Revolutionärer Zorn Nr. 2 Mai 1976
Wittlich, den 9.3.74
Für den Fall, daß ich in Haft vom Leben in den Tod komme, war's Mord gleich was die Schweine behaupten werden. Nie werde ich mich selbst töten, nie werde ich ihnen einen Vorwand geben. Ich bin kein Provo und kein Abenteurer. Wenn's heißt und dafür gibts Anzeichen Selbstmord-, schwere Krankheit-, Notwehr-, auf der Flucht-, glaubt den Lügen der Mörder nicht.
(Meins)1
ich habe nicht viel zu sagen. wir glauben, daß ulrike hingerichtet worden ist. wir wissen nicht wie. aber wir wissen von wem und wir können das kalkül der methode bestimmen. ich erinnere an herolds2 satz
aktionen gegen die raf müssen immer so abgewickelt werden, daß die
sympathisantenpositionen abgedrängt werden-. und buback3 leute wie herold
und ich finden immer einen weg-. es war eine kalt konzipierte hinrichtung
wie holger hingerichtet worden ist, wie siegfried hausner4 hingerichtet
worden ist.
ulrike5 hatte sich entschlossen: revolutionäre identität gegen die langsame
zerstörung des willens in der agonie der isolation zu behaupten. hätte sie
sich anders entschlossen, hätte sie es uns gesagt. auf jeden fall andreas:
so war die beziehung. ich glaube, die hinrichtung ulrikes jetzt in diesem
moment hat ihren grund in einer kulmination einem ersten politischen
durchbruch der internationalen auseinandersetzung
guerilla-imperialistischer staat brd. darüber sprechen informationen, über
die ich jetzt nicht reden will. sie liegt auf der strategischen linie aller
staatlichen bewältigungsversuche seit 6 jahren: physische und moralische
vernichtung der raf.
und sie zielt auf die guerillagruppen in der brd, für die ulrike eine
wesentliche ideologische funktion hat.
zu sagen ist noch die ganze zeit, die ich die beziehung zwischen ulrike
und andreas kannte, und ich kenne sie seit 7 jahren war ihr signal
intensität und zärtlichkeit, sensibilität und genauigkeit. und ich glaube,
daß es genau dieser charakter der beziehung war, aus dem ulrike die 8
monate trakt durchgehalten hat.
es war eine beziehung, wie sie sich zwischen geschwistern entwickeln kann
orientiert an einem identischen ziel, als funktion dieser politik. so war
sie frei weil freiheit nur möglich ist im kampf um befreiung. es gab in
diesem verhältnis keinen bruch, es wäre nicht möglich gewesen, weil es
bestimmt war über die politik der raf.
und wenn in der gruppe überhaupt grundsätzliche widersprüche entstanden
sind, waren sie definiert durch konkrete praxis. in den theoretischen
arbeitsprozessen, wie sie im knast möglich sind, können sie aus der
identischen situation des kampfes und der geschichte der gruppe keine
basis haben, daß das genauso war, beweisen die diskussionen, ulrikes briefe
und manuskripte bis zum freitagabend.
sie drücken den wirklichen charakter dieser beziehung aus. jetzt
spannungen- und entfremdungen- zwischen ulrike und andreas6, zwischen
ulrike und uns zu behaupten, um mit dieser primitiven und dunklen infamie
das projekt der hinrichtung ulrikes der psychologischen kriegsführung
verfügbar zu machen: das ist buback. und das ist bubacks dummheit:
keiner dieser versuche hat bis jetzt zu was anderem geführt als zum immer
deutlicheren begriff der reaktion in der bundesrepublik als:
faschismus.
11.5.75 Jan (Carl Raspe7)
Am 8. Mai 1976, dem Tag der Befreiung vom Faschismus, starb unsere Genossin und Schwester Ulrike Meinhof, ermordet durch Vernichtungshaft.
Die Vernichtungshaft, der saubere Mord durch Entzug jedes
menschlichen Kontaktes ist Bestandteil der von den Sozialliberalen
intensivierten konterrevolutionären Politik.
Die besondere deutsche Phantasie beim Verfolgen der Linken, die Raffinessen
der Überwachung und Einschüchterung, technisches Niveau und kalte
Berechnung des staatlichen Mordfeldzuges gegen Revolutionäre sind zum
begehrten Exportartikel der sozialliberalen Koalition geworden.
Die Regierungen von Spanien, Chile, Israel, Südafrika, der Schweiz ... sie
lernen heute in der BRD, was man im Tausendjährigen Reich noch zugelassen
hat.
Man sagt, das ist Repression doch was ist Repression?
Der Chef des Bundeskriminalamtes (BKA) Herold, bestellt regelmäßig die großen Nachrichtenagenturen, die Chefredakteure von Tageszeitungen und Magazinen, die Leiter von Rundfunk- und Fernsehanstalten zu sich. In den Sitzungen dieser kriminellen Vereinigung gegen das Volk wird die medienpolitische, psychologische Kriegsführung gegenüber allen gesellschaftlichen Bewegungen als Voraussetzung und Ergänzung polizeilich-militärischer Maßnahmen diskutiert, taktisch und strategisch abgestimmt. Die jeweilige Konzeption wird dabei auf den unterschiedlichen Leserkreis abgestimmt. Für die Frankfurter Rundschau werden andere Argumentationsstränge und psychologische Raster entwickelt, als für die Zeit oder die Bild-Zeitung. Gerade auch die Ebene der Kritik an den staatlichen Maßnahmen wird so bestimmt und durchgespielt. Die gleiche Scheiße, nur anders aufgewärmt, soll täglich und stündlich in Gehirn und Unterbewußtsein gepumpt werden.
Man sagt, das ist Repression doch was ist Repression?
