Daß niemand außer der Zeugin Baron den aufgesetzten Schuß
gehört hat, ist nicht verwunderlich. Ein Gutachter der StA Schwerin bestätigt,
daß ein aufgesetzter Schuß durch die sich vorwölbende Haut des
Schädels, die unter dem Druck der die Kugel treibenden und ihr folgenden
Gase die Mündung der Waffe umschließt, kaum hörbar ist,
vergleichbar mit einem Schuß aus einer Schalldämpferwaffe. Kaum
jemand weiß das und die Zeugin Baron sicher auch nicht. Aber genau so
beschreibt sie den Schuß, nämlich dumpf und anders als die
vorangegangenen Schüsse.
Die StA Schwerin behauptet, erst 30 bis 60 Sekunden nach dem Sturz von
Wolfgang Grams sei der erste Beamte zu ihm in's Gleis gestiegen. Das ist nicht
richtig - und widerspricht sogar den Aussagen der beschuldigten GSG 9-Beamten.
Einige Zeugen haben ausgesagt, daß ihm sofort mehrere Personen in das
Gleis nachgesetzt sind. Allerdings haben sie dann fast alle weggeschaut. Und die
Schweriner Staatsanwälte haben in keinem Fall nachgehakt.
Auch an vielen anderen Punkten zeigt das Vorgehen der StA Schwerin System.
Mit der gleichen Parteilichkeit, mit der sie die Lügen der GSG 9-Beamten
billigt und rechtfertigt, beteiligt sie sich an der Demontage der Zeugin Baron,
unterläßt sie selbstverständliche Ermittlungsschritte, übergeht
sie Hinweise, behindert sie die Anwälte der Eltern Grams, verzichtet sie
auf die gebotene Gegenüberstellung der Zeugin Baron mit den GSG 9-Beamten.
Die "wissenschaftliche" Hauptstütze der
Selbstmordbehauptung ist nicht so sehr der von offizieller Seite hochgelobte
Wissenschaftliche Dienst der Stadtpolizei Zürich, sondern der Münsteraner
Rechtsmediziner Prof. Brinkmann. Er ist der einzige der von der StA Schwerin
bestellten Gutachter, der behauptet, einen Selbstmord beweisen zu können.
Sein Gutachten wurde durch ein Gegengutachten, das die Anwälte der Eltern
Grams durch den Düsseldorfer Rechtsmediziner Prof. Bonte anfertigen ließen,
in allen Punkten widerlegt. Auffälligerweise sind gerade bei Prof.
Brinkmann, einem Freund des Schweriner Oberstaatsanwalts Schwarz, auch einige
wichtige Spuren zugunsten nebensächlicher Untersuchungen vernichtet worden.
Prof. Bonte hat auch schlüssig nachgewiesen, daß Wolfgang Grams die
Waffe entwunden wurde. Bis heute hat aber kein eingesetzter Beamter zugegeben, überhaupt
näher als anderthalb Meter an Wolfgang Grams herangekommen zu sein,
geschweige denn, ihn berührt zu haben.
Entgegen jeder Logik behauptet die Polizei, auf dem Bahnsteig 3/4, auf den
Wolfgang Grams geflohen ist, seien keine Beamte eingesetzt gewesen. Die dafür
angegebenen Begründungen halten einer Überprüfung nicht stand. Es
gibt Hinweise darauf, daß dort noch mehr Beamte postiert waren. GSG 9 Nr.
4, der seinen Posten dort unmittelbar vor dem Zugriff verlassen haben will,
verstrickt sich in eine Unzahl von Widersprüchen.
GSG 9 Nr. 4 wird mit beträchtlichem Aufwand von Bahnsteig 3/4
weggelogen. Das bringt andere GSG 9-Beamte in ihren Vernehmungen in Erklärungsnotstände,
wie zum Beispiel Nr. 6, der drei verschiedene Versionen der Auslösung des
Zugriffs zum Besten geben muß, bis seine Aussage endlich mit der von Nr. 4
zusammenpaßt. Auch die erst spät eingeführte Geschichte mit dem
falsch verstandenen Funkspruch als Auslöser des Zugriffs mußte
erfunden werden, um sein angebliches Verlassen von Bahnsteig 3/4 zu erklären.
Der GSG 9-Beamte Newrzella wird auf Bahnsateig 3/4 unter ungeklärten
Umständen erschossen. Einges spricht dafür, daß er in eine Falle
gelaufen ist, die Wolfgang Grams galt.
Die Vertuschung begann um 15.16 Uhr: "Absolute Nachrichtensperre"
sogar gegenüber den Notärtzten, Zeugen können ungehindert den
Bahnhof verlassen, ohne daß ihre Personalien festgesellt werden, aber
betreten darf den Tatort niemand. Die Asservierung der Waffen erfolgt unter dem
Motto: "Wer geschossen hat, soll seine Pistole abgeben." - ob sie
geschossen haben, dürfen die Täter selbst entscheiden.
Vor allem
aber werden die wichtigsten Spuren sowohl am Tatort als auch bei der
Leichenschau noch am gleichen Tag vernichtet, gegen alle Regeln. Zu diesem Zweck
verweist das BKA in beiden Fällen die eigentlich zuständigen lokalen
Polizeidienststellen vom Platz.
Die Staatsanwaltschaft Schwerin hat die
mannigfaltigen und schwerwiegenden Widersprüche in den Aussagen der verdächtigten
GSG 9-Beamten Nr. 6 und Nr. 8 penibel aufgelistet und analysiert. Schließlich
kam sie aber zu dem mehr als wohlwollenden Schluß, diese Beamten hätten
lediglich deshalb soviel "erdichtet und erlogen", weil sie aus Scham
einen völlig mißglückten Einsatz zu einem mustergültigen
zurechtbiegen wollten.
Zeugenaussagen bestätigen die naheliegende Vermutung, daß sich
auf und in der unmittelbaren Nähe von Bahnsteig 3/4 entgegen der
offiziellen Darstellung Polizeibeamte befanden, als Wolfgang Grams die Treppe
hochstürmte. Viele der nach offiziellen Angaben eingesetzten Beamten wurden
von der StA Schwerin nicht vernommen, weil sie sich nach Angaben von BKA und GSG
9 im weiteren Umfeld des Bahnhofs befunden haben sollen. Diese Behauptung wurde
nicht überprüft.
Wir hoffen, daß der ganze Komplex "Bad Kleinen" in dieser
Rekonstruktion nicht hinter der Vielzahl der Einzelheiten verschwunden ist,
sondern in ihnen zum Ausdruck kommt. Denn "Bad Kleinen" ist gerade
nicht die Summe der Lügen und Betrüge, sondern ihre bewußte und
gezielte Addition.
Redaktionsgruppe Jitarra