Aktion gegen das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Dortmund (September 87)
Soziale Revolution gegen imperialistische Flüchtlingspolitik
Nachts, zwei Uhr. Eine Gruppe Berber, Nichtseßhafter, Sozialhilfeempfänger und Arbeitssuchende für eine schnelle Mark finden sich vor dem Gebäude des Schnelldienstes des Dortmunder Arbeitsamtes ein. Mit lautem Hallo und einigen Pullen Bier gegen die Kälte und Langeweile wird der Morgen erwartet. Viele kennen sich, denn die Prozedur wiederholt sich Nacht für Nacht. Sie kommen nicht freiwillig.
Das Programm, das sie herzwingt, bekannt als Zwangsarbeit für Sozialhilfeempfänger ist die Knute der Sozialverwaltung, ihre Klientel zu disziplinieren, und sie führt gleichzeitig den verschiedensten Unternehmen frei disponible Arbeitskraft zur billigsten Vernutzung zu.
Das System funktioniert so: wenn es auf der Schelle Arbeit gibt und sei es auch nur für einen Tag gibt es keine Sozialhilfe; wer keine Arbeit bekommt, braucht unbedingt den Amtsstempel, mit dem die Bereitschaft dokumentiert wird, am staatlichen Sklavenmarkt teilzunehmen. Denn ohne Stempel keine Sozialhilfe.
Szenenwechsel: ein paar Stunden später, dasselbe Gebäude, eine Tür weiter: hier ist die Außenstelle des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Zirndorf.
Diejenigen, die zur Arbeit gezwungen werden, sind längst weg. Nun finden sich die ein, denen von Amts wegen für Jahre jegliche Arbeit verboten wird: Flüchtlinge, Immigranten, AsylantragstellerInnen.
Hier wird im ersten Anlauf festgestellt, was vom Staat als politischer Asylgrund akzeptiert wird, was nicht. Sogenannte Entscheider, bundesrepublikweit 140 an der Zahl, befinden nach diesem Verhör über die Anerkennung, 70.000 Verhöre in einem Jahr. Inzwischen werden 90 % abgelehnt. Und Ablehnungsgründe gibt es viele. Wer aus beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen flieht, wer gar eine Strafverfolgung befürchtet, ist sofort aus dem Rennen. Desertation oder Kriegsdienstverweigerung (Iran), Folter und Totschlag (Türkei), sogar Völkermord (Tamilen) sind schon lange kein Asylgrund mehr, weil diese Formen der Behandlung von Menschen zum normalen, traditionellen und nicht außergewöhnlichen Instrumentarium der jeweils herrschenden Klasse gehören.
Hektographierte Zettel als Ablehnungsbescheide mit Standardbegründungen erleichtern das Geschäft, es ist der alltägliche zynische Umgang mit der Macht, die über Menschenleben entscheidet.
Den Zurückgestoßenen bleibt der mühsame, erniedrigende und erfolglose Weg über die Verwaltungsgerichte, um dort die Rückfahrkarte und den Abschiebeknast verpaßt zu bekommen.
Die Zufälligkeit, mit der in Dortmund zwei Ausformungen derselben Sozialpolitik örtlich zusammengeführt wurden, versinnbildlicht den repressiven Charakter des Sozialverwaltungssystems: Sonderbehandlung von Minderheiten mit dem Ziel der Kontrolle und der Selektion, mit der Intention rassistisch vermittelte Klassenspaltung zu schaffen und der stillschweigenden Akzeptanz der Auspressung in ungarantierten Arbeitsverhältnissen.
Wo im letzten Sommer noch aus Zeltstädten und überquellenden Sammellagern dem deutschen Stammwähler die Asylantenflut den sicheren Heimatboden wegzuspülen drohte, wo des Volkes Stimmung mobilisiert wurde, um in alter Tradition Fremdenhaß zu säen, wird heute die Einkreisung der hier verbleibenden Flüchtlinge organisiert.
Hatten noch Maßnahmen wie Grenzschließung, Einschränkung der Bewegungsfreiheit und die Kasernierung Gegenkräfte mobilisiert, scheint das Thema Asyl nur noch als billiges Profilierungsgequatsche zu den Menschenrechten zu taugen. Die Torturen und die Leideswege der Flüchtlinge der drei Kontinente sind immer noch die gleichen geblieben.
Die Einkreisungspolitik zielt darauf ab, die restlichen Flüchtlinge aus dem Land zu treiben, indem ihnen die Lebensgrundlagen entzogen werden. Die geplante Herausnahme aus dem Bundessozialhilfegesetz und die Schaffung eines Sondergesetzes, das nur noch Gelder bewilligen soll, die dem Lebensstandard in den Heimatländern entsprechen sollen, hungert die Menschen aus.
Die Anerkennungsquote wird systematisch runtergeschraubt. Daß die Flüchtlinge auf diese Weise dem illegalen Arbeitsmarkt zugeführt werden, gehört zum Repertoire kapitalistischer Ausbeutungsmethoden. Einige Branchen setzen zunehmend auf die Vernutzung illegaler Arbeitskraft aus dem Flüchtlingsmilieu.
