Oliver Tolmein
Der frühere
Generalbundesanwalt von Stahl vor der Presse
"Sollte
wahr sein, daß ein Beamter der GSG 9 den mutmaßlichen Terroristen
Wolfgang Grams erschossen hätte, als der schon wehrlos auf dem Bahngleis
von Bad Kleinen lag - wir müßten es wohl ertragen." Feigheit vor
dem Feind, mangelnde Bereitschaft auch mal einen Mord zu akzeptieren, wenn es
der demokratischen Sache dient, soll dem Leitartikler der liberalen Zeit
Hans Schueler niemand nachsagen. Als Anfang Juli 1993 fast alle Indizien dafür
sprechen, daß Wolfgang Grams von der Polizei erschossen worden ist, wirft
er sich mit beängstigendem Engagement in die Bresche: "Eine solche
Hinrichtung wäre eine Tragödie. Doch sie würde zum Skandal nur,
wenn die Aufklärung allein dem Zeugnis eines nicht in staatlicher
Verantwortung stehenden Publikationsorgans wie der Spiegel überlassen
bliebe." Der liberale Publizist geht vorsichtshalber vom worst
case-Szenario aus - aber nur um endgültig Absolution erteilen zu können.
Er bezeichnet den Vorgang als "Hinrichtung", also wirkt sie auch in
seinen Augen wie ein potentieller hoheitlicher, der Gerechtigkeit dienender Akt.
Vielleicht chartakterisiert er sie deshalb als tragisch, als ein Fehlurteil
also, aber kein Verbrechen, schon gar nicht eine staatsterroristische Handlung,
sondern schlimmstenfalls eine unglückliche Verstrickung in die das unergründliche
Schicksal den Schützen und seinen Staat getrieben hat. Die Katharsis, die
Schueler sich vorstellt, ist einfach - der Apparat soll sich zum Mord bekennen.
"Es gibt keine Staatsräson, die es rechtfertigte ein Unrecht zu
verheimlichen." redet der Autor den Verantwortlichen ins Gewissen - und
gibt damit zu, daß es sehr wohl eine Staatsräson gibt, die erlaubt
ein Unrecht zu begehen - und was ist schon ein Unrecht, im Staat, der selbst
Recht setzt? Schueler führt seinen Gedankengang konsequent zu Ende: "Der
Verdacht, ein Mensch sei von Staats wegen von denen hingerichtet worden, die ihn
seinem Richter erst zuführen sollten, wiegt, wenn er erhärtet wird,
schwerer als der Schuldbeweis." Es ist in Bad Kleinen, wie in Hoyerswerda,
Mölln und Solingen - Deutschland soll leben, auch wenn andere sterben müssen.
Nicht die Ermordung eines Staatsfeindes ist ein Problem, der Verdacht, der auf
seinem Staatswesen lastet, kostet Schueler den Schlaf. Das Ansehen der
Bundesrepublik muß gewahrt werden, dafür wird jeder Preis gezahlt.
Der Kommentar von Hans Schueler in der Zeit vom 9. Juli 1993 ist
nicht die Ausnahme, er fließt ein in den Mainstream des bundesdeutschen
Journalismus in diesen Tagen und Wochen. Einen Tag später veröffentlicht
beispielsweise Jürgen Busche in der Süddeutschen Zeitung ein
Gesamtkunstwerk, in dem Denunziationen, grammatikalische Entgleisungen und
Politikberatung bemerkenswert komponiert und komprimiert worden sind: "Nicht
so sehr die Tatsache, daß Beamte des Bundeskriminalamtes, eine besonders
ausgebildete Polizeitruppe, und wer weiß, wer noch am Ort des Geschehens
versagt haben, muß zu ernstesten Sorgen Anlaß geben. Mehr als alles
andere stimmt bedenklich, daß die polizeiliche und politische
Vorgehensweise bei der Terrorbekämfung genau die Wahnideen zu bestätigen
scheint, von deren Unzerstörbarkeit eben der linke Terrorismus in den Köpfen
etlicher fanatischer Menschen lebt." Fanatisch, terroristisch, Wahnideen -
Busche würde die RAF und die, die er für ihr Umfeld hält,
augenscheinlich lieber in die Psychiatrie einweisen, als in den Knast. Mehr als
alles andere treibt aber auch ihn die Sorge um, daß als Ergebnis von Bad
Kleinen der Rechtsstaat als das erkannt werden könnte was er ist - was
Busche an sich egal wäre, wenn nicht die Gefahr bestünde daß
dieser Klärungsprozeß der RAF nützen könnte. Und auch
Busche steht mit seinen Sorgen nicht allein: "Es ist kaum zu fassen, wie
Politiker und Behörden durch Verzögerungen, durch Mangel an Klarheit
und Wahrheit der RAF die Argumente liefern." Nicht einmal die FAZ
mag in diesen Tagen die Hinrichtungs-Version, die am wahrscheinlichsten wirkt,
ganz ausschließen - und stimmt deswegen ein in den Chor der liberalen
Kollegen. "Es gibt Hinweise, daß einer der Polizisten (...) die
Kontrolle über sich verloren hat." heißt es am 3.Juli und am
10.Juli wird, um keinerlei Mißverständnisse aufkommen zu lassen erklärt:
"Die Glaubwürdigkeit und letztlich Sicherheit des Gemeinwesens hat
Vorrang, solange die Gerüchte brodeln." Soll heißen: Egal was
passiert ist, der Kampf gegen den "Terrorismus" hat absoluten Vorrang
- vor der Kritik, der Wahrheitsfindung, der Sorge um den Rechtsstaat. Das
entspricht auch der Überzeugung der Woche, die schon bevor sie sich
als Roman-Herzog-Fan-Blatt restlos dem law and order Populismus verschrieben
hat, klarer als andere Medien vorführt, was passieren würde, wenn man
die Journalisten, die sich in diesen Tagen, Leitartikler für Leitartikler
als die besseren Staatsschützer andienen, nur machen ließe.
