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Revolutionärer Zorn Nr. 4 Januar 1978

Krise im Hinterland

Auf dem Hintergrund der neuen internationalen Arbeitsteilung verlieren die anhaltenden Krisenerscheinungen in den imperialistischen Metropolen gänzlich den Charakter von Konjunkturschwankungen. Es sind die ersten Auswirkungen der Revision der Pläne und Strategien des transnationalen Kapitals, von denen auch die Industrienationen nicht verschont bleiben. Aufgrund der immer höheren organischen Zusammensetzung des Kapitals in den Zentren wird zunehmend die Produktion von Massen- und Standardgütern von dort abgezogen. Inlandsinvestitionen dienen der Rationalisierung bzw. dem Aufbau neuer kapital- aber nicht arbeitsintensiver Sektoren, wie der Nutzung der Atom- und Sonnenenergie, der Ausbeutung von Meeresbodenschätzen, Biochemie, Genetik, Mikroelektronik, kurz

eine Verlagerung auf saubere know-how-Produktion (Matthöfer51). Insgesamt ist also eine Tendenz zur Deindustrialisierung der klassischen Industriestaaten zu beobachten.

Als Opfer einer wahnwitzigen, menschenfeindlichen Industrialisierung schient die Tendenz zur Deindustrialisierung für uns zunächst ein Grund zum Aufatmen zu sein, denn die Vergiftung von Wasser, Luft, Erde und Menschen hat die Ausmaße einer Katastrophe angenommen. Amerikaner sind für den menschlichen Verzehr nicht geeignet. Mit 10 ppm (DDT52) im Fett liegen sie über dem vom Lebensmittelgesetz erlaubten Wert. Die Qualität des nordamerikanischen Menschenblutes zum Beispiel ist derart abgesunken, daß die Blutsauger gutes- (und zehnmal billigeres) Blut der noch nicht so verseuchten Menschen der Region der dritten und vierten Welt einfliegen. Imperialistischer Vampirismus. (Schehl, S. 32) Die Tendenz zur Deindustrialisierung der Metropolen bedeutet nur die Ausbreitung der ökologischen Katastrophe über den ganzen Globus. Und hinter der Einführung sauberer Technologien in den Zentren verbirgt sich der Angriff auf jegliches Leben auf dem ganzen Erdball:
Alle Vergiftungen, die durch das industrielle System weltweit und mit globaler Wirkung produziert wurden, nehmen sich vergleichsweise harmlos aus gegenüber dem Faustischen Pakt53, der mit der vor wenigen Jahren einsetzenden industriellen Fertigung von Atomkraftwerken geschlossen wurde. In all seinen Dimensionen ist dieses Projekt einsame Spitze unter den Zerstörungskräften Das zusätzliche Problem der Radioaktivität ist im Gegensatz zu allen anderen nicht einmal theoretisch lösbar und überdauert alle politischen und wirtschaftlichen Veränderungen unserer und tausender nach uns kommenden Generationen. (Schehl, S. 32 ff)
Ist das mit den radikalsten und schmerzhaftesten Veränderungen seit Menschengedenken gemeint, die Business International- ankündigt? Oder meint es damit die sozialpolitische Katastrophe, die den Metropolen durch diese Kapital- und Produktionsverschiebungen bevorsteht? Die ersten Anzeichen dafür sind bereits überall zu spüren:
1.) Eine Rationalisierungswelle, die schon in ihrer Anfangsphase einer mittleren Katastrophe gleichkommt (Hauff, Staatssekretär im Forschungsministerium). Und Gewerkschafts-Vetter54 jammert: Wenn nur ein Teil der Vorhaben, die in Planung sind, realisiert werden, dann Gnade uns Gott.
Winzige Mikroprozessoren sind dabei, klobige Computer abzulösen; sie werden in ein paar Jahren ganze Berufsgruppen in der Verwaltung, wie Büroangestellte und Sachbearbeiter in den Müllhaufen der Rationalisierung kippen; werden Gewerkschaften wie die IG-Druck wegrationalisieren, zumindest aber zur Bedeutungslosigkeit schrumpfen lassen (FAZ55), weil die Berufe des Druckers, Setzers und Korrektors gegenstandslos geworden sind (selbst dieser Text wurde auf einem hochmodernen Mini-Computer getippt und mit Hilfe eines Hochleistungs-Rechners elektronisch belichtet); werden Fabrikhallen leerfegen, weil diese Dinger Arbeitsabläufe elektronisch steuern, die heute noch ein paar hundert Menschen beschäftigen.
So wurden allein in der Druckindustrie in den letzten Jahren 34.000 Arbeitsplätze und in der Stahlindustrie 50.000 wegrationalisiert. 8 Millionen Angestellte klagen über einen unerträglichen Leistungsdruck, da die freigemachten Stellen nicht mehr besetzt werden. 5 Millionen unter ihnen sind überzeugt, daß ihr Arbeitsplatz in naher Zukunft nicht mehr sicher ist.
Das ist keine eingebildete Angst, wenn man bedenkt, daß für einen neugeschaffenen fünf herkömmliche Arbeitsplätze wegrationalisiert werden. Diese neu geschaffenen Arbeitsplätze zeichnen sich durch eine unerträgliche Entmenschlichung aus, die nicht mehr den geringsten individuellen Spielraum freilassen, sondern die stupide, roboterhafte Bedienung der vorgesetzten Maschinerie erzwingen.
So hat die Rationalisierung neben ihrem ökonomischen Kalkül auch ein wesentlich politisches. Menschen zu trainieren, daß sie ihre unregelmäßigen Arbeitsgewohnheiten ablegen und sich mit der unveränderlichen Regelmäßigkeit des komplexen Automaten identifizieren.
