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Chronologie der Ereignisse

auf der Grundlage von Meldungen in den Medien


SEK-Beamte bei der Suche nach Projektilen auf dem Bahnhofsgelände, einige Tage nach der Erschiessung Wolfgang Grams´ (Foto: dpa)


[27.6.93] [5.7.93] [27.7.93] [18.11.93] [3.3.94]

Sonntag, 27.06.93
In den Nachrichten am späten Nachmittag wird gemeldet, daß bei einer Schießerei am Schweriner See zwei RAF-Mitglieder festgenommen wurden, von denen eines lebensgefährlich verletzt sei. Außerdem sei ein Beamter der GSG 9 ums Leben gekommen. € Am Abend heißt es, die Festgenommene sei Birgit Hogefeld, der zweite - inzwischen an seinen Verletzungen gestorbene - sei Wolfgang Grams. Beide seien durch Hinweise aus »Stasi«-Akten enttarnt worden.
Montag, 28.06.93
Das ARD-Morgenmagazin berichtet, daß am Ort des Geschehens eine dritte Person, die ein V-Mann der Polizei sein soll, anwesend war. € Birgit Hogefeld teilt ihrer Mutter nach Eröffnung des Haftbefehls telefonisch mit, daß sie sich um einen Anwalt für »Klaus aus Wiesbaden« kümmern soll. € Die Verhaftung von Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld sollte laut Bundesanwaltschaft beim Verlassen der Gaststätte »Waldeck« auf dem Bahnhofsvorplatz durch ein MEK des BKA und im Auftrag des GBA erfolgen. Birgit Hogefeld habe dabei den Schußwechsel eröffnet. € Wolfgang Grams stirbt an seinen Schußverletzungen am Sonntag gegen 18.00 Uhr in der Uni-Klinik Lübeck. € Mehrere Wohnungen im Bundesgebiet wurden ohne richterlichen Beschluß und mit der Begründung, man sei »auf der Suche nach zwei flüchtigen Terroristen«, durchsucht.
Dienstag, 29.06.93
Radio und Fernsehen melden, daß Wolfgang Grams durch einem Kopfschuß gestorben ist. € Die BAW verhängt eine Nachrichtensperre, unklar bleibt deshalb auch, seit wann die Behörden den Aufenthaltsort von Birgit Hogefeld und Wolfgang Grams kannten. € ZeugInnen sagen aus, Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld seien im Bahnhof festgenommen worden. Sie hätten sich zuvor mit einem weiteren Mann getroffen, der in offiziellen Darstellungen jedoch nicht erwähnt wird. € In den Medien wird berichtet, es könnte sich möglicherweise um einen V-Mann des BKA gehandelt haben. Die Schießerei sei wahrscheinlich eine Panne gewesen. Die Festnahme hätte nicht vor der Bahnhofsgaststätte stattfinden sollen, Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld hätten das Feuer jedoch sofort eröffnet. Wolfgang Grams sei über die Treppe auf den Bahnsteig geflohen. Wolfgang Grams habe laut GBA von Stahl den ihn verfolgenden GSG 9-Beamten aus nächster Nähe mit einem »Dum-Dum-Geschoß« erschossen. Es soll ca. 20 Minuten gedauert haben, bis Grenzschutzhubschrauber zum Abtransport der Verletzten eintrafen. Die Festnahme soll bereits für die Nacht auf den 26.06.93 geplant gewesen sein.
Mittwoch, 30.06.93
Die BAW korrigiert ihre Pressemeldung vom 27.06.93 und erklärt nun, die Verhaftung von Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld sei in der Bahnhofsunterführung erfolgt, nachdem Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld die Gaststätte »Billard Café« zwischen den Gleisen verlassen hätten. Birgit Hogefeld sei überwältigt worden, bevor sie hätte schießen können. € Zur dritten Person wird keine offizielle Erklärung abgegeben, nach ihr wird auch nicht gefahndet. € Alle am 28.06.93 festgenommenen Personen sind wieder freigelassen worden. € Der Bundestagsinnenausschuß beschäftigt sich mit den Vorgängen, die Informationspolitik des Generalbundesanwalts wird scharf kritisiert und sein Rücktritt gefordert.
Donnerstag, 01.07.93
Die Fernsehsendung Monitor veröffentlicht die Aussage einer Zeugin (Kioskverkäuferin), die eidesstattlich erklärt, daß ein Beamter Wolfgang Grams, der reglos auf dem Gleis lag, aus nächster Nähe gezielt in den Kopf geschossen hat. Ein zweiter Beamter schoß mehrmals auf Bauch oder Beine. Diese Aussage hatte sie schon am Abend des 27.06.93 gemacht. € Aus dem Obduktionsbericht vom 28.06.93 geht hervor, daß der tödliche Schuß auf Wolfgang Grams entweder »aus unmittelbarer Nähe« oder als »aufgesetzter« Kopfschuß abgegeben worden sein muß. € Das Bundesinnenministerium behauptet, die Beamten der GSG 9 hätten keinen Schuß aus allernächster Nähe abgegeben, das habe die Befragung aller beteiligten Beamten ergeben. € Der GBA erklärt dem Bundestagsinnenausschuß, die Einsatzkräfte seien sich nicht sicher gewesen, wen sie vor sich hatten. Die Einsatzkräfte der GSG 9 hätten keine schußsicheren Westen getragen. Birgit Hogefeld und Wolfgang Grams seien nicht durch »Stasi«-Akten entdeckt worden.
