Wir dokumentieren im folgenden die Erklärung der 'Rote Zora' zur Aktion auf die Werft der Firma Lürssen in Lemwerder bei Bremen am 24.7.1995 ********************************************************************
Lürssen liefert seit Jahren Militärschiffe in die Türkei, z.Zt sind Flugkörperschnellboote in Lemwerder und in der türkischen Marinewerft Tazkisac im Bau, und exportiert Produktonsanlagen, das nötige Know-How sowie militärische Ausbildung in alle Welt.
Die BRD unterstützt das türkische Regime in seinem Krieg gegen die
kurdische Bevölkerung als Waffenlieferant Nr.2, hinter den USA. BRD-
Militärmatirial in Höhe von 1,5 Milliarden DM (im sog.
Materialhilfeabkommen für die Jahre 1990-95) wurde zur Sicherung der
imperialistischen Interessen in das strategisch wichtige "NATO-Partnerland
Türkei" in den letzten 5 Jahren geliefert. Mit Großaufträgen wie dem
Ausbau von Uuml;brwachungsanlagen an der Grenze zu Syrien, wohin das
türk.Regime eine erprssedsche Wsserpolitik betreibt, oder die Unrüstung
von 450 NVA-Panzern, die den türkischen Machthabern schließlich geschenkt
und in Kurdistan eingesetzt wurden, sichern sich die BRD-Konzerne und -
Rüstungsindustrie ihre Gewinne. 700 deutsche Rüstungsfirmen produzieren
heute direkt in der Türkei.
In dem Krieg gegen die Kurdinnen werden seit mindestens 5 Jahren
systematisch Dörfer niedergebrannt: nach dem Menschenrechtsverein IHD sind
bis Oktober 94 mehr als 1300 Dörfer in Kurdistan zwangsgeräumt oder
zerstört worden. In den letzten Monaten konzentrierten sich die Razzien
und Vertreibungen sowie Folterungen und Hinrichtungen auf
Dorfbewohnerlnnen in der Provinz Dersim. Aus dieser Region kamen schon
seit den 60er Jahren viele der hier in der BRD lebenden Flüchtinge und
MigrantInnen, die vor der gezielten Verarmungs- und Zerstörungspolitik
flüchteten. Zunehmend werden heute auch die kurdischen Städte aus
Kampfflugzeugen bombardiert und Flüchtende in lnternierungslager außerhalb
der kurdischen Großstädte eingesperrt.
Trotz z.T. massiver Proteste durch die kurdischen MigrantInnen und
teilweise durch parlamentarische Gremien gehen die Rüstungslieferungen
ungehindert weiter und "verzichtet" auch der Europarat in Straßburg "auf
Sanktionen gegen die Türkei" (FR vom 27.6.95)
Die Flucht vor dieser Vernichtungspolitik in die BRD bzw. Westeuropa wird
für KurdInnen durch die rassistische Asylsetzgebung (und die Durchsetzung
des Schengener Abkommens) immer schwieriger. Innenminister Kanther konnte
es "als großen Erfolg" darstellen, "daß aufgrund das drastisch
eingeschränkten Asylrechts immer weniger Menschen die Möglichkeit haben,
in Deutschland Schutz vor politischer Verfolgung zu beantragen" (zit. nach
FR vom 22.6.95).
Mit dem PKK-Verbot letztes Jahr hat sich das BRD-Regime noch dazu ein
bisher beispielloses Mittel zur rassistischen Verfolgung und
Kriminalisierung einer ganzen Gruppe von MigrantInnen - der KurdInnen -
geschaffen.
Den Frauen in Kurdistan, die aus guten Gründen inner- oder außerhalb der
PKK gegen ihre Unterdrücker und für umfassende Befreiung kämpfen, und
allen vom türkischen Regime im Verein mit seinen imperialistischen BRD-
Aufrüstern unterdrückten und bekämpften Menschen gehört unsere ungeteilte
Solidarität. -
Als in der BRD lebende Menschen müssen wir Verantwortung übernehmen und
eingreifen, wenn wir den von hier massiv unterstützten und mitgeführten
Krieg gegen die kurdischen Menschen nicht mittragen wollen.