2.) Eine auf hohem Niveau fortdauernde, strukturelle Arbeitslosigkeit, die wesentlich durch die weltweite Neuverteilung der industriellen Beschäfigung bestimmt wird und auch in vorhersehbarer Zukunft bestimmt werden wird. (Fröbel u.a., Technologie & Politik 8, S. 31)56. Zur Zeit gibt es in den OECD-Staaten über 15 Mio. Arbeitlose. Eine Studie des IFO57-Instituts prognostiziert bis 1985 für die BRD eine Steigerung der Arbeitslosenrate von 8,3 %. In einigen Regionen der BRD ist diese Quote heute schon erreicht.
In diesen Berechnungen sind nicht berücksichtigt: die steigende Zahl der Kurzarbeiter, das Heer von Frauen, die keine Stelle bekommen, sich aber aus den verschiedensten Gründen nicht arbeitslos melden und die immer größere Zahl alter Menschen, die ausrangiert werden und deshalb früher auf Rente gehen (fast die Hälfte der offenen Stellen tragen einen Alten-Sperrvermerk) sowie die Um- und Weiterbildungen, um den Arbeitsmarkt vorübergehend abzuschöpfen und die Hunderttausende abgeschobener bzw. freiwillig abgewanderter Arbeitsemigranten.
Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bereits höher als 20 %. Dazu kommen 1,5 Mio. Kinder von ausländischen Arbeitern, zweisprachige Analphabeten und natürliches Subproletariat, wie die Welt- schreibt.
3.) Mit dieser Entwicklung ist eine zunehmende öffentliche Armut verbunden, denn der inländische Produktionsrückgang bedeutet nicht nur weniger Steuern, sondern auch wachsende Staatsausgaben zur Ankurbelung der Produktion. Dem stehen auf der anderen Seite immer größere Ausgaben durch die hohe Arbeitslosenquote, Sozialhilfeempfänger etc. gegenüber.
Und das Heer der Überflüssigen wird weiter wachsen. Der ehemalige Bundesforschungsminister Matthöfer rät ihnen, in den humanen Dienstleistungsbereich überzuwechseln, was einer gesellschaftlichen Bankrotterklärung gleichkommt, angesichts der wachsenden öffentlichen Armut, die sich vor allem in diesen Bereichen auswirkt. Denn gerade die Industrien des tertiären Sektors: Schule, Universität, die Post, die Sozialfürsorge, das Transport- und Nachrichtenwesen, werden immer stärker demontiert. So kommt auch die IG-Metall zu der Einschätzung: Der Dienstleistungssektor fällt als Auffangbecken aus, weil er selber vor einer großen Rationalisierungswelle steht, bei der sich auch der öffentliche Dienst aus finanzpolitischen Erwägungen beteiligen wird.
So sah denn auch das Gespann Friedrichs-Lambsdorff58 schon 1975, das Ende der sozialen Leistungsfähigkeit des Staates gekommen, d.h. den Ausweg in den Versorgungsstaat gibt es nicht.
Damit bricht auch der Mythos vom Sozialstaat in sich zusammen, der 30 Jahre lang die notleidende Existenz eines Drittels des westdeutschen Volkes aus dem öffentlichen Bewußtsein radierte. Vorsichtig geschätzt leben rund 18 20 Millionen Menschen der westdeutschen Bevölkerung in materieller Not. (FR59, 17.11.75)
4.) Pläne wie die Heraufsetzung des Rentenalters, die Einführung der flexiblen Altersgrenze, Arbeitszeitverkürzung, Verlängerung der Schulzeit, mehrjähriger Bildungsurlaub, Babyjahr etc. verfolgen zwar die Absicht, den Arbeitsmarkt abzuräumen, können aber angesichts der wachsenden öffentlichen Armut, die sich im versuchten Rentenbetrug, im geplanten Abbau der Sozialfürsorge, in der Erhöhung der Rezeptgebühren etc. ausdrücken, die Probleme absolut nicht lösen, höchstens verschieben bzw. vergrössern, Die Krise des Regimes ist nicht im reformistischen Sinn zu lösen.
So sieht denn auch die Welt-60 vom 26.1.77 Verteilungskämpfen entgegen, die das gesellschaftliche System bis zum Zerreißpunkt belasten. Das explosionsartige Anwachsen einer industriellen Reservearmee in den Industriestaaten hat auf der einen Seite die bekannte disziplinarische Wirkung. Auf der anderen Seite fallen Millionen Menschen aus dem Zwangssystem der Arbeit heraus, der Dirigismus der Büros und Fabriken bestimmt nicht mehr ihr Leben, das Rattern der Maschinen erschlägt nicht mehr jeden Gedanken und ein Leistungs- und Konkurrenzdruck fällt von ihnen ab, der vorher eh schon Gespaltete täglich aufs Neue spaltete.
Eine Harvard-Untersuchung vermeldet, aufs Höchste alarmiert, eine Veränderung im Arbeitsverhalten der US-Bürger irgendetwas Neues, Produktionsfeindliches, das man wissenschaftlich noch nicht genau definieren kann. Die FR hat Ähnliches an den Deutschen bemerkt: Viele verlieren ihren Halt und schwimmen in einem Meer von Zeit, wenn die Arbeit als Ordnungsinstrument ihres Lebens nicht mehr zur Verfügung steht. Die steigenden Zweifel an der Arbeit als Antriebskraft und Ordnungsinstrument unseres Wirtschaftssystems bringen den zentralen Pfeiler der Industriegesellschaft ins Wanken und das ist erschreckend. Und der SPD-Arbeitsmarktexperte Lutz sieht einen Sprengsatz aus Verbitterten und Verbissenen entstehen, der unsere Gesellschaft zuverlässiger in die Luft jagt, als jeder noch so wild entschlossene Anarchist dies vermöchte.

Dies ist die Stunde der präventiven Konterrevolution

Der zunehmende Despotimus des Kapitals gegenüber der Arbeit, die fortschreitende Militarisierung des Staates, die Intensivierung der Repression als strategisches Faktum sind die objektiven und unausweichlichen Konsequenezen. (Rote Brigaden)

So entsteht denn auch exakt am Beginn dieser neuen Wirtschaftsaera (OECD) die Verabschiedung der Notstandsgesetze, ergänzt durch die Brandtsche APO-Zwangsbefriedung61 mit dem Kalkül, anschließend gezielter die Jagd auf diejenigen eröffnen zu können, die sich nicht zwangsbefrieden lassen.