Freitag, 02.07.93
Birgit Hogefeld schildert in einem Brief an die Tageszeitung, daß sie festgenommen worden sei, bevor sie sich hätte zur Wehr setzen können. Sie wurde gefesselt. Ihr wurde eine Kapuze über den Kopf gestülpt und um Mund und Nase mit Klebeband verklebt. Später im Auto wurde ihr eine Pistole weggenommen. € Die Staatsanwaltschaft Schwerin bestätigt, daß im Obduktionsbericht der Uni Lübeck Hinweise auf einen Schuß aus nächster Nähe auf den Kopf von Wolfgang Grams enthalten sind. Es sei unklar, aus welcher Waffe und mit welcher Munition geschossen worden sei. € Es wird bekannt, daß noch am 28.06.93 ein Fernsehteam mühelos zwei Dutzend Patronenhülsen vom Tatort aufgesammelt hat. Die für Wolfgang Grams tödliche Kugel war bis nachmittags verschwunden, dann wurde eine Kugel von einem Zeugen gefunden, die möglicherweise die tödliche war. Das LKA Schwerin findet vier weitere Patronenhülsen zwischen den Gleisen. € Den Eltern Grams wurde verweigert, bei der Obduktion anwesend zu sein. Eine zweite von ihnen veranlaßte Obduktion bestätigt den unmittelbaren Nahschuß. Die Eltern erstatten Anzeige gegen Unbekannt wegen Mordes bzw. Totschlags. € Dem GBA wird vorgeworfen, durch seine Informationspolitik einen V-Mann »verbrannt« zu haben. Bundesinnenminister Seiters beauftragt den Präsidenten des Bundesverwaltungsamtes und früheren Abteilungsleiter im Bundesamt für Verfassungsschutz, Grünig, als »unabhängigen« Juristen mit der Untersuchung der Vorgänge. Die beteiligten Beamten wurden bisher nur von ihren Vorgesetzten befragt, nicht vernommen. € Bei der Fraktion der PDS/Linke Liste meldet sich am 02.07.93 ein anonymer Anrufer, gibt sich als »Kollege der in Bad Kleinen eingesetzten Sicherheitskräfte« aus und behauptet, Wolfgang Grams sei unbewaffnet gewesen und ein Kollege habe die Nerven verloren. Ein weiterer Zeuge sagt aus, ein Beamter sei auf den auf dem Gleis liegenden Wolfgang Grams zugegangen und habe ihm die Waffe aus der Hand genommen. Die Staatsanwaltschaft Schwerin erklärt, damit werde die Wahr- scheinlichkeit größer, daß sich Wolfgang Grams den tödlichen Schuß selbst gesetzt habe. € Bei einer nochmaligen Befragung der beteiligten Einsatzkräfte ergaben sich weder Hinweise auf einen »Nahschuß« noch auf einen Selbstmord von Wolfgang Grams. € Öffentlich bekannt wird, daß im Zuge der Fahndung vom 28.06.93 ein »Verdächtigter« auf der Autobahn durch eine absichtliche Kollision gestoppt und dabei verletzt wurde. € Der GSG 9-Beamte Newrzella wird beerdigt.
Samstag, 03.07.93
GBA von Stahl auf einer Pressekonferenz: Wolfgang Grams hat sich offenbar nicht selbst erschossen und möglicherweise auch nicht den tödlich verwundeten GSG 9-Beamten. Untersucht wird, ob der erschossene GSG 9-Beamte von der Kugel eines Kollegen getroffen wurde. € Der Spiegel gibt bekannt, daß sich ein weiterer Zeuge dort gemeldet hat, der die Aussage der Kioskverkäuferin bestätigt. Einer der eingesetzten Beamten habe Wolfgang Grams aus nächster Nähe erschossen. € Ein Polizeipsychologe kritisiert, daß der Einsatz nicht dokumentiert worden ist.
Sonntag, 04.07.93
Bundesinnenminister Seiters tritt überraschend zurück. € Es wird mitgeteilt, daß das LKA Schwerin Teile eines Projektils an der Stelle gefunden hat, an der Wolfgang Grams lag.
