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Info zum Prozeß gegen Birgit Hogefeld

Nr. 7

Ende September 1995

 


Prozeßbericht August bis Mitte September

 

 

Nach der Sommerpause begann am 21. August die Verhandlung des Komplexes Weiterstadt.

Im März 1993 sprengte die RAF den noch nicht bezogenen Knastneubau in Weiterstadt.

Die insgesamt 10 Männer, die sich in den Gebäuden befanden, wurden zuvor "evakuiert".

In dem Knast waren drei Männer zur Bewachung sowie 7 weitere, die dort schliefen. Diese Männer waren als Zeugen im Prozeß und schilderten den Hergang in jener Nacht.

Die Bewacher, zwei von einer Wach- und Schließgesellschaft und ein Justizbeamter, saßen biertrinkend vor der Glotze, als (wahrscheinlich) 4 Leute vermummt in die Pforte kamen, sie aufforderten, sich zur Wand zu drehen und sie fesselten. Über die Bewaffnung des Kommandos gab es unterschiedliche Aussagen, die Wachleute waren nicht bewaffnet.

Die BesucherInnen stellten sich als Raf - Kommando Katarina Hammerschmidt - vor, ein Text wurde verlesen, in dem es, wie sich einer der Zeugen erinnerte, um politische Gefangene ging. Dann wurde gefragt, ob noch mehr Leute im Gebäude seien und die Sprengung angekündigt, weswegen alle raus müssten. In Gebäude 11 schliefen noch 7 Azubis aus der ehemaligen DDR, die sich für den Justizvollzugsdienst umschulen ließen. Diese wurden aus ihren Betten geholt, ebenfalls gefesselt und zur Pforte gebracht. Alle zehn wurden dann in einem Kleinbus aufs Feld gefahren. Das Ganze dauerte etwa von 1.30 bis 4.50 Uhr.

Die Zeugen schilderten, daß sie die Aktion zeitweise für eine Übung hielten, vor allem, da das Kommando nicht brutall auf sie wirkte, niemand wurde geschlagen, einem wurden auf seine Bitte die Handschellen gelockert, einer bekam auf Wunsch eine Zigarette, anderen, die, da sie aus dem Bett kamen, nicht viel anhatten, wurden Decken geholt. Vor allem die 7 Ex-DDRler glaubten an eine Übung. Einer ist zwischendurch mal wieder eingeschlafen. Einer fragte: "Was seid denn ihr für ein Verein", auf die Antwort "RAF" erwiderte er:"Quatsch, die gibt's doch garnicht mehr..." Es kam daraufhin zu einem Gespräch zwischen ihm und jemandem von dem Kommando, was aber leider keiner der Zeugen mehr wiedergeben konnte. Später kamen noch so Sprüche wie: "Das kann doch nicht so lang dauern, einen Knast zu sprengen", "Bring mal `ne kalte Cola", oder "Die Übung Knastsprengung habt ihr aber nicht bestanden".

Einer der Wachleute fragte, ob vielleicht jemand die Bierflaschen verstecken könnte - das wurde ihm zugesagt.

Als der Bus abgestellt worden war, bekamen sie noch gesagt, sie würden bald gefunden werden und an einen Satz erinnerten sich alle Zeugen, nämlich, daß sie jetzt Zeit hätten, sich über ihre Berufswahl Gedanken zu machen.

Nachdem sie den Explosionsknall gehört hatten, hat einer von ihnen einen Seitenschneider im Handschuhfach gefunden, mit dem dann eine der Ketten, mit denen sie gefesselt waren, durchtrennt werden konnte. Zwei der Zeugen machten sich auf den Weg in Richtung JVA, um Hilfe zu holen. Dort begegneten sie einem Justizbeamten, der um halb sechs seinen Dienst angetreten hatte. Auch er war als Zeuge geladen.

Er kam also um halb sechs mit dem Auto zum Dienst. Die Straße war mit rot-weißem Markierungsband abgesperrt: Ein Schild mit der Aufschrift "Knastsprengung in Kürze - Lebensgefahr - schnell wegrennen! - RAF",

das dort angebracht war, nahm der Zeuge ab und fuhr weiter. Am Knast angekommen, wunderte er sich, daß das Tor halb aufstand und in der Pforte kein Licht war. Erst dann hat er gesehen, daß es eine Explosion gegeben hatte. Nachdem er in Gebäude 11 nachgesehen hatte, ob den dort vermeintlich Schlafenden etwas passiert ist, fuhr er weg, um zu telefonieren. Als er zurück kam, kamen ihm die beiden aus dem Bus entgegen und Polizei war auch schon da.

Soweit die Zusammenfassung der Zeugenaussagen zum Komplex Weiterstadt. An diesen fiel auf, daß sie sehr sachlich waren; der Sprachgebrauch derer aus der ehem. DDR unterschied sich angenehm von dem gängigen. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie in ihrer Schilderung Worte wie "politische Gefangene", "RAF", "Katarina Hammerschmidt war wohl eine RAF-Kämpferin" benutzten, produzierte einige gequälte Gesichter im Saal. Auch die Versuche seitens der BAW und vom Richtertisch, über Nachfrage nach davongetragenen Verletzungen, gar nachhaltigen Schäden, die Zeugen aufzustacheln, schlugen mehrheitlich fehl. Außer bei einem, bei dem schon aus den Akten ersichtlich war, daß er psychische und Alkoholprobleme hat. Hier versuchte der Nebenkläger, es so hinzustellen, als seien diese auf den Überfall zurückzuführen. Als Birgits Anwalt Bertold Fresenius dann anhand der Akten klarstellte, daß es diese Probleme schon vorher gab, taten BAW und Nebenklage furchtbar empört, als ob der Anwalt damit angefangen hätte, sowas in der Öffentlichkeit zu debattieren.

Dem Zeugen fehlte in seiner Erinnerung eine Stunde, dazu hatten die vernehmenden BKA-Beamten ihm nahegelegt, er solle sich wohl besser einen Anwalt nehmen. Der Zeuge hat sich dann "freiwillig" einer Vernehmung unter Hypnose unterzogen. Das Ergebnis dieser Vernehmung hat er selber nie zu Gesicht bekommen. Dieser Zeuge ist vor Ostern 1995 nochmals vernommen worden. Diese Vernehmung befindet sich nicht in den Akten. Ihm wurden 50 Lichtbilder vorgelegt und er wurde "zu seinem Umfeld" befragt. Die BAW lehnte ab, diese Vernehmungsprotokolle zu den Akten zu nehmen, da dies weitere Ermittlungen gefährden würde.

Weitere Zeugen wurden (auch nach Eröffnung der Hauptverhandlung) zu Weiterstadt erneut vernommen, auch diese Protokolle fehlen in den Akten. Es geht dabei um eine rote Textilspur, die auf dem Beifahrersitz des Kleinbusses gefunden worden sein soll. Einem Zeugen wurde (vor kurzem?) eine (rote?) Tasche oder Rucksack vorgelegt, was in den Akten nicht dokumentiert ist und was sich erst jetzt in der Hauptverhandlung herausstellte. Auch scheinen die Vernehmungsprotokolle von 1993 unvollständig zu sein. So sagte ein Zeuge aus, er sei damals 3-4 Tage vom BKA vernommen worden, in der Akte befindet sich aber nur ein Protokoll von einem Tag.

Auch die Aussagenprotokolle von dem VS-Agent Steinmetz (siehe Info Nr. 1, Seite 3) sind nicht vollständig in den Akten. Ein Teil der Aussagen ist vom BKA gesperrt, ein weiterer Teil gehört angeblich zu einem anderen Verfahren. Birgits Verteidigung hat beantragt, alle diese fehlenden Akten zu bekommen.

Ein Verhandlungstag fiel aus, da Birgit aufgrund von Menstruationsbeschwerden nicht teilnehmen konnte. Zuerst war Zwangsvorführung angedroht worden, nach einigem Hin und Her wurde unterbrochen bis Nachmittags. Richter und Staatsanwälte meinten, über das Befinden von Birgit mit männlichem Kenntnisreichtum debattieren zu müssen. Birgit hat dem vorsitzenden Richter eine Binde auf den Tisch geworfen. Als er am Schluß fragte, ob sie "das Ding" wiederhaben wolle, antwortete Birgit, er könne es zu seinen Beweisakten legen.

 

Am 14.9. stellte sich dann heraus, was es mit der roten Faserspur auf sich hatte.

Das Gericht präsentierte ein neues BKA-Gutachten (von August 1995). Es ging darin um den Vergleich von Faserspuren, die an Gegenständen, die im Zusammenhang mit der Aktion in Weiterstadt stehen, gefunden wurden, und solchen, die in Bad Kleinen beschlagnahmter Kleidung, Taschen etc. zugeordnet werden könnten.

Von Birgit wurden neben zwei T-Shirts, einem Tuch, Socken, Tasche, Badeanzug und Strickzeug eine weinrote Strickjacke und eine pinkfarbene Jogginghose "asserviert", das Gutachten konzentrierte sich auf die Suche nach roten, pinkfarbenen und blauen Fasern, von der Kleidung des ermordeten Wolfgang Grams wurde eine blaue Hose in das Gutachten einbezogen.

Neben vielen anderen Faserspuren fanden sich auf dem Beifahrersitz des in Weiterstadt verwendeten Fahrzeugs und auf der Strickleiter auch weinrote Wollfaserspuren. Zwar hatten alle Zeugen übereinstimmend ausgesagt, die an der Aktion beteiligte Frau hätte eine parkaähnliche Jacke in grau, beige oder ocker getragen, auch war von einer pinkfarbenen Hose nie die Rede gewesen, aber dieses neueste Gutachten soll wohl erbringen, was der Anklage bis jetzt fehlte, nämlich den "Beweis" für Birgits direkte Tatbeteiligung in Weiterstadt. Bislang hatten sie dazu nur einen Brief, den Birgit aus dem Knast geschrieben hat und der "als Beweismittel" angehalten und beschlagnahmt wurde, wegen einer Äußerung zu Weiterstadt.

Jetzt haben sie ein Gutachten, das besagt, daß auf dem Beifahrersitz des Kleinbusses zu einem unbestimmten Teitpunkt (jedenfalls nicht als letzte/r) mal jemand mit einem roten wollenen Kleidungsstück gesessen hat. Diesem Gericht reicht sowas wahrscheinlich....