Ein Journalist, der vor Jahren von der Frankfurter Rundschau entlassen wurde, weil er sich nicht an das medienpolitische Konzept des BKA gehalten hat, wird einen Tag nach dem Mord an Ulrike in Holland von deutschen Bullen auf offener Straße mit vorgehaltener Waffe durchsucht und an die Wand gestellt. Nur durch einen zufällig sich nähernden Bus voller Touristen wird eine u.U. geplante Entführung verhindert.
Man sagt, das ist Repression doch was ist Repression?
Wir erkennen Repression in jeder einzelnen Maßnahme. Wir haben schon vor 15 Jahren gegen die Notstandsgesetze8 protestiert, mit denen sich die herrschende Klasse 1968 den parlamentarischen Segen erteilte für ein Blutbad nach chilenischem Muster. Wir registrieren die Überprüfung von 600.000 Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Wir unterschreiben Petitionen gegen Berufsverbote und Gewerkschaftsausschlüsse. Wir sind voller Wut und Trauer über die Ermordung von Revolutionären, von Petra Schelm9, Georg von Rauch10, Thomas Weissbecker11, Günter Routhier12, Holger Meins, Werner Sauber13, Katharina Hammerschmidt14, Ulrich Wessel14a, Siegfried Hausner, Ulrike Meinhof. Wir sehen zu, wie sich keine Hand erhebt gegen die Vergasung von Jürgen Bartsch15, wie täglich in den in Psychiatrien und in Justizvollzugsanstalten umgetauften KZs Brüder und Schwestern geschunden, in den Tod getrieben, gefoltert, zerstört werden. Dieser Staat verbietet die Abtreibung, zerschlägt mit militärischer Genauigkeit Streiks und Bürgerinitiativen, setzt eine Million Menschen auf die Straße und nennt dies wirtschaftlichen Aufschwung und soziale Stabilität. Wir empören uns noch ein wenig über die feine Art von Bücherverbrennung mit dem 88 a, trauen uns aber nicht, es auch so zu nennen.
Repression ist nicht bloß die Addition von Maßnahmen der Unterdrückung. Repression ist kein Exzeß, kein Übergriff.
Doch was ist Repression?
Der Begriff der Repression ist keine politische Kategorie und entzieht sich einer klaren Bestimmung, er dient nicht der Beschreibung der Verhältnisse im Klassenkampf. Repression ist ein Begriff aus der Technik, der nur aussagt, daß irgendetwas auf etwas anderes Druck ausübt. Die Verwendung des technischen Begriffs Repression, der nur dazu dienen kann, Quantitäten auszudrücken, hat dann schwerwiegende Konsequenzen, wenn er dazu benutzt wird, das Verhältnis zwischen gesellschaftlichen Klassen, also ein qualitatives darzustellen. So stellt man dann die Zunahme der Repression fest, d.h. ihre Ausdehnung, ohne dadurch das grundsätzliche Verhältnis zwischen den Herren des Staates und der Fabriken und dem Volk damit zum Ausdruck bringen zu können, es auch nur für sich zu begreifen.
Warum wird von Repression gesprochen und nicht von Gewalt? Denn das Verhältnis zwischen der herrschenden Klasse und dem Volk ist ein Gewaltverhältnis. Die Gewalt der herrschenden Klasse gegen das Volk ist kein besonderes Mittel, kein Betriebsunfall der bürgerlichen Demokratie, kein Abrutschen, keine Fehlentwicklung.
Die Gewalt ist die Existenzbedingung der kapitalistischen Gesellschaft!
Die Gewalt wird nicht nur zusammengefaßt in besonderen
Formationen, in Polizei und Militär, sie durchdringt vielmehr den gesamten
Lebensprozeß.
Zerstörung des Arbeitsprozesses
Zerstörung der Persönlichkeit
Auflösung sozialer Zusammenhänge
Kasernierung in Sozialbeton
Teilung von Kopf- und Handarbeit.
Nicht die besondere Gewalt ist der Fehler, sondern das gesellschaftliche
System, das Bullen und Militär und all den barbarischen Dreck und Terror
nötig hat.
Nur wenn man dieses alles durchdringende Gewaltverhältnis
leugnet oder sich aus Gewohnheit ganz wohl in ihm fühlt, kann man
Repression als Exzeß eines ansonsten ehrbaren, nach zwar kapitalistischen,
aber immerhin rechtsstaatlichen Regeln funktionierenden Systems begreifen,
dem man mit der Mahnung an seine eigene Verfassung und dem Kampf um die
Grundrechte wieder auf die Sprünge helfen kann. Dem liegt nicht nur eine
politische Analyse zugrunde, die angesichts der Konzentration von Gewalt in
der BRD lieber an ihr vorbeisieht und als politische Perspektive auf eine
wirkliche Umwälzung schon verzichtet hat, sondern auch eine subjektive
Seite, die lieber Anpassung will als Kampf, die den langsamen
Erstikkungstod angenehmer findet, weniger schwierig als die offene
Auseinandersetzung.
Die Gewalt hat sich so schon immer in die Köpfe, in das Fühlen, in
Emotionen und tagtägliches Leben der Beherrschten eingenistet. Gewalt
erscheint subjektiv als Angst, als Resignation, als Verzweiflung.
An diese politische wie individuelle Defensivität knüpfen Gruppen wie das
Sozialistische Büro16 an. Sie klären auf über Repression und meinen
damit den Streit um Grundgesetz und Verfassungsrechte. Sie versuchen die
Linke immer wieder an das herrschende Rechtssystem zu binden, während diese
gerade zu lernen beginnt, daß diese Rechtsnormen spezifisch kapitalistisch
sind, während sie beginnt, diese Legalität zu durchbrechen, ihre
Bedürfnisse nicht mehr an den diktierten Möglichkeiten, sondern auch
jenseits des Legalismus zu orientieren!