Der Versuch, den Krieg in seinen gegen die Bevölkerung und gegen die
Frauen gerichteten Dimensionen zu beschreiben, soll den auf die
militärische Konfrontation zwischen PKK und türkischem Staat reduzierten
Blick, der von herrschender Seite und den Medien wie auch von der PKK
vorgegeben wird, aufbrechen.
Die PKK selbst legt keinen Wert auf eine klare Formulierung sozialer
Befreiungsvorstellungen oder Programme. Sie und ihre deutschen
Unterstützerlnnen fordern dazu auf, die "nationale Befreiung des Landes"
als Priorität anzuerkennen und daher ihre militärischen Erfolge im
bewaffneten Kampf gegen das türkische Militär, in dem der "neue Mensch"
schon mithilfe der Partei geformt würde, zu unterstützen.
Der Blick auf die Konfrontation zwischen den beiden kriegführenden Parteien verschleiert aber die Auseinandersetzung mit der dortigen sozialen Situation und damit, in welchen Konfrontationen besonders die Frauen stehen, und mit welchen Zielsetzungen sie ihre Befreiungskämpfe verbinden.
In den Bergregionen gab es jahrhundertelang Weidewirtschaft, im Sommer
ziehen die Menschen mit den Tieren zu den höheren Almen, im Winter in die
Dörfer in den Tälern. In weiten Teilen entlang der 330 km langen Grenze,
die die kurdischen Gebiete zwischen Irak und Türkei durchschneidet, lebten
fast alle Menschen von Weidewirtschaft und vom lokalen
grenzüberschreitenden Handel und Schmuggel. Diese Existenz wurde ihnen mit
den Verboten und der anhaltenden Vertreibung geraubt. Nach der Devise, die
Rückzugsmöglichkeiten und Unterstützung der Guerilla abzuschneiden, sind
hier in den letzten Jahren riesige Gebiete als "Sicherheitszonen" und
militärische Aufmarschgebiete gegen die Nachbarländer entvölkert, die
Dörfer gänzlich dem Erdboden gleichgemacht. Fast alle kurdischen Familien
haben Kinder oder Verwandte, die vom Militär verschleppt, gefoltert oder
ermordet wurden. Kein Wunder also, daß in vielen Gegenden bald aus jeder
Familie Angehörige bei der Guerilla sind, die natürlich unterstützt
werden.
In den Jahrzehnten vor dem Erstarken der PKK diente die militärische
Besetzung und zeitweilige Kriegführung in Kurdistan einer Politik der
Menschenvertreibung für die Sicherung der binnenkolonialen Ausbeutung.
Auch unter dem Druck des Weltmarkts und der IWF- und Weltbankauflagen
setzt das türkische Regime bis heute nur auf den Krieg, um seine
mörderischen bevölkerungspolitischen Ziele durchzusetzen. Es will damit
die alten Solidarnetze und den Widerstand der KurdInnen, der mit ihren
Lebensgrundlagen verwoben ist, zerschlagen.
Der Krieg, die Zerstörung und Vernichtung stehen der längst geplanten und
z.T. schon durchgesetzten (Herrschafts-) "Modernisierung" nicht
blockierend gegenüber, es sind vielmehr die Voraussetzungen, um die
"modernen", d.h. imperialistischen Formen der Ausbeutung und Verwertung
den ihrer Subsistenz beraubten Menschen aufzwingen zu können. Die in der
Eskalation des Krieges in den letzten Jahren begonnene Vertreibung von
Hunderttausenden kleinbäuerlichen Familien für die Errichtung von
Exportzonen im GAP(1) -Gebiet ist nur die andere Seite der Medaille. In
den 6 großen Provinzen des GAP leben heute über 4 Millionen Menschen
überwiegend von Ernte-, Saison- und ihrer Subsistenzarbeit. Ihre kleinen
Felder werden im Zuge der "Landreform" nach und nach vom Staat angeeignet
und von den Investoren und Großgrundbesitzern der GAP-Region einverleibt.
In unserer grundsätzlichen Ablehnung von Herrschafts-Modernisierung gehen
wir davon aus, daß die "Entwicklungszonen", wie sie z.B. in der GAP-Region
vorgesehen sind, nichts mit den Wünschen der KurdInnen nach Verbesserung
ihrer Existenz zu tun haben. (2) Denn für die überwiegende Mehrheit der
verarmten Bevölkerung heißt das die Enteignung von Land und die
nachhaltige Entwertung und Zerstörung ihrer Fähigkeiten und bisherigen
Produktions- und Lebensweisen.