Montag, 05.07.93
Öffentlich bekannt wird: Rund 48 Stunden haben 54 Beamte auf ihren Einsatz in Bad Kleinen gewartet. € Bis Freitag, den 02.07.93, waren die Waffen der Beamten nicht eingesammelt worden. € Laut einer Erklärung des BKA waren zur Versorgung der Verletzten vier Rettungshubschrauber eingesetzt. Ein Sanitäter der GSG 9 und Notärzte führten die Erstversorgung durch. € Die beteiligten GSG 9-Beamten sollen erstmals von der Staatsanwaltschaft Schwerin vernommen werden. Die StA Schwerin fordert von BMI und BKA die Herausgabe der bisherigen Aussageprotokolle und die Namen der Beteiligten, die sie bis zum 04.07.93 noch nicht erhalten hatten. Die Schweriner Staatsanwaltschaft schließt aus, daß Wolfgang Grams Selbstmord begangen hat. € Ein Schweizer Institut soll Kopfhaut und Schädeldecke von Wolfgang Grams kriminaltechnisch untersuchen. € BKA-Präsident Zachert nennt drei Versionen zum Tod von Wolfgang Grams. Er könne sich selbst umgebracht oder der tödliche Schuß könne sich aus der Waffe von Grams gelöst haben, als er auf die Gleise fiel. Auszuschließen sei aber auch nicht, daß Wolfgang Grams von einer anderen Person erschossen worden ist. Das BKA widerspricht Berichten, nach denen Newrzella möglicherweise von seinen Kollegen getroffen worden ist. Newrzella sei von Wolfgang Grams erschossen worden. € Abgeordnete haben den Eindruck, daß von den Behörden vertuscht wird. Sie schließen eine Auflösung der GSG 9 nicht aus. € Am 29.06.93 wurden folgende Untersuchungsaufträge erteilt: 1. an die Universität Münster. Dort soll eine serologische Untersuchung der Waffen und Geschoßteile vorgenommen werden. 2. an den Wissenschaftlichen Dienst der Stadtpolizei Zürich (WD). Er soll prüfen, aus welcher Entfernung die tödliche Kugel auf Wolfgang Grams abgegeben wurde und mit welcher Waffe und welcher Munition. € Die Bundesarbeitsgemeinschaft kritische Polizisten erstattet Strafanzeige gegen Innenminister Seiters, GBA von Stahl, die Staatsanwaltschaft Schwerin und unbekannte Polizeibeamte wegen Strafvereitelung. € Bei der dritten Person soll es sich um einen V-Mann des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes handeln. € In einem BKA-Bericht heißt es, Wolfgang Grams sei nicht in Bad Kleinen erwartet worden, seine Identität sei unklar gewesen. € Am 28.06.93 sind die sichergestellten Waffen im BKA routinemäßig beschossen worden.
Dienstag, 06.07.93
Manfred Kanther wird neuer Bundesinnenminister. GBA von Stahl wird in den Ruhestand entlassen. € Noch immer gibt es keine offizielle Äußerung zum V-Mann. € Die beteiligten GSG 9-Beamten werden erstmals in Schwerin vernommen. € Das BKA stellt das Gutachten aus Münster der Öffentlichkeit vor, nach dem Wolfgang Grams durch einen »absoluten Nahschuß« starb. Die »Stanzmarke« weise Übereinstimmungen mit seiner eigenen Waffe auf. Er könne sich selbst versehentlich getötet haben. € Der GBA will sich auch eine Woche nach Bad Kleinen nicht festlegen, ob Wolfgang Grams auf den GSG 9-Beamten Newrzella geschossen hat und ob er überhaupt eine Waffe bei sich hatte. € Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses fordert eine Umstrukturierung der Sicherheitsbehörden und eine Harmonisierung der Polizeigesetze von Bund und Ländern, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherheitsbehörden wieder herzustellen. Die Bundestagsgruppe Bündnis 90/Grüne fordert eine parlamentarische Untersuchungskommission. Der Rücktritt des BKA-Vizepräsidenten wird gefordert wegen seiner teils unglaubwürdigen Angaben vor dem Bundestagsinnenausschuß.
Mittwoch, 07.07.93
Bekannt wird: Die Einsatzkräfte haben gewußt, daß es sich bei ihren »Zielpersonen« um Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld handelte und daß der V-Mann geschützt werden müsse. € Der Vergleich der Waffen mit den gefundenen Projektilen ist laut StA Schwerin noch nicht abgeschlossen. € Das Gutachten der Universität Lübeck kommt zu dem Ergebnis, daß der tödliche Schuß weder aus Wolfgang Grams¹ Waffe noch aus einer Polizeiwaffe stammen könne. Der Bauchschuß verlief horizontal durch seinen Körper. Nach Vermutungen von Gerichtsmedizinern kann nur auf den liegenden Wolfgang Grams geschossen worden sein. Auch die Bauchwunde wirkt »wie ausgestanzt«. € Die BAG Kritische Polizisten erklärt, daß Polizisten im Dienst auch andere als ihre dienstlich gelieferten Waffen tragen. Die Gewerkschaft der Polizei erklärt, daß GSG 9-Beamte neben ihren Dienstwaffen auch weitere Waffen mitführen könnten. € BKA-Chef Zachert beschwert sich über die »unerträglichen Vorverurteilungen« der Medien. € Öffentlich wird die Frage gestellt, ob der V-Mann geschossen hat. Seine Vernehmung wird gefordert.
Donnerstag, 08.07.93
Laut Süddeutsche Zeitung war die Festnahme von Birgit Hogefeld und Wolfgang Grams für den 25.06.1993 geplant, habe aber wegen logistischer »Schwierigkeiten« verschoben werden müssen.
Freitag, 09.07.93
Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger gibt bekannt, daß sie vom Generalbundesanwalt am 14.05.93 und am 17.06.93 über die bevorstehende Aktion unterrichtet wurde. € Bei einer Nachrichtenagentur geht eine Erklärung der RAF ein, die dazu auffordert, nach der Ermordung von Wolfgang Grams nicht zur Tagesordnung überzugehen. € Der StA Schwerin soll ein Videoband vorliegen, das ein »in dienstlicher Eigenschaft anwesender Zeuge« in Bad Kleinen gedreht haben soll. Außerdem soll ein zweites Video des BKA existieren. Beide Bänder zeigen nicht den Schußwechsel.