Sie mobilisieren gegen Unterdrückung, aber sagen niemandem, wie man
erfolgreich gegen die Repression kämpfen könnte, weil eine in der
historischen Perspektive erfolgreiche Strategie den Bruch mit dem
Bestehenden voraussetzt.
Das Sozialistische Büro zieht es vor, sich und die Linke als harmlos,
weil stumm und taub und blind gemachte Lämmer an die Bourgeoisie zu
verkaufen. Der Rückzug auf Verfassungspositionen und die Beteuerung der
eigenen Harmlosigkeit bewirken nur Resignation.
Auch der gutgemeinte Aufruf, verstärkt den Kampf gegen die staatliche
Gewalt aufzunehmen, bleibt bloßes Gerede, wenn nicht die Veränderung in
Taktik und Strategie staatlicher Gewalt, die Erweiterung des
Staatsapparates, die verstärkten Bemühungen zur Kontrolle
gesellschaftlicher Beziehungen, die Entwicklung des Klassenkampfes und der
Konterrevolution auf europäischer Ebene usw. genau untersucht werden.
Angesichts der Niederlage des Imperialismus17 versuchen die Kräfte der
Barbarei dem revolutionären Fortschritt zuvorzukommen.
Prävention das ist heute das Credo der Bourgeoisie alles schon im Keime
ersticken, mit der Wurzel ausreißen, solange das möglich ist. Die
Bourgeoisie hat gelernt, daß es effektiver ist, die Hirne und Herzen der
Menschen rechtzeitig zu kolonisieren, als das Gemetzel des alten Faschismus
zu wiederholen!
Seit der als Befreiung vom Faschismus getarnten Wiedererrichtung
bürgerlicher Demokratie und kapitalistischer Produktionsweise ging es der
herrschenden Klasse darum, auf gesellschaftlicher, politischer,
ideologischer und militärischer Ebene ein Gesellschaftsmodell
durchzusetzen, das den alten Faschismus überflüssig macht, revolutionäre
Entwicklungen dennoch unmöglich.
Während die Reste von kommunistischem Widerstand, diejenigen, die nicht in
den KZs ermordet worden waren, aufs neue verfolgt und in die Illegalität18
getrieben wurden, wurden all jene Mechanismen zur Integration und Kontrolle
entwickelt, auf die sich die konterrevolutionäre Strategie heute stützt.
Statt Arbeitsfront die konzertierte Aktion; statt Blockwartsystem Computer
mit allen Lebensdaten; statt Pressezensur deren freiwillige
Gleichschaltung; statt Parteiverbot entpolitisierte Volksparteien.
Die Verflechtung der BRD in das imperialistische Lager hat zur Folge, daß
die innenpolitische Entwicklung hier nicht bloß ein Reflex auf ökonomische
Brüche und Krisen in diesem Lande ist, sondern auch immer Ausdruck von dem,
was sich innerhalb des imperialistischen Lagers abspielt.
Wenn es da schlecht geht und spätestens nach Vietnam ist das so schlägt
sich das auch hier nieder. Die Interessen des imperialistischen Lagers
insgesamt sind es, an denen Innen- und Außenpolitik der BRD ausgerichtet
sind.
Deutsche Sozialdemokratie an der Spitze europäischer Konterrevolution
Dabei ist die BRD in den letzten zwanzig Jahren aus der Rolle eines bloßen Anhängsels der USA herausgekommen und hat im imperialistischen Lager an Einfluß und Stärke gewonnen und ist zur dominierenden Macht in Europa geworden.
Inwieweit die BRD ihre Politik in Europa vollständig
durchsetzen kann, ist noch unklar. Auf jeden Fall interveniert sie im
Ausland, wo die europäische kapitalistische Stabilität bedroht ist.
Portugal war ein Lehrstück für die Verlangsamung und Zerschlagung des
revolutionären Prozesses. Die Spaltung des Volkes mit sozialdemokratischen
Marionetten war politisch erfolgreicher als die militärische Intervention
des US-Imperialismus, die Putsche und Morde des CIA.
Dabei versucht die internationale Sozialdemokratie unter Führung der
deutschen Sozialdemokratie eine empfindliche Lücke zu schließen. Die
amerikanischen Interventionen bis Vietnam waren stets mit dem Hinweis auf
Notwendigkeit der Verteidigung der freien Welt verbrämt. An dieser
Ideologie der Freien Welten, an die Überlegenheit der westlichen
Zivilisation glaubt mit dem internationalen Aufschwung der Klassenkämpfe
niemand mehr so recht.
Die Sozialdemokraten und speziell die deutschen entwickeln heute eine
klassenbezogenere Linie. Ihre in der Zielsetzung identische Strategie
begründen sie mit der Sorge um die Freiheit der Gewerkschaften, der Presse,
der freien Meinungsäußerung, verarbeiten geschickt die Angst vor dem
Stalinismus. Die Unterschiede im Eingreifen der USA und der BRD können über
ihre Gemeinsamkeit nicht hinwegtäuschen: sie sind die Kräfte der Barbarei
und kämpfen um deren Verlängerung. Die vor allem in der BRD verstärkt
betriebene konterrevolutionäre Politik zeichnet sich dadurch aus, daß in
ihr die politischen und militärischen Maßnahmen genauer aufeinander
abgestimmt werden. Wer die bürgerliche Gewaltpolitik ausschließlich unter
militärischen Gesichtspunkten analysiert oder wer umgekehrt in den
politischen Maßnahmen die kapitalistische Gewalt nicht zu erkennen vermag,
kann die präventive Konterrevolution als politisch-militärisches Projekt,
als Abstimmung von Integration, Kontrolle und Vernichtung nicht
begreifen.