Im Zusammenhang mit der Leiharbeit und dem staatlichen Zwangsarbeitssystem wird deutlich, daß der Anteil der ungarantierten Arbeit wächst. Gegen diesen Klassenkrieg von Oben müssen die Angriffslinien gegen das System liegen, um die Kampagen gegen die imperialistische Flüchtlingspolitik auszuweiten zum Kampf gegen die repressive Sozialpolitik und ihren Vermittlungsagenturen.
Unser Angriff auf beide Orte stellt eine Verbindung her, die die Ausweitung der Kampagne thematisiert. Dabei wissen wir natürlich, daß unsere Aktion die Politik der Spaltung und Desorientierung durch die Herrschenden nicht aufhebt und die rassistische Klassenstruktur nicht überwindet. Sie gibt eine Möglichkeit für zukünftige Konfliktlinien an.
Die verbrannten Akten in der Dortmunder Außenstelle des Zirndorfer Amtes
sollen den Flüchtlingen eine Atempause verschaffen und ein Beitrag dazu
sein, das faktische Aufenthaltsrecht durchzusetzen.
Anschläge gegen das Verwaltungsgericht Düsseldorf und das
Oberverwaltungsgericht Münster (1989)
Soziale Revolution gegen imperialistische
Flüchtlingspolitik
Sie machen sich nicht selbst die Hände schmutzig. Sie
beteiligen sich nicht selbst an Folterungen, Vergewaltigungen oder
Hinrichtungen, etwa von kurdischen oder tamilischen Frauen und Männern.
Dennoch ihre Arbeit ist ein blutiges Geschäft.
Sie sind ein kleines, aber wirksames Rad im internationalen Klassenkrieg
gegen die Armen der drei Kontinente. Ihre Waffe ist das Asylrecht. Ihr
Schutz die Anonymität des Justizapparates: die Richter an den Asylkammern
der westdeutschen Verwaltungsgerichte.
Wenn überhaupt was über die rassistischen Praktiken der Gerichte bekannt
wird, sind es die ganz spektakulären Fälle etwa der Tod eines Schwarzen
aus Sierra Leone, der, nachdem er von der 18. Kammer des Düsseldorfer
Verwaltungsgerichts ausgesondert worden war, in seiner Heimat von seinen
Verfolgern ermordet wurde der Täter: Richter Fix.
Die Geschwindigkeit und Präzision, mit der dieser Richter an der
Horrorkammer abschlägige Urteile gegen Flüchtlinge fällt, hat in
Deutschland Tradition. Der zynische Kommentar seines Dienstherrn: der Tod
des Schwarzafrikaners seit letztlich ein schicksalhaftes Geschehen.
Der alltägliche Horror, die Normalität ist die Aussonderung der
Flüchtlinge aus dem Trikont die Verweigerung ihres Existenzrechts.
Der weitaus größte Teil der weltweit zwangsmobilisierten Flüchtlinge
sind Frauen. Die meisten von denen, die es trotz Abschottung der Metropolen
überhaupt schaffen herzukommen, sind Männer. Es ist angesichts des
5jährigen Arbeitsverbotes, Bewegungsverbotes, dem Leben in Lagern, der
ständigen Unsicherheit ein zweifelhaftes Privileg aber immerhin noch
besser als die Lebensbedingungen der Frauen und Kinder, die in den
Flüchtlingslagern der Armutszonen der Welt täglich um ihr Überleben kämpfen
müssen wie z. B. die kurdischen Flüchtlinge in der Türkei, die vor den
deutschen Giftgasgranaten27 aus dem Irak fliehen mußten.
Die Flüchtlingsfrauen28, die sich hier nicht als Prostituierte in
Bordellen wiederfinden oder als Ehefrauen verkauft werden, sondern ihr
Recht auf Leben in Form von Asyl einklagen, haben ganz schlechte Karten:
sexistische Gewalt ist vor den Gerichten in der BRD kein Fluchtgrund
trotz Folter und Vergewaltigung an Frauen aus dem Widerstand oder von
sozialen Minderheiten.
Wird Folter an politischen Gefangenen z.B. aus der Türkei von den
Gerichten hier nur als normale Verfolgungsmaßnahme im Staatsschutzinteresse
bezeichnet, so charakterisiert das Oberverwaltungsgericht Münster in einer
Grundsatzentscheidung sexistische Gewalt gegen Frauen als allgemeine
Verfolgungsnahme, die nicht gegen Frauen als Geschlecht gerichtet sei. In
diesem konkreten Fall entschied dieses Gericht gegen eine Frau aus Sri
Lanka, weil eine Vergewaltigung als ganz normale Erscheinung in
Bürgerkriegssituationen kein individuell einklagbares Recht auf Asyl
begründen würde.
Wenn Flüchtlingsfrauen überhaupt ein Aufenthaltsrecht zugebilligt wird,
dann als Ehefrau eines anerkannten Mannes.
Es ist die Verachtung gegenüber Frauen, die ihnen hier wie dort als
Sexismus gegenübertritt. Der Angriff auf die weibliche Identität ist aber
auch die Angst der Herrschenden vor dem zunehmenden weltweiten Widerstand
von Frauen dem Widerstand der Besitzlosen, der alle Machtverhältnisse zum
Einsturz zu bringen droht.
Wir haben heute am Oberverwaltungsgericht Münster und im
Verwaltungsgericht Düsseldorf Sprengsätze gezündet, weil alle, die sich an
der Aussonderung und Kontrolle von Flüchtlingen beteiligen, wissen sollen,
daß auch sie die Solidarität der Unterdrückten treffen kann.