Samstag, 10.07.93
Der frühere Justizminister Kinkel erklärte am 10.07.93, er stehe weiter zu seiner Politik der »ausgestreckten Hand« gegenüber der RAF. € In Wiesbaden findet eine Trauer-Demonstration zum Tod von Wolfgang Grams mit ca. 4.000 TeilnehmerInnen und in Bad Kleinen eine Kundgebung statt.
Sonntag, 11.07.93
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Scharping bestätigt, daß es sich bei der dritten Person um einen V-Mann des Verfassungsschutzes Rheinland-Pfalz handelt. € Bürgerrechtsvereinigungen fordern die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission. € Der Spiegel berichtet, auf dem Videoband, das der Staatsanwaltschaft Schwerin vorliegt, sei manipuliert worden. Die ZDF-Sendung Bonn direkt behauptet, eines der aufgenommenen Videos zeige den Schußwechsel auf dem Bahnhof Bad Kleinen.
Montag, 12.07.93
Auch in einer weiteren Sitzung von Innen- und Rechtsausschuß werden die Ausschußmitglieder nach eigenen Angaben nur unzureichend über den Einsatz informiert.
Dienstag, 13.07.93
Die Bundesregierung spricht den Einsatzkräften, dem BKA und der BAW ihr volles Vertrauen aus.
Donnerstag, 15.07.93
In der Fernsehsendung Panorama wird behauptet, die Festnahme des V-Mannes sei eine Panne gewesen. Er hätte eigentlich die Möglichkeit zur Flucht haben sollen. Die Staatsanwaltschaft Schwerin fordere von der Redaktion von Panorama die Herausgabe von Name und Anschrift des V-Mannes, da Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz und Bundesanwaltschaft keine Angaben machten.
Freitag, 16.07.93
Birgit Hogefeld wird von Frankfurt nach Bielefeld verlegt, wo sie verschärften Isolationshaftbedingungen ausgesetzt ist.
Samstag, 17.07.93
»Freunde und Freundinnen aus Wiesbaden« veröffentlichen einen »offenen Brief an Klaus S.« und fordern ihn zur Offenlegung seiner Rolle in Bad Kleinen auf.
Montag, 19.07.93
Der Gerichtsmediziner Sellier übt Kritik an den Ermittlungen. Die Bestimmung der Tötungswaffe hätte durchaus sofort nach dem Einsatz erfolgen können. € Der rheinland-pfälzische Innenminister Zuber erklärt am Wochenende vorher, daß er von der Aktion der RAF in Weiterstadt am 27.03.93 keine Kenntnis durch den V-Mann hatte. € Nach Presseberichten sollen bereits Treffen zwischen dem V-Mann und Birgit Hogefeld und Wolfgang Grams im Februar und April stattgefunden haben. In der Tageszeitung wird ein Brief von Klaus S. veröffentlicht, in dem er behauptet, kein V-Mann zu sein.
Dienstag, 20.07.93
Öffentlich bekannt wird das Zwischengutachten des WD der Züricher Stadtpolizei mit dem vorläufigen Ergebnis, daß Wolfgang Grams¹ Waffe mit der »Stanzmarke« nach Form und Ausmaß übereinstimmt. Der Lübecker Gutachter besteht nicht mehr darauf, daß die Druckstelle an Wolfgang Grams¹ Kopf nicht zu seiner Waffe passe. € Der rheinland-pfälzische Innenminister Zuber erklärt, daß im Rhein-Main-Gebiet seit 10 Jahren ein V-Mann für den VS Rheinland-Pfalz arbeitet. € Die Eltern Grams und Newrzella kritisieren die Ermittlungsbehörden. Die Eltern von Newrzella haben bis jetzt keine offizielle Nachricht über die Todesumstände und -ursache ihres Sohnes bekommen.
Donnerstag, 22.07.93
Die Tageszeitung veröffentlicht einen Brief von Birgit Hogefeld, in dem sie klarstellt, daß Klaus Steinmetz der V-Mann ist. € Bundeskanzler Kohl spricht in Hangelar der GSG 9 sein »ganz besonderes Vertrauen« aus. Unter Bezug auf Wolfgang Grams erklärt er, es werde versucht, aus einem Mörder eine Art Märtyrer zu machen. Die Presse wird bei diesem Besuch massiv behindert.
Freitag, 23.07.93
Die StA Schwerin vermutet Absprachen unter den vernommenen Beamten. Der Aufenthalt des V-Mannes ist nach offizieller Darstellung noch immer unbekannt. € Die Eltern Grams erstatteten Strafantrag gegen Kohl wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und des Verdachts der üblen Nachrede, weil er Wolfgang Grams öffentlich zum Mörder erklärt hat. € Die Wochenzeitschrift Freitag veröffentlicht einen anonymen Brief von zwei angeblichen leitenden Beamten des Bundesinnenministeriums, die behaupten, es handele sich bei den Ereignissen in Bad Kleinen um ein Komplott von Regierungsstellen, um das Thema »Terrorismus von links« zum Wahlkampfthema zu machen.Weiter wird behauptet, Birgit Hogefeld und Wolfgang Grams seien über ein Jahr einer lückenlosen Kontrolle unterlegen.
Dienstag, 27.07.93
Das jetzt bekannt gewordene Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes der Züricher Stadtpolizei besagt, daß der GSG 9-Beamte Newrzella von Wolfgang Grams erschossen wurde.