 


Beschlüsse in Stammheimer Tradition

 

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

 

 

BESCHLUSS

 

In der Strafsache

 

gegen Frau Birgit Elisabeth Hogefeld

geboren am 23. 7.1956 in Wiesbaden

z.z. in der Justizvollzugsanstalt

Frankfurt am Main III,

 

wegen Verbrechens nach [[section]] 129 a StGB u.a.

 

wird der Antrag des Herrn Hubertus Janssen, ihm eine Erlaubnis für einen nicht überwachten "Sonderbesuch" ohne Trennscheibe zu erteilen, abgelehnt. Stattdessen wird dem Antragsteller eine Besuchserlaubnis der üblichen Art erteilt werden.

Gründe

 

Da der Antragsteller, der sich als "Pfarrer" bezeichnet, nicht als solcher in der Haftanstalt tätig ist, gehört er zum Kreis der anstaltsfremden Personen. Deren Besuche unterliegen gem.Nr.27 Abs.1UVollzO der Überwachung. .Außerdem finden nach Nr.6 des Haftstatuts vom 21.7.1993 mit Ausnahme von Angehörigenbesuchen sämtliche sonstigen Besuche bei der Angeklagten mit Trennscheibe statt.

Hinsichtlich beider Sicherungsmaßnahmen ist es nach den genannten Regelungen ohne Bedeutung, ob der Antragsteller, wie von ihm behauptet, mit der Angeklagten "ein seelsorgerisches Gespräch führen" will. Außerdem kann er diese Absicht ohnehin auch dann verwirklichen, wenn der Besuch überwacht wird und eine Trennscheibe vorhanden ist.

Schon im Hinblick auf die aus der Antragsbegründung ersichtlichen Kontakte des Antragstellers zu verurteilten RAF-Mitgliedern sowie im Hinblick auf den Inhalt seines an den Senatsvorsitzenden gerichteten Schreibens vom 13.3.1995 beseht kein Anlaß, gem.Nr.48 Abs.3 Halbsatz 2 UVollzO von der Besuchsüberwachung abzusehen. In dem genannten Schreiben hat der Antragsteller dem Senat u.a. vorgeworfen, dem "Element eines fairen, rechtsstaatlich angemessenen Verfahrens" "gröblich zuwiderzuhandeln" und beim Versuch einer Gegenüberstellung der Angeklagten mit einem Zeugen gegen das "Kernprinzip der Menschenrechte und Menschenwürde" verstoßen zu haben. Es ist daher als naheliegend anzunehmen, daß der Antragsteller einen nicht überwachten Besuch bei der Angeklagten dazu mißbrauchen würde, sie gegen den Senat aufzubringen und ggf.auch einen Nachrichtenaustausch zwischen ihr und anderen RAF-Mitgliedern zu betreiben.

Bei dem "Sonderbesuch", dessen Erlaubnis beantragt worden ist, soll es sich offenbar um einen zusätzlichen, d.h.um einen von der seitens der Haftanstalt vorgesehenen Besuchszahl nicht erfaßten Besuch handeln. Ob ein solcher zusätzlicher Besuch stattfinden kann, unterliegt nicht der Entscheidungsbefugnis des Senatsvositzenden. Dieser ist nur zuständig für die Besuchsgenehmigung.Die Besuchsabwicklung einschließlich der Festlegung des Besuchstermins gehört dagegen zur Organisationszuständigkeit der Haftanstalt und des Hessischen Landeskriminalamts, wobei für die Haftanstalt u.a.Nr.25 UVollzO maßgebend ist.

 

Frankfurt am Main, den 18.Juli 1995

Oberlandesgericht - 5. Strafsenat

Der Vorsitzende

i.V.

 

Dr.Klein

Richter am Oberlandesgericht

 

 

Aus:Presserklärung der Anwälte vom September 1995

 

Strafsenat behandelt Pfarrer als RAF-Symapthisanten

Herr Hubertus Janssen, Pfarrer, Bistum Limburg, und zugleich Vorstandsmitglied des Komitees für Grundrechte und Demokratie, nimmt regelmäßig als Prozeßbeobachter und damit Teil der Öffentlichkeit an der Hauptverhandlung teil. Im Frühjahr 1995 hatte er dem Vorsitzenden des 5. Strafsenats ein Schreiben übersandt, in dem er seiner Besorgnis über Verletzungen des Rechtsstaatsprinzips und der Menschenwürde Ausdruck verlieh.

 

In der Folgezeit beantragte er auf Wunsch von Frau Hogefeld, ihm bei Frau Hogefeld einen unüberwachten Seelsorgerbesuch ohne Trennscheibe zu genehmigen. Darauf erließ das Gericht den ... (obenstehenden) Beschluß, der nach Ansicht der Verteidligung für sich selbst spricht. Pfarrer Janssen wird darin unter anderem als "Antragsteller, der sich als Pfarrer bezeichnet", tituliert.

 

Sein Schreiben an den Vorsitzenden nimmt das Gericht zum Anlaß, ihn als Staatsfeind und RAF-Sympathisanten zu behandeln, der nach Auffassung des Gerichts den Besuch zur unerlaubten Nachrichtenübermittlung mißbrauchen könnte.

 

Der Beschluß verdeutlicht die Voreingenommenheit des Gerichts gegenüber jeglicher Kritik, insbesondere aber auch gegenüber der Angeklagten. Diese Voreingenommenheit bestimmt im übrigen schon seit Prozeßbeginn im November 1994 das Verhandlungsklima in diesem Verfahren.

 

Als Verteidiger halten wir es aufgrund dieses Verhaltens des Gerichts für eminent wichtig, das Verfahren kontinuierlich und aufmerksam kritisch zu begleiten.

 

 

Ursula Seifert

Berthold Fresenius

 

 

 

Offener Brief des Sprechers des Komitees für Grundrechte und Demokratie, Prof. Woff-Dieter Narr, an Richter Klein vom 9.9.1995

 

W.-D. Narr weist zunächst darauf hin, daß Hubertus Janssen, selbst Vorstandsmitglied im Komitee, im Auftrag der Organisation den Frankfurter Prozeß gegen Birgit Hogefeld beobachtet.

Er schreibt dann u.a.:

"Was würden Sie, sehr geehrter Herr Richter Dr. Klein, sagen, wenn ich in einem für Sie wichtigen, ja sogar rechtlich sanktionierten Zusammenhang formulierte: "Da der Antragsteller, der sich als "Richter" bezeichnet,...". Mit dieser Äußerung haben Sie sich selbst ausmanövriert. Sie kommen als zuständiger Richter in diesem Verfahren schon deshalb nicht mehr infrage".

 

...Sie "leiten ... in einer aus Vorurteilen gespeisten Deduktion (= Schlußfolgerung, Herleitung) unerhörterweise ab, daß es "daher"(!) "naheliegend" sei, "anzunehmen, daß der Antragsteller einen nicht überwachten Besuch bei der Angeklagten dazu mißbrauchen würde, dieselbe gegen den Senat aufzubringen, gegebenenfalls auch einen Nachrichtenaustausch zwischen ihr und anderen RAF-Mitgliedern zu betreiben".

 

Das ist starker Tobak. Das ist erneut eine Unverschämtheit, die Ihnen als Richter in keiner Weise ansteht, die Sie vielmehr als Richter jedenfalls in dieser Sache als gänzlich ungeeignet decouvriert (= erkennbar macht, entlarvt ). Sie haben nicht nur offenkundig - nun äußere ich meinerseits Vermutungen - Frau Hogefeld schon vorverurteilt, sie vorverurteilen auch diejenigen sozusagen qua (=auf dem Weg der) Kontaktschuld, die sich zum einen um in U-Haft genommene Menschen kümmern, die mit darauf achten wollen, daß politisch getönte Strafverfahren demokratisch-rechtsstaatlichen Prinzipien und Verfahrensweisen strikt entsprechen ..."

 

Vollständig bei: Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. Bismarckstr. 40, 50672 Köln (2 DM in Briefmarken beifügen)

 


Neue Nachverurteilung in Stammheim

 

Prozeß gegen Sieglinde Hofmann schon vor dem Ende

...

(Junge Welt, 15.09.1995)

...

(Aus: Angehörigen-Info Nr. 172 vom 09.09.1995 - dort auch: Prozeß- erklärung von Sieglinde Hofmann, Erklärung ihrer Verteidiger u.a.)

 


Christian Klar im Hungerstreik gegen Haftbedingungen

 

Christian Klar, Gefangener aus der RAF und seit 13 Jahren inhaftiert, befindet sich seit dem 1. September 1995 im unbefristeten Hungerstreik, um auf die zunehmende Verschärfung seiner Haftbedingungen aufmerksam zu machen. Besuche ehemaliger Gefangener, darunter Irmgard Möller, Günter Sonnenberg, Lutz Taufer, wurden verboten.

Bei Christian Klar wird die Zensur, das Anhalten von Briefen, Broschüren, Zeitungen besonders rigide gehandhabt. Auch seine Hungerstreikerklärung, mit der seinen Anwalt über seinen Streik informieren wollte, wurde zurückgehalten. In der Erklärung heißt es: "Hungerstreik ist eine Kampfform, die die Brücke nach draußen sucht. Es ist der kämpferische Vorschlag, für eine Zeit und für ein konkretes Ziel, die Kräfte zusammenzutun."

Dieser Satz wurde im Anhaltebeschluß als Aufforderung an andere Mitgefangene zum Hungerstreik interpretiert und somit kriminalisiert.

Christian Klar fordert die Aufhebung aller Besuchsverbote, die Zulassung von bis zu drei Personen bei Besuchen, die Aufhebung des Telefonverbots und die Achtung seines Rechts auf Briefkontakte.

 

 

Im März 1995 hatte Christian Klar geschrieben:

...

(Vollständig in: Angehörigen Info vom 27.03.1995, Nr. 166)


Spitzel Steinmetz und kein Ende

 

Auto und Motorrad sowie Motorradkoffer des Spitzels Klaus Steinmetz, an denen Spuren des Weiterstadt-Sprengstoffes gefunden worden sein sollen, waren Konstruktionsbrücken für BAW, BKA und LKA, um Ermittlungsverfahren gegen die letzte Nutzerin des Motorrads einzuleiten und Hausdurchsuchungen durchzuführen. Die Frau, eine Bekannte von Steinmetz, hatte das Motorrad aus der Hinterlassenschaft des Spitzels erworben.