Wir haben inzwischen gelernt, daß die imperialistische
Flüchtlingspolitik nicht geschlechtsneutral ist. Wenn Männer in der
Metropole den Kampf gegen institutionalisierte Formen männlicher Macht
aufnehmen, dann nicht unter dem Vorzeichen einer angeblichen Gleichheit.
Das wäre nichts anderes, als der Ansatz zu einer neuen Dimension des
Betrugs.
Denn als Metropolenmänner sind wir selbst Teil des Problems, Profiteure
der sexistischen und rassistischen Machtstrukturen. Deshalb ist unser Kampf
für die Aufhebung aller Gewaltverhältnisse mit Sicherheit erstmal ein
widersprüchlicher Prozeß. Der Bezug auf den weltweiten Widerstand von
Frauen und Farbigen muß aber praktisch werden und hier die
institutionalisierten Formen des Rassismus und Sexismus angreifen
Solidarität ist ein Kampfbegriff.
Wir knüpfen heute an unsere Kampagne gegen die imperialistische
Flüchtlingspolitik an, die wir begonnen hatten, als im Sommer 86 die
rassistische Mobilisierung gegen Flüchtlinge als Hetzkampagne gegen
Wirtschaftsflüchtlinge und Überfremdung einsetzte. Ergebnis dieser
wohlinszenierten Staatskampagne waren die verschärften Lebensbedingungen
für Flüchtlinge und die dichten Grenzen. Die rassistische Ausländerpolitik
hier ist Teil einer globalen Bevölkerungs- und Sozialpolitik gegen die arm
gemachten Massen der 3 Kontinente. Sie richtet sich gegen ihren Versuch,
ihr Recht auf Leben und Existenz hier in den imperialistischen Zentren
zurückzufordern. Sie ist aber auch Teil der Sozialpolitik hier zur
Neuzusammensetzung der Klasse. Die rassistisch vermittelte Klassenspaltung
und der Sexismus sind die einzigen ideologischen Kampfmittel der
Herrschenden zur Ablenkung von den sozialen Folgen der kapitalistischen
Umstrukturierung, dem Angriff auf den Soziallohn, der Entgarantierung der
Arbeitsverhältnisse, den miesen Jobs zu Niedriglohnbedingungen, dem
Arbeitszwang für Sozi-Empfänger, die Aussonderung der Alten und
Kranken.
Die Propagierung der Kleinfamilie, die Kampagne der Rechten gegen den
218, die Einführung der neuen Reproduktionstechniken sind Teil des Angriffs
auf die Identität von Frauen, die sich auch hier zunehmend patriarchalen
Strukturen verweigern und widersetzen.
Die Bevölkerungs- und Sozialpolitik ist von ihrem Charakter her
sozialdarwinistisch.29 Das Prinzip der Auslese und Ausmerze wird schon
daran deutlich, wie die Verschärfung des Ausländerrechts und die
Durchsetzung der Gen- und Reproduktionstechnologien propagiert werden. So
sind in der Begründung für ein europäisches Forschungsprojekt Prädikative
Medizin offen eugenische Kriterien benannt worden. Im ersten Entwurf für
ein neues Ausländerrecht wurden nationalistisch-völkische Kriterien in den
Gesetzestext wiedereingeführt. Dieser Entwurf verdeutlicht nur die Essenz
der Ausländerpolitik: die Abschottung der Herrenmenschen vor den unnützen
Essern, den Farbigen des Trikonts und gleichzeitig ihre Verwertung als
Arbeitsvölker. Nach den Plänen für das neue Ausländerrecht wird es für die
schon aus der Zeit vor dem Anwerbestop 1973 hier arbeitenden ImmigrantInnen
minimale Verbesserungen geben, für alle anderen gibt es keinen gesicherten
Aufenthalt. Die Bestimmungen sind so vage gehalten, daß die
Ausländerbehörden, je nach den Erfordernissen des Arbeitsmarktes und
politischem Wohlverhalten, befristete Arbeitserlaubnisse erteilen können.
Die de-facto-Flüchtlinge sollen konsequent abgeschoben werden.
Die Aufnahme von hunderttausenden von Flüchtlingen aus Osteuropa steht
zur restriktiven Ausländerpolitik nicht im Gegensatz: die Aussiedler werden
zum begehrten Objekt zur Sicherung der Niedriglohnpolitik, analog der
Adenauerschen Flüchtlings- und Vertriebenenpolitik in der Nachkriegszeit.
Sie werden aber auch selbst zum Objekt des Rassismus in der
Gesellschaft.
Die Tatsache, daß an den Grenzen der BRD heute ein NSDAP-Mitgliedsbuch
mehr gilt, als die Folterspuren am Körper einer Farbigen, weist auf eine
Kontinuität europäischer Großraumpolitik seit dem Nationalsozialismus
hin.
So ist die Vereinheitlichung der Flüchtlingspolitik zum Schmiermittel
zur Durchsetzung der Vereinigten Staaten von Europa geworden, des Europa
der Bullen und Bonzen, im Interesse der Multis. Gegenstand vieler
Konferenzen und Verträge im Vorfeld des europäischen Binnenmarktes, wie
TREVI30 und Schengener Abkommen31, waren immer die Vereinheitlichung der
Sicherheitsapparate und die Ausländerpolitik. Es geht dabei um nicht
weniger, als den Entwurf einer modernisierten Innen- und Sozialpolitik im
europäischen Großraum. Dabei sind die einheitlichen Mechanismen zur
Zwangsmobilisierung der Arbeitskräfte aus den angrenzenden Armuts- und
Aufstandsregionen des Nahen Ostens (einschließlich der Türkei) und
Nordafrikas von besonderer Bedeutung.
