nadir start
 
initiativ periodika Archiv adressbuch kampagnen suche aktuell
Online seit:
Sun Nov  7 16:09:23 1999
 

Aktion gegen die Ausländerpolizei Hamburg (August 86)

Der Angriff auf die FD 624 der Hamburger Polizei ist keine Reaktion auf die gegenwärtige Aktualität des Flüchtlingsthemas. Bislang diente die Konstruktion des Asylantenproblems in erster Linie als Vorwand für sozialpolitische Experimente, als Rechtfertigung, Menschen wieder in Lager einzupferchen, sie in ihrer Bewegungsfreiheit zu beschneiden, ihnen Sozialgelder drastisch zu kürzen oder zu verweigern. Zwar trugen diese Verwaltungsakte stets auch den Stempel rassistischer Stigmatisierung einer exponierten Bevölkerungsgruppe, ihr vordringlicher Zweck war jedoch ein anderer.

Die Flüchtlinge taugten als Manövriermasse, an der das sozial-technische Instrumentarium eingeschliffen, sowie auf seine Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit hin erprobt werden konnte. Das Arbeitsverbot stellte sicher, daß dem illegalen Arbeitsmarkt jederzeit frei verfügbare Kräfte zuflossen. Die Lebensmittelgutscheine ermöglichten eine umfassende Reglementierung der Reproduktion. Und die Zwangsumverteilung zumal in kleine Dörfer und ländlich konservative Randgebiete folgte zum einen dem Kalkül, die Konfrontation mit der dort ansässigen Bevölkerung zu schüren. In ihr spiegelt sich aber gleichermaßen der Versuch, dem Entstehen einer Subkultur der Minderheiten das Wasser abzugraben, und durch Zerstreuung jede Form der Selbstbestimmung bereits im Ansatz abzubiegen.

Wenn die Flüchtlingsfrage nun jedoch zum Wahlkampfthema, als Medienereignis hochgekocht wird, so liegt darin eine neue Qualität: die behördlich kalkulierte Diskriminierung verbindet sich mit offen rassistischer Mobilisierung. Das sozialtechnische Management der Flüchtlingspolitik probt das Bündnis mit dem fremdenfeindlichen Mob.

Mit verschärften Kontrollen, zusätzlichen Razzien und der Umschreibung von bisher üblicher Duldung in den Asylstatus wird die Zahl der Asylanträge künstlich in die Höhe geschraubt. Demonstrativ werden Baucontainer plaziert und Zeltlager aufgeschlagen unter dem Vorwand, daß die Welle der neuankommenden Flüchtlinge anders nicht zu bewältigen sei. Flüchtlinge, die in Berlin oder Hamburg gar nicht weiter aufgefallen wären, werden in einer Kleinstadt wie Helmstedt zu tausenden konzentriert und erst dadurch sichtbar gemacht.

Diese Form der Zurschaustellung, der sozialen Markierung, ebnet den Weg vom fremdenfeindlichen Ressentiment zum handgreiflichen Pogrom. Bürgerproteste und Rollkommandos gegen die Flüchtlinge erscheinen nun als zwangsläufige und legitime Reaktion auf ein soziales Problem, das durch bürokratische Erlasse und Verfügungen aber erst geschaffen wurde. Und umgekehrt entwickelt sich aus der Dynamik von Medieninszenierung, sozialhygienischen Bürgerinitiativen und Schlägertrupps jener Druck von unten, aus dem heraus die fortschreitende Formierung des noch brüchigen Apparats der Flüchtlingsverwaltung, ebenso wie der nächste Schub staatlicher Zwangsmaßnahmen, ihre Legitimation beziehen. Wie im Nationalsozialismus die Auslöschung des Gemeinschaftsfremden mit rassistischer Propaganda und einer Differenzierung der Sozialgesetzgebung begann, so ist auch die derzeitige Eskalation im Vorgehen gegen die Flüchtlinge Ausdruck und Modell eines sozialrassistischen Kurses.

Doch auch in der Wahnvorstellung von einer BRD, die durch die große Anzahl von Asylsuchenden bedroht würde, ist ein Fünkchen Wahrheit enthalten.

Die BRD ist ein imperialistisches Land und der Imperialismus hat die weltweiten Flüchtlingsbewegungen in Gang gesetzt. Es ist die transnationale Kapitalakkumulation im imperialistischen Weltsystem, die den Menschen die Existenzgrundlagen zerstört und verwüstet, sie mit Kriegen überzieht und dem Hunger ausliefert. In dieser Entwicklung sind die Nationalgrenzen längst überholt. Sie dienen lediglich noch der Regulation der internationalen Mobilität der Arbeitskräfte und als Barrieren gegen unerwünschte Einwanderungen. Wenn dennoch beharrlich an einer nationalstaatlichen Definition von Bevölkerung festgehalten und die Imagination der Volksgemeinschaft wieder festgeklopft wird, so liegt der Sinn einzig in dem daraus abgeleiteten Rechtsanspruch, andere Fremde kenntlich zu machen, sonderzubehandeln, zu verfolgen und zu vertreiben.

Und das ist die Sorge, die die Scharfmacher der Ausländerpolitik tatsächlich umtreibt: daß die Massen der trikontinentalen und südeuropäischen Armutsbevölkerung auf den von der Arbeitsmigration gesteckten Routen nachfolgen und ihren Anspruch auf Leben und Entschädigung hier massiv vorbringen werden eine Entwicklung, die das soziale und politische Gefüge der BRD in nicht absehbarem Ausmaß durcheinanderwirbeln würde. Was weder die hiesigen Politiker wünschen noch der linke Mittelstand, der einen begrenzten Zuzug von Ausländern allenfalls als folkloristische Bereicherung des sozialen und kulturellen Klimas akzeptiert.

In der Flüchtlingsfrage gibt es keine Forderungen an den Staat zu stellen. Es geht einzig darum, den Flüchtlingen zu einem selbstverständlichen Recht nämlich zu bleiben, wie lange sie wollen zu verhelfen, ihnen Lebensmöglichkeiten zu schaffen und zu sichern. Es geht darum, die Grenzen zu durchlöchern und für die selbstbestimmte Mobilität der Armutsbevölkerung zu kämpfen, weil dies die einzig angemessene und die radikalste Antwort auf die transnationale Akkumulation des Kapitals und die Verwertung der Menschen ist. Der Angriff auf die Institutionen der Grenzkontrolle und der inneren Regulation ist daher notwendiger Bestandteil dieses Kampfes.

Gleichermaßen fragwürdig ist die Hoffnung oder der taktische Umgang, was die Versprechungen des Asylrechts betrifft. Nicht nur, daß es die willkürliche Unterscheidung zwischen einheimischer Bevölkerung und den Fremden festschreibt und die Interessen der Flüchtlinge einem staatlichen Gnadenakt überantwortet. Gedacht als löcheriges Privileg für eine schmale Schicht politischer und intellektueller, weißer, männlicher Opposition mag es auf einen Teil der hier ankommenden Flüchtlinge noch zutreffen, insofern es sich etwa bei den Tamilen oder Iranern um politisch verfolgte Mittelschichten handelt. Es taugt jedoch nicht vor dem Hintergrund weltweiter Mobilisierung der Armutsbevölkerung. Was momentan vor sich geht, ist eine gigantische Umschichtung der Weltbevölkerung, deren Ausmaß die Migrationsbewegungen des 19. Jahrhunderts in den Schatten stellt und deren metropolitane Gestalt bisher nur die Spitze eines Eisberg darstellt.

