich regional etwas wiederholt, was mal grundsätzlich auseinandergenommen werden müßte. bei der nr.137 war ein schwerpunkt 'faschismus', vorher ging es um `spitzel in der radikalen linken und widerstand. in beiden fällen haben wir eine übersicht und zusammenfassung versucht. noch ein punkt, an dem sich die arbeit ergänzen kann: in einigen Großstädten besteht ein derartiges angebot an zeitungen, broschüren und flugis auch aus anderen regionen und ländern, daß nur ein bruchteil davon überhaupt gelesen werden kann. woanders existiert gar nix, außer der taz oder zeitweilig auch 'clockwork'. also während hier im Überfluß ausgewählt werden kann, was du von woanders erfahren willst, besteht in dem woanders nichtmal die möglichkeit zur auswahl. der extrem unterschiedliche informationsstand begründet das gefalle innerhalb der radikalen linken, das zuallererst ausgeglichen werden muß, bevor über eine gerneinsame strategie auch nur spekuliert wird. es sei denn, sie beschränkt sich auf einen stadteil wie kreuzberg oder auf eine region wie rhein/main. wenn in der radi anhalte auftauchen, die auf dem politischen stand in der provinz oder bei nicht so ganz radikalen menschen ansetzen, gibt es aus der metropole schelte: das wissen wir doch schon lange, sagen genossInnen. die arroganz in dieser sichtweise haben wir schon so fressen müssen, daß wir kaum noch darauf eingehen. bedauerlich ist nur, daß es schön wäre, wenn genosslnnen bei sich mehr wert darauf legen würden, ihre politik und entwicklung nicht allein dem bewährten dunstkreis zugänglich zu machen. immerhin reden viele von perspektiven mit so wertvollen aber oft abstrakten begriffen wie 'revolutionäre basis' oder dergleichen. an dieser stelle hätten regionale zeitungen auch für unsere arbeit eine große bedeutung, wenn sie über die ursprüngliche region hinaus breiter verteilt werden würden. das ist aber leider nicht der fall, denn sie entstehen und wandern meistens nur von einer metropole in die andere, und die überwiegende mehrheit an unbekannten zeitungen geht überhaupt nicht rum. solang das so ist, werden in der radi immer wieder artikel oder flugis auftauchen, die in der metropole bekannt sind, aber woanders nicht.

so, jetzt sind wir am ende. das faß ist leer. immerhin ist Sommer, und wir hocken hier rum, voller neid auf das leben draußen. wenn es nicht so verdammt wichtig wäre, was in diesen seiten von 5 jahren rüberkommt... wir können uns das kaum noch vorstellen. vielleicht politrocker für die einen, und pubertäre schwachköpfe für die anderen. zum glück sind wir beides. aber bitte nicht vergessen, wir sprechen als eine gruppe nicht unbedingt für alle. trotzdem hoffen wir die gemeinsame basis hingekriegt zu haben, was meint ihr "alle"? wenn uns welche jetzt ankacken wollen - unsere adresse ist bekannt. bitte nicht vorsichtig sein und mit balsam blubbern, wir vetragen harte kritik ganz gut, wenn sie ehrlich ist. wir sind auch ehrlich gespannt darauf. distanzierungen über die blume wandern in den müll, aber wir lesen vorher umd wissen dann, warum ihr uns für trottelInnen haltet.
ansonsten sind wir froh, wenn die struktur bis in's unermeßliche wächst. wenn ihr wollt, bestellt die radi, beteiligt euch inhaltlich, macht eigene zeitungen, wir werden gewinnen.

kein daumen der reglementiert.
scheiß bullen, scheiß staat!
venceremos!