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Rattenlöcher im Babylon der Information

Die Taz als bewußte radikale Taktik wird unter bestimmten Bedingungen entstehen:¶

1.Psychologische Befreiung. Das heißt, wir müssen die Momente und Räume realisieren (real werden lassen), in denen Freiheit nicht nur möglich, sondern wirklich ist. Wir müssen wissen, auf welche Weise wir tatsächlich unterdrückt sind und auch, auf welche Weise wir eigener Repression unterliegen oder einer Phantasie nachhängen, in der uns Ideen knechten. ARBEIT beispielsweise ist für die meisten von uns viel eher ein Ärgernis als Politik. Entfremdung ist sehr viel gefährlicher für uns als zahnlose, überholte, sterbende Ideologien. Das geistige Festhalten an »Idealen« - die faktisch bloße Projektionen unserer Empörung über das Opferdasein sind - wird unser Projekt nicht weiterbringen. Die TAZ ist kein Vorbote irgendeines sozialutopischen Eden, dem wir unser Leben zu opfern haben, damit die Kinder unserer Kinder ein bißchen frische Luft schnuppern können. Die TAZ muß Schauplatz unserer gegenwärtigen Autonomie sein, sie kann aber nur unter der Bedingung existieren, daß wir uns selbst bereits als freie Wesen kennen.¶

2. Das Gegen-Netzwerk muß expandieren. Derzeit spiegelt es eher Abstraktion denn Realität wieder. (Fan-)Zines und Mitteilungsblätter tauschen Information aus, was Teil der notwendigen Basisarbeit der TAZ ist, aber sehr wenig dieser Information bezieht sich auf konkrete Güter und Hilfe, die für ein autonomes Leben notwendig sind. Wir leben in keinem CyberSpace; davon zu träumen, wir täten es, heißt einer CyberGnosis verfallen, der falschen Transzendierung des Körpers. Die TAZ ist ein physischer Ort, in dem wir uns entweder befinden oder eben nicht. Es bedarf aller Sinne. Das Netzwerk ist in gewisser Weise wie ein neues Sinnesorgan, das zu den anderen hinzu kommen muß - die anderen dürfen nicht davon subtrahiert werden, wie dies in furchtbaren Parodien mystischer Trance geschieht. Ohne das Netz wäre die Realisierung des TAZ-Komplexes unmöglich. Aber das Netzwerk ist kein Ziel an sich. Es ist eine Waffe.¶

3. Der Kontrollapparat - der »Staat« - muß weiterhin simultan in Auflösung begriffen sein und wird sich weiter verhärten, mit dem gegenwärtigen Kurs fortfahren, wobei hysterische Rigidität mehr und mehr eine Leere maskiert, den Abgrund der Macht. Während Macht »verschwindet«, muß unser Wille zur Macht Verschwinden sein.¶

Wir haben bereits die Frage behandelt, ob die TAZ »bloß« als ein Kunstwerk gesehen werden kann. Aber ihr werdet auch wissen wollen, ob sie mehr als ein Rattenloch im Babylon der Information oder aber ein Labyrinth von immer mehr verbundenen Tunneln, aber nur der ökonomischen Sackgasse des freibeuterischen Parasitentums ergeben ist. Meine Antwort lautet, daß ich lieber eine Ratte in der Mauer als eine Ratte im Käfig bin - aber ich insistiere auch darauf, daß die TAZ diese Kategorien transzendiert.¶

Eine Welt, in der es der TAZ gelingt, sich zu verwurzeln, könnte der Welt ähneln, die »P.M.« in seinem Buch Bolo'Bolo entworfen hat. Vielleicht ist die TAZ ein »Proto-Bolo«. Aber insofern als die TAZ jetzt existiert, steht sie für mehr als nur die Mondänität der Negativität oder des gegenkulturellen Aussteigertums.¶

Wir haben den Fest-Charakter des unkontrollierten Momentes erwähnt, der sich - wenn auch nur kurz - in spontaner Selbstordnung verstärkt. Er ist »epiphanisch« - ein Erlebnishöhepunkt auf sozialer wie individueller Ebene.¶

Befreiung wird im Kampf verwirklicht - das ist die Essenz von Nietzsches »Selbstwerdung.« Als Zeichen für die These mag auch Nietzsches Wandern gelten. Es ist der Vorläufer des Treibens, in Situationisten-Sprache des dériver und in Lyotards Definition von Driftwork. Wir können eine neue Geographie vorhersehen, eine Art Wallfahrtskarte, auf der heilige Stätten durch Erlebnishöhepunkte und TAZen ersetzt sind: eine wirkliche Wissenschaft der Psychotopographie, die wir vielleicht »Geo-Autonomie« oder »Anarchomancy« nennen können.¶

Die TAZ bringt eine gewisse Unkultiviertheit mit sich, eine Entwicklung von Zahmheit zur Wildnis/Wildheit, ein »Zurück«, das auch ein Schritt vorwärts ist. Sie erfordert auch ein »Yoga« des Chaos, ein Projekt »höherer« Ordnungen (des Bewußtseins oder einfach des Lebens), denen man sich durch »Surfen auf der Wellenfront des Chaos« nähert, einer komplexen Dynamik. Die TAZ ist eine Lebenskunst des fortgesetzten Aufbegehrens, wild aber sanft - sie verführt, vergewaltigt nicht, schmuggelt, statt blutrünstig ein Piratendasein zu führen, tanzt und kümmert sich nicht um Eschatologie.¶

Geben wir zu, daß wir auf Parties gewesen sind, auf denen für eine kurze Nacht lang eine Republik aus erfüllten Begierden errungen wurde. Sollen wir nicht beichten, daß die Politik jener Nacht für uns mehr Realität und Kraft besitzt, als die - sagen wir mal - der gesamten US-Regierung? Einige dieser »Parties«, die wir erwähnt haben, dauerten zwei oder drei Jahre. Ist das die Imagination, den Kampf wert? Laßt uns Unsichtbarkeit, Spinnengewebe und psychischen Nomadismus studieren - wer weiß, was wir ereichen werden?¶

Spring Equinox, 1990



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