Die Fachdirektion 624 der Ausländerpolizei ist in Hamburg die Institution, die für Razzien in den Lagern, für Festnahmen und Abschiebungen verantwortlich zeichnet. Sie ist zugleich die Polizeidienststelle, in deren Kompetenz die Kontrolle und Steuerung des illegalen Arbeitsmarktes fällt: sie hält sich im Hintergrund, wenn z.B. die Obsternte im Alten Land den Einsatz der Flüchtlinge erfordert und sie beginnt ihre Menschenjagd, wenn die Nachfrage auf der untersten Stufe des Arbeitsmarktes sinkt.

Aktion gegen das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (September 86)

Der 11. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburg steht in einem legendären Ruf nicht nur, weil er bis heute noch jeden Asylantrag mit Erfolg und gleichgültig gegen jeden Inhalt abgeschmettert hat, sondern auch, weil er sich dabei durch Einfallsreichtum und Pioniergeist hervorgetan hat.

In der Abwägung zwischen Staatsraison und Menschenrecht hat er sich unbestechlich von der Devise leiten lassen, daß menschliches Leid hinter dem Wohl des Staates zurückzustehen habe.

Folter so der Senat ist kein Asylgrund, wenn körperliche Mißhandlung zum Arsenal des Strafvollzuges eines Staates, wie zu dessen traditionellen Kulturgütern gehörten.

Eine drohende Todesstrafe schützt nicht vor Abschiebung, weil deutsche Behörden schon aus Eigenschutz die Hoheitsgewalt fremder Staaten respektieren müssen.

Ein Ausländer, der hier Asyl beantragt hat, sollte sich jeder politischen Aktivität enthalten, da sonst unterstellt werden muß, daß er mit Absicht im nachhinein asylrelevante Gründe provozieren will.

Auch wenn sich dieser Horrorsenat mit derlei Entscheidungen und Begründungen in den Vordergrund gespielt hat der Vorwurf der Mißachtung oder gar Aushöhlung der Verfassung geht ins Leere. Er schöpft nur die Möglichkeiten aus, die darin enthalten sind. Das Grundrecht auf Asyl ist so vorbehaltlos in die Verfassung hineinformuliert worden, daß ihm jede beliebige Auslegung übergestülpt werden kann. Ein Ausländerrecht, das den Begriff des politischen Asyls nicht definiert, überläßt implizit den Behörden die Entscheidung, ob jemand aufgenommen wird oder nicht. Die Freizügigkeit und vermeintliche Generosität des Artikel 16 GG ist gewissermaßen die Bedingung, daß das Asylrecht administrativ und nach Maßgabe der politischen Opportunität exektuiert werden kann.

Das Paradox, daß sich die BRD einerseits mit einem äußerst liberalen Asylrecht schmückt und andererseits federführend ist, wenn es um die Abschottung der Grenzen Westeuropas geht, erklärt sich aus dieser Unbestimmheit des Artikel 16 GG. Der scheinbare Gegensatz von hohen Werten und brutalen Fakten, von Anspruch und gleichzeitiger Verweigerung ist nicht anderes als das Strickmuster, nach dem die bürgerliche Demokratie funktioniert.

Gradmesser für die Auslegung des Asylrechts ist deshalb nicht etwa, worüber schon 1949 im Parlamentarischen Rat15 gestritten wurde und was als fauler Kompromiß dabei herausgekommen ist. Gradmesser ist vielmehr das aktuelle politische Programm und dessen Quintessenz lautet schlicht und einfach: Wir haben nichts gegen Ausländer, aber sie sind zu viele. (Kohl)

Es ist nur folgerichtig, daß das Asylrecht in dem Maße zu bloßer Makulatur wird, wie es von den falschen Leuten in Anspruch genommen wird. Seine faktische Außerkraftsetzung steht in unmittelbarer Relation zu der interkontinentalen Dimension der heutigen Migration. Es ist ein Privileg für einzelne und kein Rechtsanpruch für Massen, es wird aufrecht erhalten für Weiße und für null und nichtig erklärt, wenn Flüchtlinge aus Asien, Afrika oder Lateinamerika kommen.

Dies ist die Lektion, die zu erteilen die Behörden angetreten sind. Ausgestattet mit der Macht, die ihnen das Grundgesetz einräumt, kommt der Apparat in Schwung, wird jeder Beamte zum funktionierenden Scharnier dieser gewaltigen Maschinerie. Die rassistische Mobilisierung der letzten Wochen hat nicht nur den Mob erreicht, sondern auch die inneren Reihen der Administration geschlossen. Vorstöße wie die des OVG Lüneburg müssen zur Regel werden. Nicht kleinliche Klauseln, Dienstanweisungen, Verordnungen bieten die Gewähr für eine sachgerechte Abwicklung, sondern die Gewißheit, daß die staatlichen Organe ihren Auftrag und jeder Beamte seine Mission begriffen haben: um die BRD vor der drohenden Überfremdung zu schützen, ist jedes Mittel Recht. Die Politik der Abschreckung schließt Tote ein.

Am 30. September 1983 flüchtete Cemal Altun selbst in den Tod, bevor ihn die deutsche Justiz an die Henker des türkischen Regimes ausliefern konnte.

Aktion gegen das Deutsche Rote Kreuz, Berlin (September 86)

Nutznießer Rotes Kreuz

Es ist doch für die meisten von denen eh zu kalt hier, die kriegen doch bloß Schnupfen. (Prinz Wittgenstein, Chef vom DRK)

In den letzten Wochen sind die Flüchtlinge wieder einmal Thema Nr. 1 in Berliner und westdeutsche Medien. Kaum ein Tag, wo nicht mit reaktionärem Gewäsch über Asylantenschwemme, Überfremdung u.ä. Jagd auf die Flüchtlinge gemacht wird. Parallel dazu verschlimmert der Senat systematisch die Lebensbedingungen der ankommenden Flüchtlinge, die in Turnhallen, Lager oder Container gepfercht werden, bewacht von Bullen und Hunden.

Wir haben uns erlaubt, zwei Repräsentanten der wichtigsten Erfüllungsgehilfen dieser reaktionären Politik, die so häufig vergessen werden, ins Licht der Öffentlichkeit zu zerren. Die Herren Schmidt und Meisner haben heute eine unruhige Nacht verbracht, leichten Sachschaden erlitten und sind jetzt vielleicht auch verschnupft. Schmidt ist seit 1976 Präsident des Berliner Roten Kreuzes (BRK), Meisner ist als Abteilungsleiter Soziales für die Unterbringung der Flüchtlinge verantwortlich.