Donnerstag, 29.07.93
Bekannt wird die Aussage einer weiteren Zeugin, die angibt, daß nach einer Pause im Anschluß an die Schießerei noch ein einzelner Schuß gefallen sei, und damit die Aussage der Kioskbesitzerin bestätigt. € Nach einer Meinungsumfrage glauben 76% der BürgerInnen nicht an eine völlige Aufklärung von Bad Kleinen.
Freitag, 30.07.93
Der rheinland-pfälzische Innenminister Zuber berichtet vor dem Innenausschuß des Landtages über die Aussagen von Steinmetz. Danach habe der V-Mann im Nachhinein zugegeben, von der Aktion der RAF gegen den Gefängnisneubau Weiterstadt am 27.03.93 gewußt zu haben.
Montag, 02.08.93
Der Spiegel berichtet, die Bundesanwaltschaft ermittele gegen Steinmetz wegen »Unterstützung einer terroristischen Vereinigung«. Die »Pannen« in Bad Kleinen seien auf eine Verwechslung von Wolfgang Grams mit dem V-Mann und einen verstümmelten Funkspruch zurückzuführen. Statt »Zugriff erfolgt wie besprochen« sei »Zugriff erfolgt« übermittelt worden. € Die Verteidigung von Birgit Hogefeld teilt in einer Presseerklärung mit, daß diese bei der Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft Schwerin ausgesagt hat, sie habe mindestens einen Beamten mit einer Maschinenpistole gesehen und während des Schußwechsels eine MP-Salve gehört. Dies hatten mehrere andere ZeugInnen auch ausgesagt.
Freitag, 06.08.93
Wolfgang Grams wird in Wiesbaden beerdigt. € Es wird bekannt, daß das BKA im Zusammenhang mit der Ereignissen in Bad Kleinen nach zwei weiteren Personen, die der RAF zugeordnet werden, fahndet. Samstag, 07.08.93 Die beiden weiteren Personen, nach denen jetzt gefahndet wird, sollen laut Süddeutsche Zeitung am 27.06.93 auf dem Bahnhofsvorplatz Bad Kleinen gewesen sein, von wo sie entkommen konnten. € Die Veröffentlichung eines Zwischenberichts der Bundesregierung wird verschoben. Laut Vorabmeldung des Spiegel behauptet der Zwischenbericht, daß der für Wolfgang Grams tödliche Kopfschuß »auf eine Selbsttötung oder einen Unfall zurückzuführen« sei, obwohl die Ermittlungen und Untersuchungen noch nicht abgeschlossen seien.
Freitag, 13.08.93
Es wird bekannt, daß die Staatsanwaltschaft Schwerin ein Ermittlungsverfahren gegen zwei GSG 9-Beamte (Nummer 6 und Nr. 8; ihre Namen sind nicht bekannt) eingeleitet hat wegen des Verdachts, Wolfgang Grams vorsätzlich getötet zu haben. € Der rheinland-pfälzische Innenminister Zuber hat vor dem Innenausschuß der Verwechslungstheorie (Verwechslung von Wolfgang Grams mit dem V-Mann) widersprochen. Von Birgit Hogefeld und dem V-Mann seien »in den Tagen vor Bad Kleinen hervorragende Videos und Fotos« gemacht worden.
Montag, 16.08.93
Im vorab bekannt gewordenen Zwischenbericht der Bundesregierung werden zahlreiche »Pannen« aufgelistet. Der Bericht enthält zahlreiche Widersprüche, obwohl es sich um die letzte von mehreren Versionen handelt. € Die Tageszeitung zitiert aus einem Brief von Steinmetz, in dem er behauptet, im Chaos nach seiner Festnahme entkommen zu sein. Mehrmals hatte er Kontakt zu Leuten aus Wiesbaden und zu seiner Familie. Ein Treffen einer Person aus Wiesbaden mit ihm hatte stattgefunden. € In einem offenen Brief an die Bundesanwaltschaft verlangen die Eltern Grams Aufklärung darüber, warum in Bad Kleinen - obwohl gesetzlich vorgeschrieben - keine Notärzte vor Ort waren und warum Wolfgang Grams in der Uni Lübeck Gesicht und Hände abgewaschen wurden. Außerdem verlangen sie die Aushändigung des Haftbefehls und des Obduktionsberichts Newrzella.
Mittwoch, 18.08.93
Der SPD-Vorsitzende Scharping fordert als Konsequenz aus dem Einsatz in Bad Kleinen eine Umstrukturierung der »Sicherheitskräfte« mit stärkerer »Zentralstellenbefugnis« für das BKA. Die Auflösung der GSG 9 stehe zur Debatte. € Der Zwischenbericht der Bundesregierung wird dem Innen- und Rechtsausschuß des Bundestages vorgestellt. Die Ausschußmitglieder kritisieren weiterhin die »Vernichtung von Beweismaterial«. Bundesinnenminister Kanther bemängelt lediglich »handwerkliche Fehler«.
Donnerstag, 26.08.93
Der rheinland-pfälzische Innenminister erklärt, daß der V-Mann im Februar 1993 vor einer möglichen Aktion der RAF gewarnt habe, ohne jedoch Weiterstadt zu erwähnen.
Montag, 30.08.93
Auszüge aus Briefen Birgit Hogefelds an/von ihrer Familie und weiteren Papieren, die im ihrem Rucksack gefunden wurden, werden veröffentlicht.