Wir hatten unsere Kampagne gegen die imperialistische Flüchtlingspolitik
im Herbst 86 als Vorschlag an die gesamte autonome und sozialrevolutionäre
Linke in der BRD formuliert.
Wir gehen nach wie vor davon aus, daß Antiimperialismus in der Metropole
nur konkret werden kann, wenn er sich auf gesellschaftliche Konflikte hier
bezieht und sich ins Verhältnis setzt zu einem möglichen Klassensubjekt in
der Metropole und gleichzeitig zu den Kämpfen der Massen in den drei
Kontinenten. In diesem Zusammenhang sehen wir auch unsere Aktionen gegen
transnationale Konzerne hier zur Unterstützung des Befreiungskampfes im
südlichen Afrika.
Auch wenn unser Vorschlag nicht massenhaft praktisch aufgegriffen wurde,
so waren die Auseinandersetzungen um die Kampagne gegen das Treffen des
internationalen Mordkartells in Berlin32 ein wichtiger Schritt zur
Entwicklung eines antiimperialistischen Bewußtseins der Linken.
Daß der Feind aber nicht schläft, ist schon nach den Schüssen an der
Startbahn33 deutlich geworden. Die Schüsse waren nur der Auftakt einer
Verfolgungswelle, mit der der Staat versucht, all die politischen Ansätze
der letzten Jahre und die Entwicklung des militanten Widerstandes seit
Anfang der 80er einzudämmen. Durch den permanenten Belagerungszustand, die
Ausweitung der Anti-Terror-Gesetze, den verstärkten Einsatz
geheimdienstlicher Mittel, ist die radikale Linke seitdem auf sich selbst
zurückgeworfen.
Die Repression wird aber nicht im Protest gegen die Repression selbst
gebrochen, sondern durch die Verankerung sozialrevolutionärer Politik.
Die politische Entwicklung in diesem Land, insbesondere die Wahlerfolge
neofaschistischer Gruppen34, haben uns darin bestätigt, daß
antiimperialistische Politik in der Metropole nur dann eine Perspektive
hat, wenn sie gleichzeitig auch eine Antwort ist auf soziale Fragen: Das
Herz des Staates ist das Bewußtsein der Unterdrückten Revolution ist ohne
den Kampf um die Köpfe der Menschen nicht denkbar.
Wir hatten nie die Illusion, daß Teile der proletarischen Jugend, der
Frauen, der Arbeitslosen oder anderer Teile der Gesellschaft rasch
gemeinsame Interessen mit Flüchtlingen und ImmigrantInnen entwickeln
würden, dafür greift der Sexismus und der Rassismus nur zu gut.
Antiimperialismus muß aber genau dort angesiedelt sein und diesen Knoten
durchschlagen.
Den Befreiungskampf der Frauen und Farbigen in den drei
Kontinenten aufgreifen
den antiimperialistischen Kampf im Herz der Bestie führen!
Erklärung zum Anschlag auf das Ausländeramt Böblingen
(August 91)
Morgens hörst du die Nachrichten Bundesinnenminister
Schäuble schlägt vor, daß die west- und osteuropäischen Länder eine
abgestimmte und umfassende Abwehrstrategie gegen die Einreise von
Flüchtlingen entwickeln sollen. Du gehst beim Bäcker vorbei. Im Laden hörst du, wie die
Verkäuferin zur Kundin sagt Da muß man aufpassen, die klauen doch immer.
Sie meint einen Mann mit schwarzer Hautfarbe, der vor dem Ladenregal
steht. Mittags schlägst du die Zeitung auf und liest die Überschrift:
Brandanschlag auf Flüchtlingswohnheim. Einige BewohnerInnen wurden mit
Rauchverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert.
Du fährst in die Stadt. Unterwegs triffst du eine kurdische Genossin.
Sie erzählt dir, daß ihre vor einer Woche abgeschobene Freundin in der
Türkei festgenommen wurde. Sie haben sie mehrere Tage gefoltert. Abends
gehst du in deine Szene-Kneipe. Dort hängt ein Plakat:Internationales Fest
für Völkerverständigung mit ausländischem Essen und afrikanischer
Trommelmusik.
Das ist sicherlich nur ein Ausschnitt von dem, was wir
täglich hören, lesen und sehen. Beispiele für den alltäglichen Rassismus
und Vernichtungswillen, dem die hier lebenden Flüchtlinge und
ImmigrantInnen permanent ausgesetzt sind. Situationen, die auch bei uns Wut
und Haß gegen die dafür Verantwortlichen hervorrufen.