Das Berliner RK ist als einzige Wohlfahrtsorganisation der Stadt bereit, die Machenschaften des Senats voll zu unterstützen. Dies geschieht mittels eines mit dem Senat abgeschlossenen Generalvertrages, durch den das BRK eine Art Monopolstellung in der Flüchtlingsversorgung bekommt. Außerdem betreibt das BRK die Containerunterbringung und die Zeltlager. Es ist zuständig für die medizinische Versorgung neuerdings mit Lagerärzten und DRK-Krankenscheinen , die Verpflegung, sowie die Förderung der Rückkehrbereitschaft sprich: freiwillig in die Armut, den Krieg oder die Folterkammer zurück.

Ebenso obliegt ihm die technische Durchführung dieser Rückkehr. Daß sich dieser dubiose Menschlichkeitskonzern dabei eine goldene Nase verdient, versteht sich fast von selbst. Pro Flüchtling kassiert das BRK vom Senat 32,50 DM pro Tag, für jedes Kind weitere 15 DM. Davon werden für alle Versorgungsmaßnahmen nicht mehr als 10 DM pro Tag ausgegeben, der Rest einkassiert. Bei einem Umsatz von 30 bis 40 Millionen pro Jahr ein lukratives Geschäft, allerdings nicht das einzige.

Neben der Flüchtlingsversorgung betreibt das DRK ein weitaus größeres Geschäft mit den sog. Blutspenden. Mit dem daraus gewonnenen Plasma werden im hauseigenen Pharmakonzern Milliardenumsätze und -profite erzielt steuerbegünstigt, da gemeinnützig.

Unter dem gleichen Deckmantel der humanitären Hilfe verbergen sich die Machenschaften im Dritten Reich, ganz im Sinne der Gesetze über die Rassen- und Erbbiologie. Willfähriger Helfer der Nazi-Ideologie, strategisch erfinderisch und innovativ für die gesamte Politik im Dritten Reich war das DRK im sog. Euthanasieprogamm, der Vernichtung geistig und moralisch minderwertigen Lebens. Zigtausende von behinderten Kindern und Erwachsenen, aber auch Schwule und Lesben wurden im DRK-eigenen Wagen in die Tötungslager gefahren. Damaliger Chef des DRK war der Reichsarzt SS Dr. Grawitz, neben Reichsärzteführer Dr. Conti der Planer des Euthanasieprogramms. Ein Wohlfahrtskonzern mit zweifelhafter Vergangenheit.

Wir wollen mit unserer Aktion nicht die tausenden ehrenamtlichen Helfer, die täglich Menschenleben retten und pflegen, angreifen. Die allermeisten handeln aus ehrlichen Motiven und wissen nichts von der Politik ihrer Konzernbosse.

Die wir angreifen, sind die Ärzte, die in den Flüchtlingslagern Menschen mißhandeln, die Berater, die zur freiwilligen Rückkehr in den Tod zwingen, und die Strategen, die einerseits bewußt an der letzten und endgültigen Ausbeutung der Flüchtlinge teilnehmen und andererseits die reaktionäre Hetze von CDU und SPD sowie die Jagd auf die Flüchtlinge mitbetreiben und mitorganisieren.

Für freies Fluten RZ

Anschlag gegen das Ausländerzentralregister, Köln (September 86)

Das Ausländerzentralregister (AZR) ist ein rassistisches und totalitäres Register. Es muß deshalb weg.

Die neuen Techniken der Sozialkontrolle, die im Kampf gegen Volkszählung16, maschinenlesbare Personalausweise usw. blockiert und sabotiert werden müssen, diese Techniken sind nicht wirklich neu. Zumindest für Ausländerinnen und Ausländer haben sie sich in der BRD längst zur materiellen Gewalt formiert in bruchloser Kontinuität zum Nationalsozialismus übrigens.

Im Ausländerzentralregister beim Bundesverwaltungsamt in Köln ist das gesamte Herrschaftswissen über alle Nichtdeutschen, die in der BRD aufhältig sind oder es jemals waren, in einem gigantischen Pool konzentriert. Die angeworbenen Arbeiterinnen- und Arbeiterkontingente, ihre Familien, die anerkannten und abgelehnten, die geduldeten und abgeschobenen oder ausgelieferten Flüchtlinge insgesamt 10 Millionen Männer und Frauen sind dort totalerfaßt.

Aufgeschlüsselt nach den berüchtigten Personenkennziffern fließt jedwede behördliche Erfassung ihrer Person durch Meldeämter, Ausländerbehörde, Polizeidienststellen, Zirndorf, Bundeskriminalamt, Verfassungschutz und Interpol im AZR zu einem Datenberg von bis zu 60 Einzelfeldern pro Mensch zusammen zur absolut größten Erfassungs-, Überwachungs- und Aussonderungskartei in der öffentlichen Verwaltung der BRD. On-line mit dem gesamten Exekutiv- und Verwaltungsapparat, ohne Auskunftssperren, ohne Löschfristen, gewinnt das AZR als vollkommen unlimitiertes Zweitdepot all dieser institutionellen Datenbänke eine immens strategische Bedeutung. Das Ausländerzentralregister ist das Kernstück im Kampf gegen die Flüchtlinge, der zunehmend an die Grenzen, Flughäfen und in die Herkunftsländer der Emigrantinnen und Emigranten verlagert wird. Es speist das Grenzinformationssystem und die Visaabteilungen von inzwischen 40 Botschaften.

Vor allem aber wirkt es nach innen: auf die quantitative Regulierung der Ausländerkontingente, auf die Manipulation ihrer Zusammensetzung, auf ihre arbeitsmarktorientierte Vernutzung oder Aussonderung. Das AZR sammelt und liefert das Material für die Strategien, die auf eine Liquidierung und Durchstaatlichung der Ausländerkolonien und -communities, ihres Solidaritätsnetzes, ihrer verdeckten Strukturen, ihrer Subkulturen und illegalen Lebensformen.

Wie gesagt: Das Ausländerzentralregister ist ein rassistisches und totalitäres Register. Es muß deshalb weg.

Anschlag auf die Deutsche Lufthansa, Köln (Oktober 86)

Für Freies Fluten

Schotten dicht für die Flüchtlinge, die in die BRD reinwollen. Flug frei für alle, die raus sollen. Die deutsche Lufthansa (DLH), immer treu im Dienste des Staates, macht es möglich.

Wer sich vor Hunger, Verfolgung, Folter, Krieg und Tod in die Bundesrepublik zu retten versucht, muß dazu ein Flugzeug benutzen. Und wer von diesem Staat zum Abschübling erklärt wird, wird wieder zurück ins Flugzeug getreten. Von den über 8.000 Abschiebungen im Jahr 1984 hat die DLH rund 6.000 übernommen. Das sind mindestens 16 Flüchtlinge pro Tag. Der Umsatz für diese Hilfspolizeileistungen lag 1984 bei circa 8 Millionen Mark. Um die Lage an Bord unter Kontrolle zu halten, fliegen seit einiger Zeit Ex-GSG-9ler17 mit; Flüchtlinge, die sich gegen die Abschiebung wehren, werden unter Drogen gesetzt. Piloten und Stewardessen, die sich weigern, bei dieser Praxis mitzumachen, werden mit beruflichen Konsequenzen bedroht.