In der Ausgabe vom 8. Juli wird auf Seite im Leitkommentar und im
Aufmachertext Untergangsstimmung beschworen: "Gute Nacht, Standort
Deutschland" dröhnt Manfred Bissinger (immerhin Ex-konkret-Chefredakteur)
selber, in den Spalten daneben wird die "Endstation Rechtsstaat"
beschworen. In Gefahr und größter Not, das ist beiden Texten zu
entnehmen, braucht es einen starken Mann: "Natürlich kann auch in
einer Demokratie einer durchdrehen; das ist schrecklich und muß unverzüglich
bestraft werden. Dramatisch aber wird der Vorgang (...) durch nicht
wahrgenommene staatliche Autorität." Einer, der die Autorität
verkörpert, die sich Bissinger wünscht, ist der neue
Bundesinnenminister Manfred Kanther: "ein Mann, der als geradlinig und
unbestechlich gilt. Eigenschaften, die der neue Mann nun bei der Aufklärung
des tatsächlichen Geschehens schnellstmöglich unter Beweis stellen muß."
Für den Fall daß Kanther Schwierigkeiten haben sollte, die in ihn
gesetzten Erwartungen umgehen zu erfüllen, gibt die Woche in der nächsten
Ausgabe schon gute Tips und klärt über grundsätzliche Schwächen
der Fahndung auf: Es fehlt auch hier, findet diesmal Tom Schimmeck, der eine,
starke Mann, mit allen Kompetenzen, die Führerfigur für den
Fahndungserfolg. Statt dessen herrscht ein "Dschungel der Kompetenzen",
"heilloses Wirrwarr zwischen den obersten Bundesbehörden", was in
der Illustration zum Text dadurch anschaulich gemacht wird, daß
beispielsweise die Geheimdienste überhaupt nicht mit dem BKA verkoppelt
sind und Generalbundesanwalt von Stahl im Gegensatz zum guten, alten Kurt
Rebmann, der sich wenigstens auch mal dafür stark gemacht hat, inhaftierte
RAF-Mitglieder zu erschießen, "keine neuen Konturen" entwickelt
hat. Ähnlich argumentiert übrigens der gemeinhin ja als kritisch-aufklärerisches
Blatt in dieser Affäre angesehene Spiegel, der am 19. Juli beklagt:
"(Die Arbeit der Sicherheitsbehörden) ist gelähmt von Streit,
Inkompetenz und Parteibuchwirtschaft".
Als Mann fürs Positive,
Journalisten sollen nicht nur zersetzend kritisieren, schickt die Woche
dann noch ihren eigenen Sonderermittler an die Front in diesem Kampf um das
Ansehen Deutschlands In der ersten Folge zeichnet Dagobert Lindlau, BKA-Berater,
GSG 9-Vertrauter, Talkmaster und Beschwörer der Organisierten Kriminalität,
einen rührendes Portrait der GSG 9, die vor allem trainiert haben soll, wie
sie Gegner bekämpft ohne ihnen weh zu tun, oder gar zur Waffe greifen zu müssen.
Im zweiten Teil präsentiert Lindlau dann das "Protokoll von Bad
Kleinen" - ein Glanzstück an Ermittlungstätigkeit, dessen souveräne
Art den Wunsch der kritischen Kollegen, die an Mord glaubten, ihn nicht so
schlimm fanden, sondern nur erklärt bekommen wollten, überzeugt haben
müßte: "Schüsse aus nächster Nähe werden in den
Medien automatisch zur Hinrichtung. Das ist aber falsch. Selbst ein Nahschuß,
sogar ein aufgesetzter Schuß kann ein berechtigter Schußwaffengebrauch
in Notwehr sein. Dann zum Beispiel, wenn das die einzige Möglichkeit ist,
einen feuernden Täter zu stoppen."
