bericht von john mcguffin, mitglied der iuk:

"einige anmerkungen ueber die anwesenheit der techniken der sensorischen deprivation in westdeutschlands gefaengnissen, mit partiellem bezug zu dem tod von ulrike meinhof.

die isolierung und die technik der sd wird von den justizvollzugsorganen eingesetzt, um angst oder paranoia hervorzurufen . . . verhalten zu aendern . . . in all diesen faellen ist die anwendung unmenschlich, degradierend, grausam und barbarisch und verstoesst gegen die internationale menschenrechtskonvention.

erstmals wurde die breite oeffentlichkeit von der anwendung der sd- techniken bei "befragungen" oder folterungen anfang der 70er jahre informiert (obwohl staatlich finanzierte forschung dies in den vorhergehenden 20 jahren laengst herausgefunden hatten). es handelte sich um 14 iren, die im august und oktober 1971 intensiven folterungen durch sd- techniken an einem geheimen ort in nordirland ausgesetzt waren.

sechs jahre spaeter wurde die britische regierung oeffentlich vor dem europaeischen gerichtshof in strassburg angeklagt, der bestaetigte, dass derartige anwendungen von sd- techniken folter sind. in england stellten wir fest, dass sonder- abteilungen in gefaengnissen eingerichtet wurden, waehrend in den usa, teilweise in marion, illinois, jacaville und butner in north carolina neue "verhaltenszentren" in den gefaengnissen eingerichtet werden. diese schliessen sd- techniken mit drogenexperimenten und "verhaltensforschung" a la skinner (*) mit ein.

bedingungen in westdeutschlands gefaengnissen:

einige der experimentellen arbeiten, die in brd- gefaengnissen hinsichtlich der sd- techniken angewandt werden, sind ein resultat der klinischen verhaltensforschung an der universitaet hamburg- eppendorf. waehrend dieser forschungsarbeit, geleitet von j. gross, wurd die "camera silens" entwickelt, und diese wird nunmehr in brd- gefaengnissen angewandt. darunter fallen die gefaengnisse in hannover, koeln- ossendorf, hamburg- fuhlsbuettel, hamburg- holstenglacis, berlin- tegel, berlin- lehrter strasse, bruchsal, essen, straubing, werl, butzbach, schwalmstadt, bremen- oslebshausen, mannheim und frankfurt- preungesheim.

die dritte konferenz der europaeischen gruppe zum studium der devianz (**) und sozialen kontrolle in amsterdam 1975 bestaetigte, dass zusaetzlich zu den ca. 80 gefangenen aus der raf einige hundert gefangene (von behoerden als unruhestifter eingeschaetzt) in den ca. 250 isolationszellen sitzen (angefuegt werden muss, dass diese zahlen von 1975 sind. 3 jahre spaeter deutet alles darauf hin, dass diese praktiken ausgedehnt wurden).

seit 1972 werden in den gefaengnissen der bundesrepublik deutschland an politischen gefangenen spezielle methoden praktiziert, die einschliessen:

- systematische trennung von anderen gefangenen, d. h. ausschluss von allen gemeinschaftsveranstaltungen, vom gewoehnlichen gefaengnisleben, das verbot der kommunikation mit anderen gefangenen, jeder versuch, die verbote zu ignorieren, wird mit bunkerarrest bestraft.

- spezielle gitter werden vor den zellenfenstern angebracht, die die sicht nach aussen unmoeglich machen.

- lediglich 1 stunde hofgang allein in handfesseln.

- verbot jeglichen besuchs und briefverkehrs, ausgenommen verwandte.

- alle besuche werden ueberwacht von der politischen polizei, die die gesamte unterhaltung aufzeichnet und diese, sofern evident, im folgenden prozess verwendet.

- totale zensur von buechern und zeitschriften. (3)

ist die anwendung sensorischer deprivation (sd) in gefaengnissen der bundesrepublik deutschland folter ?

18 richter des europaeischen gerichtshofs fuer menschenrechte, einschliesslich eines westdeutschen richters, befanden grossbritannien der folter schuldig (februar 1977). nach fuenf jahren der luegen und ausweichmanoever haben diese richter festgestellt, dass die sensorische deprivation, die durch grossbritannien 1971 in nordirland angewendet worden ist, folter ist.

meiner meinung nach ist die behandlung in brd- gefaengnissen mittels sd folter. "

anmerkungen:

(1) aus der verfuegung des anstaltsleiters von wittlich vom 26. 3. 73

(2) memorandum von ai, zitiert nach jenssen

(3) vgl. verfuegung des anstaltsleiters der jva wittlich vom 26. maerz 1973 und verfuegungen des vorsitzenden des 5. strafsenats beim olg stuttgart vom 8. maerz 1978, die gefangenen juergen tauras, siegfried haag, roland mayer, norbert kroecher u. a. betreffend.

(*) anm. d. ue. :skinner, amerikanischer psychologe, entwickelte massgeblich de sogenannten programmierten unterricht. das verfahren behauptet zwar, ein "lernen nach einsicht" zu gestatten, verwendet jedoch auch verfahren des konditionierens, d. h. ein system von belohnung bzw. bestrafung fuer verschiedene taetigkeiten, um ein lernziel zu erreichen (vgl. pawlows hundeexperimente).

(**) anm. d. ue. :devianz bedeutet ein von einer (gesetzten) norm abweichendes verhalten.