In Beschlagnahmebeschlüssen ist immer wieder die Rede davon, Spuren und Beweismittel für Mithilfe bei der Weiterstadter Logistik durch bislang Unbekannte aufdecken zu wollen. Steinmetz wird nicht erwähnt. Die RAF hatte im März 1994 in einem längeren Text erklärt: "Weder Steinmetz noch GenossInnen aus dem Widerstand waren in irgendeiner Art an unserer Aktion gegen den Knast in Weiterstadt (oder sonstigen Aktionen) beteiligt."

Stoßrichtungen und Zielsetzung der Ermittlungen bleiben recht undurchschaubar.

Die von den Durchsuchungen betroffene Wohngemeinschaft hat jetzt eine 13-seitige Dokumentation verfaßt: "Motorradkoffer und ein Dienstfahrzeug". Bestellung gegen 4 DM in Briefmarken bei: Wohngemeinschaft, Fritzlarer Str. 18, 60487 Frankfurt.

 


Dokumentation

 

Erklärung der RAF zur Aktion in Weiterstadt am 27.03.1993

 

es hat sich nichts daran geändert, daß wir den einschnitt in unsere geschichte, den wir gemacht haben, brauchen und wollen. denn wir sind auf einen prozeß aus, in dem soziale gegenmacht von unten und daraus eine neue vorstellung für den revolutionären umwälzungsprozeß entwickelt werden kann. das erfordert eine neue diskussion, in der sich die unterschiedlichsten menschen finden und neue grundlagen und gemeinsame kriterien für diesen prozeß schaffen. es geht um den aufbau einer sozialen gegenmacht, die sich als relevante kraft in einem neuen internationalen kampf für die umwälzung der zerstörerischen kapitalistischen verhältnisse einbringen kann.

es wird darum gehen, die sowohl international als auch innergesellschaftlich veränderte wirklichkeit umfassend zu begreifen und in diesem prozeß auch "den ganzen alten begriffsschrott (der linken) abzuklopfen...", denn nur in einer tiefgreifenden auseinandersetzung wird es möglich werden, eine vorstellung zu gewinnen,

wie die verhältnisse revolutionär aufzuheben sind und nur aus diesem prozeß können die fragen nach den mitteln des kampfes und den konkreten formen der organisierung neu beantwortet werden.

dieser prozeß hat für uns nach wie vor die größte priorität. die notwendigkeit dazu ist jeden moment spürbar,

wenn wir uns die rasante destruktive entwicklung des kapitalistischen systems vor augen halten. dieses system hat schon lange die ausgrenzung, das materielle und soziale elend und den tod von millionen menschen im trikont hervorgebracht. heute ist die entwicklung der fortschreitenden grundsätzlichen krise dieses systems an einem punkt angelangt, an dem die zerstörung der lebensgrundlagen selbst in den metropolen nicht mehr zu verdrängen ist und soziales und materielles elend auch hier zur realität von immer mehr menschen geworden ist und viele spüren, daß die perspektive in diesem system für sie selbst nur hoffnungslosigkeit bedeutet. in dieser situation hat das fehlen einer sozial sinnvollen alternative als gesellschaftliche kraft katastrophale auswirkungen.

während der staat die ausbreitung und eskalation faschistischer und rassistischer mobilisierung in der gesellschaft schürt und fördert und es z.b. mit seiner gezielten hetze gegen flüchtlinge geschafft hat, einen großteil der aufbrechenden widersprüche in eine reaktionäre richtung zu kanalisieren, ist die situation auf unserer seite nach wie vor von vereinzelung und desorganisation geprägt.

 

im august letzten jahres haben wir einen text geschrieben, in dem es uns um die reflektion unserer geschichte geht und wir gleichzeitig kriterien und überlegungen für die zukunft angerissen haben; gedanken, die sich aus unserer auseinandersetzung in den letzten jahren entwickelt haben. diese gedanken sind für uns ausgangspunkt in der diskussion, die wir führen wollen. natürlich sind neue fragen und überlegungen dazugekommen. auch wenn wir nicht viel resonanz auf unser papier bekommen haben, ist es unser bedürfnis, die diskussion weiter und genauer zu entwickeln.

aus teilen der frauenbewegung gab es die kritik an uns, daß wir nur wenig auf ihre diskussionen eingegangen sind, die für teile von ihnen in den letzten jahren sehr wichtig gewesen sind, wie die diskussion um rassismus. und auch durch die sich überschlagenden ereignisse wie z.b.in rostock ist es für uns dringend geworden, diese auseinandersetzung genauer zu führen.

wenn wir auch nach wie vor die verschärfung der lebensbedingungen hier und die umsichgreifende perspektivlosigkeit vieler menschen sowie das fehlen der linken als kraft als einen grund für den zulauf bei den faschisten sehen, ist es auf der anderen seite aber auch klar, daß die wurzeln dafür, warum sich hier in der metropole, im neuen großdeutschland, die unzufriedenheit in einem solchen ausmaß gegen fremde entlädt, tiefer liegen. damit müssen sich alle sehr bewußt auseinandersetzten. wie ein mosambikaner sinngemäß gesagt hat: bei uns sind die menschen auch arm und trotzdem schlagen sie deshalb nicht auf die nächsten unter ihnen ein.

die auseinandersetzung über rassismus wird also sicher ein wichtiger teil beim aufbau einer gegenmacht von unten sein - die nicht im ghetto bleiben oder als abgrenzung zu anderen geführt werden kann, sondern als frage ans eigene bewußtsein, wie jede/r sein will und welche gesellschaftliche entwicklung man/frau will.

daß da in der vergangenheit fehler gelaufen sind, kritisiert die autonome l.u.p.u.s.-gruppe in ihrem buch "geschichte rassismus und das boot": "so selbstverständlich und geübt es scheint, heute über rassismen, über das `spezifisch deutsche`oder über deutsche einzigartigkeiten zu streiten, so selbstverständlich sah die revolutionäre linke in den letzten zwanzig jahren darüber hinweg....was in der linken auseinandersetzung um patriachaliches verhalten unmöglich geworden ist, schien in der frage des deutsch-seins auffällig leicht zu fallen: wir haben damit nichts zu tun."

die chancen, heute vieles anders zu machen und neues herauszufinden, sind groß: die frage nach dem aufbau einer gegenmacht von unten ist nicht ausschließlich eine frage an weiße, deutsche linke, sondern eine frage danach, wie menschen, die hier leben, sich gemeinsam organisieren können. und die bevölkerung setzt sich hier aus menschen der unterschiedlichsten nationalitäten und hautfarben zusammen.

"...der dialog mit schwarzen frauen muß nicht in fernen ländern stattfinden, sondern ist/wäre viel einfacher und intensiver mit den frauen möglich, die in der brd leben. die geschichte von migrannt/innen und ihr wissen aus den herkunftsländern ist dabei für das begreifen internationaler zusammenhänge so wichtig wie ihre politischen meinungen und erfahrungen mit rassismus und dem anderen sexismus, der sie hier trifft, für das verständnis der brd-gesellschaft..." (aus:"basta" - frauen gegen kolonialismus).

"...es war die 68er-bewegung, die das, was der faschismus nach dem judentum innerstaatlich am grausamsten verfolgt und ausgemerzt hatte, die linke, ihre werte, kultur und kontinuität, wieder lebendig und berechtigt hat werden lassen in deutschland west. und wenn heute eine re-faschisierung läuft, dann breitet sie sich aus in jenem politisch-kulturellen vakuum, das diese linke in ihrem rückzug aus einer gesamtgesellschaftlichen verantwortung und neusetzung von werten und einstellungen hinterlassen hat" (lutz taufer, gefangener aus der raf).

es ist eine aufgabe der linken, in ihrer praxis neue werte zu setzen und zu leben, ansonsten wird in der gesellschaft immer nur das hervorbrechen, was 500jahre kolonialismus im bewußtsein der metropolenbevölkerung angerichtet haben: rassistische ideologie.das weiße herrenmenschenbewußtsein ist seit 500 jahren voraussetzung für kolonialistische und imperialistichen ausbeutung der völker im trikont. es ist im bewußtsein der weißen metropolenbevölkerungen aus dieser geschichte vorhanden und wird in krisenzeiten von staat und kapital offen mobilisiert.

rassismus heißt, menschen in "andersartige" und "mehr -" und "minderwertige " zu kategorisieren. so werden immer die kategorisiert, die im kapitalistischen produktionsprozeß entweder nicht mehr gebraucht werden oder härter ausgebeutet werden sollen.

die zerstörung des sozialen unter den menschen ist die voraussetzung für rassismus. diese zerstörung bedeutet, daß auf der basis des kapitalistischen systems, dem 24-stunden-alltag von leistung und konkurrenz, den menschen eigene kriterien geraubt und durch für den kapitalismus funktionale werte ersetzt wurden - am effektivsten in den metropolen. das zeigt sich z.b. am verhältnis von arbeit und leistung als wertdefinition des menschen: ohne arbeit bist du nichts...es ist das verhältnis zur zeit, wo es für die meisten menschen zur normalität geworden ist, in einem vollkommen vorbestimmten rhythmus und stress das ganze leben zu verbringen, in dem es keinen platz für kreativität und lebenslust gibt.

es zeigt sich daran, daß in diesem system alles zur ware wird, auch das verhältnis zur körperlichkeit, wobei natürlich die frauen am meisten dazu gezwungen werden, ihren körper als ware zur schau zu tragen, die von männern konsumiert oder eben abgelehnt wird ...

es war und ist immer die voraussetzung für die herrschaft des kapitalistischen systems über den menschen gewesen, mit solchen kriterien auch tausend trennungen zwischen sie zu setzen: die trennungen in mehr-und minderwertige; in leistungsfähige und "arbeitsscheue"; in schwarze und weiße; in männer und frauen; alte und junge ;kranke, schwache, behinderte und starke, gesunde; in gescheite und "dumme".

dieser prozeß der zerstörung hat heute eine dimension erreicht, in der die gesellschaft in ein inneres um-sich-schlagen übergeht.

rassistisches bewußtsein wie überhaupt der destruktive prozeß in der gesellschaft kann nur in kämpfen, in denen soziale beziehungen und werte hervorgebracht und umgesetzt werden, aufgeheoben bzw.umgekehrt werden. eine perspektive revolutionärer entwicklungen wird nur in solchen prozessen wieder vorstellbar werden.

entweder schafft die linke - und damit meinen wir alle, die auf der suche nach wegen sind, wie menschenwürdiges leben hier und weltweit durchgesetzt werden kann - einen neuen aufbruch, der seine wirkung in die gesellschaft hat oder der "aufbruch" bleibt auf der rechten, faschistischen seite.