Daß ein Zeuge, der
seinen eigenen Aussagen und der Gegenrecherche des Spiegel zufolge am
Einsatz beteiligt war, den aufgesetzten Nahschuß nicht als Versuch den
bereits am Boden liegenden Grams zu stoppen qualifiziert, sondern als gezielte Tötung
irritiert Lindlau so wenig wie die ähnlich lautende Aussage der Kioskverkäuferin
Joanna Baron: Die eine fertigt er mit einem Nebensatz ab - sie habe bei der
BKA-Vernehmung Erinnerungslücken gehabt. Der andere aber "läßt
durch Wortwahl und Diktion erkennen, daß er womöglich in der
Nationalen Volksarmee oder bei der Volkspolizei der DDR Erfahrungen gesammelt
hat." Das sagt, wenn es denn zuträfe, zwar nichts über die Zuverlässigkeit
der Zeugenaussage, dokumentiert aber Lindlaus außerordentliche Kreativität
bei der im Ermittlungsverfahren Bad Kleinen ungewöhnlich beliebten und
erfolgreichen Praxis, Beweismittel durch Gerüchte und Spekulationen zu
entkräften.
Die bürgerlichen Medien präsentieren sich in diesen Tagen im
Juli, das zeigt diese kleine, tendenziöse und doch repräsentative
Presseschau, so demonstrativ deutsch, so überparteilich staatsparteiisch
wie schon lange nicht mehr. Gerade in dem Moment, wo die Desinformations-Politik
des Staatsapparates so offensichtlich wird, wo die meisten bekanntgewordenen
Fakten gegen die Staatsversion sprechen, wo also die Kontrollfunktion der
skandalorientierten Medien tatsächlich einmal hätte greifen können,
stecken die maßgeblichen deutschen Kommentatoren wie ein Mann zurück.
Während ihre Kollegen in den Nachrichtenredaktionen die Tickermeldungen über
neue Unterlassungen, Vertuschungsversuche und Widersprüchlichkeiten, brav
zu Hundertzeilern verarbeiten, suchen sie fieberhaft einen Ausweg aus der Krise:
Ein GSG 9-Mann, schlagen die Politikberater in den Redaktionsstuben ihren
Kameraden von den anderen drei Gewalten vor, soll als "durchgeknallt"
geopfert, der Mord im übrigen als Mord deklariert und dann auch engagiert
entschuldigt oder zur Nebensache erklärt werden. Den Mitgliedern des
Krisenstabes von 1977 muß das Herz vor Freude gehüpft sein - mit
dieser wie von selbst vereinheitlichten Presse im Rücken hätten sich
die "Selbstmorde" von Stammheim auch gut und gerne als offene
Hinrichtungen exekutieren lassen.
Gegen dieses einheitliche Bild, das die
Medien zu diesem Zeitpunkt abgeben spricht vor allem, daß tatsächlich
wesentliche Informationen, die die Mordversion glaubwürdig erscheinen
liessen, von den Medien, vor allem von Monitor und dem Spiegel
veröffentlicht worden sind. "Die drei Gewalten haben nach (!) Bad
Kleinen versagt." zieht Christian Semler in der taz vom 6. Juli
deswegen als seine Bilanz, "Die vierte Gewalt, die unabhängigen Medien
- sollten ihren Triumph nicht auskosten. Denn es steht etwas auf dem Spiel , das
zu zerbrechlich ist." Semler, der offensichtlich der Auffassung ist, daß
die drei Gewalten in Bad Kleinen selber nicht versagt haben, schreibt
nicht ganz präzise, was denn so zerbrechlich ist, daß die Medien sich
zurückhalten sollen. Diese Mischung aus scharfer Kritik und vagen
Forderungen durchzieht aber auch die Berichte der anderen, im allgemeinen
sprachlich versierteren kritischen Medien. Wahrscheinlich meint Semler, daß
die Rechtssicherheit das Gut ist, dem die Medien ihren Triumph opfern sollen -
und er kann im Rückblick recht zufrieden sein. Auch die mutigsten Enthüllungsjournalisten
haben sich in ihren Berichten zu Bad Kleinen bemüht, diesen Grundkonsens
auf keinen Fall zu zerstören.
Daß der Spiegel 1993 anders als nach den angeblichen "Selbstmorden"
in Stammheim nicht erst Jahre ins Land gehen ließ, eher er die
Seltsamkeiten und Widersprüchlichkeiten der staatlichen Version mit Fakten,
die die Anwälte für das Todesermittlungsverahren recherchiert hatten,
konfrontierte, markiert keinen Bruch mit der Tradition der
Staatsschutz-Berichterstattung. Bemerkenswerterweise stützt der Spiegel
seine "Hinrichtungs"-These von Anfang an weniger auf die Aussage der
Zeugin Joanna Baron, als vielmehr auf die eines Mannes aus dem Apparat, der
selbst bei der Aktion dabeigewesen sein soll und sich nun in "höchster
Seelennot" befunden haben soll: "Der Zeuge bat zudem, die Kollegen von
der GSG 9 differenzierter zu behandeln - das sind keine Killer."
Bemerkenswert ist, daß der Spiegel zwar einerseits den Eindruck
erweckte rücksichtslos an der Aufklärung des Geschehens in Bad Kleinen
beteiligt zu sein - andererseits aber von vornherein nur ein sehr begrenztes
Spektrum von Möglichkeiten (Rache, Affekt einzelner Beamter) zuläßt.