Frauen können sich meist nicht einmal das nötige Flugticket für die Flucht leisten. Frauen sind nicht nur Opfer der imperialistischen Politik der Profitmaximierung, sondern auch die des Welt-Patriarchats. Es ist keine Frage, wen die Familien zum Überleben mit dem letzten Geld nach Europa schicken: den Sohn, nicht die Tochter; Männer können versuchen, wenigstens die eigene Haut zu retten, während die Frauen mit den Kindern zurückbleiben und höchstens bis ins nächste UN-Flüchtlingslager kommen. Deshalb sind die Frauen der drei Kontinente eine Minderheit unter denen, die es bis in die Metropolen schaffen, obwohl sie weltweit die Mehrheit der Flüchtlinge ausmachen. In Südostasien hat sich eine spezifische Form der Frauenimmigration entwickelt. Da die Frauen nicht anders aus ihrer elenden Lage herauskommen, verkaufen sie sich als Katalogbräute. Käufer sind vor allem bundesdeutsche Männer.

Die Deutsche Lufthansa weiß auch aus dieser Situation etwas herauszuschlagen: über ihre Tochtergesellschaft Condor. Die transportiert die Männer mit Bumsbombern nach Bangkok und Manila und schnappt sich so ihren Teil am internationalen Zuhälterprofit mit Prostitution und Frauenhandel. Während die Ware Frau also locker verschubt wird, weist die DLH andere Flüchtlinge schon im Vorfeld zurück. Als erste Fluggesellschaft führte die Lufthansa beim Check-In in den entsprechenden Abflughäfen Visakontrollen als Selektionsmaßnahme ein.

Wie alle deutschen Traditionsunternehmen hat es auch die Lufthansa geschafft, den historischen Dreck, den sie am Stecken hat, vergessen zu machen und sich als honoriges Unternehmen mit positiver Geschäftsbilanz und positivem Image zu präsentieren. Als Staatsunternehmen leistete die Lufthansa Pionierarbeit bei der Erschließung des südamerikanischen Raumes im Sinne nationalsozialistischer Großraumpolitik. Sie beteiligte sich aktiv am Auf- und Wiederaufbau der Luftwaffe und trug entscheidend zur Zerschlagung der spanischen Revolution bei. Das Lufthansa-Tarnunternehmen Condor transportierte die Franco-Truppe von Marokko nach Spanien, bombardierte als Legion Condor die Stadt Guernica. Im selben Jahr, 1939, feierte die Lufthansa ihr erfolgreichstes Geschäftsjahr seit Bestehen.

1985 scheffelte die Deutsche Lufthansa 146 Millionen Mark Gewinn. Ihr primäres Wachstumsfeld ist aber weniger die Passagierbeförderung als der Gütertransport. Allein im Geschäftsjahr 1985 wurden mehr als 600.000 Tonnen Fracht gefördert. Ein Großteil davon sind Rohstoffe und Waren, die in den Billiglohnländern den Menschen abgepreßt wurden und an denen die Deutsche Lufthansa via Frachtkosten mitprofitiert.

Und sie verdient noch einmal daran, daß sie die Flüchtlinge aus diesen ausgebeuteten Ländern in die Baracken und Gefängnisse zurücktransportiert, vor denen sie geflohen sind.

Schüsse in die Knie des Leiters der Ausländerpolizei Hollenberg, Berlin (Oktober 86)

Der Berliner Ausländerpolizeichef Hollenberg ist ein Menschenjäger und ein Schreibtischtäter. Sein Jagdrevier Westberlin ist der Brennspiegel bundesdeutscher Ausländerpolitik, das heikle und heiße Pflaster, auf dem sich die jeweiligen Projektierungen exemplarisch verdichten und hochgekocht werden. Mögen die Ausländerpopulationen auch wechseln, die taktische Aufarbeitung bleibt sich doch immer gleich. Über eine Abfolge von staatlich gesteuerter Stigmatisierung einzelner Segmente, zunehmend jedoch der ausländischen Bevölkerung in ihrer Gesamtheit, über eine genau kalkulierte, völkische Mobilisierung wird das Terrain geebnet für blutige Pogrome und radikale Repressionen. Nach diesem Muster verliefen die Angriffslinien gegen die türkischen Arbeitsemigrantinnen und -emigranten ab Mitte der 70er Jahre mit dem Ziel, sie generell aus den arbeits- und sozialrechtlichen Sicherungen herauszubrechen, um über eine flexible, vollkommen rechtlose Verschiebmasse auf dem Arbeitsmarkt zu verfügen. Nach diesem Muster verliefen auch die verschiedenen Angriffswellen gegen die Flüchtlingskontingente. Nach den bilateralen, schmutzigen Deals mit der NATO-Türkei und dem Libanon, zeichnet sich über das jüngste DDR-Abkommen, die Mitarbeit des Ostblocks an den kapitalistischen Eindämmungstrategien gegenüber den internationalen Flüchtlings- und Wanderarbeiterbewegungen ab. Mag dabei auch politisches Kalkül und ökonomischer Zugzwang eine Rolle spielen, de facto konstituiert sich damit ein Bündnis von Imperialismus und Staatssozialismus gegen die Armutsbevölkerung der drei Kontinente.

Der Chef der Berliner Ausländerpolizei und Lummer18-Protegé Hollenberg steht in diesem Abwehrkampf an vorderster Front, in Geist und Tradition der kämpfenden Verwaltung, wie sie NS-Heydrich19 definiert und formiert hat. Dabei ist weniger ausschlaggebend, ein scharfer Hund zu sein, vielmehr kommt es darauf an, ein untrügliches Gespür für die Absichten und Planungen der Macht zu haben, um effektiv und flexibel an den Gesamtkonzeptionen mitzuarbeiten. Daß Hollenberg über dieses unersetzliche, symbiotische Verhältnis zur Macht verfügt, beweist seine rasche Wiedereinsetzung als Ausländerpolizeichef im übrigen ein beispielloser Vorgang nachdem er zuvor wegen seiner Verwicklungen in die Schmitz-Korruptionsaffaire verabschiedet werden mußte. Seither übt er sein Amt diskreter, dafür umso effizienter aus.

Hollenberg ist zuständig für den täglichen Terror, für die über hunderttausend Kontrollen, für zehntausende von Festnahmen, für tausende von Razzien im Jahr auf ausländerrelevante Orte. Er befehligt die zahllosen Überfälle und Durchsuchungen von Ausländerwohnheimen und -wohnungen auf der Suche nach Asylern, Abschiebern, illegalen Schwarzarbeitern und Scheinehen.