Doch durch unsere politische Arbeit wissen wir, daß
Betroffenheit alleine keine ausreichende Grundlage für kontinuierliches
politisches Handeln ist. Denn erst das Analysieren der
Herrschaftsverhältnisse, daß z.B. Rassismus ein integraler Bestandteil der
imperialistischen Ausbeutung ist und daß diese durch die rassistische
Sozialisation jeder und jedes einzelnen gesellschaftlich abgesichert wird,
macht es uns möglich, Ansatzpunkte für einen revolutionären Widerstand zu
finden. Hinzu kommt, daß Betroffenheit allein dazu führen kann, in
Flüchtlingen und Immigrant/inn/en nur die Opfer zu sehen, anstatt auch
ihren tagtäglichen Widerstand gegen die hier bestehenden Herrschafts- und
Unterdrückungsverhältnisse wahrzunehmen.
Es ist notwendig, daß wir unsere rassistische Sichtweise ablegen und
unseren Blickwinkel erweitern: Ob in überfüllten Sammellagern oder auf
Dörfern in der Ex-DDR, ob auf Ämtern oder auf der Straße überall kämpfen
sie gegen ihre Diskriminierung und für ein menschenwürdiges Leben. Sie
organisieren sich und machen Demonstrationen, Besetzungen, Hungerstreiks
und andere Protestaktionen.
Herrschaftsabsicherung auf unterster Ebene
Die Ausländerbehörde spielt für Flüchtlinge und
Immigrant/inn/en eine zentrale Rolle. Permanent sind sie mit dem
institutionalisierten Rassismus dieser Behörde konfrontiert.
Auf der Grundlage des Ausländergesetzes und anderer
Sondergesetze wird hier über Aufenthaltsstatus, Arbeitserlaubnis oder
Ausweisung entschieden. Neben diesem in Gesetze gegossenen Rassismus
treffen Flüchtlinge und Immigrant/inn/en auf den Rassismus der
Schreibtischtäter/innen und müssen sich gegen deren Willkür, Schikanen und
Erniedrigungen zur Wehr setzen. Die Beamt/inn/en spielen in vielen Fällen
ihre Macht aus, z.B. wenn sie Flüchtlingen die notwendige Erlaubnis zum
Besuch von Familienangehörigen in einem anderen Landkreis verwehren. Immer
bleibt Flüchtlingen und Immigrant/inn/en das Gefühl, hier nicht erwünscht
zu sein, den herrschenden Normen in den Metropolen nicht zu entsprechen,
weil sie bestimmte Kriterien nicht erfüllen sei es die richtige Hautfarbe
oder das richtige Geschlecht, sei es ausreichender Wohnraum oder die
angepaßte politische Überzeugung, sei es die falsche Kultur oder Religion,
sei es die unbrauchbare Arbeitskraft oder die Herkunft aus dem Trikont. Die
Mechanismen zur Absicherung der imperialistischen, rassistischen,
patriarchalen Herrschaft greifen auf unterster Eben Die Beamt/inn/en
selektieren Flüchtlinge und Immigrant/inn/en nach deren Verwertbarkeit. Die
Beamt/inn/en kontrollieren deren Alltag und politische Aktivitäten. Die
Beamt/inn/en leiten die Abschiebung ein, wenn Flüchtlinge und
Immigrant/inn/en nicht oder nicht mehr verwertbar sind. Auch einzelne,
sozial eingestellte Beamt/inn/en ändern nichts an der Tatsache, daß sie
Handlanger/innen der imperialistischen Migrationspolitik sind. Das Unrecht ist nicht anonym. Es hat einen Namen und eine
Adresse (Brecht)
Zum Beispiel das Ausländeramt in der Steinbeisstraße in
Böblingen. Am 22.8.91 haben wir bei diesem Amt einen Sprengsatz
gezündet.
Mit der Einführung des neuen Ausländergesetzes am 1.1.91
eröffneten die Herrschenden in der BRD eine neue Etappe gegen die Menschen
aus Nicht-EG-Ländern. Es ist die Grundlage für die am 3. Mai auf der
Innenministerkonferenz beschlossene Abschiebung von De-Facto-Flüchtlingen.
Über 50.000 Menschen, die bisher wegen der besonderen Lage im Heimatland
aus humanitären Gründen in der BRD geduldet wurden, sollen jetzt wieder der
Verfolgung und Vernichtung ausgesetzt werden. Gegen die angekündigten
Massenabschiebungen regte sich überwiegend aus dem
humanistisch-christlichen Spektrum Protest, der dazu beigetragen hat, daß
es am 15. Juli zu einer erneuten Innenministerkonferenz kam. Die
Herrschenden änderten die Modalitäten der Abschiebungen und einigten sich
auf eine Salami-Taktik. Der bisher praktizierte generelle Abschiebstopp für
Flüchtlinge aus bestimmten Ländern wurde beseitigt. Flüchtlinge sollen, je
nach Herkunftsland, zeitlich versetzt abgeschoben werden. Daß diese Politik
jetzt nur noch die ab dem 1.1.89 eingereisten De-Facto-Flüchtlinge
betreffen soll, ändert nichts am Zynismus der BRD, Menschen überhaupt in
Krisen- und Kriegsgebiete abzuschieben. Diese aktuelle Regelung entspricht
voll und ganz den bürokratischen und organisatorischen Möglichkeiten der
Abschiebebehörden. Wir sehen dahinter das Ziel, das reformistische und
christliche Spektrum zu beruhigen und den gemeinsamen solidarischen
Widerstand der Betroffenen zu spalten und isolieren. Den von Abschiebung
bedrohten De-Facto-Flüchtlingen bleibt nur noch die Möglichkeit der
Einzelfallprüfung. Etliche wissen, daß dieser Weg aussichtslos ist und
reisen statt dessen freiwillig aus, bzw. versuchen, illegal in ein
anderes Land zu kommen.