Viele junge Frauen gehen in die Berge, zur Guerilla, in die Illegalität, um sowohl gegen die Repression, Vertreibung, Krieg des türkischen Militärs als auch für ihre Befreiung von ihrer traditionellen patriarchalen Unterdrückung zu kämpfen.
Zudem knüpft(e) sich die Hoffnung vieler kurdischer Frauen auf Befreiung
aus diesem ganzen Elend von Zerstörung und Unterdrückung an die PKK, weil
deren militärische Erfolge sich für sie als einzig ernstzunehmende Kraft
gegen das türkische Militär und die Repressionsorgane erwiesen haben.
Hauptverantwortlich für ihre Unterstützung der PKK aber ist die türkische
Politik aus Nationalismus, Chauvinismus und Rassismus (6). Der dagegen
unter den Kurdinnen sich entwickelnde Unterdrücktenstolz und die
Selbstbehauptung im Widerstand schafft(e) Verbindungen über alle sozialen
Unterschiede hinweg. Seit "Atatürk" ist die politische Maxime, innerhalb
des türkischen Machtbereichs alles Kurdische und jede Erinnerung daran
möglichst vollständig auszulöschen. Die Erfahrung der Kurdlnnen, von
kulturellen Selbstverständlichkeiten des Alltagslebens und ihrer
Geschichte ständig abgeschnitten zu werden, vorstärkt(e) ihren Wunsch nach
"kurdischer ldentität, d.h. selbstverständlich wollen sie das sein und
leben können, was frau/mann dort nicht sein darf, und dafür wollen sie
nicht der Repression ausgesetzt werden.
Zitat einer Gefangenen aus Diyarbakir 1983: "...den in meinem Inneren seit
meirner frühesten Kindheit gegen die Unterdrücker angesammelten Haß
hinauszuschreiben, hat gutgetan ... erst hier im Knast habe ich mich
selbst, mein Land und meine Geschichte kennengelernt...die uns allen
gemeinsame "Schuld" ist, Kurden zu sein...'"
Nicht nur in Kurdistan, auch in der BRD wird in treuer Erfüllungsgehilfen-
Manier für die türkische Repression den oft nur kurdisch sprechenden
Angehörigen die Verständigung mit den kurdischen Gefangenen in BRD-Knästen
untersagt, sie "sollen türkisch sprechen"!
"Identität" wird als Widerstand, als Verbotenes durchgesetzt, auch
Traditionen wie z.B. das Newroz-Fest werden als Formen des Widerstandes
neu angeeignet und mit Leben gefüllt; aber auch als Hoffnung auf eine
zukünftige und erst zu befreiende Gesellschaft, weil der Krieg zwar viel
Kraft und Selbstbehauptungswillen ("Identität') mobilisiert, aber auch
vieles verhindert und zerstört, Leiden, Ohnmacht, Beschränkung, Kampf ums
Uuml;berleben erzeugt.
Die offizielle PKK-Propaganda setzt die Befreiung der Frauen mit ihrer
Teilnahme am militärischen nationalen Betreiungskampf gleich.
Damit die fortschreitende Radikalisierung vieler junger Frauen gegen alte
und neue Machtverhältnisse sich nicht gegen die PKK selbst richtet und
ihren HERRschaftsanspruch gefährdet versucht die Partei in den letzten
Jahren, über viel Propaganda, Druck und "Erziehung" mithilfe ihrer
Führeinnen. in der YJWK (7), die Frauen in modernisierte patriarchale
Familiennormen wiedereinzubinden. Die Reform besteht u.a. darin, in der
Familie sog. "nationale Traditionen" wiederauferstehen zu lassen und ihr
ein folkloristisches Einheitsgewand als "Hort kurdischer Kultur" und
Disziplinierungsmittel gegen zu weitgehende oder als "westlich"
beschimpfte "Frauenemanzipation" von oben überzustülpen.