Wir wollen hier nicht auf die einzelnen Stadien und Erscheinungsformen dieses Faschisierungsprozesses eingehen, darüber liegen genügend Materialien und Untersuchungen vor. Wir wollen hier ein für allemal klarmachen, daß es sich hier nicht um die hysterische Überreaktion eines durch die Geschichte zutiefst verunsicherten Staatswesens handelt, sondern um das eiskalte Machtkalkül sozialdemokratischer Krisenmanager, die sich rechtzeitig das massenpsychologische und militärische Instrumentarium für die Durchsetzung der radikalsten und schmerzhaftesten Veränderungen seit Menschengedenken zu schaffen versuchen. Nur ein monströser, totalitärer Machtapparat kann die provozierten Spannungen und Revolten durch Meinungsmanipulation und offene Repression in Schach zu halten versuchen. Allein auf diesem Hintergrund ist die Repression in der BRD zu verstehen, als Totalitarismus eines industriellen Systems, das angesichts der von ihm produzierten, wachsenden, unlösbaren Widersprüche, durch die immer despotischere Organisation der Macht die Kontrolle über die Situation wieder zu gewinnen sucht. Der stumme Zwang der ökonomischen Verhältnisse, der in der Nachkriegsaera in nie gekannter Totalität die Kontrolle über die Industriegesellschaften zu garantieren schien, ist brüchig geworden und wird Zug um Zug durch einen außerökonomischen Totalitarismus ergänzt.
Dies ist kein schleichender Prozeß, das war noch nie die Gangart des Faschismus. Das beweisen u.a. die fast täglich neu erlassenen Notverordnungen in der BRD:

die Totalerfassung der Bevölkerung

die freiwillige Gleichschaltung der Medien nach dem Motto: Menschen, damit ihr unwissend bleibt, werden wir euch informieren

die wahnwitzige und doch so systematische Treibjagd auf jegliche Opposition bis hinein in die eigenen bürgerlichen Reihen

die Liquidierungsstrategie gegenüber der Stadtguerilla

die Entwicklung von Waffen wie der Neutronenbombe, die keineswegs ein Produkt des militärischen Gleichgewichts zwischen Ost und West ist, sondern geplant und entwickelt wurde als Waffe für regionale Aufstandbekämpfung

die Zwangsbefriedung Europas unter germano-amerikanischer Regie

die sprachliche und begriffliche Einebnung mittels der alles umfassenden und durchdringenden Medien.

Internationale Fangschaltung

Die BRD, als ein starker Staat des konstitutionellen Typs, eine einzigartige Symbiose aus alten Traditionen und einer Technologie M-` la americaine (Vigier), führt diese Entwicklung in Europa als absoluter Spitzenreiter an. Die vom transnationalen Kapital produzierte neue ökonomische Ordnung beschränkt sich jedoch nicht auf sie, sondern erfasst alle OECD-Staten. Daß in der BRD die Entwicklung zum totalitären Staat am weitesten fortgeschritten ist, steht in direktem Zusammenhang zu ihrer ökonomisch-technologischen Führungsposition. Diese wiederum ist das unmittelbare Produkt des durch den US-Imperialismus erzwungenen Kapitalismus nach 1945. Damit wurde auf deutschen Boden eine Gesellschaft geschaffen, deren sämtliche Institutionen wie die Parteien CDU und SPD, die Einheitsgewerkschaft DGB, Studentenorganisationen etc. unter der direkten Beteiligung der amerikanischen Geheimdienste gegründet bzw. finanziert wurden; in der die Spitzenpositionen von Wirtschaft, Finanzkapital, Politik, Justiz mit alten Nazis wie Abs62, Schleyer63, Kiesinger64, Flick65 usw. neu besetzt wurden; die sich auf eine weitgehend angepaßte Arbeiterschaft stützt, die sich von der Liquidierung ihrer Kader durch den Faschismus und den Stalinismus nie richtig erholt hat. In der die Zerstörungen des Krieges eine tabula rasa geschaffen haben, die einen Produktionsaufbau auf dem neuesten technologischen Stand ermöglichte und die von dem Antikommunismus geprägt ist, der von Anfang an jedwede Opposition als fünfte Kolonne diffamierte und verfolgte.

Angesichts der heraufbrechenden Krise des kapitalistischen Industrieregimes hat deshalb der westdeutsche Staat als erster in Europa seinen polizeilich-militärischen und meinungsmanipulatorischen Apparat mobilisiert. Die Strategie der frühzeitigen und totalen Zwangsbefriedung der präventiven Konterrevolution soll sich nicht auf die BRD beschränkten, sondern ganz Westeuropa aufgezwungen werden. Sie vollzieht sich in engster Abstimmung mit dem US-Imperialismus und ist in ihren strategischen Zielsetzungen und taktischen Schritten das Produkt der trilateralen Kommission, dieser heimlichen Weltregierung und gigantischsten Verschwörung gegen die Völker der Welt. Diese Kommission stellt inzwischen die Regierung der USA, hat als Mitglieder z.B. den deutschen Bundeskanzler, den deutschen Wirtschaftsminister, Bankiers wie einstens Ponto66, Poniatowsky, die graue Eminenz des französischen Staates, der die Innenpolitik nach deutschem Muster umrüsten soll etc. Beispiele für die Zwangsbefriedungsstrategie in Europa sind unter anderem

Portugal67, dem die USA die militärische Intervention androhte, die Weltbank die Kredite sperrte, das von der EG ökonomisch und von der BRD politisch erpresst wurde,

Irland, wo die BRD durch massiven Druck auf England die Aberkennung des politischen Status der gefangenen Revolutionäre durchgesetzt hat, wo der CIA mittels der Dame Williams68 Friedensmärsche inszeniert und wo für 54 Mio. Pfund aus dem EG-Fonds für arme Länder ein riesiges Stammheim gebaut wird.

das Baskenland, wo seit Franco verreckte die Repression im französischen Teil sich ständig verschärft, wo die spanischen und französischen Behörden ihre Verfolgung inzwischen genau koordinieren das Europa der Bullen

Griechenland, Spanien, die Türkei, die, um aufs EG-Karussell springen zu dürfen, der EG-Norm für politische Stabilität entsprechen müssen, d.h. garantieren müssen, daß sie in der Lage sind, den Widerstand in ihren Ländern liquidieren zu können

die innenpolitische Gleichschaltung der westeuropäischen Länder, die von der BRD immer stärker forciert wird. Gemeint ist u.a. die militärische Lösung in Assen69 (Holland), die Kapitulation Griechenlands im Fall Pohle, die gemeinsame Strategie gegen die Anti-AKW-Bewegung Malville, Kalkar usw.