Krieg gegen die Immigrant/inn/en und Flüchtlinge Abschottung
und Selektion
Innerhalb der EG wird es für Flüchtlinge und
Immigrant/inn/en schon vor dem Inkrafttreten des Schengener Abkommens
zunehmend schwerer, sicher zu leben. So will z.B. Frankreich rigoros gegen
legale und illegale Flüchtlinge vorgehen und über 70.000 von ihnen
abschieben. Ein französischer Regierungssprecher nennt diese Politik gegen
die illegalen Immigrant/inn/en konsequenterweise Krieg.
Es ist ein Krieg in Italien, der mit brutalster Härte gegen
albanische Flüchtlinge geführt wird. Die italienischen Behörden schrecken
nicht davor zurück, tausende von Menschen im Stadion von Bari zu
internieren, um sie dann zu deportieren. Durch die absichtlich ungenügende
Versorgung mit Lebensmitteln, die miserable ärztliche Betreuung und den
Einsatz von Waffen, haben sie Verletzte und Tote in Kauf genommen.
Es ist ein Krieg, der Flüchtlinge oft schon umbringt, wenn sie z.B. aus
dem Maghreb unter lebensgefährlichen Bedingungen übers Meer nach Spanien
fliehen müssen. An den Grenzlinien zwischen Nord und Süd wird der Krieg
bald die Form des Krieges der USA annehmen, die schon jahrelang am Rio
Grande auf die Immigrant/inn/en aus dem Süden schießen.
Inzwischen ist überall in den Metropolenstaaten offensichtlich, wie
dieser Spezialkrieg aussieht und sich entwickeln wird. Die bürgerlichen
Medien verbreiten im Sinn der Herrschenden das Schreckensszenario von einer
Flüchtlingsflut, als ob nicht bekannt wäre, daß die Mehrheit der
Migrant/inn/en (80 % davon sind Frauen und Kinder) innerhalb des Trikonts
selbst flüchten. Nur ein geringer Teil der Menschen, die auf der Flucht
sind, kommen bis nach Europa. Genauso bekannt ist, daß die
imperialistische, patriarchale und rassistische Ausbeutungspolitik der
Metropolenländer zur massiven Zerstörung der Subsistenzwirtschaft im
Trikont beiträgt. Das ist eine der Hauptursachen für die weltweite
Migrationsbewegung.
Die Folgen dieser Zerstörung treffen Frauen und Männer unterschiedlich.
Frauen haben im Gegensatz zu Männern weit weniger die Möglichkeit zu
Lohnarbeit in weiter entfernten Ländern oder anderen Kontinenten. Sie sind
weniger mobil, weil sie die Versorgung der Familie leisten müssen. Wenn sie
flüchten, flüchten sie zumeist in Nachbarregionen oder in angrenzende
Länder, vegetieren in Flüchtlingslagern dahin oder versuchen ihr nacktes
Überleben in den Großstadtslums zu organisieren. Bestenfalls werden die
jüngsten und gesündesten von ihnen in den Weltmarktfabriken vernutzt.
Vielen Frauen bleibt nichts anderes übrig, als sich als Prostituierte über
Wasser zu halten. Nicht selten müssen sie sich an weiße Sextouristen
verkaufen.
Erst in den letzten Jahren kommen aus bestimmten Trikontländern und
Osteuropa mehr Frauen als früher in die reichen Metropolen. Hier erwartet
sie eine patriarchale Gesetzgebung, die sie zum rechtlosen Anhängels der
(Ehe-)Männer macht und ein sexistisches Klima, das sie zwingt, sich und
ihren Körper für die rassistisch-sexistischen Interessen weißer Männer zu
prostituieren. Die Frauen haben auch in den Metropolen die Aufgabe, ihre
Männer zu reproduzieren. Frauenspezifische Fluchtgründe werden im
Asylverfahren nicht anerkannt. Als Ehefrauen erhalten sie kein
eigenständiges, gesichertes Aufenthaltsrecht.
Nur wenige Frauen und Männer haben das oft zweifelhafte Glück, den Weg
in den reichen Norden zu schaffen. Sie sind die sinnlich erfahrbare
Rückwirkung der Folgen der imperialistischen Ausplünderung, der
ökologischen Zerstörung und der dadurch entstehenden Kriege und
Befreiungskämpfe.
Dazu schreiben Immmigrant/inn/en: Heute, wo fast 20 Millionen
ImmigrantInnen in den europäischen Staaten leben, kann niemand mehr die
Realität verdrängen, daß aus der Armut eine Völkerwanderung stattfindet: zu
dem Reichtum.
Ursachen für diese Völkerwanderung sind 500jährige Kolonialgeschichte,
neue kolonialistische und gegenwärtige Export- und Kriegswirtschaft.
