5. welche moeglichkeiten gibt es, um in die zellen zu gelangen ?
die nachtwache vom 8. /9. mai 1976 verfuegte nicht ueber einen zellenschluessel. kontaktnahme zu den gefangenen ist fuer das nachtpersonal nur durch die essensklappe moeglich. nur fuer notfaelle ist in einem durch eine alarmanlage gesicherten metallkasten ein sicherheitsschluessel, mit dem die zellen der gefangenen geoeffnet werden koennen, untergebracht:
angabe egenberger:
"in einem metallkasten in dem dienstzimmer im 7. stock befindet sich einer dieser sicherheitsschluessel. beim oeffnen des mit einem durchgangsschluessel wird jedoch alarm ausgeloest. der kasten kann nur mit einem durchgangsschluessel geoeffnet werden. einen solchen durchgangsschluessel hat jeder aufsichtsbeamte an seinem schluesselbund. " (17)
diese aussage bestaetigt die existenz von mehreren schluesseln.
angabe frede:
"abends nach feierabend wird dieser schluessel wieder dort abgegeben, wo er die nacht ueber verschlossen aufbewahrt wird" (18)
aus der staatsanwaltakte geht weder hervor, dass diese unterschrift am 8. mai geleistet wurde, noch dass darueber auch buch gefuehrt wurde. weiterhin gibt es keinen beleg dafuer, dass die schluesseluebergabe regulaer erfolgte.
reaktion der anstalt nach dem 8. /9. mai 1976:
"a) es wird ein zweiter sicherheitsschluessel eingefuehrt, der ausserhalb der abteilung aufbewahrt wird, mit dem von einem beamten (der nicht auf der station ist) nach einschluss und vor aufschluss gesondert doppelt geschlossen wird.
d. h. , die anstalt bestaetigt damit die moeglichkeit, dass vorher die zelle unbemerkt betreten werden konnte.
b) es wurde eine tv- ueberwachungsanlage installiert, die nachts den flur vor den zellen der gefangenen ueberwacht" (19)
daraus folgt, dass der trakt nicht vom wachpersonal her einsehbar war. d. h. , dass die beamten nicht unbedingt angaben ueber eventuelle vorkommnisse auf dem flur machen koennen.
6. welche moeglichkeiten gibt es, unkontrolliert in den 7. stock der jva stuttgart- stammheim zu gelangen ?
am 17. maerz 1977 gaben der baden- wuerttembergische justizminister traugott bender und sein kollege vom innenressort, karl schiess, der presse bekannt, dass zweimal ueber den zeitraum von mehreren tagen hinweg gespraeche zwischen verteidigern und den gefangenen unter zuhilfenahme technischer einrichtungen, die nicht bezeichnet wurden, abgehoert worden waeren. (20) wie schon im fall traube (21) war der bundesnachrichtendienst (der auslandsgeheimdienst der brd) an der abhoeraktion geteiligt. der verfassungschutz hatte eine amtshilfe wegen zu grosser schwierigkeiten in der durchfuehrung abgelehnt.
seit dieser abhoeraffaere in stammheim ist bekannt, dass es zu dem sondertrakt im 7. stock unkontrollierten zugang gibt, der direkt neben der damaligen zelle von ulrike meinhof in den umschlussraum fuehrt.
