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»Ein Kompromiß war von uns aus möglich«

Wenn in der damaligen Situation das Angebot von Andreas zum Rückzug der Gefangenen zu einer Reaktion der Bundesregierung geführt hätte, wenn es irgendeine Form der politischen Akzeptanz gegeben hätte, wenn beispielsweise eine internationale Kommission zur Überprüfung der Haftbedingungen angeboten worden wäre, dann hätten wir natürlich reagiert, dann wäre es für uns undenkbar gewesen, strikt auf der ursprünglichen Forderung zu beharren und Schleyer zu erschießen. Man kann uns vieles vorwerfen, aber nicht, daß wir die Interessen der Gefangenen ignoriert hätten.

Welche Rolle hat es gespielt, daß ihr nach den sechs Wochen Schleyer als Person kanntet?

Das hat natürlich eine Rolle gespielt, es war bewegend und banal zugleich, wie bei jedem, der um sein Leben bangt. Aber Schleyer war auch zuletzt für uns nicht nur jemand, der eine Familie hat. Hat Schleyer jemals Rücksicht auf die ausgesperrten Arbeiter genommen? Schleyer hat nie ernsthaft seine Rolle im Protektorat Böhmen und Mähren bedauert - er war als SS-Mann für die Integration der tschechischen Industrie in die deutsche Kriegswirtschaft zuständig, sein Büro war damals nur 60 Kilometer vom KZ Theresienstadt entfernt, von wo die Transporte nach Auschwitz gingen. Außerdem hat die Bundesregierung ja die Ausstrahlung der Videobänder, in denen Schleyer selbst an den menschlichen Aspekt appelliert hat, verhindert. Sie hat auch die Gefangenen nicht reden lassen, dann wäre vielleicht das Rückzugsangebot Baaders bekanntgeworden und die Gefangenen hätten in der Öffentlichkeit ein anderes Gesicht bekommen. Sie hatten auch Freunde und Familie, die sie gerne wiedergesehen hätten. Aber die menschlichen Gesichtspunkte wurden vom Krisenstab bewußt ausgeschaltet. In der Logik der Aktion war dann auch das bittere Ende konsequent. Aber für unsere menschlichen und politischen Ziele war es ein Desaster.

Wir waren so unheimlich konsequent, als es darauf angekommen wäre, menschliche Stärke und Großzügigkeit zu zeigen, und waren politisch so wenig radikal, sogar harmlos, als es darum ging, die gesellschaftlichen Verhältnisse umzuwälzen und zum tanzen zu bringen.



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