Die Hunde bellen, und die Karawane zieht weiter Mai
1977
Hans-Joachim Klein hat die Guerilla verlassen. Er hat seinen Entschluß, in
der bewaffneten Linken zu kämpfen, zurückgenommen, weil die Konflikte, in
die ihn das gestürzt hat, für ihn nur die Aufgabe des Kampfes bedeuten
konnten. Wir sind betroffen, weil wir versagt haben an dem Punkt, die
Entwicklung, diesen Prozeß bei HJK zu sehen, zu bemerken.
In unseren schriftlichen Äußerungen, vor allem 1975 in unserem Interview, steht, welches unsere Ansprüche sind, sein müssen an Kämpfer der Guerilla
die Notwendigkeit von Vertrauen und Genauigkeit unter den
Kämpfern, ohne Konkurrenz, ohne Imageprobleme, ohne Mackertum, ohne jeden
Zwang. Gerade in der Logik der Guerilla liegt es, Widersprüche in den
eigenen Reihen zu lösen durch Offenheit, vorbehaltlose Solidarität, Liebe.
Nur so bringen wir es überhaupt, diesen Kampf aufzunehmen, zu führen,
auszuhalten. Die RZ hat nie jemand gezwungen, gedrückt, reingezogen,
verleitet. Die RZ hat nie Genossen oder Genossinnen aufgenommen, nur weil
diese getönt haben, sie seien drauf. Unter uns, zwischen uns und Neuen
läuft der mühsame und langwierige Prozeß, Entscheidungen immer wieder zu
überprüfen, sich selbst und sich gegenseitig kennenzulernen, durch
Erfahrungen, durch Reden, Reden, Reden, durch kleine Schritte in
gemeinsamer Praxis erst herauszubekommen, ob die Identität zwischen Leben
und Politik im bewaffneten Kampf wirklich die jedes/jeder Einzelnen ist.
Bei HJK haben er und wir das nicht geschafft. Unsere Schwäche, diese
Ansprüche nicht immer und umfassend verwirklichen zu können, weil wir
keineswegs die tollen neuen Menschen sind, zeigt sich daran auch es ist
nicht gelungen, dieses Verhältnis zu HJK und diese Selbstprüfung von HJK
herzustellen, wir haben nicht gesehen, daß HJK sich übernommen hatte, wir
haben uns und ihm zuviel durchgehen lassen, wir sind auf ihn
abgefahren.
Zum Teil sehen wir erst jetzt, wie der Mensch HJK funktioniert.
Da er weiß, daß es die Alternative Fighter oder Bulle für uns nicht gibt,
hätte er mit uns lösen können, was ihm die Fortführung des bewaffneten
Kampfes verunmöglichte, wie er aussteigt, wie seine Zukunft zu sichern
ist. Wir, er, die Linken wissen, daß das Verlassen der Guerilla
selbstverständlich immer möglich ist. Jeder, jede hat die Möglichkeit
unauffällig zu leben, und zwar mit Unterstützung von allen, mit denen er
vorher gekämpft und gelebt hat. Das weiß jeder, der diese Politik anfängt.
Gerade HJK hätte viele Möglichkeiten gehabt. Wie schon viele vor ihm. Er
wußte dies, viele unter Euch Linken wissen dies ganz, ganz genau.
Den Kampf in der Stadtguerilla aufzuhören, ist kein Verrat. HJK ist für
die Guerilla weltweit ein Problem nicht weil er sich politisch getrennt
hat; das kann jeder, ohne daß ihm auch nur ein Haar gekrümmt wird. Er ist
ein Problem, weil die Art seines Aussteigens die Befürchtung begründet, daß
er auch vor dem Verrat konkreter Einzelheiten, Strukturen, Treffpunkte,
Namen nicht zurückschreckt. Die ersten Namen im Jemand-Brief, die
Veröffentlichung angeblicher Pläne, deren Durchführung er angeblich damit
vereitelt, sind die ersten Signale auch für die Bullen, daß er zum Deal
bereit ist, wenn er's nicht mehr aushält oder wenn sie ihn erwischen.
Der andere, selbstverständliche Weg hat sich für HJK verboten. Sein
verzweifelter Drang, immer der Größte sein zu müssen, der Top-Fighter, der
King, der Bewunderte, erlaubte ihm das nicht: Schwäche (vermeintliche
Schwäche!) zu zeigen, offenzulegen. Er schafft es nur, indem er einen neuen
Rahmen wählt, wo er seine Star-Show abziehen kann, wo er seiner Probleme,
seiner tiefen Unsicherheiten zeitweise Herr werden kann.
Bei seinem jetzigen Publikum ist dies jedoch nur möglich durch Anbieten
dessen, was dieses hören will. Das deckt sich jedoch nicht mit seinen alten
Erfahrungen mit ihnen, den Erfahrungen mit uns, den Erfahrungen seiner
letzten anderthalb Jahre. Daher der Dreck und die Lügen in seinem letzten
Brief an Spiegel und Pflasterstrand.5 Wir wissen, daß es unsinnig ist, hier
die Lügen wie in einem Kriminalprozess zu widerlegen. Es wäre tatsächlich
eine Glaubenssache, vor allem bei Leuten, die schon seit langem wissen, was
sie über die Stadtguerilla glauben wollen. Wir können hier nur sagen, daß
gerade die präzisen Hinweise in seinem Brief, wo er unsere Druckausübung
auf ihn, unsere faschistischen Überlegungen für menschenverachtende
Aktionen, unsere instrumentellen Verhältnisse zu uns, zu ihm, zu
ausländischen Befreiungsorganisationen, unsere grönländische Gefühlswelt
beweisen will, samt und sonderns erlogen sind was er weiß! Aber
vielleicht glaubt er's inzwischen selber? Was macht JEMAND damit? Was macht
die Pflasterstrandlinke damit? Sie behaupten, politische Kritik von
Staatsschutzaktivitäten unterscheiden zu können, dem Revolutionär HJK zu
helfen. Die Realität ist eine andere. Der Mensch HJK ist ihnen scheißegal.
In der Logik dieser JEMANDE liegt es, ihn zu verheizen, zu
instrumentalisieren; er soll benutzt werden, um endlich, endlich der
Stadtguerilla in Deutschland den Garaus zu machen. Auf unsere Realität und
Kontinuität in fünf Jahren von Aktionen, Erklärungen, Wirkungen ist von
diesen Linken keine politische Kritik gekommen. Es funktionierte und
funktioniert durch Unterstellungen, Behauptungen Mit uns als wirkliche
Menschen, als real existierender, kämpfender Gruppe, mit den politischen
Inhalten, mit der Logik der Stadtguerilla wird sich nicht
auseinandergesetzt z.B. Galinski: ihr fahrt auf HJKs Horrorstory ab,
statt zu überlegen, welche Rolle Galinski spielt für die Verbrechen des
Zionismus, für die Grausamkeiten der imperialistischen Armee Israels,
welche Propaganda- und materielle Unterstützungsfunktion dieser Typ hat,
der alles andere ist, als nur jüdischer Gemeindevorsitzender, und: was
man in einem Land wie dem unseren dagegen machen kann. Ihr entzieht euch
dieser politischen Auseinandersetzung und geilt euch auf an dem behaupteten
(antisemitischen?) Faschismus der RZ und ihrer Hintermänner.
Vollständiger Abdruck in Pflasterstrand Nr. 11 vom 2.6.77