Und er ist mitverantwortlich für den grauenvollen Verbrennungstod von sechs Männern in der Abschiebehaft Augustastraße20, denn er sorgt dafür, daß diese Käfige ständig überfüllt sind. Die provozierte Enge, der Dreck, der Gestank und die Aggressionen sind kalkuliert, um einen Rassismus zu schüren, der keine Hemmschwellen mehr kennt, Menschen aus Pflichtbewußtsein verbrennen zu lassen.

Das taktische Zusammenspiel zwischen den rigorosen Projekten der Macht und dem exekutierenden Verwaltungsapparat hat in diesem Sommer einen erschreckenden Höhepunkt erreicht. In diesen Manövern hat sich auch der Chef der Berliner Ausländerpolizei blutige Meriten erworben. Um die Flüchtlingszahlen demagogisch hochzutreiben, ließ er durch seine Greiftrupps zur gezielten Ausländerfahndung die Frontstadt praktisch dichtmachen und ausnahmslos alle nichtweißen Frauen, Männer und Kinder selbst Durchreisende und Besucher einfangen und zwangsasylieren. Zeltstädte und Containerlager wurden in Szene gesetzt Potemkinsche Dörfer21 allein für den Augenblick und Zweck geschaffen, ein mörderisches völkisches Klima hochzuputschen und sich eine breite Akzeptanz zu sichern für die eigentlichen imperialen Lösungsstrategien. Diese zielen, jenseits allen wahltaktisch inszenierten Gerangels Grundgesetzänderung versus DDR-Deal22 auf eine völlige Umkehrung der jetzigen Situation. Über ein ganzes Paket aufeinander abgestimmter, drakonischer Repressionen soll ein grundsätzlich neues, griffiges Instrumentarium geschmiedet werden, um die internationalen Flüchtlings- und Wanderbewegungen im Vorfeld abzublocken und einschneidend zu dezimieren. Die solchermaßen Vorsortierten sollen dann einer neuerlichen Selektion nach Alter, Geschlecht, politischer Gesinnung und beruflicher Qualifikation unterworfen werden, um unter arbeitsmarktstrategischen Kriterien als entgarantierte Ausbeutungs- und Verschiebemasse je nach Bedarf eingesogen oder ausgestoßen zu werden. Das ist der reale, harte Kern der staatlich inszenierten Asylrechtsdiskussion. Insoweit ist dies kein spezifisch bundesrepublikanisches Thema, sondern wird im gesamten kapitalistischen Westen verhandelt. Für die innerdeutsche Aufbereitung dieser Verwertungs- und Vernichtungsstrategien ist allerdings der immense Druck, der in Berlin produziert wurde, von exemplarischer Bedeutung und exakt auskalkuliert. Über dieses Spannungsfeld definiert sich auch die spezielle Funktion des Berliner Ausländerpolizeichefs.

Eine ganze Reihe politischer Weichen in diesem unerklärten Kriegs gegen die Armutsmassen der 3 Kontinente sind hier gestellt worden. Der erste, mit Ostberlin ausgehandelte konzentrierte Angriff galt den Tamilen. Dann dechiffrierte sich der La Belle-Anschlag zum einen als bestellter Vorwand der US-Administration für die mörderische Bombardierung libyscher Städte. Zum anderen als die, von den Alliierten legitimierte, Gelegenheit zur Grenzabriegelung und systematischen Durchkämmung Westberlins durch Hollenbergs Sondereinheiten. Vergleichbar national wie international angelegt war die Operation Libanon. Die Suche nach vier Libanesen mit Sprengstoffkoffern erwies sich schnell als durchsichtige Konstruktion für die brutale und beispiellose Großrazzia mit 2 Schützenpanzern, 30 Wannen und 12.000 Polizisten, die sämtliche Berliner Zwangslager und Ausländerheime aufrollten. Zweifellos ein wichtiges Datum in der Hollenbergschen Karriere. Für die internationale Auswertung dieser Operation sorgte Innensenator Kewenig mit seinem Libanon-Trip, um den letzten garantierten Schutz, das Verbot der Auslieferung in Kriegs- und Krisengebiete, zu schleifen. In nahtloser Übereinstimmung mit dem Vorgehen der Regierungen in Paris, London und Rom.

Die Strategie ist gesamtimperialistisch, die Aufbereitung national; Westberlin kommt dabei die Funktion eines taktischen Zentrums zu und der Chef der berliner Ausländerpolizei Hollenberg exekutiert diese Repressions- und Selektionstrategien direkt an den Flüchtlingen und Arbeitemigranten.

Aktion gegen die Sozialhilfestelle für Asylbewerber, Berlin (Februar 87)

Unser Angriff auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber (ZSA) in Berlin richtet sich gegen die Asylpolitik der rassistischen Sonderbehörde.

Es ist kein Appell für eine menschlichere Asylpolitik. Es ist fatal zu glauben, durch Forderungen an die Herrschenden irgendetwas zu erreichen. Am Beispiel der jüngsten Ausweisungen in den Libanon verdeutlicht sich die eiskalte Logik gnadenloser Abschiebepolitiker. Bestandteil und Voraussetzung dieser Politik ist die verwaltungstechnische Umsetzung der Vorgaben des Berliner Senats bzw. des Innenministers. Diese Rolle übernimmt in Berlin die ZSA, eine zentralistische Sonderbehörde, speziell geschaffen für die hier ankommenden Flüchtlinge.

Die politischen, rassistischen Prämissen, unter denen diese Behörde agiert, stehen im direkten Interesse der europäischen Verbündeten: systematische Abschottung gegenüber den weltweiten Migrantenbewegungen durch Schließung der Grenzen, vor allem des Zugangs nach Westberlin, durch Kanalisierung und Konzentration der Flüchtlinge in Sammellager.

Genau wie das Ausländerzentralregister in Köln und die Ausländerabteilungen der Bullen ist die ZSA absolut zentral organisiert in Abweichung der Struktur sonstiger Sozialbehörden die kommunal bzw. bezirklich gegliedert sind. Mit einem optimierten Verwaltungsapparat und einer rigiden Anwendung des sozialtechnischen Instrumentariums setzt diese rassistische Sonderbehörde Maßstäbe für die Kontrolle kommender sozialer Auseinandersetzungen.

Neben der Verteilung der Flüchtlinge auf die Lager in der BRD bzw. in Sammellager des Deutschen Roten Kreuzes, regelt die ZSA die soziale und medizinische Betreuung. Mit dem DRK besteht eine perfekte Symbiose in der täglichen Ausbeutung und Unterdrückung der Lagerbewohner. Das beginnt mit dem Zwang, in der ZSA Soziknete zu beantragen, weil den Flüchtlingen mit einem 2jährigen Arbeitsverbot jede Existenzgrundlage genommen wird. Die ZSA erteilt einen erheblich verminderten Sozialhilfesatz: die Flüchtlinge erhalten 50 DM im Monat und leben sie außerhalb der Lager 190 DM an Wertgutscheinen. Mit allen Mitteln, häufig durch Streichung der Wertgutscheine, der Soziknete, der Mietzahlungen etc. versucht die ZSA die Flüchtlinge in die Sammellager zu zwingen.