Die Struktur des Gewaltapparates Integration Kontrolle Terror Vernichtung
Präventive und internationale Konterrevolution bedeutet
revolutionäre Prozesse zerschlagen, bevor sie sich entwickeln können, Bewegungen vernichten, bevor sie in der Bevölkerung breite Unterstützung finden, das Volk durch ein abgestuftes System von reformistischen Angeboten und selektivem Terror spalten und den gesellschaftlichen Widersprüchen damit ihre Brisanz nehmen.
Der Widerstand der Arbeiter gegen die Monotonie ihrer Arbeit wird nicht mit der militärischen Verwaltung der Fabriken beantwortet, sondern mit dem Versuch zur Bereicherung der Arbeit, der Abwechslung der Arbeitsvorgänge usw. Die Krankheitsquote soll gesenkt, der Arbeiter betriebstreuer werden. Ihnen wird Zufriedenheit eingeredet, sinnlose, entfremdete Gruppenarbeit soll mehr Spaß machen als sinnlose, entfremdete Einzelarbeit. (Wenn auch mit wechselndem Erfolg, eine Arbeiterin bei Volvo Schweden nach Einführung der Arbeitsplatzrotation
Früher haben mir
immer nur die Handgelenke wehgetan, heute tut mir alles weh). Auf die
Studentenbewegung wurde nur ausnahmsweise mit polizeilicher Gewalt
geantwortet, viel erfolgreicher wurden die Studenten in die institutionelle
Veränderung der Universität miteinbezogen, wurde Reformvorhaben Platz
eingeräumt, bis sich die Bewegung totlief.
Die Erfahrungen anderer Völker zeigen, wie weit diese Kompromißbereitschaft
gehen kann, wie sehr auch die Herrschenden die politische Entscheidung
suchen. In Nordirland suchten die Engländer mit einigen Zugeständnissen
selbst die IRA als Ordnungsmacht zur Stabilisierung und Beruhigung
einzusetzen. Es ist auch bekannt, wie trotz des wildesten
antikommunistischen Gegeifers in Italien die KPI zur Disziplinierung der
Arbeiter und Gewerkschaften benutzt wird.
Gleichzeitig wird der Bürgerkrieg vorbereitet. Das Wasser vergiften, wenn
man die Fische nicht fangen kann, sagte der englische Bürgerkriegsgeneral
Kitson.19 Um ihn effektvoll und planvoll führen zu können, müssen die
Herrschenden eine genaue Kenntnis der Gesellschaft erwerben, Denkweisen und
informelle Organisation (z.B. im Betrieb) erfassen, um jeden möglichen
Unruheherd von vorneherein eingrenzen zu können. Zu diesem Zweck wurde ein
gewaltiger gesellschaftlicher Beobachtungs- und Bespitzelungsapparat
aufgebaut. Die Kontrolle jedes einzelnen, die Erfassung seiner Lebensweise,
ist das Ziel. Die Computerisierung aller persönlichen Daten, die ständig
durch Kontrollen aufgefüllt werden, ist der technische Hebel dieser
Entwicklung. Durch Soziogramme von Personen, die in die Gewalt abgleiten
könnten, wird dies noch verfeinert. Soziogramme, die nicht nur die
Organisationszugehörigkeit berücksichtigen, sondern Freunde und
Freundinnen, Verwandte, Stammkneipen, Ferienaufenthalte (z.B. in Portugal),
alle medizinischen Daten usw. kurz: alles über einen Menschen.
Der Präsident des BKA, der SPD-Genosse Herold20, will allen Bundesbürgern
Fingerabdrücke abnehmen lassen. Die Durchsuchungsbefugnis der Bullen soll
auf ganze Stadtteile ausgedehnt werden.
Gerade die Technisierung, die Entpersönlichung der Überwachung, die
unmerkbare Kontrolle machen sie so schwer erfahrbar, so schwer als
entscheidenden Bestandteil der herrschenden Gewalt, als die aktuelle Etappe
des Bürgerkriegs zu erkennen.
Im punktuellen Terror gegen das Volk erinnert der Staat an seine
Waffengewalt. Straßen- und Verkehrskontrollen mit Maschinenpistolen,
Bahnhofsrazzien, Fahndungstage, Werkschutz, private Bewachungsinstitute,
Kaufhausdetektive, der Terror auf Polizeiwachen gegen Betrunkene, die
Ermordung von Kleinkriminellen, der Knast sollen jeden von der
Allgegenwärtigkeit und Stärke des Staates überzeugen. Da, wo das Volk
kämpft, vervielfacht sich die Brutalität: die Polizeieinsätze bei Ford, in
Nordhorn21 und Wyhl sind noch in Erinnerung.
Schließlich die Verfolgung der Linken mit einer ähnlichen Abstufung des
Schreckens. Für viele reichen Berufsverbot und Entlassung, für die meisten
schon die Drohung damit, um ihnen jeden Gedanken an effektiven Widerstand
auszutreiben. Immerhin wird so feinsinnig verfolgt, daß immer noch Bereiche
für die politische Betätigung übrig bleiben wenn auch weniger wichtig.
Der Einzelne wird eingeschüchtert, Organisationen nicht formell, sondern
praktisch illegalisiert. Propaganda und öffentliche Diskussion werden
erschwert, die militante Spitze der Linken, die Fabrik-, Häuser- und
Jugendzentrenbesetzer bereits kriminalisiert. Das gesamte militärische und
psychologische Arsenal der staatlichen Gewalt wird gegen die Guerilla
eingesetzt; da geht es nicht mehr um den politischen Kompromiß, die
Abstufung, sondern um kompletten Terror, da wird offener Krieg
geführt.