entweder wird von unserer seite aus eine basisbewegung von unten entwickelt, die von solidarität und gerechtigkeit, vom kampf gegen soziale kälte, perspektivlosigkeit und armut bestimmt ist, oder die explodierenden widersprüche werden weiterhin destruktiv bleiben und die gewalt jede/r gegen jede/n eskalieren.

es gibt linke, die sich mit diesen fragen nach der gesellschaftlichen entwicklung, wie wir und auch andere sie gestellt haben, nicht auseinandersetzen wollen, weil dies reformistisch sei. solche scheindiskussionen um revolutionär/reformistisch sind ohne jeden gebrauchswert für die neubestimmung revolutionärer politik; und auch im festhalten und beharren auf zeitlos alten klarheiten wird niemand antworten auf die sich heute stellenden fragen finden. die gegenseitigen bestätigungen, daß die revolution international sein muß, sind banal - sie nutzen niemandem, auch nicht den völkern im süden oder osten.

die wirklichen fragen fangen danach erst an, nämlich wie hier eine soziale gegenmacht aufgebaut werden kann, die aus den gemachten erfahrungen und eigenen fortschritten sich tatsächlich als relevante kraft in die internationalen diskussionen und kämpfe einbringen kann. in diesem sinne ist der vorwurf an uns, wir würden eine neubestimmung nicht mehr im internationalen zusammenhang suchen, inhaltlich genauso oberflächlich wie er absurd ist.

das draufstürzen auf das bemühen anderer, um zu sehen, wie man es zerreißen kann (oder ob es besser ist,sich dran zu hängen), ist eine alte rangehensweise der deutschen linken das positive daran, daß in den diskussionen seit dem 10.4. letzten jahres innerhalb der radikalen linken zentnerweise alter mist-wie konkurrenz und abgrenzungsdenken oder verkrampftes festhalten an alten rangehensweisen - hochkonjunktur erlebt hat, ist, daß er, so offen wie er nun dasteht,auch endlich überwunden werden kann.

die voraussetzung für die neubestimmung revolutionärer politik ist, daß jetzt die leute zusammenkommen, sich organisieren und handeln, die voneinander wirklich was wissen wollen und neue gedanken zulassen und entwickeln wollen.

seitdem wir vor einem jahr die eskalation von unserer seite aus zurückgenommen haben, hat der staat die verfolgung fortschrittlicher menschen, die politische gegner/innen dieses systems sind, teilweise noch verschärft: versuche, aus der vereinzelung heraus räume für eine andere entwicklung zu erkämpfen, werden nach wie vor nieder gemacht. herausragendes beispiel war der versuch, den gegenkongress gegen den weltwirtschaftsgipfel in münchen von vorneherein zu verhindern, eine internationale diskussion unmöglich zu machen sowie die einkesselung der demonstranten.

die antifaschistische organisierung wird kriminalisiert und antifaschistische demonstrationen wie in mannheim im sommer letztes jahr niedergeprügelt.

natürlich besteht ein zusammenhang zwischen dem niedermachen von selbstbestimmten ansätzen, der verfolgung und einknastung von antifas und der stärker werdenden faschistischen mobilisierung.

die herrschenden wissen, daß alle maßnahmen, zu denen sie aus der krise gezwungen sind, die widersprüche im inneren verschärfen werden - sozialabbau, steigende wohnungsnot, steigende arbeitslosigkeit, stahlkrise, krise in der autoindustrie...--reuter, chef von daimler benz, geht laut spiegel von 30 bis 50 jahren krise aus - das alles soll auf die bevölkerung abgewälzt werden. gleichzeitig muß der staat eine irgendwie geartete mobilisierung für großdeutschland hinkriegen. wenn z.b. militärische einsätze der bundeswehr zwar unter der hand immer wieder gelaufen sind - wie im krieg gegen den irak und gegen das kurdische volk - so geht es dem großdeutschen staat perspektivisch doch um eine andere dimension und um eine größere akzeptanz auch hier im inneren für deutschland als militärmacht - da bleibt nicht viel anderes, als eine rassistische, weiße mobilisierung der - deutschen staatsbürger - in dem einen boot, was diese gesellschaft im herrschenden kapitalistischen interesse noch zusammenhalten könnte.

während sie auf der einen seite also rassistische ausländer- und asylgesetze verabschieden und flüchtlinge hier zu "dem problem der deutschen" ganz gezielt in die köpfe der leute gepusht haben, und damit die faschistiche mobilisierung überhaupt in diesem ausmaß auf den plan gerufen haben, übernehmen sie auf der anderen seite gleichzeitig die schirmherrschaft von demonstrationen gegen fremdenhass wie in berlin ende letzten jahres. so soll auch noch die empörung vieler menschen gegen die faschistischen schläger und mörder für diesen staat kanalisiert und funktionalisier werden. um zu verhindern, daß sich aus dieser empörung eine bewegung von internationaler solidarität der unterdrückten gegen die herrschenden und ihre faschistischen schläger entwickelt, wurde wochenlang durch die medien gepeitscht: es ginge um gewalt, gewalt von links wie gewalt von rechts. während hier täglich ausländische, behinderte und obdachlose menschen angegriffen werden und es allein`92 dabei 17 tote gegeben hat, stellte kohl sich hin und redete von extremismus von links und von rechts, der bekämpft werden muß.

der jubel der herrschenden über den zusammenbruch des sozialistischen staatensystems und über den "großen sieg" des kapitalistischen systems ist schon seit einiger zeit verstumm t- diese entwicklung hat das kapitalistische system in seine größte krise gestürzt. die herrschenden haben keine antworten auf diese krise - was nicht heißt, daß sie nicht trotzdem mit menschenverachtenden planungen und maßnahmen versuchen, die situation da, wo sie noch können, zu regulieren.

es scheint, daß die einzige linie, die sie klarhaben, die bekämpfung der linken ist. da sollen alle niedergemacht werden,die auf eine antifaschistische und antirassistische mobilisierung von unten und gegen die herrschenden interessen aus sind.verhindern wollen sie ansätze , wo menschen sich für ein von unten bestimmtes solidarisches lösen der probleme organisieren.

darüberhinaus führt der staat einen rachefeldzug gegen die alten kommunisten und antifaschisten, was sich exemplarisch an dem prozeß und der einknastung von gerhard bögelein gezeigt hat, bis sie ihn kurz vor seinem tod rauslassen mußten.

alles, was an widerstandserfahrungen in diesem jahrhundert entwickelt worden ist, soll ausgemerzt werden. und genau diese haltung zeigt sich auch in dem umgehen des staates mit unseren gefangenen genossInnen.

 

wir sind oft kritisiert worden, daß wir in der erklärung vom april letzten jahres unsere entscheidung zur zäsur mit der situation der gefangenen bzw. überhaupt mit dem staatlichen vernichtungswillen verknüpft hätten.

wir haben jedoch den einschnitt in unsere geschichte immer mit der notwendigkeit begründet, neue grundlagen zu entwickeln, und gesagt, daß diese notwendigkeit unabhängig vom staatlichen handeln existiert. aber uns war auch von anfang an dabei bewußt, daß unklar ist, wie der staat reagiert, wenn wir den druck von unserer seite aus wegnehmen, und deshalb haben wir uns mit der drohung die möglichkeit offengehalten, da zu intervenieren, wo es notwendig ist, dem staatlichen ausmerzverhältnis grenzen zu setzen. im august`92 haben wir geschrieben:

"wir werden die bewaffnete intervention dann als ein moment des zurückdrängens bestimmen und nicht als weitere strategie. wir werden also nicht einfach zum alten zurückkehren. diese eskalation ist nicht unser interesse. aber der staat muß wissen, wenn er keine andere möglichkeit zuläßt, daß es auf unserer seite die mittel, die erfahrung und die entschlossenheit gibt, sie dafür zur verantwortung zu ziehen".

es ist quatsch zu sagen, wir hätten damit uns bzw. die frage der weiterentwicklung revolutionärer politik von der situation der gefangenen abhängig gemacht, aber tatsache ist auch, daß unser schritt z.b. auswirkung darauf hat, wie der staat mit der frage nach der freiheit der politischen gefangenen umgeht. das ganze ist eine widersprüchliche situation; damit müssen wir umgehen und uns darin bewegen können. wir leben schließlich nicht im luftleeren raum.

nachdem wir den druck von unserer seite aus weggenommen hatten, hat sich der staat in bezug auf die gefangenen ein weiteres mal für die eskalation entschieden - das urteil gegen christian klar und die neue prozeßwelle überhaupt sollen bei vielen das lebenslänglich zementieren; die entscheidung, bernd rössner nicht endgültig freizulassen; mit den letzten ablehnungsbegründungen auf die anträge von gefangenen auf freilassung ist die staatsschutzjustiz da angekommen, sie zur psychiatrischen untersuchung zwingen zu wollen, womit sie eingestehen sollen, ihr kampf, ihr aufbruch sowie ihre gegnerschaft zum system sei irrsinn.

die gefangenen sollen nicht zusammengelegt werden, denn sonst könnten sie in diskussionsprozesse und gesellschaftliche prozesse eingreifen - und noch viel weniger sollen sie draußen sein. sie sollen nach wie vor vernichtet werden und ihre erfahrungen aus kämpfen von anderen ferngehalten werden.

es ist vollkommen klar, daß es eine politische entscheidung des staates erfordert, um vom ausmerzverhältnis gegen die gefangenen zu einem politischen umgang mit der gefangenenfrage zu kommen - die politische ebene hat diese frage aber an die staatsschutzjustiz abgegeben, die natürlich erst recht nicht die entscheidung trifft, zu der die politik nicht willens ist.

sicher liegen nach wie vor tausend fragen auf dem tisch und eine solidarische diskussion, in der aus den gemachten erfahrungen der kämpfe in den letzten 25 jahren gemeinsam gelernt, schlüsse für die zukunft und gemeinsame kriterien für eine neue vorstellung für den umwälzungsprozeß entwickelt werden können, hat noch kaum angefangen. aber es gibt grundsätze und selbstverständlichkeiten, die nicht in frage gestellt werden müssen, von denen wir einfach ausgehen: z.b.das verhältnis zu unseren gefangenen genoss/Innen und der tatsache, daß der staat seit 22 jahren politische gafangene in isolationshaft folter t- wir kämpfen für die freiheit dieser gefangenen.

wir werden nicht sagen: wir sind jetzt auf der suche nach einer neuen strategie und was mit ihnen derweil passiert, passt jetzt nicht in unser konzept.wir können einen neuen anfang, die entwicklung neuer vorstellungen gar nicht losgelöst von der frage sehen, wie die freiheit unserer genoss/innen, die aus diesen 22 jahren kampf gefangen genommen wurden, erkämpft werden kann. sie sind seit 22,18...jahren in isolation/kleingruppenisolation, es ist keine frage:

ALLE MÜSSEN JETZT RAUS !

die frage, ob die freiheit aller politischen gefangenen in einen gemeinsamen anstrengung aller linken und fortschrittlichen menschen durchgekämpft werden kann, hat aus unserer sicht auch bedeutung dafür, ob wir es schaffen, in dieser phase der neubestimmung tatsächlich eine starke und selbstbewußte kraft, die gegenmacht gegen die herrschenden verhältnisse ist, aufzubauen. wer heute schulterzuckend oder ohnmächtig akzeptiert, daß die gefangenen weiter dieser tortur unterworfen werden, weil er/sie denkt, daß unsere seite dagegen zu schwach ist, wie soll er/sie darauf hoffen können daß wir in der lage sind, eine kraft aufzubauen, die die gesamten verhältnisse umwälzen kann ?