Aufgrund dieser jahrhundertelangen kolonialistischen und imperialistischen
Ausbeutungspolitik herrscht im größten Teil der Welt Hunger und Armut. Und
aufgrund dieser Politik sind die in den Metropolen lebenden Menschen
privilegiert und leben im Wohlstand. Deshalb sind die Menschen, die aus der
Armut zu dem Reichtum immigrieren, berechtigt, hierzubleiben. Egal, aus
welchem Grund sie da sind. Diese Migration ist als eine Art
Kriegsführung zu verstehen. Gegenüber den Armutsverursachern und als eine
Art Manöver, um vorzuzeigen, daß sie berechtigterweise Anspruch auf die
jahrhundertelang geraubten Güter geltend machen werden. (aus: radikal
142)
Diese alte neue Weltordnung, die jetzt gegenüber den Flüchtlingen und
Immigrant/inn/en die letzten Masken fallen läßt, zeigt offenkundig für
jede/n, die und der es sehen will, wie der imperialistische Weg als
globales Modell faktisch funktioniert. Der Status quo kann in den reichen,
relativ befriedeten Metropolen nur abgesichert werden, wenn 3/4 der Welt
abgehängt werden. Systematische Verelendung und Vernichtung sind das
Prinzip. Daß hierbei inzwischen etliche Länder und halbe Kontinente als
Ausschuß betrachtet und abgeschrieben werden, juckt die wenigsten
Metropolenbürger/innen.
In Europa setzt die BRD-Politik den Maßstab für den Abwehrkrieg, den
andere europäische Staaten übernehmen müssen. Die Herrschenden bereiten
sich darauf vor: rechtlich, politisch, ideologisch, militärisch. Sie werden
sich die menschlichen Rosinen sprich: (aus-)gebildete, leicht integrierbare
Menschen aus dem Trikont und zukünftig auch aus der Sowjetunion und
Osteuropa herauspicken und den Rest sofern nicht kurzfristig verwertbar
abschieben.
Reuter von Daimler-Benz und Geißler von der CDU sind sich gegenüber der
deutschen und europäischen Rechten einig: Einwanderung im richtigen Maß
ist die Zukunftsparole. Welches Maß das ist, können wir uns denken.
Flüchtlinge und Immigrant/inn/en sind dann kein Problem, wenn sie sich
kontrolliert für die Absicherung des beutemachenden Lebensstils einsetzen
lassen. Ob als billige, nicht aufmuckende Hamburgerproduzent/inn/en bei
MacDonalds ob als tschechoslowakische oder polnische Saisonarbeiter/inn/en
in Bauwesen, Landwirtschaft oder Gastronomie, ob als zwangsarbeitende
Flüchtlinge für 2,50 DM die Stunde im bayrischen Wald, ob als
erotisch-exotische Prostituierte und/oder Hausfrauen oder ob sie als
Unterhaltungskünstler/innen den öden deutschen Alltag bereichern, so sind
sie willkommen.
Der Selektionskatalog ist ein unverzichtbarer Bestandteil der
Abschottungs- und Abschiebepolitik. Europaweit werden Flüchtlinge und
Immigrant/inn/en aussortiert, gezielt eingesetzt, geschlechtsspezifisch
vernutzt, ausgetauscht und kontrolliert. Es ist wichtig, daß ihre
potentielle Verwertbarkeit schnell genug herausgefunden werden kann die
europäischen Selektionsexpert/inn/en stehen schon bereit.
Wer aussortiert wird wie z.B. die Roma gelangt in Zukunft kaum
wieder in die reichen europäischen Metropolenländer. Roma sind immer die
letzten, die hier gebraucht werden und erwünscht sind, und sie sind immer
die ersten, die abgeschoben werden.
So funktioniert neben dem Sexismus ein sich multikulturell gebender,
aber knallhart kalkulierender Rassismus als Herrschaftsinstrument.
Die Hilflosigkeit der Linken
Immigrant/inn/en und Flüchtlinge, die hierher kommen,
handeln im Sinne der Wiederaneignung ihrer Lebenschancen, ihrer Gesundheit
und ihrer Würde. Das ist den Herrschenden im Gegensatz zur metropolitanen
Linken -längst klar. Dazu schreiben die Immigrant/inn/en Aber leider kann
der größte Teil der antiimperialistisch und antikapitalistisch gesinnten
Linken in diesem Land diesen antiimperialistischen Ansatz nicht verstehen.
Dieser Migrationsprozeß, der aus der Vertreibung und Entwurzelung von
Millionen resultiert, der auch als Rache der Enterbten und als Kampfansage
gegen das Kapital verstanden werden soll, läßt die deutsche Linke in
Hilflosigkeit und Lähmung fallen. (aus radikal Nr. 142) Wenn sich die Linke nur über die Abschiebeseite der
Migrationspolitik entrüstet und die Seite der selektiven Verwertung in
ihrem postmodernen Lebensstil ausblendet, trägt sie damit ihren Teil zur
Zementierung der globalen Ausbeutungsverhältnisse bei. Der Gewinn, der
immer noch abfällt, korrumpiert und vernebelt den Blick gegenüber den
patriarchalen, rassistischen und imperialistischen Interessen. Er läßt den
Protest gegen Abschiebungen als Krokodilstränen daherkullern und lähmt die
Entwicklung eigener radikaler Handlungsansätze.
Was tun? Was tun!
Die Entscheidung, der herrschenden imperialistischen
Flüchtlingspolitik Widerstand entgegenzusetzen, ist eine praktische
Konsequenz aus unserem antiimperialistischen Verständnis. Denn die
Solidarität endet nicht bei der Unterstützung von Befreiungsbewegungen,
sondern zeigt sich auch in unserer praktischen Solidarität mit den
Flüchtlingen und Immigrant/inn/en hier. Sie findet ihren notwendigen
Ausdruck im Angriff auf die Verantwortlichen für die Ausländergesetze, auf
die Schreibtischtäter/inn/en, Abschiebeschweine und
Gesetzesvollstrecker/innen mit weißen Kragen.
