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Fri Sep  4 00:27:04 1998
 

An das Landgericht
Lübeck

20.01.97

In der Strafsache
gegen
Safwan Eid

gibt die Verteidigung zur Vernehmung des Zeugen Gustave Sossou am 15 01.1997 folgende Erklärung gemäß § 257 StPO ab:

1. Die Zeugenvernehmung des Gustave Sossou hat einmal mehr gezeigt, daß die Theorie der Staatsanwaltschaft und ihrer Sachverständigen über Brandursache und Brandverlauf reine Spekulation ist. Zu ihr paßten nie die in den Ermittlungsakten befindlichen Aussagen der direkt Brandbetroffenen, insbesondere derer aus der zur Hafenstraße gelegenen Wohnung im 1. Stock. Wäre die Theorie der Staatsanwaltschaft richtig, daß im Flur dieser Wohnung Benzin ausgeschüttet und angezündet worden sei, hätte kein Bewohner dieser Wohnung nach Brandausbruch den Flur passieren können, schon gar nicht ohne schwere Brandverletzungen an Füßen und anderen Körperteilen. Der Zeuge Sossou hatte ausweislich des Berichts des Kreiskrankenhauses Eutin vom 08.02.1996 (SB Verletzte, B1. 39) und nach seinen eigenen Bekundungen in der Hauptverhandlung keine Brandverletzungen. Die Staatsanwaltschaft hat die Aussagen der Hausbewohner bei ihrer Theorien nie berücksichtigt. Das mußte sie auch, um an dem Glaubenssatz festhalten zu können: der Brand muß aus dem Haus gelegt worden sein, alle Hausbewohner sind potentielle Mittäter, deren Bekundungen - insbesondere soweit entlastend für Safwan Eid - nicht zu folgen ist.

Nun hat der Zeuge Gustave Sossou auch in der Hauptverhandlung bestätigt, daß es nicht so gewesen sein kann, wie die Staatsanwaltschaft glauben machen will. Der Zeuge Sossou hat bestätigt, daß er dadurch wach wurde, daß irgend etwas im Haus los war, und er die Rufe Feuer, Feuer" hörte. Er sei aus seinem Zimmer herausgetreten und habe keine Flammen, nur Rauch gesehen Er sei den Flur entlang gegangen, habe sich in der Dusche verirrt. Im Flur seien keine Flammen gewesen, es habe dort keinen Brand gegeben, nur Rauch. Er sei in das Zimmer der Kate Davidson gegangen, weil es dort heller war, habe bei der Rettung der Kinder der Frau Davidson geholfen. Er sei aus einem Fenster auf das Vorbaudach, von dort sofort auf die Erde gesprungen und ohne Zögern zum Fenster seiner Cousine Frau Agonglovi, gelaufen. Befragt, ob er auf dem Vorbaudach Feuer gesehen habe, und ob es dort heiß gewesen sei, sagte der Zeuge, er habe nirgendwo Feuer gesehen, er habe aber auch nicht darauf geachtet. Selbst wenn es gebrannt hätte, hätte er es nicht festgestellt. Er habe sich in einem Zustand befunden, in dem er sich nicht kontrollieren konnte. Erst als er später im Stadtwerkebus gesessen habe, habe er sehen können, wie es brannte.

Die Tatsache, daß der Zeuge Sossou beim Hinausspringen auf das Dach des hölzernen Vorbaus bewußt keine Flammen wahrgenommen hat, läßt keinerlei Schlüsse darüber zu, ob es zu diesem Zeitpunkt im Eingangsbereich gebrannt hat oder nicht. Abgesehen von der psychischen Ausnahmesituation in der sich der Zeuge nach eigenem Bekunden befand, mußte ein -auch heftiger- Brand im Eingangsbereich des hölzernen Vorbaus nicht von dem Zeugen bemerkt werden. Denn der Zeuge sprang gerade am entgegengesetzten -zur Hafenstraße weisenden Ende des hölzernen Vorbaus auf das Vorbaudach, befand sich also viele Meter weit weg von dem möglichen Brandausbruchsbereich.

2. Der Zeuge Gustave Sossou ist der Hausbewohner der nach der Behauptung des Staatsanwalts Dr. Böckenhauer im Haftbefehlsantrag vom 20.01.1996 (Bd. VI Bl. 2 ff) der Familienvater sein sollte, mit dem Safwan Eid Streit gehabt habe und gegen dessen Wohnungstür er, um sich an ihm zu rächen, zusammen mit bisher nicht ermittelten Mittätern, Benzin an die Wohnungstür des Geschädigten Sossou" gegossen und angezündet habe. Dieser Teil ist das Kernstück des Haftbefehlsantrages vom 20.01.1996 gegen Safwan Eid, das vom RiAG Böcher wortwörtlich zur Begründung des Haftbefehls vom 20.01.1996 übernommen wurde.

Der Inhalt des Haftbefehlsantrages des Staatsanwalts Dr. Böckenhauer eine Verfälschung des sich aus den Ermittlungsakten ergebenden Sachverhalts.

Wie der Zeuge Gustave Sossou in der Hauptverhandlung am 15.01.1997 bestätigte, wurde er am abend des 19.01.1996 zwischen 20.40 und22.50 Uhr im Kreiskrankenhaus Eutin als Zeuge vernommen. Er hat in der Hauptverhandlung bestätigt, daß er in dieser Aussage nicht gesagt hat, er sei Familienvater. Vielmehr bestätigte er, im Haus Hafenstraße 52 als Gast bei seiner Cousine gewohnt zu haben. Auch habe er in der Vernehmung am 19.01.1996 nicht behauptet, Streit mit Safwan Eid gehabt zu haben und habe auch nicht gesagt, daß an seine Wohnungstür Benzin geschüttet worden sei.

Der Inhalt des Haftbefehlantrages vom 20.01 96 steht im direkten Widerspruch zum Inhalt der einen Tag zuvor -am l9.0l l996- gemachten Zeugenaussage des Gustave Sossou. Daraus läßt sich der Schluß ziehen, daß dem Staatsanwalt Dr. Böckenhauer selbst das Erfinden einer Geschichte -von der das Gegenteil bereits in den Akten niedergeschrieben war- recht war, um den als letzten der Hausbewohner vom Dach des Hauses geretteten Safwan Eid zum Beschuldigten zu machen. Ohne die Verfälschung des Sachverhalts im Haftbefehlsantrag vom 20.01 1996 wäre ganz offensichtlich kein Haftbefehl gegen Safwan Eid erlassen worden.

Heinecke Klawitter
Rechtsanwältin Rechtsanwältin