Keineswegs wird ernsthaft darüber nachgedacht, ob der Apparat ein Interesse
an einer gezielten Eskalation gegen die RAF gehabt haben könnte. Auch der
Zusammenhang zu anderen nie wirklich aufgeklärten Todesfällen von
RAF-Gefangenen bei Fahndungen und in Gefängnissen wird im Spiegel
stets in die gleichen Formeln gekleidet: " Und dann haben wir wieder die
gleiche Diskussion wie bei Stammheim - nach den Suiziden von Baader und anderen
in der Zelle, die seit 1977 als Legende vom staatlich verordneten Mord herhalten
müssen." Gerade in der kritischen Berichterstattung des Spiegel,
der immerhin auch die Krisenstabs-Protokolle von 1977, in denen die
Gefangenen-Erschießungs-Szenarien enthalten waren, mit langer Verzögerung
abgedruckt hat, wird der innere Zusammenhang von Deutschem Herbst und Deutschem
Sommer charakteristisch abgehandelt: Die Berichterstattung über den Mord,
der in Bad Kleinen eventuell stattgefunden hat, wird benutzt, um die
Selbstmordversion des Staates für Stammheim, die auch die Medien übernommen
haben, festzuschreiben. Das was Aufgabe eines kritischen Journalismus wäre,
die Ungereimtheiten, Vertuschungen und Widersprüchlichkeiten bezüglich
Bad Kleinen zum Anlaß zu nehmen, auch das alte von "Pannen" und "Zufällen"
geschriebene Kapitel nochmal neu aufzuschlagen und zu interpretieren, wird nicht
einmal ansatzweise unternommen. Stammheim wird, den um Jahre zu spät aber
immerhin veröffentlichten Fakten der eigenen Berichterstattung zum Trotz,
nicht als reales, zu untersuchendes Ereignis genommen, sondern als Chiffre: Als
Chiffre für die rücksichtslos-aggressive Propaganda der Linke, in der
alles, sogar "Selbstmorde" hergenommen werden, um den Staat schlecht
zu machen. "Wieder einmal, wie schon nach dem Selbstmord von Häftlingen
im Stammheimer Gefängnis 1977, ist der verheerende Eindruck entstanden, die
Terroristen seien die Opfer, nicht die Täter." Eine erstaunliche
Formulierung - schließlich ging es ja weder bei den Untersuchungen zum
Deutschen Herbst in Stammheim, noch bei den Ermittlungen über Wolfgang
Grams Tod, um die allgemeine Frage, ob "die Terroristen" Opfer oder Täter
sind, die Frage war, wer ganz konkret den Tod von vier Menschen herbeigeführt
hat. Die eigentümliche Formulierung des Spiegel legt eine
Sichtweise nahe, in der Grams oder auch Raspe, Ensslin und Baader, auch dann
nicht als Opfer eines Mordes wahrgenommen werden dürfen, wenn sie nicht
selbst Hand sich gelegt haben. Einmal RAF-Mitglied - immer Täter. Was aber,
muß man fragen, will der Spiegel mit einer Berichterstattung, die
diesen Ausgangspunkt hat, daß es letztlich darauf ankommt klarzustellen,
daß "die Terroristen" so oder so Täter wären und nicht
Opfer, wirklich aufklären? Bestenfalls, das wird im Verlauf der
Berichterstattung, die ihren deutlichsten Tiefpunkt in der auf Druck der
Strafverfolgung, anderer Medien und wahrscheinlich einflußreicher Freunde
aus der Politik erfolgten, offenen Distanzierung vom eigenen Zeugen hat,
interessiert sich der Spiegel für das Aufdecken einer Panne im
System, keinesfalls für die Entdeckung eines kommandierten Mordes. Dafür
sorgen natürlich auch die anderen Informanten aus dem Apparat, die die
durch gezieltes Streuen von Details über Konkurrenzen, Zwistigkeiten, Versäumnissen
und Forderungen aus dem Innenleben der Staatssicherheit die Insider-orientierte
Artikelproduktion in Gang halten.
