Vorweg
Die Staats-Gewalt nimmt zu. Hier sind einige praktische Ratschläge
bei Vorladungen, Durchsuchungen, Festnahmen und Anwerbeversuchen dokumentiert.
Die Tips ersetzen nicht Rat und Hilfe von AnwältInnen. Sie sollten
so früh wie möglich eingeschaltet werden, nicht erst, wenn ein
Gerichtsprozess ansteht.In vielen Städten arbeiten außerden
Ermittlungsausschüsse oder Gruppen von "Roter oder Bunter Hilfe",
sie sind eine gute Möglichkeit für die Herstellung von Öffentlichkeit
und Solidarität und sollten auch so genutzt werden.
Beschuldigt ist, wem eine Straftat vorgeworfen wird. Es gilt vor Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht ein Schweigerecht. In jedem Verfahrensstadium darf anwaltlicher Beistand verlangt werden. Mit diesem ist die Sache zu besprechen, er kann die staatliche Akte anfordern und auswerten und die weitere Strategie mit Dir festlegen. Einer polzeilichen Vorladung muß nie gefolgt werden, bei Ladung zur Staatsanwaltschaft kann diese durch zwangsweise Vorführung erfolgen - alle genannten Rechte bleiben aber natürlich bestehen.
Zeuge ist, wer nicht beschuldigt wird, aber etwas über Personen
oder Sachverhalte aussagen soll. Ein gesetzliches Recht zur Aussageverweigerung
haben nur Familienangehörige, Verlobte etc, Berufsgruppen wie Berater
einer Drogeneinrichtungen, Anwälte oder Pastoren oder wer sich durch
wahrheitsgemäße Angaben selbst einer Strafverfolgung aussetzen
würde.
Für die anderen gilt: Einer Zeugenvorladung zur Polizei muß
nicht Folge geleistet werden, es drohen keine Sanktionen. Ein Erscheinen
bei Staatsanwaltschaft und Gericht kann erzwungen werden. Eine Anwältin
kann bei diesen Vernehmungen als "Zeugenbeistand" anwesend sein
und vorher die Sache genau besprechen. In politischen Verfahren hat sich
der Grundsatz bewährt "Anna und Artur haltens Maul". Dies
setzt viele Gespräche und Öffentlichkeit voraus, denn Verweigerung
der Aussage kann "Beugehaft" (bis sechs Monate) oder "Zwangsgeld"
(bis 1000 DM) nach sich ziehen.
Von Hausdurchsuchungen bist Du generell nur in der Zeit von 21 Uhr
bis 4 Uhr morgens verschont. In Eilfällen nicht einmal dann. Ein wirksamer
rechtlicher Schutz vor Ort besteht nicht. Die folgende Liste gibt aber
Verhaltenshinweise.
- Sofort nach dem schriftlichen richterlichen Durchsuchungsbeschluß
fragen, eine Durchschrift darfst Du behalten.
- Fehlt ein solches Schriftstück und berufen sich die Beamten auf
"Gefahr im Verzug" (Eilbedürftigkeit), müssen sie den
Grund des Eindringens besonders gründlich bekannt geben.
- Mündliche Beschwerde gegen die Durchsuchung einlegen. Beamte nach
Namen und Dienstnummer fragen.
- Der Wohnungsinhaber hat das Recht, ständig bei der Durchsuchung
anwesend zu sein. In jedem Fall versuchen, Freunde, Nachbarn und Anwälte
ranzuholen. Telefonieren darf nicht verboten werden, außerhalb der
Bürozeiten gibt es an manchen Orten "Anwalts-Notdienste".
- Ist der Wohnungsinhaber nicht anwesend, haben "Vertreter, erwachsene
Angehörige, Hausgenossen oder Nachbarn" das Recht auf Anwesenheit.
- Nur die Staatsanwaltschaft hat das Recht die beschlagnahmten Papiere,
Materialien, Disketten etc. durchzusehen. Ist bei einer Durchsuchung kein
Staatsanwalt dabei, müssen alle Sachen verpackt und versiegelt werden,
wenn man den Polizisten die Durchsicht verbietet. "Überfliegen"
dürfen die Beamten aber die Papiere etc.