Der Faschismus kommt als Strafe, wenn man die Revolution nicht vorantreibt
Manche mögen bereit sein, jede Politik zu verkraften, die nicht so grauenvoll ist, wie die der Verbrennungsöfen und Todeslager und ihre Entrüstung für die besonderen Formen des von den Regierenden vervollkommneten kriminellen Wahnsinns vorbehalten. Das Sichklammern der deutschen Linken an diese Erscheinungsform des Faschismus, das Pochen darauf, Faschismus das ist Brasilien, Spanien, Chile beweist nur, daß die Erinnerung an den Nazifaschismus in diesem Lande zu Grabe getragen wurde, ohne daß er als historische Erfahrung verarbeitet wurde.
Dieses luxuriöse Unterscheidungsvermögen kann diejenigen nicht
überzeugen, die mit der gegenwärtigen Realität terroristischer
Unterdrückung konfrontiert sind.
Warum fragt ihr nicht, ob und was staatliche Gewalt, Konterrevolution,
faschistische Unterdrückungsmethoden sind, die beiden Gefangenen Hans
Rohrmoser und Heinz Detlef Krieger, die sich im Reformknast Fuhlsbüttel aus
Protest gegen menschenunwürdige Behandlung erhängt haben; fragt Jürgen
Bartsch, der zuerst als Monstrum von den Herren des Modell Deutschland in
die Gummizelle gesteckt und unter dem Beifall der Zeitungen vergast wurde;
fragt, verflucht noch mal, Ulrike Meinhof.
Warum wartet ihr auf die Einnahme des Innenministeriums durch faschistische Banden, während das Innenministerium dieses Land einnimmt und besetzt!
Aus der Geschichte lernen, heißt für die heutige Zeit zu begreifen, was Clara Zetkin22 schon 1923 erkannte
Der Faschismus ist in keiner Weise die Rache der Bourgeoisie gegen das sich kämpferisch erhebende Proletariat, historisch und objektiv gesehen kommt der Faschismus eher als Strafe, weil das Proletariat es nicht verstanden hat, die Revolution fortzusetzen.
Wir haben es nicht verstanden, die Revolte der 60iger Jahre
fortzusetzen, obwohl sie politische Folgen hatte, die weit über unseren
subjektiven und politisch-organisatorischen Einwirkungsbereich hinausging,
die in Schüler-, Lehrlings- und Frauenbewegung, in den wilden Streiks 1973
sich fortsetzte und die Konturen eines revolutionären Blocks
verdeutlichten. Was an der im wesentlichen von Studenten getragenen Revolte
so ansteckend war, war die große Identität von Begreifen und Handeln. Je
mehr die Linke diese Identität verliert, umso mehr fällt sie in die
Bedeutungslosigkeit zurück.
Es ist klar, daß diese Identität heute viel schwerer zu erkämpfen ist als
1968, aber wenn sie sich nicht eine neue, den veränderten Bedingungen
angepaßte revolutionäre Praxis zurückerobert, hat sie nicht nur den Kampf
um dieses Land verloren, sondern sich als Linke bereits aufgegeben und wird
selbst zu einfachsten politischen Aussagen nicht mehr fähig sein. Damit
meinen wir: bereits heute klammern die gängigsten Definitionen von dem, was
sich in der BRD abspielt, wesentliche gesellschaftliche Bereiche und
Entwicklungen aus. Zum Beispiel gibt es für das Sozialistische Büro keine
Zuchthäuser in diesem Land, es gibt für sie keine psychiatrischen
Anstalten, Militär und Polizei kommen nur in den Fußnoten ihrer Analysen
vor, die Widerstandsformen der Stadtguerilla und der militanten Linken
werden denunziert und verketzert. Anstatt die Perspektiven und praktischen
Möglichkeiten des Kampfes gegen die alltägliche Repression zu überdenken,
geben linke Arbeiter, Lehrer, Lehrlinge, Studenten, Sozialarbeiter dem
Druck nach, geben ihn weiter, sind pünktlicher, vorsichtiger, ängstlicher,
verkriechen sich in Zweierbeziehungen und lassen in Kneipen die Freiheit
heimlich hochleben.
Dabei gibt es kein Warten auf die Arbeiterklasse, denn die wartet auf die
revolutionäre Linke. Und appelliert nicht an die Liberalen, die werden euch
nur als Opfer bejammern.
Verstopft eure Ohren für die Herrschenden, hört die Unterdrückten. George
Jackson23, erschossen in einem amerikanischen Knast, weil er klar
durchgeblickt und gekämpft hat, sagt: Wenn ich den Faschismus von heute in
einem einzigen Wort definieren müßte, würde ich das Wort Reform-
wählen.
Was er damit meint? Einst präsentierte man die Reformen als eine Brücke zu
einer wunderbaren Zukunft; heute zwingt man sie auf als das Brückengeländer
am Rande des Abgrunds. Wer sie ablehnt, ist gewalttätig, tollwütig,
verrückt. Es ist kein Wunder, daß alle jenen Gruppen und Büros, die
Repression nicht als Gewalt entziffern können, die die Dimension einer
neuen konterrevolutionären Strategie nicht erkennen, auch unfähig sind,
auch nur eine praktische Perspektive im Kampf gegen staatliche Gewalt
anzugeben. Diese Perspektiven sollten weniger rhetorisch sein, sie sollten
an den Widersprüchen des Gewaltapparates ansetzen, sie sollten auch auf
individueller Ebene praktizierbar sein.
Was jeder machen kann für eine Praxis gegen Gewalt
Zunächst auf der untersten Ebene sollte jeder einzelne versuchen, staatliche Kontrolle und Überwachung zu unterlaufen, wo immer es geht. D.h. vor allem den Bullen die Erstellung von Soziogrammen erschweren, also keine Adressbücher und wenn, dann nur verschlüsselte (oder aus dem Telefonbuch unsinnig aufgeblähte) anlegen; übers Telefon möglichst wenige, nur öffentlich bekannte Informationen weitergeben, öffentliche Telefonzellen zum Telefonieren benutzen (ist im Ortstarif 3 Pfg. billiger); Autos nicht länger so parken, daß der Aufenthalt des Besitzers daraus unmittelbar ersichtlich wird; in Kneipen nicht über Leute quatschen (sonst auch nicht!) und andere daran hindern, wenn sie es trotzdem tun!