Der Spiegel gibt also eine Fülle von, zum Teil durchaus
hochbrisanter Informationen wieder, durch die fehlende Analyse von Hintergründen,
durch das Ausblenden von größeren Zusammenhängen und die
ideologisierende Einbettung neutralisiert die Redaktion deren Wirkung aber
gleich wieder. Besonders deutlich wird das an der Art und Weise, wie Stammheim
und Bad Kleinen in Beziehung zueinander gesetzt werden. Dabei wäre es
naheliegend gewesen gerade hier genau hinzuschauen, zu fragen, ob die aktuellen
Ereignisse nicht die vergangenen in einem neuen Licht escheinen lassen, statt
davon auszugehen, daß was schon einmal geleugnet wurde, auch beim
zweitenmal nicht geschehen sein kann. Auch eine Reflektion der jeweiligen
politischen Konstellation, die beiden Kontroversen um Mord oder Selbstmord
zugrunde gelegen hat, ist ausgeblieben: 1977 war die RAF, nachdem sich
herausgestellt hatte, daß ihre Geisel-Austausch-Pläne keine Aussicht
auf Erfolg hatten und die Entführung der "Landshut" durch das
Kommando Martyr Halimeh gescheitert war, vor allen Dingen politisch,
letztenendes aber auch militärisch am Ende. In dieser Situation konnte der
Tod der Gefangenen, deren Freilassung zu erreichen das Ziel jahrelanger, äußerst
riskanter militanter Aktionen war, als Zeichen des völligen Scheitern nach
außen und in die Gruppe der Militanten hinein wirken: Man hatte nicht nur
die Freilassung der GenossInnen nicht erreicht, sondern nicht einmal etwas gegen
ihren Tod unternehmen können. Ein solches Zeichen zu setzen machte aber nur
für den Gewinner des Deutschen Herbstes Sinn, den Staatsapparat, dessen
Vertreter im Kleinen Krisenstab, wie wir wissen, die Tötung der Gefangenen
als Mittel zur Demoralisierung der RAF auch diskutiert hatten. 1993 befand sich
die RAF in einer anderen, aber ähnlich grundsätzlichen Krise: Mit
ihrer Erklärung vom April 1992, auf bewaffnete Angriffe gegen führende
Repräsentanten des Systems zu verzichten, hatte sie für die Gefangenen
nichts erreicht. Auch die als strategischer Neuansatz definierte Gegenmacht von
unten wollte sich nicht so recht aufbauen lassen. Der Anschlag auf den Knast
Weiterstadt hatte zwar Sympathien eingebracht, aber auch keine militante
Perspektive eröffnet.Der Staatsapparat hatte deutlich gemacht, daß an
ein Entgegenkommen, an ein Ende der RAF ohne "Gesichtsverlust" nicht
zu denken war. Und just in dieser Phase wird ein extrem aggressiver
Fahndungseinsatz betrieben, dem ein RAF-Mitglied, Wolfgang Grams, unter
zumindest sehr merkwürdigen Umständen zum Opfer fällt. Die RAF,
die davon ausgeht, daß der Staatsapparat ihren Genossen ermordet hat,
steckt in einem Dilemma. Sie müßte jetzt ihrer April-Erklärung
zufolge den bewaffneten Kampf wiederaufnehmen (und etliche Kommentatoren haben
sie dazu indirekt aufgefordert) - das wäre aber gleichzeitig ihr
politisches Ende, denn die Gründe, die sie für den Abbruch der
Attentate auf führende Repräsentanten des Systems angegeben hat, waren
im wesentlichen grundsätzlicher Art. Reagiert sie nicht mit neuen Anschlägen
ist sie militärisch erledigt und damit, weil folgenreicher als die Erklärungen
immer die Anschläge waren, auch politisch. Profiteur dieser nicht positiv
aufzulösenden Situation ist auch in diesem Fall wieder der Staatsapparat.
Was spricht also gegen die Überlegung, daß der Staatsapparat in Bad
Kleinen versucht haben könnte, was ihm in Stammheim unvorhersehbarer Weise
nicht dauerhaft gelungen ist: die RAF endgültig zu erledigen?
Hier lohnt sich ein Blick auf die Berichterstattung der taz, einer
Zeitung, die es ohne den Deutschen Herbst wahrscheinlich nicht geben würde,
für die die Verbreitung von Gegenöffentlichkeit, das Durchbrechen von
Nachrichtensperren und Denkblockaden einmal Programm gewesen ist. Die taz
beschäftigt sich ausführlich und umfassend mit den Ereignissen in Bad
Kleinen und ihren Nachwirkungen. Stärke der taz-Berichterstattung
ist, was unter anderem ihren begrenzten Kapazitäten geschuldet ist, weniger
die eigene Recherche, als die kritische Kommentierung der Ereignisse, die
Dokumentation von Erklärungen von Birgit Hogefeld und den Anwälten,
sowie Interviews, in denen vorzugsweise Leute aus dem Spektrum der "Kritischen
Polizisten" und intelligentere Vertreter des Apparats ihre Einschätzung
der Ereignisse präsentieren können. Die Perspektive aus der heraus die
meisten taz-Artikel und -Kommentare verfasst sind, ist realpolitisch -
ihr Ziel sind die bessere Fahndung, die menschlicheren Haftbedingungen, die
erfolgreichere Abwicklung des Konflikts zwischen Staat und RAF. Dieses Geschäft
läßt sich so engagiert nur betreiben, wenn man sich sicher ist, daß
es eine gemeinsame Grundlage mit denen gibt, auf die man einwirken will. Die
taz, das wird gerade in ihren Versuchen Bad Kleinen zu bewältigen
deutlich, glaubt an das Gute im deutschen Staat. 1977 kann deswegen von ihr
nicht als Jahr der Vernichtungs-Phantasien und des Staatsterrorismus beurteilt
werden, sondern nur als verhängnisvolles Scheitern einer Kultur des
Dialogs, die jetzt mit aller Macht gerettet werden muß. "Jetzt rächt
es sich", schreibt taz-Leitartikler Christian Semler in seinem "Kurzen
Rückblick von Bad Kleinen auf das Jahr 1977", "daß ein
Dialog aller beteiligten Akteure über den Deutschen Herbst bis heute unmöglich
war." (taz 3.7.1993). Warum es unmöglich war schreibt Semler
nicht - und er kann es auch nicht, weil er und mit ihm die Mehrheit der
Redakteure der taz sich so sehnlichst ein Ende der militanten Angriffe wünschen,
die sie in einen Loyalitätskonflikt aus ihren Gründerzeiten stürzen,
daß sie die Gründe für die Guerilla-Politik der RAF genausowenig
analysieren wie die Staatssicherheitspolitik des Apparates, sondern immer nur
nach neuen Punkten suchen, an die ein Vorschlag für das Ende des Kampfes
geknüpft werden kann. "Die Forderung von Stahl zu feuern, ist deshalb
keineswegs eine bloß formale Geste", räsonniert Semler, "In
ihr könnte sich der Anspruch geltend machen, die Frage, wer wen mit welchen
Mitteln zu bekämpfen hat, endlich in die Arena zurückzuverweisen, in
die sie gehört: die der vernunftgeleiteten demokratischen Diskussion."