 

wir haben mit dem kommando katharina hammerschmidt den knast in weiterstadt gesprengt und damit auf jahre verhindert, daß dort menschen eingesperrt werden. wir wollen mit dieser aktion zu dem politischen druck beitragen, der die harte haltung gegen unsere gefangenen genoss/Innen aufbrechen und den staat an dieser frage zurückdrängen kann. doch dafür, daß ihre freiheit durchgesetzt werden kann, braucht es die unterschiedlichsten und vielfältigsten initiativen von vielen. im letzten jahr hatten wir versucht, trotz der zäsur politischen druck von unserer seite aus an dieser frage über die drohung zu halten. das,was es dafür an wirkung und grenze hätte sein können, ist leider gerade von genoss/Innen aus dem linksradikalen spektrum systematisch demontiert worden.

mit unserer aktion haben wir diesen druck jetzt neu gesetzt und die drohung aktualisiert. wir denken, daß das genutzt werden kann.

 

"wir fordern die schließung des knastes weiterstadt! weiterstadt ist als abschiebeknast konzipiert und auf verseuchtem gelände gebaut..."(aus einem diskussionspapier von gefangenen aus stuttgart/stammheim,sept.`91).

der weiterstädter knast steht exemplarisch dafür, wie der staat mit den aufbrechenden und sich zuspitzenden widersprüchen umgeht :gegen immer mehr menschen knast, knast, knast - und er steht als abschiebeknast für die rassistische staatliche flüchtlingspolitik.

in seiner technologischen perfektion von isolation und differenzierung von gefangenen menschen ist er modell für europa.

weiterstadt war neben berlin-plötzensee der zweite völlig neu konzipierte hochsicherheitsknast in der brd. mit begriffen wie "wohngruppenvollzug" wird er, mit seinem hochsicherheitstrakt für frauen, als das "humanste gefängnis" in der brd dargestellt. hinter diesem begriff verbirgt sich jedoch ein wissenschaftlich weiterentwickeltes konzept zu isolierung, differenzierung und totaler kontrolle der gefangenen. es ist das prinzip von belohnung und bestrafung in high-tech -form, das die gefangenen zur disziplinierung und unterwerfung zwingen und letztlich ihre "mitarbeit", sich selber zu brechen, erreichen soll.

das elektronische überwachungssystem war wohl das teuerste und perfekteste in ganz europa, mit dem jede äußerung und bewegung der gefangenen kontrolliert werden und zur auswertung für die psychologischen programme benutzt werden sollte, um jede regung von solidarität, freundschaft und selbstbestimmte organisierung zerstören zu können.

"bevor die gefangenen auf die einzelnen wohngruppen verteilt werden, urchlaufen sie die einweisungsabteilung. dort wird ein psychiaterstab die einzelnen gefangenen auf anpassungsbereitschaft bzw. widerstandswillen durchleuchten. anhand der ergebnisse wird die aufteilung der gefangenen auf die einzelnen wohngruppen bestimmt. die wohngruppen sind hierarchisch gestaffelt. angefangen von unbeugsamen und unkooperativen bis hin zu anpassungswilligen. das ziel: eine "karriere" des gefangenen durch aufsteigen von der untersten (=unangepasstesten) in die höchste (=konformste) wohngruppe." (aus :info Blatt der `bunten hilfe`darmstadt).

 

dazu schrieb eine der frauen aus der plötze, die mit einem hungerstreik für die abschaffung des wohngruppenvollzugs gekämpft haben: "die situation ist gekennzeichnet durch ein ausmaß an kontrolle und repression, wie es in seiner totalität kaum vorstellbar ist. die plötze ist sowohl architektonisch als auch personell so konzipiert, daß ein kontakt zwischen den frauen gar nicht zustande kommt oder aber bis ins letzte detail registriert wird. die frauen werden in von einander abgeschirmte zwangsgemeinschaften gepfercht, in denen sie danach ausgesucht werden, wie gut sie sich anpassen und wie sie sich am besten gegenseitig fertigmachen. die schallisolierten zellen haben eine gegensprechanlage, durch die die frauen jederzeit akustisch überwacht werden können. die stationsgänge sind mit kameras bestückt und der gruppenraum, wo sich die gefangenen in der freizeit treffen, ist verglast- kurz die perfekte überwachung jeder lebensäußerung..."

mit der lüge vom "humansten knast" wollte die justiz gefangene in anderen knästen auf deren verlegung nach weiterstadt einstimmen. jahrelang sind sie auf viele forderungen der gefangenen in frankfurt-preungesheim nicht eingegangen, mit dem verweis, es gäb `93 den weiterstädter knast. was aber hat beispielsweise die forderung nach abbau der brutalen betonsichtblenden in preungesheim mit weiterstadt zu tun? nichts. nicht mal die behauptung, durch weiterstadt (wo die überbelegung von vorn herein eingeplant war) würde sich die situation der überbelegung für die gefangenen in preungesheim verändern, entspricht der realität. sie hat den propagandistischen zweck, zu vertuschen, daß sie immer mehr knäste bauen (preungesheim soll nicht etwa geschlossen, sondern neu aufgebaut werden), mehr haftplätze schaffen und immer mehr menschen einsperren, was ihre antwort auf die gesellschaftliche entwicklung ist.

der bau von knästen ist keine lösung für die (preungesheimer)gefangenen. ihre forderungen müssen erfüllt werden - knäste müssen abgerissen werden.

 

FREIHEIT FÜR ALLE POLITISCHEN GEFANGENEN !
FREILASSUNG ALLER HIV-INFIZIERTEN !

FREILASSUNG ALLER FLÜCHTLINGE, DIE IN ABSCHIEBEHAFT SIND !

SCHLIESSUNG ALLER ISOLATIONSTRAKTE !

WIR GRÜSSEN ALLE, DIE IN DEN KNÄSTEN FÜR IHRE MENSCHENWÜRDE KÄMPFEN -

IN PREUNGESHEIM, SANTA FU; PLÖTZENSEE, RHEINBACH, STAMMHEIM, STRAUBING

SOLIDARITÄT MIT DEN INTERNATIONALEN GEFANGENENKÄMPFEN !

DER WEG ZUR BEFREIUNG FÜHRT ÜBER DEN SOZIALEN ANEIGNUNGSPROZESS, DER TEIL WIRD IN EINEM NEUEN INTERNATIONALEN KAMPF FÜR DIE UMWÄLZUNG !

RASSISMUS VON STAAT UND NAZIS BEKÄMPFEN !

RASSISTISCHES BEWUSSTSEIN IN DER GESELLSCHAFT IM KAMPF FÜR DAS SOZIALE UNTER DEN MENSCHEN AUFHEBEN - AUCH DAFÜR BRAUCHEN WIR EINE BASISBEWEGUNG VON UNTEN, DIE VON SOLIDARITÄT UND GERECHTIGKEIT, VOM KAMPF GEGEN SOZIALE KÄLTE, PERSPEKTIVLOSIGKEIT UND ARMUT BESTIMMT IST !

FÜR EINE GESELLSCHAFT OHNE KNÄSTE !

 

KOMMANDO KATHARINA HAMMERSCHMIDT 30.3.93

ROTE ARMEE FRAKTION

 

 

 

ps.:

die behauptung,wir hätten das leben der wachleute und untersten justiztypen allein aus "derzeitigen taktischen" gründen geschützt oder sie hätten ihr leben ausgerechnet kinkel zu verdanken, ist natürlich eine lüge. die raf hat kein interesse daran, solche leute zu verletzen oder zu töten diese lüge liegt auf der gleichen linie wie die tatsache, daß die baw die warnplakate, mit denen wir das gelände um den knast weiträumig abgesperrt hatten, unter den tisch fallen läßt - wo sie doch sonst am liebsten jede haarnadel zur fahndung ausstellen.

 

 


 

Informationen zum Weiterstädter Knastneubau / -wiederaufbau

 

 

Das Gelände, auf dem die Justizvollzugsanstalt (JVA) Weiterstadt gebaut/wiedererrichtet wird:

 

Im Zeitraum von 1904 bis 1967 ließ die Stadt Darmstadt auf einem 230 ha großen Gelände der Gemeinde Weiterstadt (ein Vorort von Darmstadt) Abwässer im Boden versickern.

Seit den 30-iger Jahren lagerte die Chemiefirma Merck im Hessischen Ried HCH (Hexachlorcyclohexan). Dieses Produkt aus der Pflanzenschutzmittelproduktion wurde bergeweise aufgeschüttet, und nach Aussagen der AnwohnerInnen wehte die Substanz wie feiner Kalk durch die Luft. (HCH: ein Kontakt-, Freß- und Atmungsgift. Enthalten in dem Mittel Jacutin).

Bei Niederschlägen wurde das HCH in den Boden gespült.

Als die Anwohner/Innen über gesundheitliche Beschwerden klagten, begann Merck damit, das HCH kurzerhand im Boden zu vergraben. Bis heute sind die Stellen,an denen es vergraben wurde, nicht alle bekannt. .Außerdem ist der Boden schwer mit Blei und Kadmium verseucht (durch Merck).

Die Fläche, die so stark verseucht war, daß eine Entsorgung des Bodens zu teuer gewesen wäre, wurde an das Land Hessen für den Gefängnisneubau verkauft.

Der Bau des Weiterstädter Knastes wurde mit den Stimmen der Grünen zu Zeiten der rot-grünen Koalition beschlossen.