Solidarität und Kollektivität sind mit Sicherheit lebendige Inhalte der
Frauenkämpfe. In vielen Eigeninitativen solidarischen Handelns mit- und
füreinander haben Frauen Selbstverantwortung übernommen urid darüber
kollektiv-selbstbestimmte Strukturen erkämpft, auch und gerade in den
Bergen und gegenüber den männlichen Genossen. Damit stellen sie die
sowieso schon erodierte und weit verstreute Familie in ihren patriarchalen
Werten infrage und zugleich das für die Machtausübung der Partei wichtige
Disziplinierungs- und Unterordnungsprinzip. Deshalb wird das "Kollektiv"
der Familie als Keimzelle das Nationalstaats beschworen (8), und mit
moralischem Druck wird versucht, die Frauen wieder in den Griff zu
bekommen. "Jegliche Ansichten über Kurdistan, die den nationalen Konflikt
nicht als Hauptkonflikt betrachten, dienen dem Kolonialismus und der
Reaktion" ist ein Zitat aus dem PKK-Programm 1978, das heute von den
Frauenführerinnen weitgehend beherzigt wird (9).
Obwohl wir das Bestreben vieler kurdischer Frauen nach "kurdischer Identität' als treibende Kraft im Widerstand gegen die rassistische türkische Repression verstehen und akzeptieren, ist die Behauptung einer "kurdischen Identität", die erst im "befreiten Kurdistan" sich entwickeln könnte, für uns eine Fiktion. Die Parteiidelogie benutzt dieses Bedürfnis nach "Identität", indem sie auf die konsequente Verleugnung und Verdrängung kurdischen Geschichtsbewußtseins durch die türkische Politik baut und den vom Krieg vertriebenen Menschen Mythen über ihre Geschichte anbietet, anstatt ihren Kampf um Verteidigung und Anknüpfen an ihre lebendige Geschichte - z.B. im Widerstand gegen ihre Vertreibung - zu unterstützen. Die frühere Verschiedenartigkeit kurdischer Kulturen mit ihren von den Zentralgewalten relativ unabhängigen Produktionsweisen der Selbstversorgung sollen auch nach dem Willen der PKK - nicht nur nach dem der türkischen Besatzer - verschwinden, denn nur so kann sie ihre Vorstellungen zur Herrschafts-Modernisierung durchsetzen. Der Krieg als Medium der Zerstörung der vielfältigen Sozialstrukturen schafft die für den Macht- und zukünftigen Ausbeutungsanspruch der Partei benötigte Polarisierung und Zwangs-Vereinheitlichung. Sie wird von der PKK untermauert mit dem Mythos einer uralten Geschichte von der "Herausbildung der kurdischen Nation" und mit der Konservierung bestimmter kurdischer Traditionen. Mit der Zuschreibung dessen, was "kurdisch" zu sein hat und was nicht, soll all das, was dem Machtanspruch der Partei abträglich ist, unterdrückt und sogar aus dem Geschichtsbewußeein der Menschen getilgt werden (10). Dabei ist die Geschichte kurdischer Lebensweisen und Kämpfe derart wechselvoll und unterschiedlich, daß vielleicht gerade dies sie charakterisiert. Ihre relativ autonome Dezentralität und Heterogenität konnte mit dazu beitragen, daß sie weder von der Zentralgewalt der osmanischen Herrschaft zerstört noch von den modernen Nationalstaaten und von den imperialistischen Ausbeutungsinteressen bisher vereinnahmt werden konnten. Auch deshalb werden ihre Lebensgrundlagen vernichtet
Wir lehnen die Umformung gemeinsam verstandenen lebendigen Widerstands gegen die Unterdrückung der kurdischen Menschen, die ihr Kurdischsein im Widerstand gegen die Repression, gegen die Unterdrückung ihrer Lebensweisen, von Sprache, Kultur etc. erkämpfen, in nationale Ideologie und erstarrte Kultur ab, weil das den alleinigen Zielen der Partei auf die eigene Macht und den zukünftigen Ausbeutungsanspruch im eigenen Staat entspricht und die sozialen und antipatriarchalen Widersprüche und Kämpfe zukleistert und verhindert.
Die von der Gesellschaft getrennten Guerillastrukturen mit dem Schwerpunkt
militärischer Gegen-Macht gegen die türkische Armee und dem Ziel
nationaler Abtrennung machen eine Guerilla-Formation nötig, die sich
ausschließlich gegen die "Fremdherrschaft" richtet und infolgedessen ihre
militärischen Angriffe nur gegen die militärischen und polizeilichen
Besatzer-Organe ausführt. Damit wird die Bildung einer Guerilla
verhindert, die sich an den sozialen, gegen Ausbeutung und patriarchale
und rassistische Unterdrückung gerichteten Befreiungsinteressen
orientieren könnte.