Der Eurokommunismus, der deutlich macht, daß er Staat machen will, wenn nicht den proletarischen, dann den bürgerlichen. Im Rahmen der Zwangsbefriedung Europas wird er sicherlich eine wesentliche Rolle als Ordnungsfaktor spielen.

Der Weg ins 4.Reich (George Jackson70) der United States of Europe ist den kapitalistischen Industrieregimen Westeuropas zwingend vorgeschrieben. Die neue revolutionäre Mobilität des transnationalen Kapitals (Wirtschaftswoche) verlangt die gleichmäßige und totale Verfügungsgewalt über ganz Europa. Die Zentralisation der politischen und ökonomischen Macht spielt sich nicht im Rahmen eines Europarates oder eines euorpäischen Parlaments ab, das sind nichts als die unerläßlichen legitimatorischen Debattierzirkel, sondern im Rahmen neuer transnationaler Souveränitäten (FAZ) wie des internationalen Währungsfonds (IWF) und der trilateralen Kommission.

Und es wird ein Zentralismus sein, der sich immer totalitärer und despotischer organisieren muß, je mehr die Organisation von Produktion und Gesellschaft den menschlichen Bedürfnissen entgegengesetzt ist, denn es gibt kein menschliches Bedürfnis, verwaltet, ausgebeutet, kontrolliert, fremdbestimmt, vergiftet, überwacht und psychiatrisiert zu werden.

Früchte des Zorns

Die Bewegungen, in denen sich die Bedürfnisse der Menschen ausdrücken, sind heute in Europa sehr vielfältig. Gegen die totalitäre Zentralisation des Imperialismus wächst eine neue Kraft, die den Kampf für ein Europa der autonomen Völker auf ihre Fahnen geschrieben hat. Das irische und baskische Volk führen diesen Kampf an, die Bretonen, Korsen, Katalanen und Galizier, die Jurasser und Occitanier sammeln sich hinter dieser Vorhut. Sie entwerfen die Zukunft eines Europas autonomer sozialistischer Völker, die in einem Verhältnis gegenseitiger Unterstützung und gleichwertiger Arbeitsteilung zueinander stehen.

In den internationalen Brigaden der Umweltkämpfer von Malville und Kalkar formiert sich eine Front, die ihren Ausgang nahm im badisch-elsässisch-jurassischen Dreyeckland der Bauern, Winzer und Arbeiter. Eine Front, die sowohl regional fest verankert ist, als auch in der Lage, international zu operieren und der es gelang, was so wenigen Bewegungen und Revolten gelingt die Vereinheitlichung aller Schichten des Volkes und das Niederreißen der nationalstaatlichen Demarkationslinien. Ihre Anziehungskraft ist deshalb so groß, weil sie weit über den konkreten Angriffspunkt hinaus, den Mythos vom Wachstum, von der Wissenschaft und von den Experten zerschlägt, weil sie eine beispiellose Massenschulung über ökologische, politische und ökonomische Zusammenhänge imstande war, zu realisieren und weil sie versucht, konkrete Zukunftsbilder einer Gesellschaft zu entwerfen, in der das Gleichgewicht zwischen Menschen und Natur wiederhergestellt wird; was heißt