 

 

Widerstand gegen der Bau der JVA:

 

Getragen und ausgerichtet wurde der Protest gegen den Bau des Hochsicherheitsknastes primär von der "Initiative für eine bessere Kriminalpolitik" (IbK), (1981/1982).

Die Initiative arbeitete vorrangig auf der öffentlich-publizistischen Ebene.

Von der IbK wurden bis 1984/85 zwei Demos und eine Veranstaltung mit der damaligen Abgeordneten im Europaparlament, Brigitte Heinrich, durchgeführt.

Als die Grünen in der hessischen Landesregierung saßen (1983), hoffte die Initiative mehr gegen den Bau der JVA bewegen zu können. Aber die Hoffnung darauf wurde zerstört, als die Grünen zusammen mit der SPD im Parlament den Baubeginn beschlossen.

Bezüglich des Baus der JVA wurden viele Leserbriefe an die lokalen Darmstädter Tageszeitungen geschickt.

Es wurden Artikel in der Zeitung "Das andere Transparent" (Informationen zum hessischen Strafvollzug) und in der "Grünen Hessenzeitung" von Jutta Ditfurth veröffentlicht.

Auf einer bundesweiten Veranstaltung zum Weiterstädter Knastneubau kam das Thema Weiterstadt und "Wohngruppenvollzug" bundesweit in die Diskussion. (Die Bunte Hilfe Darmstadt gab ihre erste Broschüre zu Weiterstadt heraus).

Der radikale Teil der Linken hatte sich bis dato nur am Rand mit Weiterstadt befaßt.

Nach und nach entwickelte sich eine stärkere Öffentlichkeit.

Die Öffentlichkeit und der Widerstand brachten Unruhe in die Planungen. So sollte Weiterstadt nach der Fertigstellung der ersten Trakte schon 1988/89 belegt werden Die anderen Trakte sollten während der Nutzung der ersten Trakte bis 1992 fertiggestellt werden.

Baustelle/Gefangene - diese Kombination wurde aber dann als Sicherheitsrisiko eingestuft.

Die Erstbelegung wurde daher ersteinmal auf 1992 verschoben. Nach einer weiteren Verzögerung sollte die Erstbelegung am 1.April 1993 erfolgen.

Dem kam die RAF mit der Knastsprengung durch das Kommando "Katharina Hammerschmidt" am 27.3.1993 zuvor.

 

 

Der Knast:

 

Größe des Anstaltsgeländes:12 ha (12.000 qm).

Baubeginn:1986

Platz für 500 Gefangene:

420 Haftplätze für Männer

75 Haftplätze für Frauen

Der Knast ist insgesamt auf 700 Haftplätze erweiterbar.

30 Haftplätze für die integrierte Psychiatrie.

120 Haftplätze (Betten) im angeschlossenen zentralen Haftkrankenhaus.

Kirche, Sporthalle mit Schwimmbecken und Kraftsportraum, ein Gebäude als Zentrum für die Behandlung psychisch auffälliger Häftlinge.

Kosten 250 Mill.DM.

Fertigstellung und Erstbelegung: 1992.

Gefangene u.a. aus Preungesheim sollen nach Weiterstadt kommen. Preungesheim soll teilweise abgerissen und nach neuestem Stand der Repressionstechnik aufgebaut werden.

Vorbilder dieser Art von Knast wie Weiterstadt sind die Frauenhaftanstalt Berlin/Plötzensee und der Knast Zweibrücken. In den Knastneubau von Würzburg sollten erste praktische Erfahrungen aus Weiterstadt einfließen.

 

Lage des Knastes:

 

Eine 1,6 km lange und 6,5 m hohe Außenmauer aus Betonfertigteilen umgibt die Gebäude. Integriert in diese Mauer sind 4 Wachtürme.

Vor der Mauer aufgeschüttet ist ein Erdwall, der mit Sträuchern/Bäumen bepflanzt ist. D.h. auch aus dem höchsten Stockwerk (3.Stock) gibt es keine Sicht nach außen. Umgekehrt keine Sicht nach innen. Gebaut ist der Knast auf freiem Feld (Übersichtlichkeit!).

Es wurde eine eigene Zufahrtsstraße gebaut.

Verkehrsstrategische Anbindung:

BAB Darmstadt/Köln

BAB Frankfurt/Basel

Frankfurter Kreuz

15 Autobahnminuten bis zum Flughafen Frankfurt/Main.

Weiterstadt ist also auch wohl als Abschiebeknast konzipiert.

Die Flughafen AG (FAG) hat sich finanziell am Bau der JVA beteiligt.

Es gibt keine Busverbindung zum Knast, d.h. Anwälte und Besucher sind auf eigene KfZ angewiesen.

 

 

Innenstruktur:

 

2 Frauentrakte

5 - 7 Männertrakte

Krankenstation

interner Sportplatz

Heizkraftwerk

Werkstätten für Männer und Frauen

Mehrzweckgebäude (auch für Gerichtsverhandlungen wie in Stammheim geeignet).

Zu- und Abgangstrakt für 14 Männer und 13 Frauen.

 

Notstromaggregat zur autarken Stromversorgung.

Die Versorgungsschächte liegen sabotagesicher in der Mitte der Gebäude.

Die eigene Trinkwasserversorgung durch einen Brunnenbau gesichert werden, damit man von der Außenwelt unabhängig ist. Jedoch ist HCH im Grundwasser vorhanden.

Integriert wird ein zentrales Knastkrankenhaus für Südhessen.

Für die gesamte JVA gilt Sicherheitsstufe 1 (höchste Sicherheitsstufe).

 

 

Die Zellen/Gruppenräume:

 

Die Zellen sind schallisoliert und aus fugenlosen Betonfertigteilen gebaut. Jede Zelle wird durch eine Gegensprechanlage akustisch überwacht (Die Grünen berichteten euphorisch, daß es keine Türspione mehr gäbe !).

Laut eines Berichtes des Teilnehmers einer offiziellen Führung durch den Rohbau gingen die Planungen soweit, den Türanstrich nach Geschlechtern zu variieren: rosa Türen für weibliche Gefangene und hellblaue für männliche Gefangene.

Die Gruppenräume sind verglast und abhörbar, die Gänge kameraüberwacht sowie Werkstätten und Besuchsräume.

 

 

Konzeption der Architektur:

 

Ursprung: NATO-Arbeitsgruppen entwickelten Knäste dieser Sorte im Rahmen der Widerstandsbekämpfung. Es gibt die Knäste in den USA (z.B.in Butner) und in Europa (Spanien,Frankreich, GB, BRD).

Die einzelnen Trakte in der JVA Weiterstadt sind nach dem "Telefonstangenplan" angeordnet.

 

 

Dieser Bauplan löst den Schachtel- und Strahlenplan ab.(Zeichnung).

 

 

 

 

 

 

Die Zellen in den Trakten können flexibel genutzt werden. Von Isolation in der Einzelzelle bis hin zum "Wohngruppenvollzug". (Diese Möglichkeit des "Wohngruppen-vollzugs" wurde von den Grünen als Knastreform gepriesen).

Die Trakte unterscheiden sich nicht von Hochsicherheitstrakten. Die Trakte sind in "Wohnbereiche" unterteilt. Je 10 -20 Personen können dort aufgenommen werden.

Zu jeder Wohngruppe gehört eine Teeküche, ein Gemeinschaftsraum, ein Hofabschnitt. Im "Wohnbereich" haben die Gefangenen während der Freizeit Schlüssel zu ihren Zellentüren.

Intern kann jede "Wohngruppe" von allen anderen Gefangenen isoliert werden.

Die verschiedenen Gebäude sind stockwerksweise mit Plexiglasgängen verbunden. Die Gänge sind kameraüberwacht. "Wohn-gruppen" z.B. können von einem Gebäude ins andere gebracht werden, ohne das Stockwerk zu wechseln. Diese Konstruktion hat bei der Knastsprengung durch die RAF mit zu dem hohen Sachschaden beigetragen, weil sie die Erschütterung der Explosion vom Verwaltungsbau in andere Gebäude weiterleitete, wodurch deren Statik geschädigt wurde.

Es gibt zwar keine Sichtblenden vor den Zellenfenstern, jedoch liegen die Fenster gegenüber von Verwaltungsgebäuden, d.h. eine unkontrollierte Kommunikation zwischen den Gefangenen (z.B. durch Pendeln) ist schwierig. Zwischen den "Wohngruppen" besteht keine Möglichkeit der Kontaktaufnahme, jede Gruppe ist von der anderen vollständig getrennt. Der Infoaustausch zwischen Gängen, Blöcken, Etagen ist unmöglich.

In Weiterstadt gibt es 2 Frauentrakte, die im Blickbereich von einem der 4 in die Außenmauer integrierten Wachtürme liegen. Diese Trakte sind mit einem zusätzlichen Stahlgitternetz umgeben.

Hier sollen Frauen eingeknastet werden, die nach [[section]] 129 a verurteilt worden sind.Z.B. Frauen aus der RAF, die in Preungesheim sind.

Vermutlich sollen bestimmte andere Trakte zur Internierung von AIDS-Infizierten genutzt werden.

 

 

Zauberformel "Wohngruppenvollzug":

 

Im "Wohngruppenvollzug" fließen die Ergebnisse aus der Deprivationsforschung, Gehirnwäscheforschung und Gruppendynamik zusammen.

Der Anfang hier in der BRD bezüglich des "Wohngruppenvollzugs" wurde 1980/81 mit dem "Modellknast" (Hochsicherheitstrakt) in Berlin/Plötzensee (Frauen-JVA) gemacht. Der Hochsicherheitstrakt ist das Modell des zukünftigen Strafvollzugs, d.h. die sogenannten "Wohneinheiten" unterscheiden sich kaum vom Hochsicherheitsvollzug.

Die "Wohngruppe" ist ein ausgeklügeltes Vollzugsinstrument, d.h. bevor die Gefangenen auf die einzelnen "Wohngruppen" verteilt werden, kommen sie in die Einweisungsabteilung. Dort werden sie von Psychiatern/Psychologen umfassend durchgecheckt. Nachdem ein Gutachten erstellt worden ist, wird festgelegt, wie die einzelnen Gefangenen auf welche"Wohngruppen" verteilt werden. Dabei sind die "Wohngruppen" hierarchisch gestaffelt: Von "Wohngruppen" mit Unbeugsamen bis hin zu denen mit anpassungswilligen Gefangenen. Die sog. "Mitarbeit" des Gefangenen an seiner "Karriere" wird belohnt (z.B. Aufstieg in eine nächsthöhere Gruppe). Wer sich der Verhaltenskonditionierung nicht unterwirft, wird bestraft mit Einzelisolation, Einkaufsverbot, Streichung schon erworbener Privilegien, Postentzug etc.