Auch wenn für viele Frauen in Kurdistan die Bildung einer eigenen
Frauenarmee innerhalb der PKK als notwendiger und zu begrüßender Schritt
auf dem Weg zur Gleichberechtigung gesehen wird, ist das für uns keine
Orientierung. Auch die Beteiligung oder eigene Frauenorganisierung darin
ändert nichts daran: die militärische und von den sozialen Kämpfen
losgelöste Formierung bleibt eins der Stützpfeiler und Erneuerer des
Patriarchats. Wir wollen den Mythos von der revolutionären Qualität des
"bewaffneten Kampfes" per se hier nicht unterstützen. Denn der "bewaffnete
Kampf" führt nicht durch seine militärische Ausrichtung und Bewaffnung auf
den Weg zur Befreiung, sondem nur durch seine Verbindung mit den sozialen
und gegen jede Unterdrückung und Ausbeutung gerichteten Kämpfen.
Unsere Solidarität gilt v.a. den Frauen, die nicht bereit sind, in den
Kämpfen ihre Forderungen nach einer befreiten Gesellschaft ohne
Frauenunterdrückung und ohne Ausbeutung den national-ethnisierenden
Parolen zu opfern.
Einer kämpferischen und revolutionären Perspektive können wir uns nur
wieder annähern, indem wir über unser Interesse und unseren Kampf für die
Abschaffung sexistscher Gewalt und patriarchaler Macht hinaus Verbindungen
eingehen, Netze knüpfen zu den Frauen und ihren Strukturen, die hier
rassistisch und sozial ausgegrenzt/ausgebeutet und mißhandelt werden. Wir
müssen bei Respektierung der Differenzen - uns konketer einlassen auf die
Frauen, deren rassistische, sexistische, rechtliche und soziale
Diskriminierung sie den krassesten Ausbeutungs- und Gewaltverhältnissen
aussetzt und sie so zu den Haupt-Angriffszielen für die
HERRschaftsmodernisierung macht, wogegen sie aber auch ihre
Gegenstrategien und kämpferische Subjektivität setzen. Die Entrechtlichung
und Illegalisierung von Migrantlnnen ist eine strategische Waffe der
Herrschenden, hierauf errichten sie die Neuformierung von Ausbeutung und
Gewalt in der Gesamtgesellschaft, hierüber wollen sie auch eine Re-
Stabilisierung der Machtverhältnisse erreichen. Weil über die
Illegalisierung Arbeitskraft und sexuelle Diensteistung fast umsonst und
egal mit welchen brutalen Gewaltmitteln zu haben ist, werden die
Reproduktionskosten für alle gesenkt, d.h. fast jedeR profitiert noch
davon, und so können alle anderen Arbeitskraft-Kosten für alle Typen von
Ausbeutern (Frauen und Migrantlnnen eingeschlossen) quer durch die
Gesellschaft verbilligt werden.
Frau darf nicht dabei stehenbleiben, für das Bleiberecht und von Männern
unabhängige Aufenthaltsrecht geflüchteter Frauen sich einzusetzen und dann
vor ihrer Ausbeutbarkeit die Augen zu verschließen. Die Kämpfe von
Migrantinnen zu unterstützen muß auch heißen, gegen die vielen Abstufungen
ihrer Rechtlosigkeit und Illegalisierung vorzugehen, also für die
grundsätzliche und ersatzlose Abschaffung des "Ausländerrechts" (und jeden
anderen "Rechts", das geschaffen wurde, um Diskriminierungen
festzuschreiben) zu kämpfen, mit unseren Möglichkeiten und den von uns zu
entwickelnden Waffen und Widerstandsformen, denn wir wollen ja ihre
Ausgrenzung und Ausbeutung nicht mittragen.