Die Konzentration auf die Lager hat vorrangig drei Gründe: Zum einen sichert sie die arbeitsmarktorientierte Vernutzung der Flüchtlinge, weil sie leichter zu Zwangsarbeit verpflichtet werden können. Zum zweiten verdient sich das DRK an den Lagern eine goldene Nase. In unserer Erklärung zu den Brandanschlägen auf die Autos der DRK-Funktionäre sind wir darauf eingegangen. Zum dritten zielt die Zwangskasernierung verschiedener Nationalitäten auf die Widerstandskraft der Flüchtlinge: die gegeneinandergetriebenen Flüchtlinge werden von der Organisierung notwendiger Flüchtlingshilfen abgelenkt und am Aufbau klandestiner Strukturen gehindert. Nicht zuletzt erschwert der um die Lager gezogene Stacheldraht eine Vermischung mit dem hier existierenden Milieu. Der auf niedrigstem Niveau eingeengte Lebensstandard und die Mißachtung elementarer Hilfeleistungen Krankenscheine werden zurückgehalten, Atteste nicht akzeptiert, Krankenbehandlungen unterlassen ist nicht der Gipfel der Willkür, sondern die Methode eines logisch funktionierenden, rassistischen Verwaltungsapparates.

Unser Ziel ist es nicht, für eine verbesserte Sozialtechnokratie zu kämpfen, unser Angriff auf die Sonderbehörde ist grundsätzlicher Natur.

Die ZSA und mit ihr alle rassistischen Behörden müssen weg!

Knieschüsse auf den Vorsitzenden Richter des Bundesverwaltungsgerichts Korbmacher, Berlin (September 87)

Das Unrecht ist nicht anonym, es hat einen Namen und eine Adresse, sagt Brecht. Eine erste Adresse bei der Vollstreckung moderner Flüchtlingspolitik ist Dr. Günter Korbmacher, Vorsitzender Richter des Asylsenats am Bundesverwaltungsgericht. Dieser 9. Senat ist kein herkömmlicher Senat, sondern ein 1980/81 gegen die trikontinentale Flüchtlingsbewegung einberufener Sondersenat, der den Auftrag hat, sie auf seinem Terrain und mit seinen Mitteln zu brechen. Der oberste Asylsenat mit seiner politisch handverlesenen Richterbesetzung ist als juristischer Begleitschutz konzipiert worden für den ab 1982 forcierten, legislativen und administrativen Gegenangriff auf die Zwangsmobilisierten und Armgemachten des Trikonts, die in wachsender Anzahl den Abwehrkordon der Metropolen überwandern. Erste wesentliche Durchbrüche in diesem Klassenkrieg waren bereits in unmittelbarer Folge zu verzeichnen. Die Zahl der Asylverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde durch eine Flut einschneidender Sondererlasse von 12.000 im Jahr auf 800 heruntergedrückt und damit ein zuvor durch jahrelange Verfahrensdauer garantierter Überlebensraum für Immigranten vernichtet in der Begrifflichkeit moderner Sozialtechnik ein Abschmelzen der Altlasten.

Die Neulasten werden durch industrialisierte Schnellgerichtsverfahren gepreßt, die einen frappierenden Massenausstoß an Urteilsproduktion garantieren. Aufgrund ihrer Massierung sind die Asylverfahren zum bevorzugten Terrain einer fabrikorientierten Durchorganisation und Systematisierung der dritten Gewalt avanciert, die mit seriellen, computerisierten, beliebig verknüpfbaren Urteilssegmentierungen arbeitet. Vergleichbar der seriellen Normierung im Sozialrecht wurde in den letzen Jahren alles lebendige Fleisch aus dem Asylrecht herausgeschnitten und die blanke Maschine installiert, die katalogisiert, zählt und auspunktet. Damit wird jeder herkömmliche Transmissionsriemen zwischen den Projekten der Macht und der dritten Gewalt überflüssig, da die Exekutive jetzt die Justizmaschine im direkten Verfahren selbst programmiert. Zum einen hat das eine immense Steigerung der Effizienz zur Folge. Die Produktionsziffern der Entscheidungen des obersten Asylsenats sprengen zur Zeit jeden Rahmen, ja die Erledigungsquoten der Richter Korbmacher, Eckstein, Säcker, Kemper und Bender sind so enorm, daß sie seit Jahren schamhaft aus den Geschäftslageberichten des Bundesverwaltungsgerichts eliminiert werden müssen, um die allgemeine Leistungsbilanz nicht unzulässig zu beschönigen.

Zum strategischen Ort in dieser Variante des Klassenkrieges hat sich das Grundrecht auf Asyl kristallisiert. Da es so gut wie keinem Menschen zugestanden wird Frauen werden von diesem patriarchalischen Definitionsapparat von vornherein ausgeschlossen wird viel über seine Aushöhlung geklagt. Doch diese Klage geht völlig in die Irre. Selbstverständlich wußten die Legislatoren des NS-Nachfolgestaates, warum sie die generelle Bestimmung Flüchtlinge nicht wollten und statt dessen dem einschränkenden, interpretierbaren Terminus politisch Verfolgte den Vorzug gaben und warum sie sich hartnäckig KPD-Forderungen widersetzten, die eine grundgesetzliche Festschreibung existenzieller Rechte, wie Arbeitserlaubnis und Bewegungsfreiheit für die Immigranten bedeutet hätten. Das Asylrecht ist seinem Wesen nach eben nicht als einklagbares Individualrecht konzipiert worden vielmehr ist es von vornherein allen opportunen staatlichen Auslegungen und imperialistischen Dispositionen geöffnet worden und daher in seinem Kern ein Staatsschutzrecht. Folglich geht es heute nicht um seine Aushöhlung, sondern um seine Modernisierung zu einem paßgenauen Instrument imperialer Flüchtlingspolitik.

Diesen Modernisierungsschub gestalten in letzter Instanz die Richter Korbmacher & Co. vom Bundesverwaltungsgericht. Die Schneisen, die die Flüchtlingsverwaltung und die Untergerichte geschlagen haben, werden von ihnen geordnet und in eine imperialistische Großraum- und Ordnungspolitik umgesetzt. Aus diesem Grund also erschöpft sich die Arbeit dieses Kollegiums nicht in seiner höchstrichterlichen Absegnung von Asylverweigerung als Mittel, die Metropolen gegen die Flüchtlingsbewegung abzuschotten. Seit einigen Jahren geht es entschieden um mehr, um die rechtliche Legitimierung einer Praxis internationaler Aufstandsbekämpfung, die in die zentralen Urteile zum Asylrecht verpackt ist.