Samstag, 04.09.93
Es wird bekannt, daß der Vizepräsident des BKA, Gerhard Köhler, ins Bundesinnenministerium versetzt wird. Der Leiter der Polizei-Abteilung im Innenministerium, Wolfgang Schreiber, wird in den Ruhestand geschickt.
Montag, 06.09.93
Laut Spiegel soll der Zwischenbericht des WD der Stadtpolizei Zürich in Kürze vorgelegt werden. Vorab wird berichtet, der Bauchschuß, den Wolfgang Grams erhalten hat, sei nicht aus nächster Nähe abgegeben worden. Der Kopfschuß stamme aus Wolfgang Grams¹ Waffe. Das Ermittlungsverfahren gegen zwei GSG 9-Beamte werde möglicherweise eingestellt.
Mittwoch, 08.09.93
Aus einer Pressemeldung wird bekannt, daß der Präsident des BKA, Zachert, und der Inspekteur des BGS, Hitz, der Ansicht sind, die eigentliche Panne in und nach Bad Kleinen sei die Öffentlichkeitsarbeit der Behörden gewesen. Zukünftig müsse es eine »professionelle Informationssteuerung in Form eines Krisenmanagements à la Schleyer« geben.
Donnerstag, 09.09.93
Der Chef der »Abteilung Linksterrorismus« im BKA, Rainer Hofmeyer, soll versetzt werden und das Kriminalistische Institut des BKA übernehmen. Er wird damit oberster Ausbilder des BKA.
Montag, 13.09.93
Der V-Mann Steinmetz beschreibt in einem weiteren Brief, der in der Tageszeitung veröffentlicht wird, eine neue Version der Vorgänge in Bad Kleinen.
Mittwoch, 15.09.93
Die Berliner Gruppe F.e.l.S. stellt vor der Presse klar, daß ein Protokoll, das bei Birgit Hogefeld gefunden wurde, von einem öffentlichen und vorher in einer Zeitschrift angekündigten Arbeitstreffen stammt. Bei dem Treffen war über Möglichkeiten der Organisierung der Linken diskutiert worden. Nach dem Auffinden dieses Protokolls in Birgit Hogefelds Gepäck wurde in der Presse eine »enge Abstimmung mit den Illegalen« konstruiert.
Freitag, 17.09.93
Die Frankfurter Rundschau veröffentlicht einen ausführlichen Bericht über die zahlreichen Versetzungen innerhalb des BKA.
Dienstag, 21.09.93
Ein bekannt gewordenes weiteres Teilgutachten der Universität Münster soll belegen, daß sich Wolfgang Grams selbst erschossen hat. Der Justizminister von Mecklenburg-Vorpommern erklärt vor der Presse, trotz des Münsteraner Gutachtens könne von einer endgültigen Klärung nicht die Rede sein, die Befunde sprächen nur am ehesten für eine Selbsttötung. Dem Anwalt der Eltern Grams wird weiterhin die Akteneinsicht verwehrt.
Donnerstag, 30.09.93
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Werthebach, spricht sich dafür aus, trotz den Ereignissen in Bad Kleinen, die Haltung des Staates gegenüber der RAF zu überdenken.
Samstag, 02.10.93
Die Tageszeitung meldet, ein hessischer Verbindungsmann des BND sei als Beobachter am 27.06.93 in Bad Kleinen vor Ort gewesen. € Angehörige von Birgit Hogefeld haben in einem Schreiben an den Bundesgerichtshof gegen die Isolationshaftbedingungen, denen Birgit Hogefeld ausgesetzt ist, protestiert.
Montag, 04.10.93
Die Zeitschrift Focus berichtet, das Züricher Gutachten komme wie das Münsteraner zu dem Ergebnis, daß Wolfgang Grams sich selbst erschossen habe.
Freitag, 15.10.93
Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger räumt in einem Interview ein, daß wohl »nie ein letzter Rest von Zweifel, von Bedenken, ausgeräumt werden kann«, was die Aufklärung der Ereignisse von Bad Kleinen betrifft.
Mittwoch 20.10.93
Das mecklenburgische Justizministerium teilt mit, das weitere Teilgutachten aus Zürich liege nun vor und besage, daß außer dem »aufgesetzten Kopfschuß« keiner der anderen Schüsse auf Wolfgang Grams aus einer Entfernung von weniger als 1,5 Metern abgegeben wurde, was die Selbstmordthese stütze.
Freitag, 29.10.93
Der Anwalt der Eltern Grams kritisiert das Verhalten des Justizministeriums von Mecklenburg-Vorpommern, das jeweils nur diejenigen Gutachten-Teile veröffentliche, die die unter Verdacht stehenden GSG 9-Beamten entlasten. Widersprüche in den Gutachten, zum Beispiel die Untersuchung einer »offensichtlich frisch gewaschenen« Hose, würden der Öffentlichkeit vorenthalten, genauso wie ein nachträglich entdecktes Projektil, das weder aus einer Polizeiwaffe noch aus Wolfgang Grams¹ Waffe stamme.
Donnerstag, 18.11.93
Das Abschlußgutachten der Stadtpolizei Zürich liegt jetzt dem Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern vor. Es bestätige die Ergebnisse des vorherigen Teilgutachtens, wonach sich Wolfgang Grams selbst erschossen hat. Genauere Einzelheiten sollen noch mitgeteilt werden.