Außerdem ist es lustvoll und lebendig, die uns zugedachten Kleinkreise sozialer Zuordnung und Individualisierung zu durchbrechen, dem ("postfordistischen") Auflösungstrend sozialer Gemeinsamkeiten neue Zusammenhänge "von unten" entgegenzusetzen und das eigene Eingebundensein in die Widersprüche und Machtbeteiligungen in diesem menschenverachtenden System immer wieder zu überschreiten. Im Einlassen auf die "anderen" Frauen nehmen wir nicht nur ihre andere Subjektivität, ihre anderen - weniger am hier herrschenden Produktivismus und der "Unabhängigkeit des Individuums" und mehr auf soziale Reprodukdon gerichteten - Werte, Handlungen und Kämpfe wahr. Sondem wir können uns auch ein wenig mit den Augen der anderen sehen und infragestellen lemen, z.B. indem sie uns mit unseren produktivistischen und rassistischen Werten und Handlungen konfrontieren. Wichtig ist, die Unterschiede wahrzunehmen und zu respektieren, aber genauso wichtig ist, aus den die HERRschaft stärkenden Abgrenzungen auszubrechen und ein kämpferisches Miteinander zu entwickeln, das die Durchsetzung alter und neuer patriarchaler Macht und kapitalistischer Verwertungsziele behindert, wo immer wir das schaffen. Unsere Hoffnung auf Frauenbefreiung und unsere Vorstellung von Kommunismus (11) schon hier und jetzt und auch im sozialen Alltag kann als Tendenz nur dann sicht- und lebbar werden, wenn wir unsere voneinander abgegrenzten und gegeneinander ausspielbaren Frauenunterdrückungen und unsere unterschiedlichen Strategien dagegen in die Kraft vernetzter Widerstands- Strukturen umwandeln. In dieser Verbindung und in den verschiedenen Kämpfen um Existenzrecht und Leben in Würde für ALLE, jenseits von Verwertungszwang, sozialer und kultureller Zugehörigkeit und Paßverordnungen etc., können wir manche Facetten unserer Integration in dieses Herrschaftssystem abbauen oder auch umdrehen zum Nutzen gemeinsamer Befreiung (z.B. durch unseren leichteren Zugang zu Information und Umgang mit der Verwaltungsbürokratie und unseren gesicherteren gesellschaftlichen Status ... ). Und in der Wahrnehmung dieses Systems, wie es sich in den Augen hierher geflüchteter und eingewanderter Frauen als Komplex miteinander verwobener rassistischer wie sexistischer wie ausbeuterischer Macht zeigt, lernen wir die Personifizierungen und Verantwortlichkeiten dieser Macht besser kennen und werden sie für uns angreifbar.
Ansätze für kritische praktische Solidarität können wir in den verschiedensten Formen von öffentlichen und subversiven Protest- und Aktionsformen umsetzen:
für das Bleiberecht für ALLE: Aktionen zur Behinderung der staatlichen rassistischen Politik, gegen Abschiebungen und Abschiebeknäste, dafür Verantwortliche aus dem Schutz ihrer Anonymität reißen
- daran sich bereichernde Firmen angreifen
Tourismus ist eine moderne Form kolonialer Ausbeutung. Die Tourismusindustrie wirbt auch dieses Jahr wieder für das 'Reiseland Türkei 95'. Aktionen zur Forderung "Kein Tourismus in die Türkei" verbinden wir jedoch mit dem Ziel, die dicken Geschäfte der BRD-Konzerne zu behindern und nicht kleine türkische Reisebüros anzugreifen. Das Schweigen der PKK zu den gegen türkische MigrantInnen gerichteten Aktionen in diesem Frühjahr begünstigt die weitere reassistische und nationalistische Formierung in der BRD-Gesellschaft, insbesondere zwischen KurdInnen und TürkInnen. Das steht unseren Zielsetzungen grundsätzlich entgegen.
die ökonomische und politische Zusammenarbeit zwischen BRD und Türkei behindern, von öffentlichem Protest bis zu Aktionen, die Firmen und PolitikerInnen für ihre blutigen Geschäfte zur Verantwortung ziehen.
LUuml;RSSEN RAUS AUS DEM MRDERISCHEN GESCHFT MIT DEM TUuml;RKISCHEN REGIME!
Keine militärischen Geschäfte mit der Türkei Keine Finanzierung der deutschen Rüstungsindustrie durch das BRD-Regime Schluß mit jeder BRD-Rüstungs- und Wirtschafts"hilfe" für das türkische Regime