In dieser Arena der Diskussion, in der Forderungen als Anspruch auf Zurückverweisung
die Vernunft herausfordern, hat sich dem damaligen Chefredakteur der taz
Micha Sontheimer, ein Mann schon als Gladiator für die Demokratie ein
Denkmal gesetzt: "Bis zum Rücktritt Seiters` erschien es zwangsläufig,
daß die Konfrontation zwischen RAF und Staat wieder eskalieren würde
(...) Nachdem die Bundesregierung, respektive Rudolf Seiters, einen ebenso überraschenden
wie deeskalierenden Schritt getan hat," wollen wir jetzt den
heraufziehenden Frieden nicht etwa durch Fragen nach dem "warum" und
weitere Überlegungen zu 1977 stören, sondern Hausaufgaben verteilen: "ist
es jetzt an der RAF, nicht nach den altbekannten Mustern unnachgiebiger
Vergeltung zu agieren." Eine Aufforderung, die von der taz, die im
Verlauf der Ermittlungen zu Bad Kleinen so gut wie noch nie mit internen (Des-)
Informationen aus dem Apparat versorgt worden ist, noch mehrmals wiederholen
wird. Zum Beispiel in einem Kommentar aus Anlaß der Falschmeldung, daß
eine Gruppe von Gefangenen kurzzeitig zusammengelegt werden wolle, um das Ende
des bewaffneten Kampfes zu diskutieren. Die taz erkennt nicht etwa, daß
das ein ganz unsinniges Unterfangen wäre (weil es eine entsprechende Erklärung
der Gefangenen bereits gibt), sondern läßt die alte "Kinkel-Initiative",
dieses Phantom der staatlichen Deeskalationspolitik, wieder zu Ehren kommen: "Die
Kinkel-Initiative muß endlich umgesetzt werden" fordert Micha
Sontheimer am 12. Juli 1993 und hat diesmal eine Aufgabe für den Staat
parat: "Seit der Deeskalationserklärung der RAF und besonders nach der
Katastrophe von Bad Kleinen ist jetzt der Staat am Zuge (...) Warum sollen die
Gefangenen nicht endlich die Möglichkeit bekommen, sich in einem Gefängnis
zu treffen, um ihr antiquiertes Selbstverständnis einer kritischen Prüfung
zu unterziehen? (...) Es gäbe vielerlei zu tun." Auch dieser Vorstoß
bleibt allerdings ergebnislos, weil die Gefangenen nun einmal nicht beabsichtigt
haben ihr "antiquiertes Selbstverständnis" nach den Vorstellungen
der Modernisierer von der taz-Fraktion kritisch zu überprüfen...
Am Ende beiben für die taz nur Enttäuschungen: "Mit
diesem Scheitern der Zäsur (die die RAF im April 1992 gesetzt hat, O.T.)
(wurde) eine vielleicht einmalige Chance für das Ende des RAF-Terorismus
verspielt", klagt Wolfgang Gast (30.8.1993). Auch die Mission des V-Mannes
Klaus Steinmetz, die taz-Reporter Rosenkranz einfühlsam, als ginge
es um sein eigenes Wirken, nachzeichnet, ist gescheitert: "Der mutmaßlich
erste V-Mann, den die Staatsschutzbehörden in 23 Jahren an die RAF heranführen
konnten war so etwas wie ein Doppelagent. Er hat sich nie vorbehaltlos für
eine Seite entschieden. Ja er fühlte sich bis zum Schluß der linken
Szene, die seinen Alltag ausfüllte, stärker verbunden als den geheimen
Schlapphüten." (taz 2.8.93). Auch der taz bleibt so
als Rückzugs-Terrain, von dem aus sie bei nächster Gelegenheit die
ganze "jetzt ist die Gelegenheit so gut wie nie"-Chose erneut
durchspielen kann, nur das, was auch der Spiegel und so viele andere geschrieben
haben: "Die Erschießung des RAF-Mitglieds Wolfgang Grams und deren
nach wie vor ungeklärte Umstände bilden den Stoff für die
Legenden, mit denen neue Mitglieder für den Untergrund rekrutiert werden."
