An das
Landgericht
Lübeck
2a KLs (29/96)
06.01.1997
In der Strafsache
g e g e n
Safwan E i d
gibt die Verteidigung zur Inaugenscheinnahme des Video
der Bezirkskriminalinspektion Lübeck -Kommissariat 6- am
02.01.1997
folgende Erklärung gemäß § 257 StPO ab:
1. Das Video dokumentiert, daß eine Spurensuche in der Brandruine nur sehr selektiv, nämlich schwerpunktmäßig im Flur der zur Hafenstraße gelegenen Wohnung im 1. Stock stattgefunden hat. Aber auch aus den Bildern über die Arbeiten in diesem Bereich wird nicht nachvollziehbar, welche Tatsachen dafür sprechen könnten, daß Benzin im Flurbereich auf Höhe des WC ausgegossen worden und von dort zur 10 m entfernten Treppe bergauf gelaufen sein sollte. Aus den Aufnahmen geht hervor, daß die Spanplatte, auf die angeblich eine brennbare Flüssigkeit gegossen worden sein soll und die vom Sachverständigen Dr. Herdejürgen später wegen Bedeutungslosigkeit weggeworfen wurde, von unten -also aus dem Inneren der Holzbodenkonstruktion kommend- bräunlich verfärbt war. Zum Zustand der Spanplatte von oben läßt sich aufgrund der Videobilder feststellen, daß sie sich von der Beschaffenheit des übrigen durch Feuer beschädigten Fußbodenbelags nicht unterscheidet. Sichtbar ist vor dem Aufreißen des Bodens lediglich eine relativ kleine Veränderung des Bodenbelags, für dessen Entstehung und Aussehen bisher keine Erklärung angeboten wurde.
2. Aus den Videobildern über die Löscharbeit läßt sich ersehen, daß die Feuerwehr durch das Spritzen von Wasser durch die Fenster nicht die im Inneren -also den Flurbereichen- des Hauses lodernden Flammen löschen konnte. Dies gelang erst durch Einsatz einer Löschkonstruktion mit Wasserstrahl von oben und Einbringen von großen Mengen Wasser in die Mitte des Hauses.
3. Die Bilder vom 30.04.1996 weisen noch aus, daß eine große Menge von Scherben innen auf dem Fensterbrett des kleinen Fensters des hölzernen Vorbaus liegen. Diesen Scherben wurde bis zu diesem Zeitpunkt -und wohl auch danach- keinerlei Bedeutung zugemessen, obwohl der Zustand von Glasscherben Rückschlüsse darauf zuläßt, ob die Scheibe vor oder während des Brandes, durch Einschlagen, Hitzeeinwirkung oder Explosion zerstört wurde. Bei der Augenscheinahme der Brandruine am 04.12.1997 waren die Scherben verschwunden.
4. Der im Video dokumentierte Zustand der
Leichen läßt Rückschlüsse auf den Verlauf des Feuers zu.
Festzustellen ist, daß die im Eingangsbereich gefundene Leiche
des Sylvio Amoussou deutlich sichtbar die stärksten Verkohlungen
aufweist. Auch die Leichen der im zweiten Stock, in dem Eckzimmer
Konstinstraße/ Hof (4.2.1.1.), gefundenen Francoise Makodila und
des 3-jährigen Jean-Daniel Makodila weisen stärkere
Verbrennungen und Verkohlungen auf als die im Eckzimmer Hof/ Fa.
Brüggen (4.2.1.3.) gefundenen 4 Leichen. Die Leiche des Rabia El
Omari ist vom Feuer verschont geblieben, sie ist vollständig
bekleidet und lediglich verrußt.
Der Zustand der Leiche des Sylvio Amoussou läßt den Schluß zu,
daß er dem intensivsten Brandgeschehen ausgesetzt war. Mit dem
von der Staatsanwaltschaft angenommenen kurzen Brandverlauf im
Holzvorbau -nach dem es hier erst in der Schlußphase durch
herabfallende Treppenteile begonnen haben soll, zu brennen-
läßt sich dies nicht vereinbaren. Der Zustand der Leichen der
Francoise Makodila-die wahrscheinlich als erste über Notruf das
Feuer meldete- und ihres kleinen Sohnes Jean-Daniel weist
daraufhin, daß das Feuer sehr früh die Wohnung Makodila
erreichte. Auch in diesem Punkt der Beweisaufnahme spricht nichts
dafür, daß das Feuer aus der rechten Wohnung im 2. Stock, der
Wohnung der Familie El Omari, in die angeblich der
Durchbrand sehr früh erfolgt sein soll, durch die
Trennmauern in die Nachbarwohnung Makodila drang. Es ist nur
denkbar, daß das Feuer in einer frühen Phase über das
Treppenhaus in die Wohnung Makodila drang.
Heinecke | Klawitter |
Rechtsanwältin | Rechtsanwältin |