In Malville genügten 300 CRS-Bullen, um 50.000 Demonstranten, die den Bauplatz besetzen wollten, durch Tränengas und Offensiv-Granaten in die Flucht zu schlagen und zu demoralisieren. Was das Vorgehen der Bullen angeht, so bietet sich in Kalkar ein qualitativ anderes Bild. Mit deutschem Perfektionismus wurde das Ziel der Schweine, nur eine friedliche Demo zuzulassen, erreicht. So wurde z.B. ein fahrplanmässiger Zug der Bundesbahn auf offener Strecke mit BGS-Hubschraubern gestoppt. Wer nach Demonstrant aussah, mußte den Rest der Strecke laufen. Bei tausendfachen Verkehrskontrollen wurden sogar Zitronen und Halstücher trotz Blümchenmuster beschlagnahmt. 112 wurden im voraus verhaftet, insgesamt 147.000 Personenkontrollen durchgeführt, über 10.000 Demoteilnehmer zurückgeschickt. Selbst die Vaterlandsgrenzen wurden abgeriegelt, um Demoteilnehmern aus Frankreich, Holland, Dänemark usw. die Einreise zu verweigern. (Pflasterstein71, KKW-Sondernummer)
Sie hätten nicht die Macht, wenn sie nicht die Mittel hätten, die Schweine72; schrieb die RAF 1972.
Und die Mittel sind seitdem nicht weniger geworden. Das ist die eine Seite. Und das die andere:
Es gibt kein Regime auf der Welt, das sich mit solch gigantischem Aufwand in seiner Festung gegen den inneren Feind eingekeilt hat, das sich auf einen Todesteppich von atomaren Sprengköpfen setzt, um sich sicherer zu fühlen, das seine Meute von Herrschenden hinter kleinen Privatarmeen, hinter schußsicherem Glas, in Panzerwagen und Bunkerwohnungen verstecken muß. Und das trotz seiner geifernden, wahnwitzigen, tagtäglichen Gehirnwäsche doch nur bei 16 % des Volkes erreicht hat, daß es sich von der Schlinge um ihren weißen Herrscherkragen mitbedroht fühlt. Und das bedeutete einiges in diesem Land.
Was die Politiker schwatzen, ist nicht das, was die Leute denken, sondern das, was sie denken sollen und wenn sie wir sagen, versuchen sie so zu schwatzen, daß die Leute das, was sie denken und wie, darin wiedererkennen und für artikuliert halten aber der Staat bräuchte die Demoskopie nicht, auch nicht den Verfassungsschutz, wenn die Indoktrination durch psychologische Kriegsführung so einfach wäre. Das legale Land ist nicht das wirkliche Land, sagt Gramsci73 oder aber einfach: die herrschende Meinung ist nicht die Meinung der Beherrschten. (Brief von Ulrike Meinhof an Hanna Krabbe).74
Es gibt eine Tendenz unter den Liberalen und Linken, über das Land zu jammern, in dem wir leben und alle Hoffnungen auf's liberale Ausland zu setzen. Wir haben diese Analyse geschrieben, um klar zu machen, daß der faschistische Prozeß in der Tat nicht zu begreifen ist, wenn man nur auf dieses kaputte Land mit seinem kaputten Volk abhebt. Wir müssen davon ausgehen, daß wir es mit einem Totalitarismus des industriellen Systems zu tun haben, der sich anschickt, ganz Europa zu überziehen. Und totalitär heißt per definitionem, daß alle Handlungsspielräume -individuelle wie kollektive abgeräumt werden, das beweisen die letzten 5 Jahre und zwar in einem Tempo, das sich zunehmend überschlägt.
Für den Widerstand heißt das, gerade und vor allem in der BRD, sich dem offenen Zugriff dieser 4.Reich-Strategen zu entziehen. Heißt: Organisationsformen und Widerstandsmethoden zu entwickeln, die aus dem Moment des Verdeckten, des Klandestinen eine Waffe machen. Wir haben gesagt, daß Klandestinität Massenbewegungen wesentlich fremd ist. Dies wird jedoch zu einer philosophischen Feststellung angesichts der Situation, in der sich der legale Widerstand in der BRD heute befindet. Ihm bleibt bei Strafe des Untergangs nur eines: die Praxis und Techniken des verdeckten, klandestinen Kampfes sich massenhaft, so schnell wie möglich anzueignen. Und zwar, weil es selbstmörderisch und uneffektiv ist, angesichts dieses polizeilich-militärischen Gewaltapparates in die offene Feldschlacht zu ziehen.
Das Industriesystem zerschlagen, das Ökosystem erhalten!
Von Italien75 beginnt eine linksradikale, militante Bewegung auszustrahlen das explosive Bündnis von Studenten, Arbeitslosen, Armen und Ghettokindern. Sie laufen Sturm gegen die wachsende Massenverelendung in den Metropolen, gegen den dreckigen Historischen Kompromiß und die Germanizazzione Italiens, die den italienischen Verhältnissen die deutsche Endlösungsstrategie aufzuzwingen versucht.
Die Frauenbefreiungsbewegung, die das Gesicht Europas verändert hat, scheint von dem heraufziehenden Totalitarismus in Europa am stärksten betroffen zu sein. In dem Sinn, daß es ihr besonders in der BRD ungemein schwer fällt, darauf die ihr adäquaten Kampfformen zu entwickeln. Sie scheint in dem Widerspruch zu erstarren, die herrschende Gewalt, die sich in besonderem Maße gegen Frauen richtet, nicht bekämpfen zu können, ohne dagegen die Gewalt von unten mobilisieren zu müssen. Für einen großen Teil ist dieser Widerspruch nur lösbar, indem er immer weite gesellschaftliche Bereiche ausblendet. Das heißt, die Frauenbewegung muß auf diesem Weg trotz ihrer Breite einen Hang zum sektierischen entwickeln, wenn sie es nicht schafft, z.B. die Positionen und Aktivitäten der Politischen und Mili-Tanten in ihre Konzeption mit aufzunehmen.
