Was den Vorwurf der Geiselnahme betrifft, sahen die in der Verhandlung
eingeführten 'Beweise' recht dürftig aus: Diese bestanden jeweils aus den
Protokollen der polizeilichen Vernehmungen von weiteren Beschuldigten der
'Elwe'-Revolte, die wegen ihrer eigenen Verfahren nicht vor Gericht
aussagten. Im ersten der Prozesse, hatte einer von ihnen angegeben, daß seine
Aussagen bei der Polizei aus Angst und unter dem Eindruck der Mißhandlungen
in der JVA-Wehlheiden gemacht worden sind, es liegt nahe dies auch für die
anderen anzunehmen, da ihre Vernehmungen ebenfalls nach den Mißhandlungen
stattgefunden haben. Desweiteren mußte das Protokoll der Angaben eines türk.
Häftlings aus der 'Elwe' wieder zurückgezogen werden, da es sich
offensichtlich um Falschaussagen handelte, was sich schon im Prozeß gegen
Mohammed B. erwiesen hatte. Die ehemalige Geisel sagte vor Gericht diesmal
nicht aus, es wurden die Protokolle seiner Ermittlungsaussagen verlesen, in
denen Zamir nicht auftauchte.
Dennoch glaubt das Gericht sich aus diesen Aussagen ein sicheres Bild vom
Verhalten Zamirs während der Revolte gemacht zu haben, dahingehend, daß er
zwar keine herausragende Rolle gespielt aber die Revolte in ihren Inhalten
und Zielen unterstützt und mitgetragen habe. Da ihm bekannt war, daß eine
Geisel genommen wurde hat er sich durch 'Nicht-Distanzierung' daran
'gemeinschaftlich' beteiligt. Als 'minderschwer' wird dieser Fall angesehen,
da keine direkte Beteiligung an der Geiselnahme bewiesen wurde, das Strafmaß
so hoch angesetzt weil es eine Beteiligung an den Plünderungen gegeben haben
soll, außerdem soll so "die Straftat in ihrem gesamten Ausmaß" nicht aus den
Augen verloren werden. Auch diesmal ging Richter Damm über das vom
Staatsanwalt geforderte Strafmaß hinaus (die Verteidigung hatte auf
Freispruch plädiert), was nach den bisherigen Prozessen vor dieser Kammer
(Mohamed M. & Adel M.) zu erwarten war. Schon am ersten Verhandlungstag hatte
der Richter den Verteidiger belehrt, daß er sich seine Verhandlungsführung in
bezug auf Anträge überlegen sollte, welche Auswirkungen die für seinen
Mandanten haben, "es müssen nicht alle Rechte des Angeklagten ausgeschöpft
werden". Ein Befangenheitsantrag u.a. dazu, wurde später abgelehnt, da dieser
formal zu spät (zweiter Prozeßtag, nach Feststellung der Personalien)
gestellt wurde.
Die Verteidigung legte Rechtsmittel ein.
Mit Ende dieses Prozesses tritt eine längere Pause in den 'Elwe'-Prozessen
ein. Ab dem 11.09.95 wird es mit einem Sammelprozeß gegen neun Angeklagte
gleichzeitig vor der I. Strafkammer des LG-Kassel weitergehen. Unter den
Angeklagten sind einige die von der Justiz als Haupttäter angesehen werden.
Damit die Verhandlungen nicht wie bisher vor fast leeren Sälen stattfinden,
möchten wir Euch auffordern zu diesem und allen weiteren Terminen (13. 18.
20. 25. & 27.09) um 9.00 h zum Landgericht in Kassel, Frankfurter Str. zu
kommen.
'Elwe'-Prozeßbeobachtungsgruppe
PS: wegen der Neufassung unseres Verteilers hatten wir Euch gebeten, Euch bei
uns rückzumelden. Die das bisher nicht getan haben mögen das bitte tun, nach
diesem Rundbrief werden wir nur noch solche berücksichtigen von denen wir
gehört haben.
'Elwe'-Prozeßbeobachtungsgruppe
c/o AStA der Gh-Kassel
Nora-Platiel-Straße 2
34127 Kassel
Fax: 0561/84247
Bankverbindung
Stadtsparkasse Kassel
BLZ.: 520 501 51
KontoNr.: 392 483 4
Empf.: M. F.
Stichwort: Pakete