medizinische untersuchungen
3. stellungsnahme von prof. jarosch
dr. klaus jarosch, professor an der universitaet linz, weist in einem schreiben an rechtsanwalt michael oberwinder am 17. 8. 76 auf die fuer einen erhaengungstod fehlenden symptome hin:
"1) ein typischer "erstickungstod" durch erhaengen, d. h. durch anoxie des gehirns lag sicher nicht vor, da alle symptome der sogenannten "erstickungsblutungen" fehlten:
a) normalerweise fuehrt die strangulation durch totalere kompressionen der halsvenen gegenueber der halsschlagader zu stauungen in der kopfregion und nach 3- 5 minuten zu blutungen in der schaedelschwarte, augenbindenhaeuten, gesichtshaut, rachenschleimhaut, gaumenmandeln, lymphknoten, trommelfell und zu einer hyperaemie der hirngefaesse. alle diese symptome fehlten:pkt. 9, 10, 12, 13, 24, 25, 27, 32, 33, 34, 60, 63. es ist sogar erwaehnt, dass eine starke blutstauung aller inneren organe mit ausnahme des gehirns bestanden hat. zur sektionstechnik ist zu bemerken, dass entgegen der regel, dass die halsorgane zuletzt in blutleere zu sezieren sind, diese zuerst obduziert wurden.
b) es kommt aber auch beim ersticken normalerweise zu subseroesen blutungen unter dem lungenfell, den herzhaeuten, der brieskapsel (**). diese fehlen ebenfalls (punkt:35, 37, die thymusdruese wurde nicht erwaehnt). "
im gleichen schreiben nimmt prof. jarosch zu den befunden der von den richterlich bestellten gutachtern als hinweise auf den tod durch erhaengen gewertete merkmale an der leiche stellung.
"die strangfurche am hals entsprach lediglich excoriationsvertrocknungen, wie sie an der frischen leiche auch hervorgerufen werden koennen (pkt. 15) (***).
die totenflecke an den unteren koerperpartien entstehen auch bei aufhaengen einer leiche in den ersten stunden nach dem tode. der abbruch des linken zungenbeinhornes und des linken kehlkopfknorpelhornes (gemeint ist das schildknorpelhorn) kann sowohl bei wuergen wie drosseln wie aufhaengen und zwar auch einer leiche erfolgen, ebenso kann man auch kleinere blutungen in den umgebenden weichteilen in der agonie oder bald nach dem tode erzielen. nur die blutungen im "traegen" blutarmen gewebe (baender der wirbelsaeule, bandscheiben, kapsel des gelenkes zwischen schild- und ringknorpel) sprechen eher fuer vitale vorgaenge. dies wurde aber bei der ersten obduktion entweder nicht festgestellt oder nicht beachtet (pkt. 26, 53). auffallend ist bei ziemlich symmetrischer anordnung der strangfurche die nur linksseitige verletzung am hals.
fluessiges blut in allen gefaessabschnitten ist kein spezifisches zeichen. bei erstickung ist dies wahrscheinlich durch abbindung der fuer die gerinnung wichtigen calciumionen durch kohlensaeureueberschuss bedingt, kommt aber auch aus anderen gruenden vor. starke blutstauung der inneren organe mit ausnahme des gehirns ist bei erhaengen atypisch.
maessig vermehrte durchfeuchtung der lungen (pkt. 35) ist voellig unspezifisch, ebenso die akute erweiterung der rechten herzkammer. einklemmung der zunge zwischen ober- und unterkiefer ist ein mechanischer vorgang bei aufhaengen vor eintritt der totenstarre, kommt also auch noch an der leiche vor, ebenso speicheltraeufeln aus dem munde mit abrinnspur an der brust bis zum nabel.
die schlussfolgerung "nach diesen befunden hat frau meinhof bei beginn der erhaengungsvorgaenge gelebt" ist nicht ausreichend belegt. dasselbe gilt fuer die punkte III (tod durch erstickung) und IV. es handelt sich im gegenteil sicher nicht um einen erstickungstod.
4) frau meinhof soll eine kaiserschnittentbindung durchgemacht haben. eine diesbezuegliche narbe von 14 cm (pkt. 16) wurde festgestellt. die angabe von prof. janssen, dass dabei immer quere narben entstehen ist unrichtig. ausserdem wurden folgen einer osteoplastischen schaedeltrepanation (****) vom 23. 10. 62 wegen eines cavernoms im sinus cavernosus (blutgeschwulst) mit geringen oberflaechlichen hirnrinden - und markschaedigungen im bereiche der medio- basalen schlaefenregion rechts gefunden. "