(taz 30.8.1993) Damit liefert die taz auch die Erklärung, warum
sie, wie hart die Indizien für einen Mord von Staats wegen auch sein mögen,
nie davon abgehen wird, die Legenden des Staatsapparats letztenendes als die
wahrscheinlichere Wahrheit wenigstens erscheinen zu lassen: Weil sie sich mehr
als für die Fakten für deren Konsequenzen interessiert, weil sie wenn
es hart auf hart kommt, auch bereit schein alles zu tun, was verhindert, daß
neue Leute "für den Untergrund rekrutiert" werden: Das Ende des
bewaffneten Kampfes, nicht das Ende des Staatssicherheitsapaates ist das Ziel
ihres vernunftgeleiteten demokratischen Diskurses.
Die taz
beantwortet also die Frage, was gegen die Überlegung spicht, daß der
Staatsapparat in Bad Kleinen versucht haben könnte, was ihm in Stammheim
unvorhersehbarer Weise nicht dauerhaft gelungen ist, gar nicht, weil schon sie
zu stellen mit ihrer Berichterstattung nicht vereinbar ist. Eine überraschende
Antwort haben dagegen die Autoren des Buches "Operation RAF" parat: Für
sie hat sich in Bad Kleinen die These ihres 1993 auf die Bestseller-Listen
katapultierten Buches "RAF-Phantom" bestätigt, daß es keine
RAF mehr gibt, 1977 mithin, wie auch immer, die Zerschlagung der RAF bereits
gelungen ist. Diese Zerschlagung allerdings muß dem Staatsapparat höchst
ungelegen gekommen sein, was die Autoren allerdings nicht auf die Frage bringt,
wieso sie dann betrieben worden ist, sondern sie zu einer recht gewagten
Spekulation motiviert: Sie legen in ihrem Buch nahe, daß Bad Kleinen die
Antwort des Staatsschutzes auf ihr "RAF-Phantom" gewesen sei: "Selten
haben Bundesanwaltschaft und BKA, aber auch die Verfassungsschutzbehörden,
einen Fahndungserfolg so dringend benötigt, wie den von Bad Kleinen (...)
Mit der Operation RAF (...) konnten angebliche Führungsfiguren der RAF
endlich einmal in persona vorgezeigt werden, mit dem Effekt, daß die
leidigen Gerüchte um deren Existenz oder Nicht-Existenz einstweilen
verstummten (...)" Die Selbstüberschätzung der Autoren wird
jedenfalls nicht durch die erdrückende Beweiskraft der von ihnen aufgeführten
Indizien übertroffen: Zwar haben tatsächlich Spiegel und taz
unmittelbar nach Bad Kleinen festgestellt, daß die von einigen Autoren zum
Phantom erklärte RAF offensichtlich doch existiere - diese Auffassung haben
sie in den Jahren zuvor aber auch ohne spektakuläre Show-Downs und
Verhaftungen nicht ernstlich aufgegeben. An einem Punkt läßt sich
exemplarisch aufzeigen, wie unsolide die "Phantom"-These in
Zusammenhang mit Bad Kleinen konstruiert ist: Ausführlich setzen sich die
Autoren mit der Erklärung der RAF vom 6. Juli 1993 zu Bad Kleinen
auseinander - und halten für ein besonders starkes Indiz gegen die
Authentizität des Dokuments, also für die Bestätigung ihrer "Phantom"-These,
daß "die Dunkelmänner aus der RAF Beweismittel gegen ihre
angeblichen Genossen (liefern). Ein merkwürdiges Verhalten von
konspirativen, angeblich linken Revolutionären." Über die seit
Bestehen der RAF geübte Taktik, daß ihre Mitglieder sich in Verfahren
zu ihrer Organisation (nicht zur Beteiligung an einzelnen Aktionen) bekennen und
nicht auf Unschuld plädieren, sondern einen politischen Prozeß führen,
kann man trefflich streiten - zur Kenntnis nehmen aber muß man sie: Es ist
also keineswegs erstaunlich, daß die RAF Wolfgang Grams als einen der
ihren betrauert - es wäre erstaunlich gewesen, wenn sie es nicht getan hätten.
Ist dieser Einwand also eher von Unkenntnis geprägt, wirkt der nächste
schon unangenehm schmierig: "Die Behauptung, daß Wolfgang Grams
hingerichtet worden sei, mag man - nachdem sie sich die unbekannten
Briefeschreiber namens RAF zu eigen gemacht haben - selbst gar nicht mehr
aufstellen - obwohl man nach Lage der Dinge ohne weiteres dieser Meinung sei könnte."
Wahr ist, was von Leuten geäußert wird, denen wir uns verbunden fühlen
(...) die journalistische herrschende Meinung in diesem Land hat eben, auch wenn
sie als besonders kritische daherkommt, ihre klaren Fixpunkte.
So wenig überzeugend wie der Verweis auf die RAF-Erklärung als
Beweis für die Phantom-Existenz der RAF, so unsinnig ist die als politische
Analyse verkleidete Behauptung, der Staatssicherheitsapparat benötige die
RAF um seine eigene Existenz und die Ausweitung seiner Kompetenzen zu
legitimieren. Die Einschränkung von Verteidigerrechten, die Diskussion um
den großen Lauschangriff, um die Abkürzung der Strafverfahren, die
Ausweitung von Haftgründen, den Einsatz von Bundeswehr an den Grenzen und
im Landesinneren wird spätestens seit der Wiedervereinigung Deutschlands
nicht mehr mit den Aktivitäten der RAF begründet, sondern mit
angeblich steigender "Ausländerkriminaltät", mit dem
behaupteten Machtzuwachs der "Organisierten Kriminalität", mit
der Bedrohung Deutschlands durch "Flüchtlingsströme" etcpp.