Die Technik, das Recht auf Asyl zum Ausgangspunkt einer internationalen Legitimationsordnung für Terror, Folter und Völkermord zu machen, ist frappierend, jedoch im Asylrecht genuin angelegt. Weder die sozialen oder politökonomischen Verhältnisse eines Staates, noch die politische und soziale Praxis der Flüchtenden sind für die Urteilsfindung von Belang. Gewogen wird ausschließlich das Staatsschutzargument der betreffenden Mächte, die unisono versichern, daß es in ihrem Herrschaftsbereich weder einen politisch noch einen sozial legitimierten Widerstand geben könne. Eine grausame Platitüde, denn kein Staat auf dieser Welt definiert das, was ihn grundsätzlich in Frage stellt, als politischen Widerstand, sondern ausnahmslos als kriminelles Verbrechen.

Das weiß natürlich auch der oberste Asylsenat. Ihm geht es bei seiner aktuellen Rechtssprechung darum, die jeweiligen Staatsschutzräume weltweit entscheidend auszudehnen, staatliche Gewalt generell dafür zu legitimieren, alle Poren der trikontinentalen Gesellschaften zu durchdringen, um einen globalen, kapitalgerecht verwertbaren Menschentypus zu erzwingen. Alles Widerständige und nicht Vernutzbare wird ausdrücklich unter dem terminus technicus Staatsnotwehr der Vernichtung anheim gegeben. Es geht dabei essentiell nicht um die Souveränität der jeweiligen Regime. Sie dienen nur als Transmissionsriemen einer imperialistischen Weltinnenpolitik, in der die westlichen Kapitalzentren entscheiden, welche Bevölkerungsgruppe zu welchem Zweck und mit welchen Mitteln bekämpft, unterworfen oder vernichtet wird. Dem Asylsenat fällt in diesem Rahmen die Aufgabe zu, Aufstandsbekämpfung in aller Welt zu qualifizieren, mit dem ganzen Gewicht eines Metropolengerichtshofes politisch zu sanktionieren und juristisch zu legitimieren.

Aufhänger für diesen qualitativ neuen Vorstoß waren Verfahren von Kurden, deren Asylanträge abgelehnt worden waren, da Folter in der Türkei als allgemein kriminalpolitisches Phänomen gelten könne. Das war dem Korbmacher-Senat zu anspruchslos und zu kurzsichtig, da dieses Urteil die blutigen Statthalterregime nur generös deckt und auf jede weiterreichende Einflußnahme und Zielsetzung verzichtet. Sie schöpfen die globale ordnungspolitische Dimension im Asylrecht nur unzureichend aus und definieren sich auf dem Hintergrund eines obsoleten Neokolonialismus, anstatt sich als Instrument einer neuen imperialistischen Weltinnenpolitik zu begreifen.

Dagegen bedient sich das Bundesverwaltungsgericht der zur Verhandlung stehenden Verfolgungen, Revolten, sozialen Verwüstungen und Bürgerkriege, um eine Weltordnung rechtsförmig zu legitimieren, die den jeweiligen Staatsterror ausdrücklich fordert. Einen Staatsterror nicht per se, sondern als Voraussetzung, um die Gesellschaften der drei Kontinente einzuschleifen, verwertbare Populationen von nicht verwertbaren zu scheiden und kapitalgerecht aufzubereiten. Im Koordinationssystem dieses Unterwerfungskonzepts entwickelt der Korbmacher-Senat den operativen Begriff vom Staat als absolutem Subjekt. Damit wird per definitionem jeder soziale und politische Widerstand automatisch zum Staatsverbrechen erklärt und seine Bekämpfung verlangt. Zitate aus den Kurden-Urteilen belegen das: Folter und Völkermord, die der Abwehr von Umsturzversuchen oder Gebietsabtrennungen dienen sind keine politische Verfolgung, sondern notwendig, denn der Staat selbst, sein Gebietsbestand und seine Grundordnung sind Schutzgüter. Jede staatliche Maßnahme, einschließlich Massakern, ist gerechtfertigt, wenn sie nur zur Überwindung von Notstandssituationen und zur Wiederherstellung der inneren Sicherheit dient oder zur Behandlung von Minderheiten, weil ein Mehrvölkerstaat in besonderem Maße auf die Sicherung seiner staatlichen Einheit und seines Gebietsstandes bedacht sein wird und dieses Ziel auch durchsetzen darf. Insbesonders, wenn ein Flüchtling einer gewaltbejahenden Gruppe angehört, verstärkt sich grundsätzlich die Wahrscheinlichkeit einer auf den kriminellen und nicht auf den politischen Gehalt der Tat beschränkten Reaktion, je gravierender die Mittel sind, mit denen der Gesinnungstäter die Ordnung der von ihm abgelehnten Staatsmacht bekämpft.

Noch deutlicher wird diese Linie, wenn das Gericht tamilische Flüchtlinge in die Völkermordregion Sri Lanka zurückschickt, weil die wahllosen Vergeltungsschläge gegen die tamilische Bevölkerung mit der hohen Zahl von Todesopfern nicht der subjektiven Motivation des Staates zur politischen Verfolgung entspringen, sondern der Absicht, durch den Einsatz der Sicherheitskräfte seine staatliche Einheit und seinen territorialen Stand zu wahren.

Mit dieser restlosen Ineinssetzung von Staat und Recht besorgt das Bundesverwaltungsgericht die juristische Fundierung für eine international abgestufte Ausbeutungs- und Vernichtungsordnung, die ein Weltrecht konzipiert, mit dem sukzessive alle Klassenantagonismen einem imperialistischen Rechtskodex subsumiert werden, um sie offiziell und effektiver liquidieren zu können.

Über die strategische Funktion seines Amtes hinaus legt der Vorsitzende Richter am obersten Asylsenat Dr. Günter Korbmacher einen ausgesprochen eigenen politischen Geltungsdrang an den Tag. Auf dem Höhepunkt der rassistischen Hetzkampagne gegen die Flüchtlinge warf er sich persönlich an die Medienfront, um vehement eine Grundgesetzänderung des Asylrechts zu fordern, damit in Zukunft garantiert sei, daß nur noch politisch handverlesene und ökonomisch verwertbare, vorselektierte Immigranten zur Disposition stünden. Mit entsprechender Rigorosität hat er sich dem unnachgiebigen Kampf zur Abschaffung der Nachfluchtgründe verschrieben, die er als weiche Stelle und Schlupfloch im Sicherheitskordon ausgemacht hat geeignet, die gesamte Abwehrfront gegen die Flüchtlingsflut zu unterminieren und ad absurdum zu führen.

Wir meinen, der oberste Asylrichter Korbmacher ist ein furchtbarer Jurist.23

Die Entscheidung, einer Person in die Knie zu schießen, enthält eine bewußte und präzise praktische und politische Limitierung. Der Angegriffene und unmittelbare Tatzeuge soll überleben, ja er muß es unter allen Umständen, denn dies ist die entscheidende Bestimmung der Aktion, selbst wenn sie zum Preis eines erhöhten Risikos für die ausführenden Genossinnen und Genossen erkauft werden muß.