Diese Aufzählung kann in ihrer knappen Form nicht auf die Widersprüche und Probleme eingehen, mit denen sich diese Bewegungen herumschlagen. Ganz allgemein läßt sich jedoch sagen, daß sie von der rasant fortschreitenden Zubetonierung der europäischen Gesellschaften in ihrem Nervenzentrum getroffen werden und das ist ihr öffentlicher Charakter. Massenbewegungen brauchen die öffentlichen Diskussionen, die öffentlichen Handlungspielräume, das öffentliche kollektive Experimentieren mit Aktionsmöglichkeiten. Sie stehen ihrem Wesen nach im Widerspruch mit allem Heimlichen, Klandestinen. Sie brauchen eine offene Gesellschaft, um kollektive Lernprozesse, ein neues, revolutionäres Selbstverständnis zu entwickeln. Und genau an dieser Offenheit setzt der totalitäre Überwachungsstaat an, um ihnen die Luft abzuschnüren: um aus jedem Ansatz zu kollektivem Widerstand eine Massenfalle zu machen: Es ist geradezu selbstmörderisch, den Staat und das sind auf dem Bauplatz nur die Bullen dann anzugreifen, wenn er vorbereitet ist und es in der Hand hat, das Geschehen total zu kontrollieren. Hier werden wir immer die Verlierer sein und unsere minimalen Kräfte gegen die Bullen verheizen (Pflasterstein, KKW-Sondernummer). Manes Sperber76 sagt dazu: Die Zeit ist gekommen, mit dem Leben besonders jener zu geizen, die willens sind, es zu opfern. Der Lehrer Hartmut Gründler77 ist in Hamburg so einen sinnlosen Opfertod gestorben. Doch es gibt viele Arten, sich zu töten Selbstverbrennung ist die eine zu resignieren die andere Möglichkeit.
Wenn von Praxis und Techniken des verdeckten, klandestinen Kampfes die Rede ist, dann ist damit noch nicht Guerillakampf gemeint, sondern eine Methode, die viele Abstufungen kennt und daher massenhaft möglich ist. Es ist eine Ebene des Kampfes, auf der die notwendigen politischen und praktischen Erfahrungen gemacht werden können, auf der man sich selber kennenlernen kann, von wo man wieder zurück kann oder aber aufgrund dieses Lernprozesses den Entschluß fassen kann, den Widerstand mit Waffen zu führen.
Daß aber kleine Gruppen auch in einem hochindustrialisierten Staat angreifen, sein sorgfältig ausbalanciertes Gefüge politischer, wirtschaftlicher und sozialer Funktionen und Funktionsabläufe lähmen oder zerschlagen und sein vielfach überlegenes militärisches Potential mit vergleichsweise geringem Risiko unterlaufen, wird auch heute noch allgemein für unmöglich gehalten. (Müller-Borchert, Guerilla im Industriestaat).78
Wir haben in dieser Untersuchung nachgewiesen, daß dieses sorgfältig ausbalancierte Gefüge politischer, wirtschaftlicher Funktionen und Funktionsabläufe des hochindustriellen Staates zunehmend die Balance verliert, was mit einer immer despotischeren Organisation der Macht beantwortet wird. Widerstand hat in dieser Phase die Aufgabe, durch ein immer dichteres Netz von großen und kleinen Aktionen diese substantielle und legitimatorische Krise zu verschärfen und gleichzeitig sich gegen die totalitäre und faschistische Lösung zu formieren und zu bewaffnen.
Die Guerilla in Westeuropa hat den antiimperalistischen Kampf bewaffnet und somit eine Form des Kampfes gewählt, die sich in einen gewissen Widerspruch zu Massenorganisationen setzt.
Indem die Stadtguerilla direkte Aktionen gegen das Eigentum der Regierung und der großen Kapitalisten durchführt, setzt sie sich automatisch außerhalb der Legalität und die Stadtguerilleros werden von den Organen des Staates verfolgt. Jede Aktion der Stadtguerilla ist illegal. Ihre bloße Existenz ist illegal. Die Stadtguerilla setzt sich daher als Kampfform ständig in einen Widerspruch zur unterdrückten Klassen, eben weil diese nicht insgesamt in die Illegalität gehen kann bzw. wenn sie es tut, der Kampf so verallgemeinert wird, daß die Stadtguerilla als solche aufhört zu bestehen. Natürlich würde die Stadtguerilla untergehen, wenn sie nicht gleichzeitig mit dem Setzen des Widerspruchs auch die Form seiner Lösung entwickeln würde Wenn die Stadtguerilla Aktionen durchführt und sie sind, wie wir gesehen haben, immer illegal dann muß sie gleichzeitig einen Prozeß auslösen, der den unterdrückten Massen die Teilnahme an den Aktionen ermöglicht Der Widerspruch läßt sich also nicht innerhalb der Kampfform lösen, sondern nur im Verhältnis zum Bewußtsein der Massen, die nicht an den Aktionen teilnehmen. Indem die Stadtguerilla das revolutionäre Bewußtsein der Massen entwickelt, die nicht an ihren Aktionen teilnehmen, sich aber damit identifizieren können, findet dieser Widerspruch erst die Form, innerhalb derer er sich lösen kann. Das heißt natürlich nicht, daß er damit verschwindet: er wird vielmehr bei jeder neuen Aktion und während des gesamten revolutionären Kampfes auftreten. (Alex Schubert, Die Stadtguerilla als revolutionäre Kampfform, S. 9)79
Daß dieser Widerspruch mit Fortschreiten des revolutionären Prozesses einer Lösung entgegen geht, beweisen die Funktion und Stellung der IRA im irischen und der ETA im baskischen Kampf. Ähnliches ist in Italien zu beobachten, wo sich in den letzten Revolten die Kampfform der Guerilla, der Roten Brigaden und der Bewaffneten Proletarischen Zellen immer mehr vermasste.
In der BRD ist dieser Widerspruch am stärksten ausgeprägt. Die Gründe dafür sind schon tausendmal analysiert, dargelegt und beklagt worden. Bloß: der Widerspruch wird ständig wachsen, wenn nicht hier und heute an seiner Lösung gearbeitet wird. Und die praktische Antwort kann nur heißen: Aktionen primär unter dem Gesichtpunkt der Vermassung durchzuführen, d.h. sie dort anzusetzen und mit den Mitteln durchzuführen, die sie für die Leute nachmachbar machen bzw. mit denen sie sich identifizieren können. Dies gilt für das ganze Spektrum unseres Kampfes: für den Nulltarif in öffentlichen Verkehrsmitteln, gegen Fabrikdirektoren, Jugendzentrumsliquidatoren, Wohnungsspekulanten, chauvinistische Ärzte, Sex-Shops und Kirchen, Ausländerpolizei, die Atomindustrie, die chilenische Gorilla- und südafrikanische Rassendiktatur.
Zur Lösung des Widerspruchs gehört der Aufbau einer Gegenpropaganda wie Zeitungen oder Schwarzsendern in West-Berlin. Dazu gehört das Vermitteln von Techniken, wie der Bau von Brand- und Sprengsätzen, Fälschen, Anleitungen zum Senderbau usw. Und dazu gehört der Schutz derer, die sie z.B. wegen nachgedruckter Sozialscheine drankriegen wollen. Nachdem die Autos von Richtern und Staatsanwälten brannten, gab es nur noch Freisprüche.