die aussagen der gefangenen und ihrer verteidiger, die schon frueher auf diesen geheimen zugang aufmerksam machten, wurden von offzieller seite unterdrueckt. auf der pressekonferenz vom 19. 10. 77 erklaerte rechtsanwalt schily:
" . . . uns hat immer bereits die tatsache zu denken gegeben, dass zu diesem sondertrakt im 7. stock es einen separaten zugang gibt, von dem man uns bis heute nicht verraten hatmwas das mit diesem zugang fuer eine bewandnis hat. . . . wir wissen aber aus der vergangenheit, obwohl ich den unterschied gewiss nicht verkenne, aber wir wissemn immerhin soviel, dass anlaesslich dieser abhoeraffaere, dieser illegalen abhoermassnahme, sicher auch die geheimdienste, die in diesem land taetig sind, sich zutritt zu diesem gefaengnis verschaffen konnten, sodass es nicht ausserhalb des denkbaren liegt, dass auch von dieser seite aktionen dieser art veranstaltet worden sind. " (22)
erst nach den ereignissen vom 18. 10. 77 sahen sich die medien gezwungen, die existenz des geheimzuganges offiziell zur kenntnis zu nehmen. die "frankfurter rundschau" vom 4. 11. 77 schrieb dazu:
"bei einer ortsbesichtigung des zellentraktes im 7. stock der vollzugsanstalt, in dem die terroristen inhaftiert waren, entdeckten die baden- wuerttembergischen landtagsabgeordneten eine zweite tuer, die direkt vom "umschlussraum", wo sich die gefangenen treffen konnten, in den gefaengnishof fuehrt. es handelt sich um die tuer zu einer feuertreppe mit tueren zu jedem stockwerk, die allerdings von innen gar nicht und von aussen nur mit einem besonderen schluessel geoeffnet werden koennen. sollte diese tuer zum 7. stock doch geoeffnet werden, schrillt eine alarmanlage, die aber - wie eingeraeumt wurde - auch abgestellt werden kann. die tuer zur feuertreppe, die in den zellenflur, der auch als "umschlussraum" diente, muendet, konnte nicht vom normalen wachraum eingesehen werden, in dem sich das wachpersonal auch waehrend der nacht zum 18. 10. aufhielt. bisher war immer versichert worden, es gaebe nur einen zugang zum 7. stock. "
das heisst, dass - wie die gefangenen schon frueher erklaert haben - beamte des bka, des bnd und der geheimdienste staendig unkontrolliert und unbemerkt zugang zu den zellen hatten.
anmerkungen:1) ingrid schubert bestaetigte, dass alle anstaltshandtuecher gleich gross sind.
2) "fakten zum vorwurf mord", konkret 9/76, s. 9
(*) regierungsdirektor, stellvertretender leiter der jva stammheim.
(**) regierungsmedizinaldirektor, gefaengnisarzt in der jva stammheim.
3) aus den materialen des internationalen komitees zur verteidigung politischer gefangener in westeuropa
4) ebenda
5) staatsanwaltakte, vernehmungsprotokoll vom 9. 5. 1976, schreiben der landespolizeidirektion stuttgart ii an die staatsanwaltschaft stuttgart
6) staatsanwaltakte, schreiben des kriminalhauptkommissars vinnai, vom 25. mai 1976 an das bka - kti - , wiesbaden
7) staatsanwaltsakte, schreiben des bka an das lka baden- wuerttemberg vom 10. 6. 1976
8) "fakten zum vorwurf mord", konkret 9/76, s. 9f
9) staatanwaltsakte, vernehmungsprotokoll der kripo, dienststelle 1, stuttgart vom 11. 5. 1976
10) urteil des olg karlsruhe, - 14. zivilsenat in freiburg - vom 11. 2. 1977, aktenzeichen 14 u 136/76 20 395/76
11) staatsanwaltsakte, vernehmungsprotokoll der zeugin renate frede;schreiben der kripo vom 12. 5. 76
12) staatsanwaltsakte, vernehmungsprotokol des zeugen dieter egenberger;schreiben der kripo vom 12. 5. 76
13) nacht, nach der a. baader, g. ensslin und j. - c. raspe in stammheim tot aufgefunden worden sind.
14) faz vom 11. 11. 77;vgl. "die zeit" vom 6. 1. 78 (zu den ereignissen am 18. oktober 1977):"nur zu fuenft duerfen sich die justizbeamten um 23 uhr den zellen naehern:dem waechter springer, den beiden beamten der innenwache und dem sanitaeter schliesst sich die beamte renate frede an, die in dieser nacht auch noch fuer die 8 frauen auf der anderen seite, u. a. verena becker verantwortlich ist. "
15) staatsanwaltsakte;zeugenaussage egenberger
16) vgl. "die zeit" vom 6. 1. 1978:"um 7. 41 uhr oeffnete stoll das normale schloss an raspes tuer. den beiden beamten wurde etwas seltsam zumute, weil die gefangene nicht wie sonst an der tuer stand. ihre kollegin - miesterfeldt, frau frede, der justizassistent ernst hermann - blieben ein paar schritte zurueck . . . "
17) staatsanwaltsakte, vernehmungsprotokoll des zeugen dieter egenberger, schreiben der kripo vom 12. 5. 1976
18) staatsanwaltsakte, vernehmungsprotokoll der zeugin renate frede, schreiben der kripo vom 12. 5. 76
19) aussagen der gefangenen
20) "in der strafsache gegen andreas baader, ulrike meinhof, jan- carl raspe, gudrun ensslin wegen mordes u. a. , dokumente aus dem prozess", herausgeber ulf stuberger, syndikat verlag, 1977, s. 233
22) tonbandprotokoll der pressekonferenz vom 19. 10. 76, bonn