Samstag, 20.11.93
Teile des Züricher Gutachtens werden der Öffentlichkeit vorgestellt. Darin heißt es u. a., die Waffe von Wolfgang Grams erzeuge eine Stanzmarke, die »maßtechnisch und morphologisch nicht von der Stanzmarke an der rechten Schläfe von Grams unterschieden werden kann«. Die Schweriner Staatsanwaltschaft hält »eine direkte Fremdbeibringung der Nah-Schußverletzung durch diesen Beamten (exekutionsähnliche Handlung) für praktisch ausgeschlossen. Es gibt somit aus unserer Sicht keine neuen Erkenntnisse, die zwingend gegen eine Selbstbeibringung des Nahschusses durch Grams sprechen würden«. Der WD der Züricher Stadtpolizei teilt außerdem mit, daß die Jacke eines Beamten nach der Untersuchung abhanden gekommen ist. Sie sei vermutlich gestohlen worden.
Montag, 22.11.93
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizisten hat das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich kritisiert und erklärt, eine seriöse Einschätzung sei nach den Mängeln und Fehlern bei der Spurensicherung nicht mehr möglich gewesen.
Montag, 29.11.93
Der Chef der Kriminaltechnik im LKA Sachsen-Anhalt, Lichtenberg, erklärt im Spiegel, von der Stanzmarke könne man gar nicht auf die Waffe schließen, die Schmauchspuren seien entscheidend. Mit einer entsprechenden Untersuchung hätte man die Schußwaffe sehr schnell bestimmen können. Außerdem seien die bisher in der BRD beauftragten Gutachter keine Schußspurenexperten. Laut Spiegel ist der Münsteraner Gutachter Brinkmann ein guter Bekannter des Schweriner Oberstaatsanwalts Schwarz.
Donnerstag, 09.12.93
Es wird bekannt, daß wegen zweier Transparente in Bielefeld, die von Mord an Wolfgang Grams sprechen, ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole gegen Unbekannt eingeleitet worden ist.
Samstag, 18.12.93
Die Anwälte der Eltern Grams haben Beschwerde gegen die Verweigerung der Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft Schwerin erhoben.
Samstag, 08.01.94
Die Anwälte der Eltern Grams erhalten - aufgrund ihrer Beschwerde - nach ca. 6 Monaten Einsicht in die Ermittlungsakten, da die Staatsanwaltschaft Schwerin das Ermittlungsverfahren gegen die zwei GSG 9-Beamten einstellen wolle und deshalb der Ermittlungszweck jetzt durch die Akteneinsicht nicht mehr berührt werden könne.
Mittwoch, 12.01.94
Teile der Redaktionsräume der Zeitschrift Focus in München wurden vom Staatsschutz durchsucht. Focus hatte ein anonymes Angebot über brisante Informationen aus Sicherheitsbehörden, die an Bad Kleinen beteiligt waren, erhalten. In diesem Zusammenhang läuft auch ein Ermittlungsverfahren gegen einen Redakteur wegen »verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen«.
Donnerstag, 13.01.94
Die Staatsanwaltschaft Schwerin stellt das Ermittlungsverfahren gegen zwei GSG 9-Beamte ein, weil »keine Anhaltspunkte bestehen, daß Grams von einem Polizeibeamten rechtswidrig getötet oder verletzt worden ist«. Der leitende Oberstaatsanwalt Schwarz erklärt den JournalistInnen: »Es ist wirklich nichts mehr drin in der Sache - glauben Sie¹s oder glauben Sie¹s nicht.«
Donnerstag, 27.01.94
Der Rechtsanwalt der Eltern Grams teilt mit, daß er nach Durchsicht der Ermittlungsakten auf eine »Fülle von Absonderlichkeiten« gestoßen sei und deshalb Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens einlegen wolle.
Mittwoch, 02.02.94
Der Haftbefehl gegen Birgit Hogefeld wird auf Antrag der Bundesanwaltschaft um die Punkte »Verdacht der Teilnahme an der Sprengung des Gefängnisneubaus in Weiterstadt im März 1993«, »Mord« und »sechsfacher Mordversuch« an Beamten der GSG 9 in Bad Kleinen erweitert, obwohl sie zum Zeitpunkt des Schußwechsels gefesselt und mit einer Kapuze über dem Kopf in der Bahnhofsunterführung lag. Die Verteidigung von Birgit Hogefeld gibt bekannt, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz ihr signalisieren ließ, diese Mordanklage sei zu »kippen«, Birgit Hogefeld müsse dazu nur eine gewisse Kooperation, d. h. Gesprächsbereitschaft, zeigen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz bestreitet dies.
Montag, 14.02.94
Es wird bekannt, daß das Ermittlungsverfahren gegen den V-Mann Steinmetz wegen des Verdachts der »Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung« und »Nichtanzeigens von Straftaten« von der Bundesanwaltschaft eingestellt worden ist. Der Spiegel veröffentlicht ein Interview mit dem V-Mann, in dem dieser erklärt, er habe von der geplanten Aktion in Weiterstadt vorher nichts gewußt. Seine frühere Behauptung, er habe vorher einen entsprechenden Kassiber erhalten, sei erfunden gewesen. Außerdem schließe er einen Selbstmord von Wolfgang Grams aus.
Samstag, 26.02.94
Die Tageszeitung veröffentlicht Teile einer internen Analyse des BKA, wonach der V-Mann Steinmetz »tragendes Mitglied der RAF« gewesen sein soll.