Fragebogen, sofern man sie nicht wirklich ausfüllen muß,
wegschmeißen. Im anderen Fall nur die tatsächlich überprüfbaren Angaben wie
Name, Geburtstag, Wohnort usw. richtig ausfüllen, den Rest fälschen, was
das Zeug hält, insbesondere Gesinnungsfragen (Sind Sie der Meinung?)
Bei Verhören durch die Bullen, bei Hausdurchsuchungen, Verkehrskontrollen,
Razzien und vorübergehenden Festnahmen nur die Angaben machen, um die man
nicht herumkommt, nur einen Ausweis zeigen. Auf keinen Fall irgendwelche
Aussagen über sich oder andere machen, auch nicht im freundlichen Gespräch,
auch keine noch so belanglosen. Das gilt auch für Alibifragen, es gibt
keine Verpflichtung, ein Alibi nachzuweisen. Es ist ein Fehler, wenn man
meint, die Bullen durch kleine unbedeutende Informationen schneller
loswerden zu können; gerade, wenn man redet, kommen die Bullen immer
wieder. Wenn einem irgendwas auffällt, was auf Observationen durch die
Bullen hindeutet, so schnell wie möglich öffentlich machen, verziert die
Hauswände mit entsprechenden Informationen, laßt euch in den bekannten
Kneipen darüber aus, zeigt den Bullen, daß ihr sie bemerkt habt, schreibt
an Zeitungen und Informationsdienste, hängt an linken Treffpunkten Plakate
auf usw.
Darüberhinaus gibt es natürlich zahlreiche Möglichkeiten, den staatlichen
Gewaltapparat in Trab zu halten, ihn sinnlos zu beschäftigen und dadurch
ein Gutteil zu destruieren.
Dem Einfallsreichtum sind hier keine Grenzen gesetzt:
Falschen Bombenalarm geben; als Objekte bieten sich nicht nur zahlreiche
Konsulate, Botschaften, Handelsvertretungen, Luftfahrtgesellschaften,
Armeeeinrichtungen usw. an, sondern auch die Privatadressen renommierter
Schweine.
Äußerste Vorsicht ist bei jeglicher Art von Fehlalarm am Platz. Bei
telefonischer Durchsage niemals die Bullen direkt anrufen, da diese alles
(wie übrigens viele Zeitungen auch) auf Band aufnehmen und Fangschaltungen
haben, sondern immer nur Leute in verantwortlicher politischer Stellung.
Bei schriftlichem Fehlalarm keinesfalls die eigene Schreibmaschine
benutzen, auf Fingerabdrücke achten, Briefmarken und andere Klebeflächen
mit Wasser befeuchten, nicht lecken; Briefe möglichst weit vom eigenen
Wohnort entfernt in den Briefkasten werfen. Die Anonymität kann man in
jedem Fall damit begründen, daß man Angst vor der Rache der Terroristen
habe und man wisse, daß die Polizei einen sowieso nicht schützen
könne.
Kameras, die zur Kontrolle und Überwachung eingesetzt sind, mit guter
Lackfarbe zuschmieren (dabei möglichst nicht in die Kamera
reingucken!).
Verkehrs- und Geschwindigkeitskontrollen den Fahrern in entsprechender
Entfernung durch Plakate, Lichtzeichen usw. anzeigen.
Demonstrationen und Kundgebungen dadurch unterstützen, daß man die
Beweglichkeit der Bullen einschränkt. Ein abgesoffenes Auto kann eine ganze
Kolonne von Bullenwagen aufhalten.
Fleißige Genoss/innen können aus Telefon- und Adressbüchern eine große
Liste von Polizeibeamten und Werkschutzleuten anfertigen, diese
fotografieren oder ihre Haustür mit Berufsangabe verschönern.
Bei Demonstrationen und Großfahndungen in weit entfernten Vororten die
Schaufenster von Banken und Sparkassen einschmeißen. Das gibt einen
hübschen Alarm und beschäftigt die Bullen ziemlich lange.
Der Kampf gegen staatliche Gewalt ist nicht die Frage von Kampagnen, von kurzfristigen politischen Höhepunkten oder der Organisierung von themenspezifischen Komitees. Der Kampf gegen staatliche Gewalt muß vielmehr zum elementaren Bestandteil jeder politischen Initiative werden und das in doppelter Hinsicht
sowohl unter dem Aspekt der Sicherheit der in verschiedenen Bereichen arbeitenden Genoss/innen als auch unter dem Aspekt der politischen Perspektive.
Eine Betriebsarbeit, die sich die Umtriebe des Werkschutzes
nicht zum Problem macht, an einzelnen Denunziationen vorbeisieht, die
Spitzeldienste reaktionärer Gewerkschaftsfunktionäre bestenfalls entrüstet
zur Kenntnis nimmt und sich im übrigen lediglich auf die Auswirkungen der
ökonomischen Krise bezieht, entwaffnet nicht nur sich selbst, sondern auch
die Arbeiter.
Ebenso im Stadtteil: gerade weil hier Kontrolle schwerer durchzusetzen ist,
ist es umso wichtiger. Die Kontaktbereichsbeamten bei Namen und Adresse
nennen, ihre Funktion und konkrete Tätigkeit zu veröffentlichen, lokale
Polizeireviere zu erkunden und darüber zu berichten, ihre Helfershelfer in
der Bevölkerung zu benennen; die ortsansässigen Vertreter des
Staatsschutzes zu ermitteln wie auch Richter und Staatsanwälte ihre
Geschäfte nicht in Ruhe treiben zu lassen.