Ein Merkmal der neuen Knäste ist, daß die Zahl der SozialarbeiterInnen und PsychologInnen fast genauso hoch ist wie die der SchließerInnen.

Jeder Kontakt zu anderen Gefangenen, jede Lebensäußerung wird überwacht. In den Zwangsgemeinschaften können kooperative Gefangene gegenüber unkooperativen aufgewiegelt werden, so daß sich die Gefangenen in den Gruppen gegenseitig fertig machen. Therapie- und Gesprächswilligkeit wird belohnt, Verweigerung bestraft. Die Verweigerung einzelner kann mit Repressalien gegen die ganze Gruppe beantwortet werden.

Bislang gab es Hochsicherheitstrakte nur für politische Gefangene. Jetzt wird die totale Zugriffs- und Isolationsmöglichkeit auf alle Gefangene ausgedehnt. Der Übergang zwischen Einzelhaft und "Wohngruppe" ist fließend.

 

 

Arbeitszwang:

 

Zum "Therapieprogramm" gehört der Arbeitszwang. In den modernen Knästen steht für jede/n Gefangene/n eine Arbeitsmöglichkeit zur Verfügung. In der Plötze/Berlin arbeiten gefangene Frauen für 80 Pf/Std. nach Akkordvorgaben. Wird der Akkord nicht erfüllt, gibt es 10 % Lohnabzug. Es herrscht in der Plötze in der Schneiderei absolutes Sprechverbot.

Bei Nichteinhaltung gibt es Haftverschärfung.

Wer die Arbeit verweigert, sitzt rund um die Uhr in Isolationshaft.

In Weiterstadt hat sich bereits Mercedes Benz angemeldet. Der Automobil- und Rüstungskonzern möchte neben der JVA eine Art Lager und Werkstatt aufbauen.

 

 

Literatur:

 

* Weiterstadt: Der high-tech - Knast, Isolationshaft und Gehirnwäsche als Normalvollzug - Information zum Frauenknast Plötzensee. Bunte Hilfe Darmstadt, 3.Auflage, April 1993, S.2 5 (darin enthalten: "Menschen im Hotel", aus: Konkret Nr. 11/88, Hamburg 1988).

* Mescalero:Zeitung über politische Gefangene Nr.1, S. 13 -18.

* Interim, Nr.234, 1.April 1993, S.13 -15.

* Bunte Hilfe Darmstadt: Info Nr.2

* Frankfurter Rundschau, Montag, 29. März 1993, S.18.

* Bezüglich der Geschichte der Knastarchitektur sei empfohlen:

* Winfried Reebs: Die Suche nach dem richtigen Vernichtungsbau - Geschichte der Knastarchitektur -, 2.Auflage, Trotzdem-Verlag, Grafenau-Döffingen 1987.

 


Redebeitrag der InfoAG zur Trierer Veranstaltung (7.Juli )

 

Zum Frankfurter Prozeß von November bis heute

 

 

Der Prozeß gegen Birgit Hogefeld läuft seit November 1994 vor dem Staatsschutzsenat des OLG Frankfurt. Von den fünf Richtern, die diesem Senat angehören, sind drei schon seit mehr als zehn Jahren in diesem Geschäft. Dieses Trio Schieferstein, Klein und Kern hat in den vergangenen Jahren immer wieder bewiesen, daß sie keinen Millimeter von dem politisch motivierten Verurteilungswillen der Bundesanwaltschaft und der Verfolgungsbehörden abweichen und an politischer und juristischer Aufklärung von Sachverhalten nicht das mindeste Interesse haben. Hier sei das Startbahn-Verfahren erwähnt, wo bis heute unklar geblieben ist, was in der Nacht des 2.11.1987 an der Startbahn wirklich geschehen ist. Auch übrigens, ob und inwieweit der Verfassungsschutz-Mitarbeiter Steinmetz in dieses Geschehen involviert war. Auf juristische Korrektheit haben sie dabei nie besonders achten müssen, zumal der für eventuelle Revision zuständige 3. Senat beim Bundesgerichtshof eine lange Tradition in der politischen Justiz hat; er war schon in den 50er Jahren für die KPD-Prozessse zuständig.

Fordert die Verteidigung juristische Selbstverständlichkeiten ein, reagiert der Senat völlig unsouverän mit plumpen Machtdemonstrationen.

Die Anklage gegen Birgit, in der ein mehrfaches lebenslänglich angelegt ist, basiert im wesentlichen auf Schriftgutachten. Zu begutachten waren hier jeweils Unterschriften auf Kaufverträgen bzw. Mietverträgen für Autos. Damit soll ihre Beteiligung an dem Anschlag auf Tietmeyer und auf die US Air-Baise bewiesen werden. Zu dem Anklagepunkt "Weiterstadt" hat die Anklage gar nichts zu bieten, zu Bad Kleinen, wo Birgit wegen Mord an dem GSG-9-Mann Newrzella und "6-fachem Mordversuch" angeklagt ist, ist unbestreitbar, daß Birgit in Bad Kleinen war und bereits verhaftet und gefesselt war, als die Schießerei losging. In der Anklage gegen sie wird als wahr vorausgesetzt, daß Newrzella von Wolfgang Grams tödlich getroffen wurde; hier machte Birgits Verteidigung bereits in ihrem Einstellungsantrag deutlich, daß dies aufgrund der Beweismittelvernichtung und -manipulation nicht als wahr vorausgesetzt werden kann. Die Geschosse, die Newrzellas Körper entnommen wurden, waren mehrere Tage "verschwunden", bevor sie bei einem Gutachter wieder "auftauchten", der dann erst feststellte, daß sie aus Wolfgangs Waffe stammen sollen. Andere Hinweise, wie zum Beispiel der Einschußwinkel sprechen eher für die These, daß Newrzella von seinen Kollegen getroffen wurde. Bekanntlich ist bis heute nicht geklärt, wieviele und welche GSG-9-Waffen in Bad Kleinen eingesetzt wurden.

Auf die vielen Beweismittelmanipulationen und staatlichen Lügen im Zusammenhang mit Bad Kleinen näher einzugehen, würde jetzt den Rahmen sprengen. Die Verteidigung hat für die Begründung ihres Einstellungsantrags zwei Tage gebraucht, so umfangreich ist dieses Thema. Die Bundesanwaltschaft hat in ihrer Presseerklärung am Tag der Ermordung von Wolfgang Grams und der Verhaftung Birgit Hogefelds wider besseres Wissen veröffentlicht, der Schußwechsel sei von Birgit eröffnet worden.

Diese absichtliche Lüge und die Isolationshaft bis kurz vor Prozeßbeginn verdeutlichen exemplarisch, wie vder Prozeß laufen soll, nämlich so wie alle RAF-Prozesse. Der Haftbefehl gegen Birgit lautete nur auf Mitgliedschaft in der RAF. Von Beweisen für die Beteiligung an konkreten Aktionen war darin noch keine Rede. Alle angeblichen Beweismittel, die jetzt im Prozeß präsentiert werden, sind auf Aktivitäten der Ermittlungsbehörden nach Birgits Verhaftung zurückzuführen. D.h. ZeugInnen wurden erneut befragt, Schriftgutachten neu erstellt und ältere revidiert, bis sich sowas wie eine Beweismittelkette ergibt.

So erfolgt auch die Auswahl, welche ZeugInnen zu den jeweiligen Komplexen geladen werden. Es werden längst nicht alle ZeugInnen geladen, die es zu den jeweiligen Komplexen gibt, sondern nur solche, die das, was die Anklageschrift vorgibt, in einem - und sei es auch nur so winzigen - Detail wie Augenfarbe bestätigen.

Die Richterbank hat ihren Fragenkatalog; was ein Zeuge zu sagen hat, interessiert nur insoweit, wie sie ein Häkchen an die Anklagekonstruktion machen können. Das geht soweit, daß sie Zeugen, die sich ganz offensichtlich nicht mehr erinnern das auch deutlich machen, solange Detailfragen - z.B. nach Augenfarbe - stellen, bis der Zeuge sagt, die Augen könnten so und so gewesen sein oder er könne nicht ausschließen, daß sie so und so waren. - Das ist dann ein Häkchen. Ein Beweismittel.

Dazu kommt, daß in den Akten der Verteidigung große Teile fehlen, so daß oft nicht nachvollziehbar ist, wie ein Zeuge zu seiner heutigen Aussage gekommen ist, die manchmal im Widerspruch zu früheren Aussagen steht wo - wie bei der "O-Bein-Zeugin" - ganz neue "Aspekte" ins Spiel gebracht werden: Diese Zeugin, die bei früheren Lichtbildvorlagen nicht Birgit, sondern eine andere erkannt haben wollte, will sie nach deren Verhaftung an den angeblichen O-Beinen erkannt haben. Von O-Beinen war in keiner vorangegangenen Vernehmung je die Rede. Diese Zeugin ist neben dem Schriftgutachten der einzige sog. "Beweis" für den Anklagepunkt Tietmeyer.

Auch im Komplex Airbase Frankfurt gibt es nur Schriftgutachten, die auf 5-7 Buchstaben, nämlich Unterschriften auf Kauf- bzw. Mietverträgen von Autos basieren. Die Bundesanwaltschaft hofft hier, daß es im Prozeßsaal zu einer Identifizierung von Birgit kommt. Denn auch hier gibt es nur einen Zeugen, der sich im übrigen bei früheren Vernehmungen auf seine Kurzsichtigkeit berief und der erst nach Bad Kleinen plötzlich behauptet, Birgit als die Frau wiederzuerkennen, die mit dem GI Pimental im "Western-Saloon" war.

In der Anklageschrift steht, die Gegenüberstellung in der Hauptverhandlung werde zeigen, ob eine konkrete Beteiligung der Angeklagten nachweisbar sei.

Nun ist eine Gegenüberstellung einer Angeklagten im Prozeßsaal aufgrund der Suggestivwirkung zwar nicht unzulässig, aber unüblich. Birgit entzieht dieser Zeugenmanipulation den Boden, indem sie sich mit dem Gesicht zur Wand setzt.

