Am 5. Mai 1995 haette Sieglinde Hofmann nach einer fuenfzehnjaehrigen Haft frei
kommen muessen.
Stattdessen wurde gegen sie ein neuer Haftbefehl erlassen, Anklage vor dem OLG
Stuttgart erhoben und fuer Ende August in Stammheim ein Prozess angesetzt.
Es geht um drei Aktionen der RAF aus den siebziger Jahren: Versuchte Anschlaege
auf das Gebaeude der Bundesanwaltschaft und den NATO-Oberbefehlshaber Haig und
die Schleyer-Entfuehrung.
Sieglinde Hofmann wurde 1980 in Paris festgenommen und wegen Mitgliedschaft in der RAF und versuchter Entfuehrung des Bankiers Ponto zu 15 Jahren verurteilt. Waehrend der ganzen Jahre war sie -wie alle RAF-Gefangenen- Sonderhaftbedingungen mit Einzel- und Kleingruppenisolation unterworfen. Neue Ermittlungen gab es nach der Festnahme und den Aussagen ehemaliger RAF-Mitglieder, die 1990 in der DDR festgenommen wurden, den sog. "Kronzeugen". Weiterer Staats- Zeuge ist das fruehere RAF-Mitglied Boock, der sein Gnadengesuch foerdern moechte.
Die politischen Prozessziele sind die gleichen wie in den schon abge- schlossenen Verfahren gegen die RAF-Gefangenen Christian Klar, Heidi Schulz, Rolf Clemens Wagner und Eva Haule: Eine - teilweise schon mehrfache - Verurteilung zu "lebenslaenglich" und die Delegitimierung von fundamentaler Systemopposition der siebziger Jahre und darueber hinaus. Dazu kommt staatliche Rache: Sieglinde Hofmann war in den Haftjahren nicht bereit ihren Zielen "abzuschwoeren" und ein Angebot der Bundesanwaltschaft von Oktober 1994 zur "Kooperation" hat sie abgelehnt.
"Kronzeugenprozesse" haben keine Legitimitaet. Sie laufen nach dem immergleichen Staatsschutz-Drehbuch ab. Ein erst seit 1989 bestehendes Sondergesetz gewaehrt fuer Verrat und erfundene Belastung anderer gross- zuegigen eigenen Strafnachlass. Das ist die Basis fuer Verurteilungen. So war es in den bisherigen Prozessen, so soll es auch jetzt sein. Die Verurteilung zementiert das staatliche Ziel: Es soll ueber das Jahr 2000 hinaus politische Gefangene in der BRD geben.
Nach dem 5. Mai begann fuer Sieglinde Hofmann das 16. Haftjahr.Noch
zugespitzter - um hier nur kurz die Situation einiger Gefangener zu erwaehnen -
ist die Lage fuer Hanna Krabbe, deren 21. Haftjahr begonnen hat; Heidi Schulz
ist schwer erkrankt und muss dringendst durch Vertrauensaerzte untersucht und
behandelt werden.
Die Gefangenen brauchen die Moeglichkeit des Austausches untereinander,
ungehinderte persoenliche, gesellschaftliche und Medien-
kontakte und - immer dringender - eine ausreichende medizinische Versorgung, um
den eskalierenden Gesundheitsproblemen etwas entgegen setzen zu koennen.
Erstes Ziel bleibt aber die Freilassung der Gefangenen nach den langen Jahren
der Sonderhaft.
Staatliche Verfolgung auf juristischem Wege hat zur Zeit in der BRD viele
Formen.
Allein in den Knaesten sind baskische, (bis vor kurzem) irische und um die 200
kurdische Gefangene. Mindestens gegen 12 KurdInnen laufen ^U 129a- Verfahren
und sie sind seit ihrer Verhaftung in voelliger Isolation.
Abrechnungsprozesse mit dem DDR-Sozialismus dauern an.Antifaschistische Kraefte
und systemoppositionelle Linke werden kriminalisiert und verfolgt.
Es ist notwendig und moeglich dem gemeinsam entgegen zu treten. Die
Vorbereitung des Prozesses und sein Eroeffnungstag sollen dies zum Ausdruck
bringen.
Kontakt: RA Heinz-Juergen Schneider, Gluecksburger Strasse 8, 22769 Hamburg, Tel. und Fax: 040/8513116