In der Politik der Inneren Sicherheit hat längst ein Paradigmenwechsel
stattgefunden - der war nötig, weil Voraussetzung für die anstehenden
spürbaren Verschärfungen der Polizeipraxis und Entrechtung weiter
Teile der Bevölkerung ist, daß überzeugend suggeriert werden
kann, nur so ließe sich eine Bedrohung, die "uns alle" angeht
abwenden. Daß die RAF eine Bedrohung für die Bevölkerung
darstellt, konnte aber schon lange kaum mehr plausibel behauptet werden - mit
der Vereinigung Deutschlands kam als Problem dazu, daß für die
Menschen in den neuen Bundesländern, die die jahrelange ideologische
Mobilma-chung gegen die RAF nicht miterlebt hatten, "Terrorismus" noch
viel weniger furchterregend wirken mußte, eine rassistische Mobilmachung
dagegen recht erfolgreich vorangetrieben werden konnte.
Aber das investigativ arbeitende Journalistentrio
Landgraeber/Sieker/Wisniewski, das sorgfältig und engagiert wie sonst kaum
jemand die Widersprüchlichkeiten und bewußten Lügen der
Staatsversion herausarbeitet, fällt in seiner politischen Analyse weit
hinter die eigene Recherche zurück. Während sie dort überzeugende
Indizien dafür auflisten, daß Wolfgang Grams bewußt auf den
Bahnsteig 4 vor die Maschinenpistolen eines geheimen Einsatzkommandos getrieben
worden ist, kommen sie in ihrem Resümee zu dem an Naivität kaum mehr
zu überbietenden Schluß: "Zum ersten Mal wurde für
jedermann ofensichtlich: Bei der Fahndung nach der RAF geht es nicht mit rechten
Dingen zu (...) Man stelle sich vor, Wolfgang Grams wäre noch am Leben:
(...) Bei der Vielzahl der vernichteten Spuren und widerspüchlichn
Zeugenaussagen wäre für ihn ein Freispruch aus Mangel an Beweisen im
Bereich des Möglichen gewesen." Tatsächlich ist die Geschichte
der Fahndung nach der RAF voller "Pannen", die aber, wie auch Bad
Kleinen, die Öffentlichkeit nie nachhaltig beunruhigt haben - und einen
Freispruch aus Mangel an Beweisen als Möglichkeit zu unterstellen ist
angesichts der Geschichte der real existierenden RAF-Prozesse dermaßen
absurd, daß man, wendete man die Bewertungs-Methode der Autoren auf ihr
eigenes Produkt an, sie umstandslos als "Landgraeber/Sieker/Wisniewski-Phantom"
entlarven müßte, das in geheimem Auftrag versucht die politischen
Verhätnisse hierzulande als im Großen und Ganzen gut bestellt
darzustellen - wenn da nicht ein paar Hardliner in den Apparaten wäre, die
auch "eine schallende Ohrfeige ins Gesicht all jener redlichen Ermittler
(verteilt haben), die sich seit Jahrzehnten mühen, kriminalistische
Methoden zuverlässiger zu machen und damit mehr Rechtssicherheit im
Strafverfahren zu schaffen. Ihre Arbeit wurde durch die polizeilichen Pfuscher
von Bad Kleinen mit Füßen getreten." Die Hausdurchsuchung, die
das BKA bei den Autoren durchgeführt hat, wäre, richtete man auf sie
einen so schrägen Blick, wie sie auf die RAF, nur ein zusätzliches
Indiz für die Phantom-These: Wie sonst ließe sich der Ruf des Trios
besser festigen, als wenn man sie in die Nähe von Staatsfeinden rückte.
(...)
Sie sind es, das versichern sie in ihrem Buch "Operation RAF" so
oft es geht, gewißlich nicht. Und deswegen ist auch für sie, ihren
sonstigen phanatsievollen Ausschweifungen zum Trotz, zu Bad Kleinen im Ergebnis
wenig mehr eingefallen, als "polizeiliche Pfuscharbeit" zu
konstatieren.Womit auch dieses Trio in der Konsequenz mit den anderen Kollegen
konform geht, die in dieser brisanten Situation in all ihren hunderten von
Texten nicht zu einer Aufklärung beitragen, sondern den Übergang zur
Tagesordnung vorbereiten: Denn die eine Botschaft wird konsequent und von allen
transportiert - egal was in Bad Kleinen geschehen ist, tiefgreifende
Konsequenzen werden daraus nicht zu ziehen sein. Ein paar Rücktritte,
eventuell die Auflösung einer Polizeisondereinheit - das zu fordern ist
alles, was der parlamentarisch orientierten Opposition und Öffentlichkeit
in Deutschland noch einfällt.