Wie absurd diese Wiedererkennung nach 10 Jahren ist, zeigen allein die uns bekannten Zeugenbeschreibungen zu der Frau aus dem "Western-Saloon" - diese variieren von groß und schlank, blaue Augen bis klein und dunkle Augen. Daß es bislang nur zweimal soweit kam, daß Birgit einem Zeugen gewaltsam gegenübergestellt wurde und sie es ansonsten bei der Androhung von Zwangsmitteln belassen, ist jedoch nicht auf Einsicht der Richterbank zurückzuführen, sondern vermutlich auf die Öffentlichkeitsarbeit der kirchlichen ProzeßbeobachterInnen.

Wiedererkennung nach zehn Jahren: das ja jede und jeder bei sich selbst beobachten, wie vage das ist: z.B. bei einem Klassentreffen oder besser: bei einem Schultreffen.

Letztens haben wir anläßlich des Prozeßberichts über Augenfarben unterhalten, weil ein Zeuge von blauen oder grünen Augen gesprochen hatte, und da sagte einer aus unserer Gruppe zu mir, grüne Augen gibt es doch gar nicht. Nun habe ich aber zufällig grüne Augen ....

 

Anfang Juli war eine Zeugin, die Mutter der O-Bein-Zeugin, im Prozeß. Sie ist auch erst durch ihre Vernehmung 1993 wenige Tage nach Bad Kleinen zu der "Erkenntnis" gekommen, daß es sich bei der Automieterin von 1988 um "Frau Hogefeld" gehandelt habe. Genau so hat sie es auch gesagt. Zu der Farbe der Augen hatte sie 1988 gesagt, daß sie blau waren. Dabei blieb sie auch gestern, ergänzte jedoch angesichts der Angeklagten, die eben keine blauen Augen hat, daß sie ja blaue Haftschalen getragen haben könnte ...

Diese Zeugin machte deutlich, was bei vielen Zeuginnen und Zeugen schon erkennbar, daß ihre Wiedererkennungsleistung längst nicht mehr an ihren eigenen Wahrnehmungen orientiert ist, sondern daran, ob sie "das richtige" Foto ausdeutet, nämlich Birgit Hogefeld. Sie fragte sich eben nicht, ob sie nach bestem Wissen und Gewissen die Wahrheit gesagt hat, sondern fragte 1993 die Vernehmungsbeamten, ob sie es "gut" gemacht habe. Diese Mischung aus Autoritätsgläubigkeit und Leistungsdenken macht die Manipulierbarkeit fast aller Zeuginnen und Zeugen aus. Bei manchen kommt dann noch eigener Verfolgungswillen und das Gefühl, Teil in einem großartigen Krimi zu sein, hinzu.

Mal ganz abgesehen davon, daß vielleicht der eine oder die andere noch darauf spekuliert, von dem hohen Kopfgeld etwas abzubekommen, von dem auf jedem Fahndungsplakat die Rede ist.

Erwähnenswert ist auch noch der Aspekt der Einschüchterung - die meisten sich rechtschaffen dünkenden Bürger und Bürgerinnen kriegen ja schon einen Schreck, wenn ein Polizeiwagen vor ihrem Haus hält. Z.B. die alte Dame, die es "gut" machen wollte, wurde zur Vernehmung 1993 mit einem "Peterwagen" abgeholt, also mit einem Gefangenentransporter. Weiß der Uhu, woran diese alte Frau da gedacht haben hat, jedenfalls war ihre erste Frage nicht, worum es denn eigentlich gehe, sondern, ob sie sich noch schnell eine Tasche packen könne.

 

Einschüchterung ist auch ein wesentliches Moment, Prozeßöffentlichkeit zu verhindern. Vor dem Gerichtsgebäude schon ein Aufgebot an Maschinengewehren und schußsicheren Westen. Dann die Durchsuchungen, die ja schon öfter geschildert wurden. Inzwischen kam es schon mehrmals zu Festnahmen von Leuten, die den Prozeß regelmäßig besuchen; einmal wurden 4 Leute im Prozeßgebäude abgegriffen und 4 Stunden festgehalten; einmal zwei Frauen unmittelbar nach Prozeßende. Was ein Spaltungsversuch sein sollte, aber eher das Gegenteil bewirkt hat.

 

Schieferstein und Konsorten sind auch verantwortlich für die Haftbedingungen von Birgit. Birgit hat wie alle politischen Gefangenen Sonderhaftbedingungen. Zwar ist sie nicht mehr in Isolationshaft, besuche bei ihr finden aber mit Trennscheibe statt und müssen von Schieferstein bzw. Klein genehmigt sein. Im Monat: 2 Besuche von einer Stunde. An sie gerichtete Briefe und Briefe von ihr unterliegen der politischen Zensur und werden willkürlich verzögert. Ihr letzter an eine Briefschreiberin aus Wiesbaden war fünf Wochen unterwegs. Oder z.B. drei Karten, die sie an Georges Cipriani, einen Gefangenen aus Action directe, geschickt hat - die wurden erst nach 2 Monaten überhaupt weitergeleitet. Oder Briefe von ihr oder an sie werden als "Beweismittel" beschlagnahmt.

Dazu gehört auch, daß bislang kein einziges Interview mit ihr stattfinden konnte, auch die bürgerlichen Medien bekommen dafür keine Genehmigung.

 

Birgit hat vor längerer Zeit eine Prozeßerklärung angekündigt; daß sie sie bis heute nicht gehalten hat, ist in erster Linie wohl auf diese Kommunikationseinschränkungen zurückzuführen. Birgit ist ja in der besonderen Situation, etwas zu den Diskussionen bei der RAF in den letzten Jahren, vor allem zu den Erklärungen von 1992 sagen zu können und gleichzeitig jetzt als einzelne, aus der politischen Isolation heraus, agieren zu müssen.

1992, zu dem Einschnitt, hatte die RAF gesagt, "wir haben mehr Fragen als Antworten". Das, was sie versucht haben, nämlich eine breitere Diskussion zu initiieren um die Neubestimmung linker Politik und ihrer eigenen Rolle darin, ist nicht gelaufen. Stattdessen unzählige Spaltungen, darunter die Spaltung unter den Gefangenen als krasser Ausdruck des Zerfalls insgesamt.

Staatlicherseits läuft alles, um diese Spaltungen und den Zerfall weiter zu forcieren, wie kürzlich durch die 80 Hausdurchsuchungen, die laut Kanther in erster Linie zur Einschüchterung der Linken dienten - oder die neuen Kronzeugenprozesse gegen Gefangene aus der RAF, die schon zwischen 13 und 17 Jahren im Knast sind. Wenn es nach ihnen geht, soll von dem Aufbruch linker Politik vor fast 30 Jahren im Nachfolgestaat des Nazi-Regimes nicht mehr übrig bleiben als einige lebenslänglich eingemauerte Gefangene.

 

Das Instrumentarium der Sondergerichtsbarkeit, der politischen Justiz wurde in den 70er Jahren verfeinert, angelegt wurde es schon unter Bismarck. Die ersten Experimente mit Isolationshaft haben die Nazis gemacht. Das Nazi-Regime hat auch das System der Sondergerichte etabliert. Das ist vom Prinzip auch heute so, daß große politische Verfahren nur vor den Staatsschutzsenaten der Oberlandesgerichte verhandelt werden, insbesondere die in Stuttgart-Stammheim, Düsseldorf und Frankfurt. (Die Bundesanwaltschaft hat einen gewissen Entscheidungsspielraum, vor welchem Oberlandesgericht sie Anklage erhebt.) Von diesen werden auch nach wie vor die Haftbedingungen gegen politische Gefangene bestimmt. Gegen diese Sonderhaftbedingungen gibt es eine lange Geschichte von Kämpfen, ich erinnere nur an die vielen Hungerstreiks. Jede Kleinigkeit, wie z.B., daß Mütter ihre Kinder ohne Trennscheibe sehen können, mußte erkämpft werden. Daran, wie der Staat die politischen Gefangenen behandelt, wurde immer viel deutlich über die Realität hier und vom Grundsatz her hat sich da kaum was verändert.

 

Ich möchte ein Zitat von Birgit vorlesen:

"Jetzt kurz zu meiner eigenen Biographie: Zu dem, was mich vor sehr vielen Jahren erschüttert und betroffen gemacht hat und meinen Lebensweg mit beeinflußt hat, gehören auf jeden Fall der Bericht eines vietnamesischen Gefangenen über die Folter in dem Gefangenenlager Poulo Condor und die letzten Notizen des sterbenden Siegfried Hausner. (Siegfried war schwerstverletzt nach Stammheim gebracht worden, er wollte mit einem Rechtsanwalt sprechen, und sie müssen ihn immer wieder gezwungen haben, Namen und Adressen von Anwälten aufzuschreiben. Er hat es mehrmals gemacht, seine Schrift wird immer zittriger - verschwimmt - Siegfried muß kurz darauf gestorben sein.

Es war für mich beruhigend zu erfahren, daß Wolfgang nach dem Kopfschuß nicht noch mal bei Bewußtsein gewesen ist, so konnten sie ihn nicht mehr quälen.

Irmgard Möller ist jetzt im 22. Jahr in Haft, Ali Jansen wird trotz schweren Asthmas nicht freigelassen, die neue Prozeß-Welle soll gegen viele GenossInnen lebenslange Gefangenschaft zementieren, ich selber bin in Totalisolation.

In der Unmenschlichkeit und Brutalität dieses Staates gegen die politischen Gefangenen habe ich immer eine besondere Schärfe der allgemeinen Entwürdigung und Verachtung gesehen, die sich hier gegen die Menschen richtet, und ich konnte daran den Charakter dieses Systems, seinen unbedingten Vernichtungswillens gegen alle, die ihm feindlich gegenüberstehen, früh erfassen und begreifen.

Der Tod von Holger Meins - ich war damals 17 Jahre alt - war ein tiefgreifender Einschnitt in meinem Leben und hat seine Richtung mitbestimmt - genauso wie heute der Tod von Wolfgang und die Umstände seiner Tötung im weiteren Leben einiger junger Menschen eine Rolle spielen wird.

"Wir führen in vielen Sprachen den gleichen harten erbarmungslosen und opferreichen Kampf, und dieser Kampf ist noch nicht zuende. Die Vernichtung des Nazismus und seiner Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit unser Ziel."

Das ist der Anfang des Schwurs der KZ-Häftlinge von Buchenwald - in dieser Tradition habe ich mich, meine Lebensentscheidung und unseren Kampf immer gesehen" (Juli 1993). l

 


 

Herausgeber: InfoAG zum Prozeß gegen Birgit Hogefeld, Werderstr. 8, 65195 Wiesbaden

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