Das alles sind nur einige Andeutungen einer Palette von bisher ungenutzten
Möglichkeiten.
Dazu gehören auch:
Sammlungen für einen Fonds, aus dem die von der staatlichen Gewalt Betroffenen unterstützt werden können,
die Übernahme von Patenschaften durch Betriebs-, Schüler-, Stadtteilgruppen für einzelne Gefangene und vom Berufsverbot Betroffene, über deren Situation immer wieder berichtet werden kann, für die immer wieder etwas unternommen wird.
Die Herstellung breitester Öffentlichkeit bei politischen Prozessen, Anhörungen von Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes.
Dies alles setzt voraus, daß jede politische Organisation oder Gruppe die Sicherheitsvorkehrungen für ihre Genoss/innen zumindest verdoppelt. Es muß jedem Linken klar sein, daß Linke schon ihrer Existenz nach und nicht nur aufgrund ihrer Praxis illegalisiert werden können. Deshalb müssen die Gruppen und Organisationen nicht nur Möglichkeiten bereitstellen, um einzelne Genoss/innen zu schützen, abzusichern, materiell zu versorgen, damit sie ungebrochen Kraft zur Fortsetzung ihrer politischen Praxis haben, sie muß insbesondere Organisationsformen entwickeln, die dem Gebot der Vorsicht folgend abgeschlossen und überschaubar sind, als auch Perspektiven der Organisierung auf Massenebene mit der dafür notwendigen Offenheit aufweisen.
Diese Elemente einer politisch-militärischen Strategie und
Praxis gegen den Apparat kapitalistischer, staatlicher Gewalt müssen
zusammenfliessen in der bewaffneten Aktion. Bewaffnete Angriffe und
Vergeltungsaktionen gegen einzelne Funktionsträger des Gewaltapparates und
dessen Institutionen, Gebäude usw. haben mehr als symbolischen Wert. Das
Kapitalverhältnis ist ein konkretes Verhältnis zwischen Personen. Die
Angehörigen des Gewaltapparates, ob sie nun in den Polizeikasernen,
Gerichtsälen, politischen Entscheidungszentren, Presseräumen oder
Direktionsetagen sitzen mögen, bleiben nicht anonym.
Jeder Bulle, der im Vollzug seines Dienstes auf irgendwelche Menschen
anlegt, muß und soll wissen, daß seine Kugeln zum Bumerang werden
können.
Jeder Richter, der ein neues Terrorurteil fällt, muß wissen, daß er damit
leichtfertig die Annehmlichkeiten seines Lebens aufs Spiel setzt.
Jeder Spitzel, jeder Denunziant muß wissen, daß sein Verrat auf ihn
zurückschlagen kann.
Militärische Aktionen zu diesem Zeitpunkt sind eine entscheidende
Möglichkeit, Resignation in Handlung umzusetzen, die Allmächtigkeit des
Systems praktisch zu widerlegen, die politische Situation zu polarisieren,
das Ausmaß der Repression überhaupt deutlich zu machen, den Apparat
staatlicher Gewalt gezielt an einigen Punkten zu destruieren, seine
Angehörigen einzuschüchtern.
Nicht allgemeiner Aufstand, sondern langwieriger bewaffneter Kampf
Wir glauben nicht an einen ausschließlich militärischen Sieg über die staatliche Gewalt. Es wird in Europa keinen allgemeinen Aufstand geben, sondern einen langwierigen revolutionären Prozeß.
Die organisatorischen Bezugspunkte dieses Prozesses werden die
Organe der Volksmacht sein, in denen sich Arbeiter, Frauen, Studenten offen
bzw. halblegal organisieren können und die politisch-militärischen Kerne
der revolutionären Linken, der Stadtguerilla.
Die Parteien, Büros, Gruppen, in denen sich heute manche organisieren,
entsprechen überwiegend diesen Bedürfnissen nicht. Weder organisieren sie
eine offensive, massenbezogene Politik, noch verfügen sie über eine
politisch-militärische Perspektive, Struktur, Ausbildung, die es ihnen
erlauben würde, Organe der Gegenmacht zu schützen und sich selber der
Repression zu entziehen, geschweige denn offensive bewaffnete Aktionen zu
unternehmen.
Angesichts der Verallgemeinerung der wirtschaftlichen, politischen und
militärischen Gewalt können sich der revolutionäre Prozeß, Massenbewegungen
von Anfang an nur gegen bürgerliche Legalität entfalten, muß die Kampfform
der Guerilla annehmen, dabei schrittweise Illegales, Nicht-Erlaubtes
legalisierend, durchsetzend.
Fast jede Form der Aneignung von Leben: Fabrikbesetzungen, Herabsetzen von
Preisen und Gebühren, kostenloser Einkauf, Widerstand gegen kapitalistische
Stadtzerstörung usw. unterliegen dieser Bestimmung. Die Aufgabe der
revolutionären Linken ist es dabei nicht, die Kämpfe des Volkes
kommentierend zu begleiten, sondern zu zeigen, wie sie möglich sind, wie
sie verteidigt werden können. Die Stadtguerilla unterstützt die Kämpfe des
Volkes durch Angriffe gegen seine Feinde, baut einen illegalen Apparat auf,
der neue Aktionsformen ermöglicht, entwickelt die Möglichkeiten subversiver
Medienbenutzung, beschafft Informationen aus den Büros der Herrschenden.
Die Stadtguerilla trägt die Momente des Antiimperialismus in die nationalen
Auseinandersetzungen.
In der aktuellen Situation, jetzt, wahrscheinlich für einige Jahre, geht es
darum, die demoralisierenden Auswirkungen der konterrevolutionären Politik
auf die Linke und die kämpferischen Teile des Volkes zu stoppen.