Zur Lösung des Widerspruchs gehören weiterhin, daß wir in der Anti-AKW-Front, der Frauenbewegung, in Bürgerinitiativen und Betriebsgruppen mitkämpfen. Nicht zur Zwecke der Rekrutierung, denn es kann nicht darum gehen, die Militanten aus allen Bereichen abzuziehen und sie gesondert zu organisieren (das war z.B. ein wesentlicher Fehler der Tupamaros), sondern sie in ihren Bereichen zu unterstützen und zusammen wie die Hefe im Teig zu wirken. Das meint auch die Parole: Schafft viele revolutionäre Zellen. Sie ist politisch richtig, weil sie auf der Autonomie, der Eigeninitiative und jeweiligen Verankerung der einzelnen Zellen aufbaut und sie ist sicherheitspolitisch richtig, weil allein eine Organisation, die auf selbständig operierenden Gruppen aufbaut, in einem totalitären Überwachungsstaat die Chance hat, nicht aufgerollt und zerschlagen zu werden. Dafür liefern die Revolutionären Zellen seit fünf Jahren den Beweis.
Das kann nicht heißen, daß es so etwas wie eine Garantie gibt, daß wir es schaffen werden. Und das heißt auch nicht, daß wir heldenhafte Idioten sind, die ihr Leben für eine These aufs Spiel setzen, wie sich der Biermann80 mal dazu äußerte. Das bedeutet nur, daß es in Anbetracht aller Ängste, aller Schwierigkeiten, aller Widersprüche für die Unterdrückten keine andere Möglichkeit gab, gibt und weiterhin geben wird, als zu kämpfen mit allen Waffen, die ihnen zur Verfügung stehen. Und das sind beileibe nicht nur militärische, aber ohne sie haben wir keine Chance. Die Geschichte der Menschheit ist voll von Versuchen, das Problem anders zu lösen, mit Verweigerungsstrategien, mit Petitionen, mit Hungerstreiks, mit Selbstverbrennungen usw. Sie alle appellieren an eine moralische Substanz der Herrschenden, die es nicht gibt. Dagegen steht eine andere Tradition, die allein das Risiko, sich in Gefahr zu begeben, lohnt. Nämlich die, sich im Kampf gegen die Menschenfresser zu bewaffnen. Denn, wenn je die Unterdrückten ihre Lage verändern konnten, dann nur auf diesem Wege. Das heißt nicht, daß alle Versuche erfolgreich waren, sondern, daß alle Erfolge nur auf diesem Wege erreicht wurden. Das meinen wir, wenn wir sagen, daß es keine Garantieren gibt, um dazuzufügen, daß es keine andere Möglichkeit gibt. Angesichts des Weges der United States of Europe ins 4.Reich wird es immer dringlicher, diesen Prozeß in seiner barbarischen Konsequenz zu demaskieren. Demaskierung ist keine Schreibtischarbeit, sondern eine Funktion revolutionärer Praxis, die zum Ziel hat, alle revolutionären Kräfte gegen die Kräfte der Barbarei zu sammeln und zu mobilisieren, die Bornierung der verschiedenen Bewegungen auf ihr Spezialgebiet auf eine einzige und ausschließliche Interventionsform, selbst wenn diese sich längst als nicht mehr tauglich erwiesen hat, zu überwinden.
Wir meinen dies ausdrücklich nicht nur auf die BRD bezogen. Denn wenn hier angesichts einer Mobilmachung des Faschismus die revolutionären Perspektiven zu erstarren und zu ersticken drohen, dann wird der Austausch mit den Initiativen und Erfahrungen in anderen westeuropäischen Ländern, dann wird die gegenseitige Unterstützung umso dringlicher. Wenn es dem revolutionären Lager nicht gelingt, die verschiedenen Revolten der Klassen und Völker zu vereinigen, dann wird es der Faschismus einkreisen und vernichten ideologisch, politisch, militärisch. Die revolutionären Kräfte vereinen meint, den beiden Grundübeln der verschiedenen Bewegungen und Revolten entgegenzuarbeiten: Dem Kampf ohne Einheit und der Einheit ohne Kampf.
Dies erscheint uns nur möglich, wenn ein Prozeß in Gang kommt, in dessen Verlauf jenseits der vielfältigen Erscheinungsformen der gemeinsame Feind wieder ausgemacht wird, der sich hinter Atomlobby und Rassismus, hinter Männerherrschaft und Völkermord, hinter dem Totalitarimus der Industrieregime, psychischer Verelendung und Hungerkatastrophen verbirgt. Das bedeutet wesentlich wieder einen Begriff vom antiimperialistischen Kampf81 zu bekommen, der mit Ende der Studentenbewegung für viele zur Außenpolitik, zur revolutionären Pflichtübung verkommen ist. Einst der Geburtshelfer und Motor der politischen Bewegungen und Revolten in den Metropolen, fristet er heute eine kümmerliche Existenz zwischen inhaltsleeren Solidaritätserklärungen und lästigen Spendenaufrufen. Viele mögen sich nicht mehr mit Palästina, Südafrika, Chile, Portugal, Argentinien, den USA abgeben. Das sei zu abstrakt, da könne man keine politische und emotionale Betroffenheit mehr aufbringen. Von entfremdeter Kampagnen- und Interventionspolitik ist die Rede, vom alten Trip Politik zu machen, um sich nicht mit der eigenen Veränderung beschäftigen zu müssen.
Die mangelnde Betroffenheit ist tatsächlich nicht mehr zu übersehen. Untersucht man die Ursachen dafür genauer, dann liegt das weniger an der Abstraktheit des Internationalismus, sondern in der konkreten Enttäuschung darüber, daß es mit der Revolution in aller Welt nicht so läuft, wie man sich's vorgestellt hatte (die Gründe dafür haben wir versucht im ersten Teil darzulegen). Der Internationalismus-Boom der sechziger Jahre war immer und in erster Linie eine Identifizierung mit Siegen. Che und Ho82, Kuba und China, Vietnam waren die lebendigen Beweise dafür, daß es möglich ist, den Koloß Imperialismus zu schlagen, das Unabänderliche zu ändern. Das brachte auch die versteinerten Verhältnisse in den Metropolen zum Tanzen. Die zwanzigjährige Betonierung von Macht und Ordnung, Antikommunismus und Untertanenmentalität, der ganze Müll der dreckigen fünfziger Jahre wurden hinweggefegt und setzte maßlose Kräfte, Hoffnungen und Phantasien frei:
Hundert Blumen blühten83 plötzlich in der Steinwüste. Eingebettet in die weltweite Offensive der revolutionären Kräfte, mit dem Vietcong84, den Fedayjin85, den Tupamaros86, den Black Panthers87 als Vorhut, schien unser Sieg nur noch eine Frage der Zeit zu sein.