Antiimperialismus hat zwar immer eine wesentliche Rolle in
linker Theorie und Praxis gespielt, aber die patriarchalen und
rassistischen Grundlagen der weltweiten Ausbeutungsverhältnisse sind erst
in den letzten Jahren ansatzweise Bestandteil im linksradikalen Spektrum
geworden.
Wir kämpfen für eine herrschaftsfreie Gesellschaft. Dazu müssen wir die
verschiedenen Unterdrückungformen und die gesellschaftlichen Widersprüche
benennen, die wir abschaffen wollen. Mit Freiheit verbinden wir die
Beseitigung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen weltweit und das
Ende aller patriarchalen und rassistischen Gewaltverhältnisse.
Wir werden hier als weißer Zusammenhang für antirassistische
Lebensvorstellungen kämpfen und das in einer eigenständigen
Auseinandersetzung und politischen Praxis umsetzen. Dabei gibt es für uns
nach wie vor mehr Fragen als fertige Antworten. Unser Ausgangspunkt unser
politisches Ziel und unsere politische (Alltags-)Praxis müssen sich deshalb
immer wieder der Diskussion stellen und hinterfragen lassen. Unsere
Glaubwürdigkeit ergibt sich nicht nur aus Schreibtischanalysen, sondern
entscheidend auch aus unserer Praxis.
Wir solidarisieren uns mit Flüchtlingen und Immmigrant/inn/en und
beziehen dabei Position. Fehler und Widersprüche werden sich immer wieder
herausstellen.
Wir kämpfen nicht stellvertretend für Flüchtlinge und Immigrant/inn/en,
doch wir haben die Hoffnung, daß wir perspektivisch eine politische Kraft
entwickeln, gemeinsam mit ihnen genauso wie mit anderen gesellschaftlichen
Gruppen.
Eigenständige Organisierung und Praxis sehen wir als Basis für diese
Perspektive. Wie die Zusammenarbeit aussehen kann, ob in Bündnissen oder in
gemischten Zusammenhängen, wird sich zeigen. Für uns stellt sich die Frage,
was wir dazu beitragen können und welche Voraussetzungen wir von unserer
Seite aus schaffen müssen. Als weiße Linke und als weiße Feministinnen
profitieren wir von rassistischer Unterdrückung und wissen, daß es nicht
ausreicht, die Vorteile, die uns dieses System bietet, zurückzuweisen und
so zu tun, als ob wir uns einfach auf die andere Seite stellen könnten. Als
weiße Männer und Frauen müssen wir uns bewußt machen, daß wir in einer
langen Geschichte von kolonialistischer und imperialistischer Ausplünderung
der Welt und dem vielfältigen Widerstand der Menschen dagegen stehen.
Wir sehen die schwierige, aber unumgängliche Aufgabe, dieses historische
Erbe genau aus unserer Situation als metropolitane Linke aufzuarbeiten und
uns kritisch anzueignen.
Es ist ein theoretischer und praktischer Prozeß, der nicht individuell,
glatt und platt gelingen kann, sondern mit Menschen aus dem
antiimperialistischen Widerstand, mit Flüchtlingen und Immigrant/inn/en
allmählich erarbeitet werden muß. So kann internationale Solidarität
lebendig werden und indem sie praktisch wird, können wir sie gegen die
Verantwortlichen für die imperialistische Zerstörung richten, ohne unsere
metropolitane Geschichte zu verleugnen.
Aus diesem internationalistischen Verständnis heraus verstehen und
erleben wir die Abschaffung rassistischer Spaltungs-, Ausbeutungs- und
Herrschaftsmechanismen als Teil unserer eigenen Befreiung und als Teil der
Befreiung von sämtlichen Machtstrukturen. Es wird ein langer
widerspruchsvoller Weg sein, zu dem es keine Alternative gibt.
Es geht darum, die alltägliche Gewöhnung an rassistische und sexistische
Übergriffe zu durchbrechen, uns zu sensibilisieren und schlagkräftig zu
werden auf allen politischen Ebenen. Das bedeutet auch, die
ausländerbehördliche Praxis vor Ort aus dem Schatten der Anonymität zu
reißen, die Orte des rassistischen Alltags, der vielen Flüchtlingen und
Immigrant/inn/en gerade dort begegnet, ans Licht zu bringen und
anzugreifen. Die Arbeit der Abschiebeschweine muß be- und verhindert
werden, wo es uns möglich ist. Wir wissen, daß sich im Moment nur wenige
Menschen hier in den Metropolen mit Flüchtlingen und Immigrant/inn/en
solidarisieren.
Doch unser Kampf hat zum Ziel, genau diese Solidariät zu entwickeln, um
damit den Herrschenden ihre Spaltungs- und Ausbeutungswerkzeuge zu
entreißen.
ÜE
ÜE
ÜE
ÜE
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aus:
Die Fruechte des Zorns
Texte und Materialien zur Geschichte der Revolutionaeren Zellen und
der Roten Zora
ID-Archiv im IISG/ Amsterdam (Hg.)
ISBN: 3-89408-023-X
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