Montag, 28.02.94
Die Existenz eines derartigen internen Berichtes vom August 1993 wird vom BKA bestätigt.
Donnerstag, 03.03.94
Die Tageszeitung berichtet, ihr liege ein Entwurf des Abschlußberichtes der Bundesregierung zu Bad Kleinen vor. Darin wird den beteiligten Beamten »Ernsthaftigkeit ihres Bemühens um Aufklärung« attestiert und erklärt, Wolfgang Grams habe sich selbst »möglicherweise noch während der Schüsse der Beamten in Suizidabsicht einen Kopfdurchschuß« versetzt. Die Zeugenaussagen seien »ohne Beweiswert«. In diesem Bericht werden nun 10 »Schwachstellen« aufgelistet, u. a. sei der Verbleib von Birgit Hogefeld nach der Schießerei nicht klar gewesen. »Die anschließende Suche, an der sich der Beamte GSG 9 Nr. 6, der Grams sicherte, nicht beteiligte, trug zu Hektik und Nervosität unter den Einsatzkräften bei.« Das Vertrauen in die GSG 9 sei »wieder hergestellt«.
Montag, 07.03.94
Innenminister Kanther äußert in einem Interview gegenüber der Süddeutschen Zeitung: »Ich hatte nie den leisesten Zweifel daran, daß die Polizei Grams nicht ðhingerichtetÐ haben konnte, wodurch die besondere Dimension des Falles entstanden ist.«
Mittwoch, 09.03.94
Der schon zuvor bekannt gewordene Abschlußbericht der Regierung wird der Öffentlichkeit vorgelegt. Daraus wird bekannt, daß der spätere Verdacht, Wolfgang Grams sei durch den Nahschuß eines Polizeibeamten getötet worden, zwar schon am Abend des 28.06.1993 innerhalb der Tatortgruppe des BKA in Bad Kleinen »diskutiert« wurde, aber nicht zu der an sich gebotenen Neuaufnahme der Tatortarbeit geführt habe.
Donnerstag, 10.03.94
Es wird bekannt, daß beim BKA »Fahndungskarten« existieren, mit denen nach zwei Personen gefahndet wird, die am 24.06.93 in Bad Kleinen gewesen und sichverdächtigverhalten haben sollen.
Mittwoch, 16.03.94
Die Zeitung Junge Welt teilt mit, daß ihr eine Erklärung der RAF (vom 06.03.94) vorliege, in der diese diese die angebliche Mitgliedschaft des V-Mannes in der RAF wie auch seine Beteiligung an der Aktion gegen den Gefängnisneubau in Weiterstadt bestreitet.
Samstag, 02.04.94
Die Welt berichtet unter Berufung auf den Justizminister von Mecklenburg-Vorpommern, daß in Bad Kleinen am 27.06.93 ein weiteres »verdächtiges« Paar observiert, aber nicht festgenommen worden war.
Dienstag, 05.04.94
Laut Tageszeitung wird gegen die Zeitschrift Konkret ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung durch die Staatsanwaltschaft Hamburg betrieben, weil in einem Konkret -Artikel über die Ereignisse in Bad Kleinen die GSG 9 mit südamerikanischen Todesschwadronen verglichen wurde.
Donnerstag, 07.04.94
Das BKA dementiert Meldungen von Focus, wonach in Bad Kleinen zwei weitere RAF-Mitglieder entkommen seien.
Dienstag, 19.04.94
Nach Pressemeldungen sollen in dem erst am 02.02.94 beschlagnahmten Wagen des V-Mannes Spuren desselben Sprengstoffes entdeckt worden sein, wie er bei der Aktion gegen die JVA Weiterstadt verwendet worden sein soll. Ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wird eingeleitet.
Freitag, 22.04.94
Die Bundesanwaltschaft teilt mit, daß der Nachfolger von GBA von Stahl, Kai Nehm, bereits am 24.03.94 Anklage gegen Birgit Hogefeld u. a. wegen Mordes und sechsfachen Mordversuches im Zusammenhang mit Bad Kleinen erhoben hat.
Montag, 25.04.94
Laut Focus soll am 14.03.94 auf einem südhessischen Autobahnparkplatz ein auf den V-Mann zugelassenes Motorrad sichergestellt worden sein.
Dienstag, 10.05.94
Im Zusammenhang mit dem Auffinden des Motorrades wird in Frankfurt die Wohnung einer früheren Bekannten des V-Mannes Steinmetz wegen Urkundenfälschung und Betruges durchsucht.
Montag, 06.06.94
Die Anwälte der Eltern Grams geben auf einer Pressekonferenz neue Fakten bekannt, die die Behauptung, wonach Wolfgang Grams Selbstmord begangen habe, widerlegen. Der Rechtsmediziner Prof. Bonte stellt sein Gutachten vor, das zum Ergebnis hat, daß die Waffe Wolfgang Grams entwunden worden sein muß und aufgrund des vorgefundenen Spurenbildes nicht - wie von der Staatsanwaltschaft Schwerin behauptet - auf dem Boden gelegen haben kann. Aufgrund dieser neuen Erkenntnisse haben die Anwälte der Eltern Grams Strafanzeige gegen alle am direkten Zugriff beteiligten GSG 9-Beamten erstattet wegen eines »vorsätzlichen Tötungsdeliktes«.