Als die revolutionäre Offensive in den siebziger Jahren weltweit in die Defensive gedrängt wurde, hat sich dieses Verhältnis schlagartig geändert. Dies drückte sich in Parolen aus wie Kämpft nicht die Schlachten von anderen, Unterstützung für Kämpfe von Dritt-Welt-Völkern ist Politik aus bloß schlechtem Gewissen und Man kann jemand nur über seine eigenen Interessen organisieren.
Es geht nicht darum, daß diese Parolen, für sich genommen, zum Teil nicht falsch sind; es geht darum, daß damit eine begriffliche und praktische Abkoppelung der Auseinandersetzungen in den Metropolen von den Kämpfen in den unterentwickelt gehaltenen Ländern betrieben wird.
Denn wir haben nie die Schlachten von anderen gekämpft, das ist der Rassismus der weißen Herren, die mal wegen Tal-Saatar auf die Straße gegangen sind sie sind es nicht mal. Wir haben nur eine Deckungsgleichheit unserer eigenen Interessen und denen der Völker der Dritten Welt erfahren und zum schlechten Gewissen ist diese Erfahrung erst verkommen, als durch den Verlust der eigenen Perspektive anstelle des einstmals praktischen Verhältnisses wieder ein nur moralisches trat.
Die Aufkündigung des Internationalismus, die Reduzierung des Begriffs vom antiimperialistischen Kampf auf Außenpolitik, führt dazu, den Begriff vom eigenen Kampf zu verlieren, führt zu einer heillosen Ver-Gruppelung des revolutionären Lagers. Indem sich jeder seinen eigenen Feind strickt. Es gibt zwar viele Fronten und an den Barrikaden wird in vielen gesellschaftlichen Bereichen gebaut, doch der Feind dahinter ist immer derselbe und sein Vorgehen ist allein davon bestimmt, zu spalten, um getrennt schlagen zu können.
Antiimperialistischer Kampf bedeutet, den gemeinsamen Nenner immer wieder herauszuarbeiten und anzugreifen und damit eine Grundlage für die Vereinheitlichung und Verbreiterung der revolutionären Kräfte zu schaffen, die sich sonst immer zusammenhangloser an den Erscheinungsformen des imperialistischen Weltsystems in allen Bereichen (Fabrik, Umwelt, Schule, Universität usw.) abarbeiten werden. Indem in ihm immer wieder die wirklichen Ursachen und Verursacher, die eigentlichen Zusammenhänge, die verborgen bleiben sollen, aufgezeigt und angegriffen werden, entwerfen wir Stück für Stück die Umrisse des Feindes, zeichnen ein immer genaueres Bild von ihm, seinen verbrecherischen Praktiken und Absichten.
Denn während für den Kolonialisierten der Feind in Gestalt des Besatzers klar zu erkennen ist, weil er ständig die Tritte seiner Stiefel spürt, ist dessen Herrschaft in den Metropolen vielschichtiger, schillernder, psychisch und physisch tiefer verankert. Der antiimperialistische Kampf in den Metropolen hat zunächst die Aufgabe, Trennungslinien zu ziehen, die verwischten Fronten Zug um Zug klarzumachen. So verstehen wir unter anderem unsere Angriffe auf die US-Armee. Wir haben sie gezwungen, ihr Erscheinungsbild dem Volk gegenüber immer mehr mit ihrer Funktion als imperialistische Besatzungsmacht in Übereinstimmung zu bringen. Wir haben sie gezwungen, sich immer mehr einigeln zu müssen, hinter 2 Meter hohen Elektrozäunen, hier dreifachem Natostacheldraht, ihre Wachposten im letzten Jahr zu verzehnfachen, Volksfeste, wie das geplante 20tägige zur 200-Jahr-Feier88 abzusagen, Sicherheitsbesprechungen nicht mehr in Casino-Atmosphäre abhalten zu können, weil ihnen im Juni vergangenen Jahres dabei eine Bombe unterm Arsch gezündet wurde.
Wir haben dieses Beispiel gewählt, um daran klarzumachen, daß Angriffe auf die Zentralen des Imperialismus nicht allein daran gemessen werden können, ob sie einem unmittelbaren Masseninteresse entspringen, sondern auch daran, ob sie dem Feind den reibungslosen Ablauf seiner schmutzigen Geschäfte erschweren. Wir haben dieses Beispiel nicht gewählt, um damit durch die Hintertür doch wieder einen Begriff von antiimperalistischem Kampf einzuführen, der ihn ausschließlich in den großen Schlägen gegen die Zentralen der Menschenfresser verwirklicht sieht.
Antiimperialistischer Kampf, das ist alles, was die Ruinierung der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Metropolen vorantreibt, um dagegen die Menschen als Maß aller Dinge zu setzen und in den kämpfenden Kollektiven die Keimformen einer neuen Gesellschaft zu verwirklichen.
Indem in ihnen die Verzweiflung der Einzelnen in der kollektiven revolutionären Praxis der Gruppe aufgehoben wird, werden sowohl die objektiven Bedingungen, die unabänderlich erscheinen, veränderbar, als auch die Verhältnisse der Menschen untereinander von ihnen neu und freier bestimmbar. Sie durchbrechen den Teufelskreis, in dem sich die zerstörerischen Bedingungen in der Selbstzerstörung bzw. gegenseitigen Zerstörung der Individuen fortsetzen und somit immer aufs Neue eben diese Bedingungen ermöglichen und stabilisieren. Den Teufelsskreis durchbrechen heißt nicht, daß wir uns von der ganzen Scheiße befreit haben, sondern daß wir sie immer mehr in den Griff bekommen, daß sie uns nicht mehr beherrscht, daß wir uns gegenseitig dazu befähigen, von uns selbst, von dem, was wir wollen, von dem, was für ein Land aufgebaut werden soll, konkretere Vorstellungen zu entwerfen und sie zu verwirklichen. Malatesta89 drückt dies folgendermaßen aus: Der Kommunismus muß in den Herzen verwirklicht sein, bevor er an den Dingen verwirklicht werden kann. Um ihn in den Herzen zu verwirklichen, bedarf es der kollektiven revolutionären Praxis.
Für uns heißt das: Die Kämpfenden Kollektive als die Keimzellen einer neuen Gesellschaft aufbauen und vermassen.


aus: Die Fruechte des Zorns
Texte und Materialien zur Geschichte der Revolutionaeren Zellen und der Roten Zora
ID-Archiv im IISG/ Amsterdam (Hg.)
ISBN: 3-89408-023-X
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