Krisenpolitik, Arbeitslosigkeit, Verteuerung des Lebens wirksam anzugehen,
die Interventionen der BRD in Europa mit dem Aufbau einer internationalen
Front zu beantworten.
Bewaffnete und illegale Aktionen sind dabei ein notwendiges Mittel, der
Resignation entgegenzuarbeiten, die scheinbare Unverletzlichkeit und
behauptete Allmacht des Systems zu verletzen, einige der Schweine zur
Verantwortung zu ziehen.
Die Bourgeoisie hat die Illegalität längst gewählt, den Rechtsstaat in der Auseinandersetzung mit Revolutionären auf den Schutthaufen geworfen
Man muß so radikal sein wie die Wirklichkeit, der Kampf gegen die verallgemeinerte Gewalt ist dabei schon ein revolutionäre Moment! Ohne den Einschluß bewaffneter Kampfformen, ohne Unterstützung und Beteiligung an der Stadtguerilla bleibt nur der Weg in Reformismus oder Apathie!
Bewaffneter Widerstand gegen Faschismus und bürgerliche Gewalt!
Schafft revolutionäre Zellen!
Reaktionen auf den Tod von Ulrike Meinhof
9.5. Bombenexplosion in den Büros von Klöckner und Thyssen in Paris. Die Gruppe Solidarité Révolutionaire übernimmt die Verantwortung
Der deutsche Staat hat gerade wieder ein Mitglied der RAF getötet. Gestern ist Holger Meins gestorben, heute Ulrike Meinhof durch Erhängen. Es geht nicht darum, aus ihnen Märtyrer zu machen, sondern durch unsere Tat und durch internationale Solidarität auf die Verbrechen aller Herrschenden zu antworten.
10.5. Bombenanschlag auf das deutsche Reisebüro in Rom, das Antiimperialistische Zentrum Holger Meins übernimmt die Verantwortung.
Brandanschlag auf das deutsche Kulturinstitut in Toulouse, das Erdgeschoß brannte völlig aus.
Straßenschlacht in Westberlin.
Brandanschlag auf ein deutsches Spezialitäten-Geschäft in Mailand.
Molotow-Cocktail gegen das Landgericht Wuppertal.
11.5. Demonstrationen in Frankfurt, Straßenschlachten in der Innenstadt. Kleine Gruppen greifen die Bullen erfolgreich an. Die Bullen greifen 14 Leute wahllos heraus, einer, dem man einen Mordversuch anhängen will, wird nach einer weiteren machtvollen Demonstration von über 7.000 freigelassen.
Sprengstoffanschlag auf die Deutsche Botschaft in Kopenhagen.
Sprengstoffanschlag auf Daimler Benz in Nimes (Südfrankreich).
Sieben Mollis gegen den Deutschen Kulturpalast Villa Massismo in Rom.
13.5. Eine Brandbombe verwüstet die Büros von Hoechst in Barcelona.
14.5. Bombenanschläge gegen Volkswagen und Bosch in Mailand, gegen das deutsche Konsulat in Venedig, gegen eine weitere deutsche Niederlassung in Neapel.
Brandanschlag auf einen Funkwagen der Bullen in Frankfurt.
Sprengsstoffanschlag gegen das Stachus-Einkaufszentrum in München.
15.5. Sprengstoffanschlag der Revolutionären Zellen gegen das Oberlandesgericht Hamm als schwacher Ausdruck unserer Wut und Trauer über den von den Staatsschutzbehörden von langer Hand vorbereiteten Mord an der Genossin Ulrike Meinhof.
Molli gegen das deutsche Archäologische Institut in Rom. Brandanschlag in Sevilla.
17.5.-26.5. Molli gegen eine deutsche Autofirma in Paris.
Mollis gegen geparkte deutsche Reisebusse in Paris.
Parolen am deutschen Konsulat in Sidney, Australien.
Sieben Mollis gegen Volkswagen in Rom.
Molli gegen die deutsche Botschaft in Brüssel.
Brandanschlag auf das deutsche Konsulat in Bilbao (Baskenland). Drei Bomben gegen Volkswagen in Mailand.
Brandanschlag gegen Agfa Gevaert in Mailand.
Während der gesamten Zeit fanden zahlreiche Demos, Kundgebungen, Malaktionen in der ganzen BRD, in Dänemark, Schweden, Österreich, Italien, Griechenland und vielen anderen Ländern statt. Solidaritätsadressen treffen ein, so z.B. aus der Schweiz, Italien, Irland.
27 Gefangene im Preungesheimer Knast, Frankfurt, weigern sich am 10.5. nach der Freistunde in die Zellen zurückzugehen. Auch Gefangene in Stammheim und Köln-Ossendorf protestieren durch Sitzstreiks gegen den Mord an Ulrike. Viele Gefangene treten in den Hungerstreik. Die Preungesheimer Gefangenen verbreiten folgende Erklärung
Ulrike ist ermordet worden. Wir, hier im Gefangenenlager Preungesheim, Station V, sind nicht bereit, nichtstuend zu warten, bis wir an der Reihe sind. Selbst betroffen durch einen der unmenschlichsten Knäste und sehend, wie einzelne von uns bis zum Rand der möglichsten physischen und psychischen Erschöpfung gefoltert werden, müssen wir versuchen, unser Leben, das Leben der Gequälten zu verteidigen. Wir werden uns am Montag auf dem Innenhof genannten Laufkäfig verbarrikadieren. Wir verstehen diese Aktion als Antwort auf die Ermordung von Ulrike und wollen erreichen, daß die Isolation hier aufgehoben wird Unterstützt unseren Kampf! Unterstützt alle Kämpfenden! Ulrike lebt! Die Aktionen der Preungesheimer Gefangenen wurden eine Woche lang tagtäglich durchgehalten, noch viele andere schlossen sich an.