Der Angegriffene ist ein Schreibtischtäter par excellence, eine Ausgeburt moderner Herrschaft, ausgestattet mit allen Insignien repräsentativer Macht, die sich selbst zelebriert. Person und Körper verschwinden dahinter, verobjektivieren sich. Richter Korbmacher, der haßt, verachtet, eindämmt, raussäubert, de facto wertes von unwertem Leben am Fließband sortiert, letzte Instanz über Leib und Leben zahlloser Menschen, ritualisiert sich erfolgreich aus seiner Person und existenziellen Verantwortung heraus. Erfolgreich in zweifacher Hinsicht. So hat dieser Berufsstand trotz seiner terroristischen NS-Geschichte ein ungebrochen fettes gutes Gewissen und sich aufgrund seiner spezifischen Herrschaftsstruktur nicht angemessen zum Objekt von Klassenhaß verdichtet. Eine strikt geregelte Arbeitsteilung enthebt ihn der physischen Präsenz in Klassenauseinandersetzungen er gibt die Richtung an und legt die Regeln fest, legitimiert die Schergen. Drangsalieren, einsperren, rausprügeln tun andere, foltern und exekutieren wieder andere. Bei Folterern, Polizeischergen, terroristischen Ämterchefs hat der Klassenhaß genug konkrete Angriffsflächen, um zu greifen, an Schreibtischtätern gleitet er immer wieder an ihrer fehlenden physischen Präsenz, ihrer mangelnden Körperlichkeit ab, vor die sich die Institutionen, Rituale und Mystifikationen schieben.

Die Schüsse auf die Beine des obersten Asylrichters sollen dem kalt ausgeheckten Unrecht, der kodifizierten Brutalität, die das Leben so vieler Menschen zerstört, wieder einen konkreten Namen, ein Gesicht, einen Körper verleihen. Diese Schüsse sollen ihn zweifach brandmarken. Sie sollen ihn verletzen, eine nachhaltige Erschütterung seiner Existenz durch einen intensiven körperlichen Schmerz und eine langwierige körperliche Beeinträchtigung bewirken und er soll leiden, damit er bezahlt und versteht. Verstehen nicht im Sinne einer Läuterung darauf haben wir keinen Einfluß sondern, indem er mit jeder Faser seines Körpers und seines Bewußtseins in eine umgekehrte Situation gezwungen wird, der er sich unmöglich entziehen kann, die an ihm haften wird.

Und diese Schüsse sollen ihn politisch brandmarken. Sie sollen ihn ins öffentliche Bewußtsein brennen als Hauptverantwortlichen im juristischen Kampf gegen die Opfer imperialistischer Großraumpolitik, der darüberhinaus von einem persönlichen Haß und Eifer in seiner Arbeit angetrieben wird. Wir wollen den suggestiven Nimbus der Macht zerstören, durch den er sich geschützt glaubt, und ihn öffentlich vor aller Augen in die Knie zwingen. Und wir wollen seine Karriere zerstören, denn wer einmal dieses suggestiven Nimbus beraubt worden ist, wer einmal der Guerilla in die Hände gefallen ist, der wird seiner eigenen wölfischen Klasse suspekt und zur peinlichen politischen Last. Sie selbst wird dafür sorgen, daß er auf Dauer beruflich und politisch erledigt ist, so wie sie es mit Peter Lorenz24 gemacht hat.

Außer diesen konkreten Bestimmungen der Aktion gibt es für uns zwei weitere wesentliche Aspekte, die den bewaffneten Angriff auf Personen wie Korbmacher und Hollenberg begründen. Zum einen die NS-Methoden, mit denen die internationale Flucht- und Wanderarbeiterbewegung in den Metropolen eingedämmt werden soll. Die unverhüllte Brutalität, die Klassenherrschaft hier annimmt, übersteigt bewußt und gezielt das austarierte, kalkulierte Niveau, auf dem Klassenkämpfe in den Metropolen gehalten werden. Die Schärfe des Angriffs auf Existenzrecht und Egalitätsansprüche muß in den politischen Antworten des revolutionären Widerstands, der adäquaten Wahl der Waffen und Aktionsebenen seine Entsprechung finden, wenn er glaubwürdig sein will. Jemandem, der Menschen in die Folter oder einen drohenden Tod schickt, kann man nicht das Auto anstecken oder eine Abreibung verpassen. Das ist unangemessen und verniedlicht sein Verbrechen.

Warum ihn dann nicht gleich töten? Wir meinen, wenn nicht offener Klassenkrieg herrscht, in dem die Liquidierung des Gegners zu einer Macht- und Überlebensfrage der Unterklassen wird Zustände, von denen wir weit entfernt sind kann ein politischer Mord nur einen exemplarischen Charakter haben.

Seine Bedeutung, seine einzige Rechtfertigung liegt in seiner politischen Dimension, da er die realen Machtverhältnisse nicht wirklich erschüttern und ernsthaft in Bedrängnis bringen kann. Seine Legitimation muß sich in seiner direkten Wirkung auf die Klassenauseinandersetzungen und die Zuspitzung des Klassenbewußtseins erweisen und kann sich nicht ausschließlich in der Bekämpfung des Gegners erschöpfen. Der politische Mord an einem bislang anonymen Funktionsträger von Staat und Kapital und mag er noch so wichtige Funktionen bekleidet haben muß politisch verpuffen. Denn was sagt die Aktion anderes aus als: da war jemand, der für das und das verantwortlich war und jetzt ist er weg, aus der Welt geschafft. Das Volk erfährt von seiner Existenz erst, nachdem sie ausgelöscht ist. Es gibt keine Chance, ihn zu hassen, seinen Tod zu wünschen.

Ein solcher Tod kann kein Aufatmen, keine Erleichterung auslösen. Das ist das politische Dilemma der Ermordung eines von Braunmühl25 zum Beispiel.

Etwas anderes dagegen vermittelte die Hinrichtung des Menschenjägers Buback.26 Mit ihm ist ein allgemein verhaßter und gefürchteter Volksfeind gefallen, dessen Tod ein Gefühl der Befreiung und Ermutigung ausgelöst hat. Einzig und allein diese Wirkung rechtfertigt etwas dermaßen Schwerwiegendes wie die politische Tötung eines Menschen, dieses äußerste und extremste Mittel im Klassenkampf, das sich durch seinen inflationären Gebrauch selbst entwertet.

Eine Guerilla, die leichtfertig gegen diese absolut verpflichtenden Gesetze der politischen Moral und Verantwortung verstößt, die zunehmend ihre Skrupel dieses wesentliche Merkmal, das revolutionäre Frauen und Männer vom Klassenfeind unterscheidet über Bord wirft, verspielt und verliert damit auch ihren eigentlichen Kredit und Anspruch: einen Klassenkampf mit dem Volk und für das Volk zu führen, in dem die Ziele einer freien, egalitären, menschlichen Gesellschaft aufscheinen.


aus: Die Fruechte des Zorns
Texte und Materialien zur Geschichte der Revolutionaeren Zellen und der Roten Zora
ID-Archiv im IISG/ Amsterdam (Hg.)
ISBN: 3-89408-023-X
[
Inhaltsverzeichnis]