nadir start
 
initiativ periodika Archiv adressbuch kampagnen suche aktuell
Online seit:
Sun Sep 10 22:31:51 1995
 

Keine Aussagen vor BAW und BGH

Wir stehen heute hier vor BGH und BAW, weil vier unserer Mitbewohnerlnnen von Beugehaft bedroht sind.
Zeuglnnenvorladungen und bei Aussageverweigerung Beugehaft, scheint in der Bekämpfung von Widerstand heutzutage Allzweckwerkzeug zu sein. So müssen wir davon ausgehen, daß noch mehr aus unserem Wohnprojekt vorgeladen werden.

Während der dritten Hausdurchsuchung unseres teilbesetzten Hausese in Frankfurt, am 27,06.95 wurden von Bundesanwalt Griesbaum vier Zeuglnnenvorladungen direkt ausgesprochen. Diese Termine wurden nicht wahrgenommen, so daß wir zwei Wochen später Vorladungen vor die BAW für den 20.07.95 zugeschickt bekamen. Diese Ladungen richten sich gegen sechs Leute.

Hintergrund der Durchsuchung ist ein Verfahren gegen 'Unbekannt, wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Herbeiführung eines Sprengstoffanschlags'. Wir sind in diesem Verfahren Zeuglnnen und nicht Beschuldigte, daß sie das nach Belieben umdrehen können zeigen Erfahrungen der Vergangenheit. Unser Wohnprojekt setzt sich aus unterschiedlicher politischer Arbeit zusammen (wie z.B. antirassistische/ antifaschistische Stadtteilgruppe, Antifa, freie Radioinitiative), auch deswegen werden wir jetzt angegriffen.

Wir wissen, daß die Androhung von Beugehaft dazu benutzt werden soll um Aussagen zu erpressen, wie sie auch ein Mittel ist um Leute zu kriminalisieren und terrorisieren. Diese Vorgehensweise scheint das Repressionsmittel der 90er Jahre zu sein.
Das jüngste Beispiel ist ein Bremer, der bei einer Zeugenvorladung wegen 'Radikal' die Aussage verweigert hat. Er sitzt nun für fünf Monate in Beugehaft, welche vom BGH-Richter Beyer ausgesprochen ist. Unter seiner Regie laufen die meisten politischen Verfahren gegen linke Zusamrnenhänge, wie z.B. 'Radikal/AIZ/Komitee', Weimar ( Anschlag gg. 'Junge Freiheit') wie auch gegen uns.
Wir finden die Haltung keine Aussagen zu machen die einzig richtige Entscheidung. Auch wenn die gestellten Fragen manchmal unwichtig erscheinen, soll durch sie eine Kooperation mit dem Staatsapperat erreicht werden. Die Ermittlungsbehörden sind bernüht jegliche Informationen zu erzwingen. Ein beliebtes Instrumentarium hierbei ist das Negativraster, an dessen Ende für die Behörden immer Menschen übrig bleiben, die dann 'in Frage' kommen. Diese Form von Kriminalisierung soll zur individuellen Gefahr umfunktioniert werden. Das eigene und das kollektive Selbsverständnis nicht mit dem Staatsschutz zu reden, soll gebrochen werden.

Leider war es in der Vergangenheit nicht immer für alle Betroffenen selbsverständlich diese politische Grundhaltung einzunehmen.

Das ist auch nicht verwunderlich, weil für viele der persönliche Rahmen fehlt, in dem das Vertrauen und die Sicherheit da ist, um gemeinsam solche Entscheidungen zu tragen, wie auch in vielen politischen Zusammenhängen Aussageverweigerung nicht diskutiert wird.
Aussageverweigerung ist keine Selbsverständlichkeit, sondern muß immer wieder neu erarbeitet und überprüft werden.

Für uns ist es keine individuelle Entscheidung, wie mensch sich bei Zeuglnnenvorladungen verhält. Aussageverweigerung ist eine Widerstandshaltung und die politische Verantwortung dafür muß von allen übernommen werden.

Wenn alle die Aussage verweigern, heißt das, daß das Mittel der Beugehaft ins Leere läuft.

Bewohnerinnen und Bewohner der Fritzlarer Str, 18, Frankfurt am Main