- Nach Durchsuchungsende hast Du das Recht auf ein vollständiges Durchsuchungsprotokoll
mit dem Verzeichnis der beschlagnahmten Gegenstände. Leiste keine
Unterschrift auf dem Protokoll.
- Eine Herausgabe von Materialien, auch Computer-Hardware, erfolgt durch
die Staatsanwaltschaft, und sollte von einer Anwältin beantragt werden.
Das wichtigste ist: Ruhe, keine Panik, keine Angst, sich in dieser extremen Situation nicht kopflos verhalten und Kontakt nach "draußen" verlangen.
Erfolgt die Festnahme bei einer Demonstration oder Aktion mit Menschen
drumherum empfielt es sich laut den eigenen Namen zu rufen. Andere werden
aufmerksam, können sich das Geschehen einprägen und z.B. einen
Ermittlungsausschuß über die Festnahme informieren.
In der Polizeiwache hast Du das Recht mit einem Anwalt, Angehörigen
o.ä. zu telefonieren. Abgezähltes Geld und Telefonnummer parat
haben. Frage auf jeden Fall nach dem Grund der Festnahme. Du bist jetzt
eine Beschuldigte / ein Beschuldigter. Deine Rechte sind also: Schweigerecht,
Recht auf anwaltlichen Beistand. Mache keine Aussage, unterschreibe kein
Protokoll. Du bist nur verpflichtet Deine "Grundpersonalien"
anzugeben: Name, Geburtstag- und Ort, Anschrift,Beruf.
Die Polizei muß Dich am Ende des auf die Verhaftung folgenden Tages
(Regel: Nur eine Nacht im Knast) freilassen oder einem Haftrichter vorführen.
Erfolgt eine gezielte Verhaftung gilt das eben gelesene.
Die Polizeibeamten sind in diesem Fall gut auf eine Verhörsituation
vorbereitet. Laß Dich weder durch Versprechungen, noch Drohungen
"weich" machen. Schweigen ist der beste Schutz.
Alles weitere - auch das Verhalten beim Haftrichter - kann mit der von
Dir verlangten Anwältin besprochen werden. Der Haftrichter ist gesetzlich
verpflichtet eine Person Deiner Wahl von der möglicherweise angeordneten
"Untersuchungshaft" zu benachrichtigen.
Nach Festnahmen will die Polizei fast immer "erkennungsdienstliche Maßnahmen" (Fingerabdrücke, Fotos) durchführen. Du solltest dagegen protestieren und verlangen, daß ein Dein Widerspruch ins Protokoll aufgenommen wird. Wie es nach der Androhung von Zwang weitergeht, mußt Du aus der Situation entscheiden. Ein Antrag auf Vernichtung erlangter ED-Unterlagen sollte per Anwalt später gestellt werden.
Empfehlenswert ist es so schnell wie möglich ein Gedächtnisprotokoll zu schreiben. Bei durch die Polizei verursachten Verletzungen sofort ein ärztliches Attest besorgen.
Bei Demonstrationen arbeit die Polizei seit längerer Zeit mit
der Einkesselung und "In-Gewahrsam-Nahme" d.h.Massenfestnahmen
für einige Stunden.
Es gilt das schon gelesene. In dieser Situation finden meist keine "Verhöre"
statt, weil gar keine Straftat begangen worden sein soll. Der Kontaktanruf
nach "draußen" sollte auf jeden Fall gemacht werden.
Sie kommen häufiger. Vom VS oder sonstigen Diensten. Ihre Methoden
sind unterschiedlich: Drohungen, finanzielle Versprechungen, aber auch
das Angebot als "Vermittler" zwischen "Szene" und Staat
zu wirken. Sie wollen Dich als Spitzel gewinnen.
Rede nicht mit ihnen, spiel auch nicht erst mit ihnen. Erteile ihnen eine
klare Abfuhr und mach den Versuch öffentlich.